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Archiv "Zu wenig Tiefe" (27.06.2008)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 26⏐⏐27. Juni 2008 A1423

P O L I T I K

K

ein Augenarzt, kein Hautarzt, kein Orthopäde: Weil es in anderen Stadtteilen mehr zu ver- dienen gibt, kehren immer mehr Fachärzte Frankfurt-Fechenheim den Rücken“, schrieb die „Frankfur- ter Rundschau“ Ende 2007. Ein Re- dakteur hatte eine Podiumsdiskus- sion mit Ärzten, Politikern und auf- gebrachten Bürgern besucht und die Erkenntnis mitgenommen: So ist es in Fechenheim, und dagegen kann man nichts machen.

Andere versuchen, zumindest ein bisschen was dafür zu tun, dass die Ärzte dort arbeiten, wo die Patien- ten sind. So haben sich beispiels- weise in Thüringen die Kassenärzt- liche Vereinigung (KV) und die Krankenkassen vor Ort auf kleintei- ligere Planungsbezirke verständigt, wenn es um Fragen der Unterversor- gung geht. Die ursprüngliche Eintei- lung war wenig hilfreich. Was nutzt es kranken Thüringern, wenn sie in einem angeblich überversorgten Pla- nungsbereich leben, faktisch aber bloß in der Kreisstadt und nicht im Umland genug Ärzte praktizieren?

Kaum Psychoanalytiker für Dortmunder

„Fehlsteuerungen in der Bedarfs- planung“ registrierte Mitte Juni auch Dr. med. Christoph Straub, als er über die Behandlung psychischer Störungen sprach. Der stellvertreten- de Vorstandsvorsitzende der Tech- niker-Krankenkasse monierte, dass zum Beispiel manche Vollzeitpraxis- sitze mit Therapeuten besetzt seien, die nur Teilzeit arbeiteten. Dies führe zu Kapazitätsengpässen und langen Wartezeiten. Straub nannte noch ein weiteres Beispiel für eine unzurei- chende Planung und damit Patien- tenversorgung: „In einigen Regio- nen, zum Beispiel in Süddeutsch-

land, praktizieren sehr viele Psycho- analytiker. Dort sind auch überpro- portional viele unserer Versicherten in psychoanalytischer Betreuung. In und um Dortmund hingegen, wo es kaum Psychoanalytiker gibt, finden wir fast keine TK-Patienten, die ei- ne Psychoanalyse erhalten – aber eventuell eine benötigen würden.“

Alle drei Beispiele belegen: Die Bedarfsplanung, die grundsätzlich verhindern soll, dass es an einer Stel- le zu viele und an der anderen zu we- nig niedergelassene Ärzte und Psy- chologen gibt, funktioniert nicht.

Die Planungsbereiche sind zu groß oder zu eng an Landesgrenzen orien- tiert. Über- und Unterversorgungs- quoten erscheinen willkürlich. Die alten starren Vorgaben passen außer- dem nicht zu den neuen Freiheiten, die das Vertragsarztrechtänderungs- gesetz Ärzten und Psychologischen Psychotherapeuten einräumt.

„Niemand weiß demnächst, wo welcher Arzt etwas macht“, hat es unlängst Dr. jur. Rainer Hess im Rahmen einer Euroforum-Konfe- renz salopp zusammengefasst. Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bun- desausschusses verwies auf die viel- fältigen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen von Teilzulassungen, Halbtagsbeschäftigungen als ange- stellter Arzt oder der Möglichkeit, an mehreren Orten stundenweise tätig zu sein.

Trotz der vorgesehenen Arzt- und Betriebsstättennummern werde es Kassen und KVen seiner Ansicht nach künftig noch schwerer fallen, ein realistisches Bild der Versor- gung zu erhalten – und damit auch, sie zu steuern. Gleichzeitig brau- che man aber mehr denn je gute Planungsgrundlagen und genaue Kenntnisse über die ambulante Ver- sorgungsstruktur in Deutschland.

Denn schließlich sei geplant, die Niederlassung von Ärzten sowie die von ihnen erbrachten Leistungen viel stärker als heute durch finanziel- le Anreize zu steuern.

Schnelle Lösungen sind allerdings nicht in Sicht. Denn dazu müssten sich erstens KVen und Kassen- ärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit den Krankenkassen verständigen.

