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Archiv "Müllflut durch Sparen an Verpackung eindämmen!" (20.09.1990)

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AKTUELLE POLITIK

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Verordnung des Umweltministers macht Druck

ehr als 30 Milliarden

M

DM Jahresumsatz er- zielt die Verpackungsin- dustrie in der Bundesre- publik Deutschland. Der Preis dafiir ist hoch: Mehr als zehn Millionen Tonnen Verpackungsmüll jährlich.

Das ist ein Drittel des Gesamtge- wichts des bundesdeutschen Müll- bergs. Und die Verpackungsindu- strie wächst weiter. Fast jedes Pro- dukt ist mindestens doppelt von Pla- stikfolien, Pappschachteln oder Sta- niolpapier umhüllt. Selbst die Bier- brauereien haben der einfachen und sinnvollen Verpackung „Glasfla- sche" noch eins drauf gesetzt: Silber- ne und goldene Aluminiumfolien verzieren bei vielen Sorten die Fla- schenhälse und sollen den Eindruck von Exklusivität erwecken. Eine mit- telgroße Brauerei beispielsweise braucht dafür im Jahr rund 30 Ton- nen Aluminium, das mit viel Auf- wand an Energie hergestellt werden muß und derzeit nicht zu recyclen ist.

Gegen die Verpackungsflut will Bundesumweltminister Prof. Dr.

Klaus Töpfer jetzt massiv vorgehen.

Er hat eine „Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfäl- len" vorgelegt, mit der er die Indu- strie zwingen will, leere Verpackun- gen zurückzunehmen und zu verwer- ten. Ziel: Verpackungen einzusparen.

Verpackungen, die im klinischen Bereich anfallen, bleiben davon al- lerdings unberührt. Sterilität und Hygiene gehen nun einmal vor. Doch auch dort läßt sich Müll vermeiden und umweltschonend entsorgen, wie ein gemeinsames Projekt des Bun- desumweltamtes und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zeigt.

• Mit seinem Verordnungsent- wurf über Verpackungsabfälle hat sich Bundesumweltminister Töpfer (CDU) heftiger Kritik von Einzel- handel, Warenhäusern, mittelständi- schen Betrieben und vor allem von der Verpackungsindustrie ausge- setzt. Der Grund: Zum ersten Mal in der Geschichte der Industrieproduk- tion sollen diejenigen künftig den Müll beseitigen, die ihn herstellen

Müllflut durch Sparen an Verpackung

eindämmen!

Umweltschutz durch Abfallvermeidung auch

in Praxis und Klinik

und nicht die öffentlichen Entsor- gungsbetriebe.

• Das bedeutet: Hersteller müs- sen Transportverpackungen von den Geschäften zurücknehmen, an die sie liefern, und Geschäfte müssen Verpackungen der Produkte zurück- nehmen, die sie verkaufen und wei- ter an die Hersteller zurückführen.

Der Verbraucher soll nach Töpfers Vorstellungen Verpackungen gleich im Geschäft lassen oder nach Ge- brauch dahin zurückbringen können.

• Hersteller sollen Verpak- kungsabfall stofflich verwerten, nach Möglichkeit wiederverwenden. Da- mit an die Hersteller auch Verpak- kungen zurückkommen, die nicht wiederverwendbar sind, will Töpfer ein Zwangspfand auf Getränkever- packungen, Verpackungen von Wasch- und Reinigungsmitteln und auf Verpackungen aller schadstoff- haltigen Produkte. Auch diese Pro- dukthüllen müssen Hersteller dann selbst entsorgen. Dadurch, so hofft der Minister, werde die Industrie schnell auf nicht recyclefähige Ver- packungen verzichten.

Das Groß- und Einzelhandels- verbände, Mittelstand und Verpak- kungsindustrie gegen eine solche Re- gelung Sturm laufen, war zu erwar-

ten. Unlängst fand im Bonner Bun- desumweltministerium eine Anhö- rung mit mehr als 130 (!) Verbänden und Institutionen statt, in der die Kritik an der Verordnung laut wur- de. Vor allem bemängelten die Be- troffenen, daß die Geschäfte sämtli- che Verpackungen zurücknehmen sollen. Deren Meinung: Wegen feh- lender Raumkapazität und aus Hy- gienegründen kann der Handel da- bei nicht mitspielen. Ein Vertreter des Bundesverbandes der Filialbe- triebe und Selbstbedienungswaren- häuser e. V. (BFS) sagte: „Diese Verordnung wird scheitern, weil sie nicht realisierbar ist."

