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Archiv "Lebenszufriedenheit: Neue Beziehungen bis ins hohe Alter" (20.02.1998)

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teile des Menschen. Insofern bedeutet das bio-psycho-soziale Modell des Menschen bereits einen großen Fort- schritt in der Medizin. Die Maschine bekommt wieder eine Seele, neben ra- tio zählt auch emotio in der Diagno- stik und Therapie, neben scientia auch eine prudentia bei den Ärzten, neben philia auch agape in dem Verhältnis zu ihren Kranken. Schulmedizin und Na- turheilkunde gehen an vielen Stellen aufeinander zu.

Warum aber tun sich diese Ver- fahren in der modernen Medizin trotzdem so schwer? Auf seiten der

„Schule“ sind sie kaum noch bekannt, oft werden sie unheilvoll mit der alter- nativen Medizin und Methoden der Außenseiter in einem Atem genannt.

Man kennt sie zu wenig, sie stellen sich zu wenig und nicht ausreichend professionell dar.

Die mangelhaften Kenntnisse bei vielen Ärzten sind sehr zu bedauern, sie enthalten den Patienten Wichtiges vor. Häufig könnten Naturheilverfah- ren die übliche Therapie sinnvoll er- gänzen, häufig wären sie sogar die bessere Alternative, oft bieten sie die einzige Möglichkeit einer sinnvollen Behandlung. Naturheilkunde und Na- turheilverfahren müssen sich ihren verlorenen Platz in der Medizin zurückgewinnen.

In ihren gleichzeitig körperli- chen, seelischen und sozialen Wirkun- gen, in ihren Traditionen und ihren Metaphern liegt ihre große Stärke, diese sind mehr als nur Plazebo. Vor kurzem haben wir eine „Europäische Gesellschaft für klassische Naturheil- kunde“ gegründet; sie soll die Ideen und die wissenschaftlichen Kräfte des alten Kontinents zusammenführen und neue Initiativen anregen. Natur- heilkunde soll der augenblicklichen Mutter und hohen Schule aller Medi- zinen – so verstehe ich den Begriff

„Schulmedizin“ – solide Anregungen und wertvolle Bereicherungen zu- führen und zurückgewinnen.

Literatur

Bühring M.: Naturheilkunde. Beck’s Wissen, München, im Druck

Prof. Dr. med. Malte Bühring

Lehrstuhl für Naturheilkunde im Uni- versitätsklinikum Benjamin Franklin und Krankenhaus Moabit

Turmstraße 21, 10559 Berlin

A-406 (34) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 8, 20. Februar 1998

T H E M E N D E R Z E I T KOMMENTAR/BERICHTE

ls Oswald von Nell-Breuning 1990 das ehrwürdige Alter von einhundert Jahren erreichte, wünschte er sich bezeichnenderweise, noch einmal mit einem Gleichaltrigen sprechen zu können. Damit brachte er zum Ausdruck, was auch viele andere Alte unserer Gesellschaft heute möchten, nämlich den Gedanken- und Erfahrungsaustausch mit An- gehörigen ihrer Generation.

Vergleich und Konkurrenz zu Altersgleichen

Auf der sechsten Tagung für Ge- rontopsychosomatik und Alterspsy- chotherapie* fragten Fachvertreter aus Medizin, Psychologie, Psychothe- rapie, Soziologie sowie den Pflege- und Betreuungsberufen kürzlich nach den Hintergründen dieses allgemei- nen Phänomens. Zwar sind „Gleich- heit“ und „Zugehörigkeit“ als ele- mentare Bedürfnisse des Individuums schon seit langem anerkannte Kate- gorien der Selbstpsychologie. Doch sollte nun auch gezielt danach gefragt werden, ob der innerseelische Wunsch nach einem Kontakt zur selben Gene- ration durch den Wunsch nach erleb- ter Solidarität und geteilter Lebenser- fahrung zusätzlich verstärkt wird.