Zweitens sollte die Politik in Gestalt der Macher in Bundesgesundheitsmi- nisterium sowie Bundestag und Bun- desrat zu Gesetzesänderungen bereit sein. Danach sieht es derzeit jedoch nicht aus. Die umfangreichen Arbei- ten an anstehenden Veränderungen, wie beispielsweise dem Gesundheits- fonds und der neuen Gebührenord- nung für Vertragsärzte, absorbieren viele Kräfte. Dazu kommt die Träg- heit der Großen Koalition.

BEDARFSPLANUNG

Vor Ort ist alles anders

Vor 15 Jahren wurde die Bedarfsplanung neu geordnet. Nun gilt sie als überholt:

Wo tatsächlich Hausärztemangel herrscht oder wie ungleich Fachärzte innerhalb einer Großstadt verteilt sind, weiß oft keiner so genau. Damit fehlt die Basis für eine zukunftsweisende Steuerung. Es gibt aber Ansätze zur Verbesserung.

ZU WENIG TIEFE

Die Mängel der heutigen Bedarfsplanung lassen sich nicht zuletzt dadurch erklären, dass sie seinerzeit für eine ande- re Ausgangslage entwickelt wurden. Damals wurde die Bedarfsplanung neu konzipiert. Ziel war es, Überversor- gung zu definieren und festzustellen; daraus resultiert die arztgruppenbezogene Sperrung von Planungsbereichen.

Die Definition der Planungsbereiche orientiert sich seitdem an einem Raumgliederungsmodell. Eine ange- messene Versorgungszahl wurde aufgrund der Bevölke- rungs- und Arztzahlen zum Stichtag 31.12.1990 berech- net. Später wurde die Bedarfsplanung auf Arztgruppen wie beispielsweise Anästhesisten und auf die Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsycho- therapeuten ausgedehnt.

Grundsätzlich greift die Bedarfsplanung insofern, als sich weniger Ärztinnen und Ärzte neu niederlassen und sie sich insgesamt gleichmäßiger im Land verteilen. Doch die Zahlen suggerieren eine gute Versorgung, wo bereits Mangel herrscht, und erlauben keinen sinnvollen tieferen Einblick ins Versorgungsgeschehen. Rie

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A1424 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 26⏐⏐27. Juni 2008

P O L I T I K

Gleichwohl arbeitet die Kassen- ärztliche Bundesvereinigung seit einer Weile daran, die Grundlagen der Bedarfsplanung zu verbessern.

„Was bislang fehlte, sind strategi- sche Konzepte, um unter veränder- ten Vorzeichen die Sicherstellung der Versorgung zu organisieren“, sagt Dr. rer. pol. Thomas Kopetsch, bei der KBV zuständig für Fragen der Versorgungsplanung. Um zu er- kennen, wo ein Mangel herrsche und wie er behoben werden könnte, müsste man nach seiner Ansicht viel kleinteiliger als bisher analy- sieren: Wo genau leben Patienten?

An welchen Orten in ihrem Umfeld befinden sich Arztpraxen, und wel- che Kapazitäten haben sie? Wie steht es mit den Verkehrswegen, und wie gut erreichbar ist das Ange- bot? Auf Basis solcher Daten ließe sich dann auch viel besser als heute simulieren, an welchem Ort eine neue Praxis sinnvoll wäre, mit wie vielen Patienten ein Arzt rechnen könnte und wie sich die Neugrün- dung auf die Kollegen auswirken würde.

KBV hat einen flexiblen Baukasten entwickelt

Kopetsch hat mit seinen Mitar- beitern einen flexiblen Baukasten für den Computer mit dem Namen

„Applikation zur kleinräumigen Versorgungsanalyse“ entwickelt.

Derzeit testen alle KVen, ob und wie er die Bedarfsplanung verbessern und welche Hilfe er beispielsweise für Niederlassungsberatungen sein könnte. Außerdem wirbt die KBV bei ihren Vertragspartnern und der Politik für das neue Tool.

Die Versorgung, davon ist Ko- petsch überzeugt, ließe sich so bes- ser steuern als heute. Doch andere Probleme, das weiß er wohl, be- kommt man damit nicht gelöst. Da- zu zählt beispielsweise die Ent- scheidung eines wachsenden Teils der jungen Ärztinnen und Ärzte, nicht in die Patientenversorgung zu gehen. Dennoch: Eine verbesser- te Bedarfsplanung wäre sinnvoll.