Handelsunternehmen und Indu- strie setzen auf das „duale Abfallent- sorgungskonzept", das auch schon die Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU (MIT) vorgeschlagen hat- te: Verpackungen, die stofflich wie- derverwertet werden können, sollen einen grünen Punkt erhalten und nach Gebrauch in speziellen Behäl- tern gesammelt werden. Private Un- ternehmen stellen die Behälter auf, sortieren die gebrauchten Verpak- kungen und bringen sie der Industrie zurück. Der grüne Punkt soll Ver- braucher darauf hinweisen, daß eine so gekennzeichnete Verpackung nicht in der kommunalen Mülltonne landen darf, sondern nur in den Sammelbehälter. Die müssen nach Meinung der Mittelstandsvereini- gung von jedem Haushalt möglichst schnell erreichbar sein. Durch dieses Konzept werde der Verbraucher zum aktiven Umweltschutz bewegt, glaubt die MIT.

Die Kosten des „dualen Sy- stems" werden sich nach Berechnun- gen des BFS auf rund 1,5 Milliarden DM je Jahr und etwa zwei Pfennig je Verpackung belaufen. Zunächst wol- len Handel und Industrie dafür auf- kommen Auf Dauer ließen sich hö- here Endverbraucherpreise jedoch nicht vermeiden, meint der BFS.

Ein weiterer erhoffter Vorteil des „dualen Systems": Der Handel könne die Industrie dazu bewegen, nur noch stofflich verwertbare Ver- packungen zu benutzen. Der BFS:

„Wenn die Händler nur noch Pro- dukte mit grünem Punkt abnehmen, wird sich die Industrie schnell darauf einstellen."

Dt. Ärztebl. 87, Heft 38, 20. September 1990 (19) A-2783

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Trotzdem will der Bundesum- weltminister an seinem Verord- nungsentwurf festhalten ·und ihn so- gar verschärfen. Zwar soll die private Wirtschaft die Verordnung umgehen können, wenn sie ein gleichwertiges

"duales System" schafft. Doch Töp- fer meint, nur durch die verbrau- cherfreundliche Regelung, Verpak- kungsabfall im Geschäft zu lassen und durch das Zwangspfand sei ge- währleistet, daß so viel Abfall wie möglich an die Hersteller zurück- komme. "Die Unternehmen werden schnell merken, wie teuer es ist, Ab- fall selbst durch stoffliche Verwer- tung zu beseitigen und schnell weni- ger aufwendig verpacken", meint Töpfer. Die stoffliche Verwertung will er in der Verordnung festschrei- ben: Die Kunststoff- und Papierin- dustrie müsse schnell effektive Re- cycling-Anlagen bereitstellen. Mo- mentan gebe es noch nicht ausrei- chend viele. Verbrennung von ge- brauchten Verpackungen will der Minister nur dann zulassen, wenn sie die "ökologisch sinnvollere Lösung"

sei, zum Beispiel bei Verpackungen schadstoffhaltiger Produkte.

Der Anteil der Mehrwegsysteme bei Getränkeflaschen soll weiter aus- gebaut werden. Zur Zeit werden nach Meinung des Ressortministers immer noch zu viele Glasflaschen in der kommunalen Mülltonne ent- sorgt.

..,.. Das Bundesumweltministeri- um geht davon aus, daß diese Ver- ordnung den Müllberg um jährlich sieben bis zehn Millionen Tonnen entlasten würde. Vor allem dann, wenn sie um einen Punkt ergänzt wird, den Töpfer sich nach der An- hörung im Ministerium ausgedacht hat: Er will auch die Druckindustrie dazu zwingen, ihre Produkte zurück- zunehmen und stofflich zu verwer- ten.

Die Deutsche Krankenhausge- sellschaft will sich zum Umweltschutz nicht zwingen lassen. Mit finanzieller Förderung des Bundesumweltamtes hat sie bereits im vergangeneo Jahr an verschiedenen Krankenhäusern ein Pilot-Projekt gestartet, über das im Teil "Themen der Zeit" dieses Heftes (Aktion "Blauer Engel" auch im Krankenhaus) gesondert berich-

tet wird. HB/C

Freie Berufe/DDR

Chancen für die Niederlassung?

