• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Warnung vor privaten Laser-Instituten: Lichtblitze mit eingebautem Gebührenzähler" (06.06.1994)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Warnung vor privaten Laser-Instituten: Lichtblitze mit eingebautem Gebührenzähler" (06.06.1994)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

THEMEN DER ZEIT

Während die kassenärztliche Zwangsjacke immer enger geschnürt wird, expandiert vor dem Fenster der Arztpraxis ein privater Konsummarkt für Gesundheit, von dem der Kassen- arzt ausgeschlossen ist. Die Chance nehmen andere beim Schopf. Es sind außerärztliche Heiler, die angetreten sind, die Sehnsucht vieler Menschen nach alternativen, „sanften" Formen der Heilbehandlung zu erfüllen. Die Anzahl der Patientenkontakte allein durch die schätzungsweise 10 000 Köpfe starke Fraktion der Heilprak- tiker wird mit jährlich 15 bis 18 Mil- lionen beziffert.

Im zunehmend eskalierenden Verteilungskampf stehend, sucht der eine oder andere Schulmediziner nach Neuorientierung, schaut sich um nach neuen ärztlichen Wirkungs- möglichkeiten. Ein Beispiel dafür ist der Arzt für „dermale Fitneß", der sich den Pigmentveränderungen sei- ner eitlen, konsumfreudigen Klien- ten annimmt. Da mittlerweile fast je- des Haardesign-Institut, wie der Fri- seurladen sich heute nennt, einem High-Tech-Studio gleicht, bedarf auch das Behandlungszentrum für Sommersprossen eines entsprechen- den Outfits. Nichts käme dem Image gelegener als der Laser.

Diese Marktlücke ist es, die Mi- chael Kreiner bewogen hat, den La- ser-Arzt für dermale Fitneß aus der Taufe zu heben. Sein Angebot, kund- getan in einem fünfseitigen Arzt- schreiben, ist verführerisch. Umsätze in der Größenordnung von fast einer Million DM jährlich werden dem Arzt in Aussicht gestellt. Selbst Ge- bietsschutz soll garantiert sein. Allen Ärzten, die sich zur Behandlung der Haut berufen fühlen, stellt Kreiner, Arzt und Geschäftsführer der Firma

„Meditec, Gesellschaft für medizini- sche Technologien und Dienstlei-

AUFSÄTZE

stungen mbH" aus dem hessischen Braunfels, traumhafte Umsätze in Aussicht (nicht zu verwechseln mit der Laser-Firma Aesculap-Meditec).

Als „absolut realistisch" bezeichnet er eine Kosten-Nutzenanalyse, nach der Umsätze in der Größenordnung von 60 000 bis 80 000 DM im Monat mit der dermalen Laser-Behandlung erzielbar seien.

Der zum Laser-Kosmetiker be- rufene Arzt braucht nichts weiter zu tun, als sich die „echte Innovation"

anzuschaffen — einen rund 236 000 DM teuren Rubin-Laser, mit dem er Sommersprossen und Leberflecke, Muttermale und Tätowierungen be- seitigt. Grundlage der verheißungs- vollen betriebswirtschaftlichen Rech- nung ist eine Studie aus England.

Was in England möglich ist, müßte auch in der reichen Bundesrepublik realisierbar sein. So eröffnete Krei- ner Anfang 1994 in Wetzlar das „La- serase Zentrum", um — assistiert von einem Arzt im Praktikum — kosmeti- sche Laser-Behandlungen durchzu- führen. Weitere Zentren in Koblenz und München sollen folgen. Techni- sche Basis ist ein gütegeschalteter (q- switched) Rubin-Laser der engli- schen Firma „Laserase", mit dem die Palette dermaler Verunzierungen wirkungsvoller angegangen werden soll, als es mit den bisherigen Laser- Systemen der Fall sei. Doch so neu ist die „echte Innovation" nicht. Der gepulste Rubin-Farbstoff-Laser ist die Urmutter aller Laser und erblick- te bereits 1962/63 das kohärente Licht der Dermatologie. Und in Form des Riesenimpuls-Lasers ist er auch schon recht betagt: mindestens 15 Jahre gibt es den gütegeschalteten Rubin-Laser bereits.

