14. Januar 2018 (Colloquio.de)
Restless-Legs-Syndrom:
Manchmal braucht der Patient „nur“ Eisen
Die dopaminerge Therapie gilt als erste Wahl beim Restless-Legs-Syndrom. Genauso gut und nachhaltiger kann in Einzelfällen eine Eisentherapie sein.
Mit 3-10 % der Bevölkerung gehört das Restless-Legs-Syndrom (RLS) zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.1 Das unwillkürliche Beinzucken mit Kribbeln, Druckschmerzen, Ziehen, Reißen und
Missempfindungen tritt vor allem in Ruhephasen auf.
Bewegung und Massage bringen in den meisten Fällen Linderung. Doch dafür sind die Patienten gezwungen aufzustehen und Umherzulaufen, was schlafraubend und nicht immer möglich ist. In 1-2 % der Fälle ist eine medikamentöse Therapie nötig. Das RLS gilt als häufige und oft übersehende Ursache von Schlafstörungen und Erschöpfung und erhöht das Risiko für Depressionen.2, 3
Vererbt oder symptomatisch
Aktuell sind 19 genetische Risikovarianten für das RLS bekannt (idiopathisches RLS). Vor allem Gene, die an der embryonalen Entwicklung des Nervensystems beteiligt sind. Die Symptome treten erst in späteren Lebensjahrzehnten auf, vermutlich getriggert durch andere
„Missstände“.4
Das sekundäre oder symptomatische RLS tritt als Begleiterscheinung von Grunderkrankung auf, von Eisenmangel, Niereninsuffizienz, Parkinson, Funktionsstörungen der Schilddrüse, Diabetes mellitus oder rheumatoider Arthritis. Auch Medikamente können RLS auslösen oder ein idiopatisches RLS verstärken, darunter trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika, Antiemetika, Lithium oder Koffein.2
Gestörter Dopamin-Stoffwechsel
Die Beteiligung des dopaminergen Systems, idiopathisch oder sekundär aus der Balance gebracht, gilt als gesichert. Untersuchungen zeigen vereinzelt, grenzwertig erniedrigte dopaminerge Rezeptorbindungen im Gehirn von RLS-Patienten und eine Übererregbarkeit absteigender dopaminerger spinaler Bahnen.5 Die Behandlung mit L-Dopa oder
Dopaminagonisten führt in der Regel schnell zu einem Nachlassen der Beschwerden.
Eiseninsuffizienz
Unzweifelhaft spielt auch eine Störung des Eisenstoffwechsels eine wichtige Rolle.6 Bei RLS- Formen, für die keine Ursache gefunden wird, fehlen spezifische Rezeptoren für den
Eisentransport in der Substantia nigra, was eine Eisen-Unterversorgung zur Folge hat.
Eisen-Insuffizienz im ZNS und/oder in der Peripherie sind mit dem RLS-Syndrom
vergesellschaftet, auch ohne Anämie. Schwangere, die gehäuft Eisendefizite aufweisen, leiden vermehrt unter dem RLS und eine Eisentherapie zeigt immer wieder gute Ergebnisse bei RLS-Patienten.2,5,6
Eisen hat eine Schlüsselposition
Professor Claudia Trenkwalder, Neurologin und Chefärztin der Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel, vermutet für Eisen eine Art Schlüsselrolle. Es ist an der Bildung des Enzyms
Tyrosinhydroxylase beteiligt, das im Gehirn für die Herstellung von Dopamin gebraucht wird.
Somit wäre eine Eisentherapie, bei gegebenen Defiziten, der kausale und nachhaltige Ansatz, während die dopaminerge Therapie symptomatisch ist.
Substitution bei Ferritin unter 45 µg/l gerechtfertigt
L-Dopa und Dopaminagonisten stehen als symptomatische Behandlung in den Leitlinien an erster Stelle. Eine generelle Empfehlung zur Eisensubstitution bei RLS besteht derzeit nicht, allerdings gilt sie ab einem Serum-Ferritin-Spiegel im unteren Normbereich (< 45 µg/l) als gerechtfertigt.
Nicht nur auf Dopaminausgleich setzen
Durch das schnelle Nachlassen der Beschwerden, ist die dopaminerge Therapie zweifelsfrei die ideale Bedarfsmedikation, etwa bei erzwungenen Ruhesituationen wie Theaterbesuchen, Flug- oder Busreisen, so Trenkwalder. Nach neuesten Erkenntnissen eignet sie sich aber nicht zur täglichen Anwendung als Dauertherapie, mahnt die Neurologin. Sie kann überdosiert zur Augmentation der Symptome führen und die Wirkung lässt mit der Zeit durch den
Gewöhnungseffekt nach.
Die Mitautorin der Leitlinie für das RLS warnt davor, nur auf den Dopaminausgleich zu setzen. Ältere Menschen zum Beispiel seien nach einer Hüft-OP aufgrund von Blutverlusten und Eisenmangel oft vom RLS betroffen. Sie brauchen keine dopaminerge Therapie. Sie brauchen Eisen, so Trenkwalder.
Quellen:
1. Berger K, Kurth T. RLS epidemiology – frequencies, risk factors and methods in population studies. Mov Disord 2007; 22 (Suppl. 18): S420–S423
2. Deutsche Restless Legs Vereinigung. http://www.restless-legs.org/
3. Lee HB et al. Restless legs syndrome is associated with DSM-IV-majot depressive disorder and panic disorder in the community. J. Neuropsychiatry Clin Neurosci (2008); 20 (1):101-105
4. Schormair B et al. Identification of novel risk loci for restless legs syndrome in genome-wide association studies in individuals of European ancestry: a meta-analysis.
Lancet (2017), Vol 16, No 11; p898-907
5. DGN-Leitfaden. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Restless- Legs-Syndrom (RLS) und Periodic Limb Movement Disorder (PLMD). Deutsche Gesellschaft für Neurologie 2012.
6. Allen RP, Earley CJ. The role of iron in restless legs syndrome. Mov Disord. 2007;22 Suppl 18:S440-8.