Darüber hinaus sollten auch Aspekte von Vergleich und Konkur- renz mit den Altersgleichen berück- sichtigt werden, zumal die Variabilität sowohl der körperlichen als auch der psychischen und sozialen Fähigkeiten

mit zunehmendem Alter bekanntlich steigen. Obwohl es den typischen 70jährigen oder dietypische 80jährige nicht gibt, scheint sich das Zugehörig- keitsgefühl zur eigenen Altersgruppe doch spontaner einzustellen als zu al- len anderen Altersgruppen, zumin- dest außerhalb der Familie.

Die Tagung, die die Bedeutung einer Beziehung des Menschen in der zweiten Hälfte des Erwachsenenle- bens zur eigenen Generation und zu den nachfolgenden Generationen für ein sicheres Identitätserleben und die psychische Gesundheit zu klären ver- suchte, bot den Teilnehmern ein kom- petentes interdisziplinäres Forum.

Die fachliche Querschnittsperspekti- ve psychosomatischer Aufgabenstel- lungen bei Menschen jenseits des 60.

Lebensjahres wurde bereits durch die Gruppe der Veranstalter deutlich, in der G. Heuft (Fachgebiet Psychoso- matische Medizin und Psychothera- pie), A. Kruse(Lehrstuhl für Geron- tologie, Universität Heidelberg), H.

G. Nehen(Innere Medizin/Geriatrie, Essen) und H. Radebold(Psychothe- rapie alter Menschen, Universität Kassel) vertreten waren.

Psychotherapie affektiver Störungen

Übereinstimmend wurde festge- stellt, daß die psychotherapeutische Behandelbarkeit alter Menschen bei akuten psychoneurotischen (affekti- ven) Störungen zwischenzeitlich als gut belegt gelten kann. Das Indikati- onsspektrum reicht von fokalthera- peutisch konzipierten kürzeren Be-

Lebenszufriedenheit

Neue Beziehungen bis ins hohe Alter

Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen trafen sich kürzlich zu einer Arbeitstagung für Gerontopsychosomatik und Alterspsychotherapie. Diskutiert wurden das Thema

„meine“ Generation und die intragenerative Perspektive.

A

* An der Klinik für Psychotherapie und Psy- chosomatik des Universitätsklinikums Essen

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handlungen über verhaltenstherapeu- tische Verfahren bis hin zu längerfri- stigen psychoanalytischen Therapien.

Außerdem konnte in den letzten Jah- ren auch die Effektivität multimoda- ler stationärer psychosomatischer Be- handlungen über sechs beziehungs- weise 12 Wochen bei Patienten zwi- schen 60 und 80 Jahren mit einer der stationären Indikation entsprechen- den hohen psychogenen Beeinträchti- gung gezeigt werden. Gerade in der primärärztlichen Versorgung besteht die Notwendigkeit, bei neu auftreten- den Körpersymptomen, die sich orga- nisch nicht erklären lassen, auch im Alter an eine funktionelle oder Soma- tisierungsstörung zu denken.

Mit dem Wunsch nach einem Ge- danken- und Erfahrungsaustausch mit Gleichaltrigen wird gleich-

zeitig eine wesentliche Ent- wicklungsaufgabe im Le- benslauf deutlich: die Not- wendigkeit, bis ins hohe Al- ter auch neue Beziehungen einzugehen. In ihrem Einlei- tungsreferat entwickelte E.

Minnemann (Amsterdam) die verschiedenen Ebenen des Generationsbegriffes:

die Gesellschaftsgeneration mit gemeinsamer Geschich- te (Makroebene), die Orga- nisationsgeneration (Meso- ebene) und die Familienge- neration (Mikroebene).

Der Austausch auf al- len drei Ebenen scheint für

den einzelnen wichtig, wobei die Re- ferentin – wie auch U. Kleinemas (Bonn) – eine pointierte Kritik al- tersbezogener Vorurteile der oft jün- geren Behandler gegenüber ihren al- ten Patienten vortrug. So werden et- wa bei der Diskussion des materiel- len Transfers zwischen den Genera- tionen oft die Belastungen der Sozi- alversicherungen genannt, ohne bei einer gesamtökonomischen Analyse den Transfer von Geldgeschenken und Erbschaften zu erwähnen. Das (verschämte?) Verschweigen solcher Aspekte verweigert den heute alten Menschen oft auch eine entspre- chende Anerkennung. Die Verbrei- tung unrealistischer Altersbilder bei der jüngeren Generation hat nach- weislich negative Auswirkungen auf die gelebten Potentiale und die Be-

reitschaft älterer Menschen, neue Aufgaben mit Zuversicht anzuge- hen. Neben einer kritischen Reflexi- on der entsprechenden Medienbe- richte scheinen Begegnungsprojekte eine größere Dialogbereitschaft für alle beteiligten Generationen zu för- dern.