Das Prinzip: Der Laser gibt zeit- lich extrem kurze Lichtimpulse rela- tiv hoher Energiedichte im dunkelro-

ten Frequenzbereich ab. Die kurzen Impulse lösen athermische optoaku- stische Effekte aus, vergleichbar de- nen von mechanischen Stoßwellen.

Die Folge: Die Kollagenkapseln zer- platzen, Hautpigmente fraktionieren und werden vom körpereignen Ma- krophagen phagozytiert.

Rund 236 000 DM muß der um- worbene Arzt auf den Tisch legen, will er der lukrativen Botschaft von Meditec Folge leisten. Für das weit- gehend gleiche Gerät verlangt der Nürnberger Konkurrent, die Firma NWL, rund 180 000 DM. Dabei be- ziehen beide Firmen wesentliche Komponenten des Rubin-Lasers von dem englischen Zulieferer „Spec- tron". Professor Gerhard Müller, Geschäftsführer des Laser-Medizin- Zentrums Berlin, wundert sich über die Preisgestaltung. Er hält rund 50 000 DM für ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Doch selbst wenn der Laser gün- stiger zu haben wäre, dem Arzt bleibt die kassenärztliche Abrechnung ver- sagt. Für jede Behandlung muß er den Patienten zur Kasse bitten. Da- mit genug Geld in die Kasse kommt, bedarf es außergewöhnlicher An- strengungen. So empfiehlt Meditec ihrer ärztlichen Kundschaft, gut 30 000 DM auf die hohe Kante zu le- gen — jährlich. So hoch werden die laufenden Werbe- und PR-Maßnah- men veranschlagt. Und um dem in Werbeangelegenheiten unerfahren- en Arzt unter die Arme zu greifen, dient Meditec ihm ihre Dienste an.

Auszug aus dem Leistungsangebot:

„Eingehende Beratung zu den Mar- ketingmöglichkeiten, erprobtes Wer- bekonzept, Angebot der Schaltung von Werbemaßnahmen".

Kauft oder least der Arzt den sündhaft teuren Rubin-Laser, kommt das Kleingedruckte zur Anwendung.

Nun muß, nein darf der Arzt dem Unternehmen fünf Jahren lang mo- natlich fünf Prozent seines „mit dem Gerät erzielten Umsatzes" auf das Meditec-Konto überweisen — maxi- mal 1 000 DM im Monat. Nach Ab- lauf des Vertrages hat sich so eine Nachgebühr von 60 000 DM ange- sammelt. Die Gegenleistung: fast nichts, was in den Lieferbedingungen der medizintechnischen Branche nicht ohnehin selbstverständlich ist.

Warnung vor privaten Laser-Instituten

Lichtblitze mit eingebautem

Gebührenzähler

Deutsches Arzteblatt 91, Heft 22/23, 6. Juni 1994 (93) A-1653

(2)

THEMEN DER ZEIT

Einen anderen Gebührenweg beim Laser-Geräte-Leasing hat sich die amerikanische Firma „Spectrum"

einfallen lassen. Ein Chip, imple- mentiert in das Laser-Gerät, regi- striert jeden Laserschuß. Vergleich- bar dem Gebührenzähler am Tele- fon, muß der Arzt für jeden Schuß bezahlen. Hohe Laserblitz-Zahlen werden prämiert, durch gestaffelte Gebühren. Was in den USA möglich ist, muß auch in Deutschland durch- setzungfähig sein, meint die Firma

„Candela" und macht ebenfalls von der Laser-Gebühreneinzugsmethode Gebrauch.

Wie immer auch die Vertragsbe- dingungen gestaltet sind, am Ende könnte der Arzt drauflegen. Immer wieder, sagt der Laser-Experte und Arzt Prof. Hans-Peter Berlien, medi- zinischer Direktor des Laser-Medi- zin-Zentrums GmbH in Berlin, müs- se er es erleben, daß verzweifelte Ärzte ihn konsultieren, weil sie den kommerziellen Verheißungen trotz eindringlicher Warnung erlegen seien.

