DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
URZBERICHTE
ach einer Mitteilung der WHO wird seit Ende No- vember 1989 in verschie- denen Regionen Großbri- tanniens eine deutliche Zunahme von Influenza-(Virusgrippe-)Erkran- kungen beobachtet; in den letzten Tagen hat diese Erkrankungswelle epidemische Ausmaße erreicht. Die meisten Erkrankungen treten bei Kindern und jungen Erwachsenen auf, gelegentlich wurden auch Er- krankungen bei älteren Menschen beobachtet.
Eine zunehmende Häufung von Influenza-Erkrankungen wurde in den letzten Tagen auch in Frank- reich registriert; einzelne Erkran- kungen wurden auch in Skandina- vien und in der Schweiz festgestellt.
In der Bundesrepublik wurde bisher kein Anstieg der Influenza-Erkran- kungen registriert; die bisher beob- achtete — jahreszeitlich zu erwarten- de — Häufung von Erkältungskrank- heiten beruhte auf Infektionen mit anderen „Erkältungs-Viren". Selbst- verständlich kann jedoch ein Über- greifen der Influenza von anderen europäischen Ländern auf die Bun- desrepublik nicht ausgeschlossen werden.
Die in Großbritannien und — in geringerem Ausmaß — auch in eini- gen anderen europäischen Ländern festgestellte Zunahme von Influen- za-Erkrankungen beruht auf Infek- tionen mit einem Influenza-A-Virus vom Subtyp H3N2 (Shanghai/11/87).
Wie die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e. V. (DVV) bereits in ihrem Virus- report im September 1989 mitgeteilt hat, besteht in der Bundesrepublik nur eine sehr gering ausgeprägte Im- munität gegen dieses Virus, so daß die Durchführung von Influenza- Schutzimpfungen bei entsprechend gefährdeten Personen seinerzeit dringend empfohlen wurde. Das für
die jetzt beobachteten Erkrankungs- häufungen verantwortliche Influen- za-A-Virus vom Subtyp H3N2 (Shanghai/11/87) ist in den in der Bundesrepublik zugelassenen Impf- stoffen enthalten. Eine Impfung mit diesen Impfstoffen bewirkt also ei- nen Schutz gegenüber den derzeit in einigen europäischen Ländern offen- bar weit verbreiteten Influenza-A- Viren.
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Wann impfen?
Der beste Zeitpunkt für eine In- fluenza-Schutzimpfung ist zwar der Spätherbst, doch kann diese Schutz- impfung auch zu jedem späteren Zeitpunkt, daß heißt auch nach Be- kanntwerden der jetzigen Infektions- häufungen, vorgenommen werden.
Die Influenza-Schutzimpfung ist vorrangig angezeigt für:
• Erwachsene und Kinder, die wegen bestimmter Grundleiden durch eine Influenza-Erkrankung gefährdet sind, zum Beispiel durch
—Herzkrankheiten bei Neigung zu kardialer Insuffizienz;
—chronische bronchopulmonäre Krankheiten wie Asthma, chronische Bronchitis, Bronchiektasien und Emphysem;
—chronische Nierenkrankheiten;
—Diabetes mellitus und andere chronische Stoffwechselkrankheiten;
—chronische Anämien;
—angeborene oder erworbene Im- mundefekte, einschließlich bestimm- ter Neubildungen und immunsup- pressiver Therapie;
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Personen über 60 Jahre;• Personen, die durch ihren Beruf in erhöhtem Maße einer In- fektion ausgesetzt sind oder selbst durch ihre Berufstätigkeit die Infek- tion auf andere übertragen können,
zum Beispiel in der Krankenversor- gung tätige Personen, zahnärztliches Personal, Personal der Behörden der öffentlichen Sicherheit, der Feuer- wehr, der allgemeinen Verwaltung mit regem Publikumsverkehr, der Verkehrsbetriebe, der Lebensmittel- und Energieversorgung und anderer für die Gemeinschaft wichtiger Be- rufsgruppen.
Schwangerschaft ist keine Kon- traindikation für eine Influenza- Schutzimpfung. Schwangere sollten nach den gleichen Kriterien wie Nichtschwangere beurteilt werden.
Bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab 12 Jahren wird eine einmalige Verabreichung des Impf- stoffes für ausreichend angesehen.
Bei Kindern zwischen drei und zwölf Jahren, die in den vergangenen vier Jahren noch keine Influenza-Schutz- impfung erhalten haben, wird die Verabreichung von zwei Impfdosen in einem Abstand von mindestens vier Wochen für erforderlich gehal- ten, um einen ausreichenden Schutz zu erzeugen. Wo bei Kleinkindern (bis zum 3. Lebensjahr) eine Imp- fung angezeigt ist, wird empfohlen, zweimal eine halbe Dosis der jeweili- gen Impfstoffe im Abstand von min- destens vier Wochen zu verwenden.
Die Influenza-Schutzimpfung wird im allgemeinen gut vertragen.
An der Injektionsstelle können leich- te Rötungen und Schwellungen auf- treten, die rasch wieder abklingen.
Eine gelegentlich beobachtete stär- kere allgemeine Reaktion mit Fie- ber, Muskelschmerzen, Kopfschmer- zen und allgemeinem Krankheitsge- fühl ist gleichfalls nur von kurzer Dauer. Bei den heute gebräuch- lichen Influenza-Impfstoffen sind darüber hinausgehende gesundheit- liche Schäden außerordentlich sel- ten. Die in den Beipackzetteln auf- geführten Kontraindikationen sind zu beachten.
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. G. Maass Direktor des
Hygienisch-bakteriologischen Landesuntersuchungsamtes
„Westfalen" Münster Von-Stauffenberg-Straße 36 4400 Münster
Schutzimpfung gegen Influenza Günther Maass
A-300 (52) Dt. Ärztebl. 87, Heft 5, 1. Februar 1990