Schicksal der eigenen Kinder und der Enkel

Bekanntermaßen ist für alte Menschen das Schicksal der eigenen Kinder oder Enkel von zentralem In- teresse. Im Leben der nachfolgenden Generation spiegelt sich viel von der eigenen Hoffnung und dem, wofür man sich ein Leben lang eingesetzt

hat. G. Schneider (Essen) wies nach, daß die Beziehung zu Gleichaltrigen von mindestens ebenso großer Be- deutung ist. Der lebendige Kontakt zu Angehörigen der eigenen Generation wirkt sich unmittelbar auf die Lebens- zufriedenheit alter Menschen aus. Da- bei werden die Kontaktmöglichkeit und das Zugehörigkeitsgefühl zur eigenen Generation ausführlichen biographischen Studien zufolge be- reits in der Jugend eingeübt. Was in jungen Jahren im Umfang mit Ge- schwistern, Mitschülern oder Arbeits- kollegen erlebt wird, bestimmt oft auch die Form des Umgangs mit den eigenen Altersgenossen.

Außerfamiliäre Bindungen er- möglichen ein hohes Maß an Sinnhaf- tigkeit und geistigem Austausch. Um diesen Austausch zu fördern, schlug

F. Eckert (Heidelberg) den verstärk- ten Einsatz gruppentherapeutischer Behandlungskonzepte bei alten Pati- enten vor. Die Bedeutung der dabei stets thematisierten „Geschwister- ebene“ wurde auch von I. Fooken (Siegen) besonders unter dem Ge- sichtspunkt betont, daß die Geschwi- sterbeziehungen im höheren Lebens- alter oft wieder reaktiviert werden.

Geschwisterbeziehungen sind Teil ei- ner lebenslangen Identität. Diese scheinen um so wichtiger, als Tenden- zen zu abschnitthaften Beziehungen (etwa als Lebensabschnitt-Partner- schaften) einer drohenden sozialen

„Entwurzelung“ Vorschub leisten.

Den in diesem Kontext virulenten Aspekt einer notwendigen Weiterent- wicklung präzisierte H. G. Nehen(Es- sen) mit dem Konzept einer Tertiären Sozialisation. Ei- nigkeit bestand in der Dis- kussion darüber, daß die Einflußfaktoren, die eine Tertiäre Sozialisation und damit die Erhaltung von Kompetenzen, den Neuer- werb von Fähigkeiten und die Lebenszufriedenheit be- günstigen, noch nicht hin- reichend bekannt sind.

Für die Berichterstat- tung auf dem Deutschen Ärztetag 1998 hat die Bun- desärztekammer eine Ar- beitsgruppe „Gesundheit im Alter“ berufen, die unter anderem auch die erfolg- reichen Möglichkeiten psychosoma- tisch-psychotherapeutischer Behand- lungsverfahren bei alten Menschen berücksichtigen und vor dem Hinter- grund dieser neuen Forschungsergeb- nisse erläutern wird.

Anschriften der Verfasser

Priv.-Doz. Dr. med. Gereon Heuft Ltd. Oberarzt der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie Universitätsklinikum Essen Virchowstraße 174

45147 Essen

Dr. phil. Burkhard Dietz

Geschäftsführung der Bundesärzte- kammer, Dezernat Fortbildung und Gesundheitsförderung Herbert-Lewin-Straße 1 50931 Köln

A-407 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 8, 20. Februar 1998 (35)

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

Das Schicksal der Kinder und Enkelkinder ist für alte Menschen von zentralem In- teresse. Große Bedeutung haben jedoch auch die Beziehungen zu Gleichaltrigen.

Foto: Hansa-Press

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