So bleibt es nicht aus, daß über- zogene Erwartungen zu finanziellen Engpässen führen, die der hochver- schuldete Arzt durch eine Auswei- tung der Indikation zu kompensieren versucht. Wenn die medizinische In- dikation durch Gewinnstreben er- setzt werde, warnt Berlien, werde das

„zarte Pflänzchen der seriösen Laser- anwendung zerstört". Die Gefahr der Indikationsausweitung ist durchaus real, zumal der Rubin-Laser eigent- lich ernüchternd wenig zu bieten hat.

Bei dermalen Gefäßfehl- und Gefäß- neubildungen, einem Indikationsge- biet, wo der Laser die Therapie enorm erweitert hat, hat der Rubin- Ableger nichts zu suchen. Hier reüs- sieren der blitzlampengepulste Farb- stoff-Laser und der Argon-Laser mit imponierenden Erfolgen. Was dem Rubin-Laser bleibt, sind Tätowierun- gen und diverse Pigementstörungen

— allesamt nichtvaskularisierte Hautveränderungen.

Altersflecken und Sommerspros- sen, attestiert Prof. Michael Land- thaler (Universitätsklinik Regens- burg) dem Rubin-Laser, könnten durchaus angegangen werden. Doch ob der Behandlung langfristiger Er- folg beschieden ist, sei fragwürdig.

AUFSÄTZE

Demgegenüber sollten Leberfleck und Muttermal, zwei weitere Indika- tionen, die Meditec in ihrem Pro- spekt besonders herausstellt, tabu sein. Landthaler: „Das halte ich für sehr gefährlich" — hinter der Dia- gnose Muttermal könnte sich ein Me- lanom verbergen.

Einmalig, dafür sitzungsreich, ist die Laser-Anwendung bei Tätowie- rungen. Es sind ihres Körper- schmucks überdrüssige Personen, mit denen Mediziner geködert werden sollen. Hier liege ein gewaltiges Pa- tientenpotential mit hohem Leidens- druck, wird den potentiellen Anwen- dern suggeriert.

„Das Narbenrisiko ist äußerst gering", sagt der in Sigmaringen nie- dergelassene Dermatologe und Vor- sitzende der Deutschen Gesellschaft für dermatologische Lasertherapie, Dr. Uwe Voll, der in dem gütege- schalteten Rubin-Laser eine „sehr elegante Methode" sieht, Tätowie- rungen zu beseitigen. Und auch sein in Darmstadt niedergelassener Kol- lege, Dr. Wilfried Seipp, will nicht ausschließen, daß hier der gütege- schaltete Rubin-Laser bessere kos- metische Ergebnisse erzielen könnte als andere Laser-Verfahren.

Tätowierungen:

Äußerst problematisch Doch ob mit der Entfernung von Tätowierungen der Arzt sein Aus- kommen finden kann, ist mehr als fraglich. Im Gegensatz zu den anglo- amerikanischen Ländern werden die Pigmentkunstwerke in Deutschland weitgehend von Amateuren durchge- führt. Es sind obskure Tusche-Mixtu- ren, die mit völlig unzureichenden Methoden in die Haut eingebracht wurden. Insbesondere die Knast-Tä- towierungen sind äußerst problema- tisch. In Ermangelung von Nadeln greifen die Häftlinge zu abstrusen Methoden, gebrauchen abgebroche- ne Fahrradspeichen, benutzen ange- schliffene Gabeln.

Derart tief in die Haut einge- drungen, werden die Pigmente mit dem Laser kaum oder nicht mehr er- reicht. Die Folge: Narben bleiben zu- rück, was die unter Leidensdruck ste- henden Patienten meist auch notge-

drungen akzeptieren. Die eindrucks- vollen Laser-Erfolge, von Firmen in Hochglanzprospekten zur Schau ge- stellt, bleiben für die Mehrzahl der Patienten Illusion. Alternativ bleibt nur noch die Hauttransplantation üb- rig, die jedoch auch kein makelloses kosmetisches Ergebnis vollbringen kann.