Denn eine wohnortnahe, patienten- gerechte ambulante Versorgung zu organisieren, wird in Zukunft noch

schwerer werden. I

Sabine Rieser

N

ach Spekulationen in den letzten Tagen über ein mögli- ches Ende der privaten Krankenver- sicherung (PKV) in ihrer jetzigen Form, ist der Branchenverband der Privatversicherer jetzt in die Offen- sive gegangen. Die Mitgliederver- sammlung des Verbands sprach sich einstimmig für den weiteren Ausbau der privaten Vollversicherung aus.

„Niemand in der PKV will die Voll- versicherung aufgeben“, sagte Ver- bandschef Reinhold Schulte nach dem Mitgliedstreffen am 18. Juni in Berlin.

Schulte trat damit Berichten ent- gegen, der PKV-Verband stehe vor einer Spaltung. Auslöser für die Spekulationen war ein internes Pa- pier der Versicherungskonzerne Al- lianz, Axa und Ergo, in dem ein ra- dikaler Umbau des Krankenversi- cherungssystems hin zu einer Ein- heitskasse von PKV und gesetzli- cher Krankenversicherung (GKV) mit Grundversorgung vorgeschla- gen wird (DÄ, Heft 25/2008). Nach dem Modell sollen sich die Bürger über Zusatzpolicen gegen bestimm- te Krankheitsrisiken absichern kön- nen. Vor allem kleine Unternehmen wiesen diese Vorschläge zurück.

Ärzte fordern PKV zu Geschlossenheit auf

Kritik kam auch von den Ärzten.

„Der Deutsche Ärztetag hat sich vor wenigen Wochen gegen eine An- gleichung von privater und gesetz- licher Krankenversicherung ge- wandt. Von den Unternehmen der PKV sollten wir dieselbe Geschlos- senheit erwarten dürfen“, sagte Dr.

med. Franz Gadomski, Vorsitzender des Ausschusses „Gebührenord- nung“ der Bundesärztekammer.

Derweil ist Schulte um Scha- densbegrenzung bemüht. Es hande-

le sich um ein Arbeitspapier, in dem Szenarien für eine Weiterentwick- lung des Versicherungssystems durchgespielt worden seien. Seinen Ärger über die brisanten Planspiele konnte er jedoch nicht verhehlen:

„Manche Arbeitspapiere sind gut und manche nur interessant.“

Großkonzerne streben nach neuen Geschäftsfeldern

Das passt zu Gerüchten, dass es in- nerhalb des PKV-Verbands kräftig rumoren soll. Schon lange ist be- kannt, dass sich große Mitgliedsun- ternehmen eine Neuordnung des Versicherungsmarkts gut vorstellen können. Die Gründe sind vielfältig.

So steigen die Kosten für ambulante und stationäre Leistungen und mit ihnen die Prämien. Für potenzielle Kunden verliert die Vollversiche- rung damit an Attraktivität. Dies gilt umso mehr, seitdem der Gesetz- geber die PKV mit der jüngsten Ge- sundheitsreform dazu verpflichtet hat, künftig einen Basistarif anzu- bieten. In der Folge konnten die Pri- vaten 2007 nur 60 000 Neukunden werben – das ist nur halb soviel wie im Jahr zuvor.

Verständlich, dass sich die Versi- cherungsmultis nach neuen Feldern im Zusatzpolicengeschäft umsehen.

Weil diese Unternehmen breit auf- gestellt sind, ist ein Systemwechsel für sie weniger riskant als für reine Krankenversicherer. Das Arbeitspa- pier kann man insofern als „Ver- suchsballon“ interpretieren, mit dem die Reaktionen auf den Radi- kalvorschlag getestet werden sollen.

Es kann aber auch als Signal an die Politik gewertet werden, dass man einem Umbau des Versicherungs- systems nach niederländischem Vorbild nicht abgeneigt ist. I Samir Rabbata

PRIVATE KRANKENVERSICHERUNG

Demonstrierte Einigkeit

PKV-Verbandschef Schulte müht sich, Vorschläge aus

den eigenen Reihen für einen Systemwechsel herunter-

zuspielen und plädiert für einen Ausbau der Vollver-

sicherung. Noch folgen ihm alle Mitgliedsunternehmen.

Referenzen

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