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EDITORIAL Chefredakteur Dr. Rafael Ball Direktor der ETH-Bibliothek Zürich

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Bibliothek. Information. Technologie.

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EDITORIAL

Chefredakteur Dr. Rafael Ball Direktor der ETH-Bibliothek Zürich

„Institution Bibliothek“ und die politischen Perspektiven

Bibliotheken als wissenschaftliche, kulturelle und öffentliche Institutionen stehen immer auch im Blickfeld der Politik. Ohne vernünftige Bibliotheksgesetze bleibt die Öffentliche Bibliothek der Kommunen eine freiwil- lige Aufgabe und wird je nach Bedarf und politischer Wetterlage gegen andere freiwillige Leistungen wie den Betrieb von Sportplätzen, Spielplätzen oder Schwimm- bädern ausgespielt. Landes- und Staatsbibliotheken müssen sich oft im Wettbewerb mit anderen kulturellen Gedächtnisinstitutionen behaupten. Und wissenschaft- liche Bibliotheken laufen zunehmend Gefahr margi- nalisiert zu werden, wenn sie sich nur noch auf ihre Dienstleistungen berufen, die aber in Universitäten und Forschungseinrichtungen als kleine Einheiten schnell aufgelöst, umgebaut oder verteilt werden können.

Wenn die Vorstellung der Bibliothek als Institution verloren geht, heißt es nicht nur Abschied nehmen von der Sonderstellung einer Einrichtung der Kultur und des Wissens. Zunehmend löst sich auch die Identifikation der Bibliothekarinnen und Bibliothekare mit ihrer Bib- liothek als Institution auf, wenn die Verantwortung nur noch für jene Dienstleistungen übernommen wird, die gerade im jeweiligen Aufgabenfeld verortet sind. Der Stallgeruch der Bibliothek verschwindet zusehends und die Begeisterung der Kolleginnen und Kollegen, Biblio- thekarin oder Bibliothekar zu sein, wird ersetzt durch die Identifikation mit einer der vielfältigen konkreten Tätigkeiten, die zwar in unseren Bibliotheken heute mehr denn je gefragt sind, eine institutionelle Bindung und Anbindung aber oft vermissen lassen.

Es ist sicher mehr als ein sentimentaler Rückblick in alte Zeiten, als Bibliotheken noch unhinterfragte Institu- tionen waren. Das Standing einer Einrichtung einerseits und die Identifikation der Mitarbeiterinnen und Mit- arbeiter mit ihren Einrichtungen andererseits sind zentrale Voraussetzungen für überdurchschnittliche Leistungen und dauerhafte Stabilität und Sichtbarkeit.

Die immensen Investitionen der Privatunternehmen in das Branding der Firmen und die Vermittlung dessen, wofür das Unternehmen und alle ihre Mitarbeiter ste- hen, kann uns Vorbild sein, die Bibliothek nicht nur als die Summe ihrer (quantifizierbaren) Dienstleistungen zu definieren. Es wird höchste Zeit, dass wir auf Bibliothe-

kartagen und Bibliothekskongressen nicht nur Vorträge über social media, Forschungsdaten und digitale Platt- formen hören, sondern auch die Bedeutung von Begriff und Zukunft der Institution Bibliothek diskutieren.

Dass sich Wissenschaft und ihre politischen Vertreter mit dem Thema Bibliothek befassen, ist eher neu.

Bisher haben sich wissenschaftspolitische Gremien und Verbände vielleicht noch bei so grundlegenden Dingen wie der Entwicklung der Sondersammelgebiete oder der Gründung der großen Bibliotheksverbünde geäußert.

Seit Bibliotheken jedoch stärker in die Wertschöpfungs- ketten der Wissenschaft und Forschung eingebunden sind und sich zudem Forschungsförderer zunehmend als Entscheidungsträger gerieren und normative Vorga- ben machen, treffen sich die Interessen wieder öfter.

Man kann auch formulieren, dass sich die Bibliotheken noch stärker als bisher an diesen Vorgaben orientieren wollen oder müssen. Entscheidend ist aber, dass man voneinander Kenntnis bekommt und nimmt.

Wir haben deshalb in unserem Sommerinterview die Vorsitzende des Deutschen Wissenschaftsrates, Professor Dorothea Wagner für ein Gespräch über die digitale Transformation und andere wichtige Themen gewinnen können. Besonders dankbar sind wir natürlich für Ihre Aussage, dass sie es als Aufgabe von Bibliothe- ken sieht, Forschung zu ermöglichen, zu unterstützen oder gar eine forschende Bibliothek zu sein. Lesen Sie das Interview auf den Seiten 479 bis 489.

Auch eine Perspektive des Bundes zum digitalen Wandel lassen wir in der Analyse des strategischen Positionspapiers „Kulturen im digitalen Wandel“ zu Wort kommen. (Seite 490)

Hier wie dort sind es politische Perspektiven, die Einfluss nehmen auf Gegenwart und Zukunft unserer Bibliotheken. Wir sollten mittun und die Diskussionen mitbestimmen. Und das, wie bisher erfolgreich und aktiv durch Positionspapiere der Verbände und Einrich- tungen, gerne aber auch in der Diskussion über Sinn, Zweck und Bedeutung der „Institution Bibliothek“.

Herzlich Ihr Rafael Ball

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