Wer sich seine Amateur-Täto- wierungen mit dem Laser behandeln läßt, muß mit Narben rechnen.

Seipp: „Eine Tätowierungsbeseiti- gung ohne Narbenbildung gibt es nicht." Dafür seien Bindegewebswu- cherungen, sogenannte Keloide, durchaus vermeidbar. Sowohl mit dem Kohlendioxyd-Laser als auch mit dem Argon-Laser „sind ganz gute Ergebnisse zu erreichen". Diese bei- den Laser-Typen, die sowohl Seipp als auch Berlien und Landthaler ein- setzen, sind thermisch wirkende La- ser. Sie koagulieren oder vaporisie- ren die mit Tusche-Pigmenten ange- reicherten Kollagenkapseln der Tä- towierung. Hier werden die Pigmente mittels Wundsekretion über den Hautdefekt nach außen ausgeschie- den.

Der im Vergleich zum bewähr- ten Argon-Laser unverhältnismäßig teure gütegeschaltete Rubin-Laser funktioniert nach einem anderen Prinzip. Er sprengt auf athermischem Wege die Kollagenkapseln und setzt die in ihnen eingeschlossenen Farb- stoffe frei. Diese nun so freigesetzten Farbpigmente werden nicht nach au- ßen abgestoßen, sondern vom Im- munsystem phagozytiert. Dieser Wirkmechanismus mag möglicher- weise ein besseres kosmetisches Er- gebnis liefern, birgt jedoch eine weit- hin unbeachtete Gefahr in sich.

Mit welchen Farbsubstanzen die Laien-Tätowierung ausgeführt wur- de, ist weder dem Patienten noch dem Arzt bekannt. Ob es reiner, in- nerter und somit unschädlicher Ruß ist, ob es harmlose Nahrungsmittel- farbe ist oder ob nun toxische Hor- ror-Pigmente mit einem hohen Aller- giepotential freigesetzt werden — der Laser-Einsatz wird, folgert Ber- lien, „zu einem äußerst gefährlichen Geschäft". Berlien: „Ich kann nur je- den warnen, diese Art der Behand- lung durchführen zu lassen."

Claus Schwing A-1654 (94) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 22/23, 6. Juni 1994

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

תולח תחא רואל תחאו ןהכל וניא יכ סא ידכ אלש חכתשת תרות ,הלח שרסמדכ. תורוכבב 1. ןידבו אוה תלחד רואה אל הוה והל

Es ist verständlich, daß eine Ta- gesklinik diesen Aufgaben nicht mit dem noch immer üblichen Personal- zuschnitt von einem Arzt für 17 und einer Schwester für 2,1 Patienten

Die Rolle des Arztes, vor al- lem im Hinblick auf „das an ihn gestellte Ansinnen, kraft seines Amtes bei der Abtrei- bung durch Indikationsstel- lung oder Vollstreckung

Mult. Der Mathematiker Carl Friedrich Gauß musste, als er Sch¨uler war, die Zahlen von 1 bis 100 addieren.. Dividend und Divisor beide um etwa ein

Wird diese Forderung als eine vorgegebene Entscheidung akzep- tiert, daß nämlich die Befähigung zur Berufsausübung beim Ausbil- dungsabschluß erreicht und nicht erst

Häu- fig ist die Kreditlaufzeit jedoch weit- aus länger, sodass die Finanzierung einer Ersatzinvestition bereits wie- der erforderlich wird, obwohl der bisherige Kredit noch

Er läßt seine Überzeugung verbrei- ten, „Arbeitsmarktprobleme für Mediziner wird es auf absehbare Zeit nicht geben", und macht dazu folgende Rechnung auf: Die

Beschr¨anken Sie das Programm auf Funktionen und Intervalle, bei denen die Funktion im angegebenen Intervall die x-Achse genau einmal schneidet.