Werden Start- tmd Existenz- bedingungen drüben erschwert, wird nichts aus "dem Boom"

In der bislang zentral-verwal- tungswirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft der (Noch-)DDR haben die Freien Berufe und die Selbständigen nur eine untergeord- nete und sehr marginale Rolle ge- spielt. Dies ist denn auch nicht ver- wunderlich, paßten doch die tradi- tionell individualistisch und "non- konformistisch" agierenden Freibe- rufler, die Akademiker, die "Intelli- genzler" einfach nicht in das soziali- stische Weltbild, in den staatsomni- potent gesteuerten und politisch dicht verflochtenen Wirtschafts- apparat.

Das bisherige Kümmerdasein der Freiberufler in der DDR, einmal kurz statistisch beleuchtet: Heute gibt es kaum mehr als 4000 freiberuf- lich tätige Personen Qedenfalls nach den Kriterien der Bundesrepublik).

Unter ihnen befinden sich rund 500 niedergelassene Ärzte, knapp 500 Zahnärzte, 10 Tierärzte, 28 Apothe- ker, an die 600 Rechtsanwälte, etwa 300 Helfer in Steuersachen, rund 800 Architekten und (der Rest) eine nicht exakt bekannte Zahl an Schrift- stellern, Journalisten, Künstlern, Fo- tografen, Schauspielern, Musikern, Physiotherapeuten und anderen.

Anteil: 0,05 Prozent ...

Mit diesen vom Bundesverband der Freien Berufe (BFB), Bann, ge- schätzten Zahlen kontrastieren die Angaben der Staatlichen Zentralver- waltung für Statistik des Ministerra- tes der DDR in Berlin (Ost). Danach soll es zu Beginn des IV. Quartals 1989 in der DDR insgesamt 15 772 freiberuflich tätige Personen (unter ihnen 6285 Frauen) gegeben haben.

A-2784 (20) Dt. Ärztebl. 87, Heft 38, 20. September 1990

Allerdings richtet sich die Zuord- nung zur freiberuflichen Tätigkeit in der DDR bislang ausschließlich nach der Fonn der Besteuerung und- hilfs- weise - der Erteilung der Berufsgeneh- migung zur freiberuflichen Tätigkeit.

Der DDR-Begriff des Freiberuflers weicht definitorisch von dem enger gefaßten Begriff in der Bundesrepu- blik Deutschland ab.

Nach der Statistik des BFB er- gibt sich folgendes Bild: Bei 61 Mil- lionen Einwohnern in der Bundes- republik sind rund 400 000 Freibe- rufler und Selbständige tätig, die mehr als eine Million Arbeitnehmer in ihren Praxen, Kanzleien, Ateliers und Büros beschäftigen (rund fünf Prozent der Erwerbstätigen in der Bundesrepublik). Bei gut acht Mil- lionen Erwerbstätigen in der heuti- gen DDR dagegen (rund 30 Millio- nen in der Bundesrepublik) beträgt der Anteil der freiberuflich tätigen Personen im anderen Teil Deutsch- lands nur 0,05 Prozent. Würde man die Zahlen aus der Bundesrepublik Deutschland analog auf das Terri- torium der heutigen DDR und de- ren Bevölkerungszahl umrechnen, wäre dort rein rechnerisch Platz für etwa 100 000 freiberuflich tätige Personen, die wiederum rund 250 000 Arbeitnehmer beschäftigen könnten.

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Werden dort aber die Start- chancen und Existenzbedingungen für den Wechsel vom Angestellten- in den Freiberuflerstatus erschwert, dann wird es wohl nichts mit dem er- hofften (und erwarteten) Freiberuf- ler-Boom.

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Ein Negativbeispiel dafür, wie der Sprung in die freie Praxis er- schwert werden soll: Nach dem "Ei- nigungsvertrag" will man drüben die Gebühren für ärztliche und zahn- ärztliche (Privat)Leistungen per 1.

Januar 1991 auf 45 Prozent (!) der Sätze in der Bundesrepublik begren- zen. Und die Krankenkassen werden ermuntert, gleichlautende Knebe- lungs-Verträge mit den "Leistungs- anbietern" abzuschließen.

Frage: Sollen etwa die Freibe- rufler in der dann ehemaligen DDR den viel beschworenen "Solidarbei- trag zur Einheit" (Norbert Blüm) ganz allein und ohne Refinanzie- rungsmöglichkeiten erbringen? HC

Referenzen

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