• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Therapie neben der Pädagogik: Ärztliche Mitwirkung in Sonderkindergärten und Sonderschulen" (04.11.1976)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Therapie neben der Pädagogik: Ärztliche Mitwirkung in Sonderkindergärten und Sonderschulen" (04.11.1976)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Raucher-Erfahrungen

die Lehrer — vor allem die Sport- lehrer — u. a. mit der Erziehung befaßte Personen sollten das von den Verkaufspsychologen der Zi- garettenfirmen hochgezüchtete (und falsch dargestellte) Image des Rauchers demontieren bzw. richtig- stellen. Schauspieler und populäre Spitzensportler sollten sich dem Fernsehen für einschlägige (am be- sten lustige) Kurzsendungen (TV- spots) zur Verfügung stellen.

Die Raucher sollten sich als das erweisen, als was sie angetreten sind — als harte Männer. Sie soll- ten zeigen, daß sie das Rauchen aufgeben oder so einschränken können, daß es die Menschen ihrer Umgebung nicht belästigt und ih- nen selbst nicht schadet. Sie soll- ten z. B. zu den beiden Wochen- endabenden je eine Zigarre rau- chen, ganz im Sinne einer bekann- ten Empfehlung — Genuß ohne Reue.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Viktor Tobiasch 7972 Neutrauchburg/Allgäu

ZITAT

Gegen Sicherungseintopf

„Eine leistungsfähige Privat- versicherung ist als Element der Konkurrenz und des Ra- tionalisierungsdruckes auch zum Nutzen und Frommen der kollektiven Sicherungsin- stitutionen unentbehrlich, die nur zu leicht das Opfer büro- kratischer Unwirtschaftlich- keiten werden. Ein pluralisti- sches System hat gegenüber dem Sicherungseintopf den Vorteil des größeren Frei- heitsgrades wie der höheren ökonomischen Rationalität."

Professor Dr. Bruno Molitor, Würzburg, in: „Sozialpolitik auf dem Prüfstand", Hamburg 1976.

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Einzelne spezielle Aufgaben der Sonderschulen und Sonderschul- kindergärten

Gegebenheiten der historischen Entwicklung, der hierarchischen Struktur des Bildungswesens und bildungspolitische Bestrebungen führten dazu, daß das Bildungswe- sen recht eigenständig (und auch recht eigenwillig) die Aufgaben der Sonderschulen entwickelte und im eigenen Bereich mit Gesetzen, Richtlinien und Erlassen fixierte. Es sei unterstellt, daß die Verantwort- lichen dabei nicht augenblicklichen Strömungen, sondern eigenen Er-

kenntnissen und Einsichten folgen wollten. Zumindest unterschwellig spürt man aus den einzelnen Ver- fahren heraus, daß man an vielen Stellen eigentlich auf das ärztliche Mitwirken angewiesen wäre. Dies ist aber in den vorhandenen Direk- tiven nirgends klar ausgesagt. Die Verantwortlichen waren ernsthaft der Ansicht, daß bewährte Organi- sationsmuster aus dem Bereich der Blinden- und Taubstummenförde- rung nur auf andere Behinderungs- arten zu übertragen seien, um zu praktikablen Lösungen bei neuen Sonderschultypen zu gelangen.

Man hat aber die im medizinischen Bereich vorhandenen Spielregeln und gesetzlichen Gegebenhei- ten entweder nicht erkennen wol- len oder nicht erkennen können.

Dadurch entstanden Konstruktio- nen, die nunmehr nachträglich den Mediziner mit seinen paramedizini- schen Mitarbeitern vor die Frage stellen, wie man hier die fachbezo- genen Interessen noch praktisch wahrnehmen kann. Die nächste Frage wäre, wie man dies mit den für die Medizin eigenen gesetzli- chen Bestimmungen abstimmen kann und wie das gesamte Pro- blem in die nun einmal vorhande- nen Systeme der Sozialleistungs- und Sozialhilfeträger einmünden könnte.

Aufgaben der Sonderschulen und Sonderschulkindergärten

Neben den sonderpädagogischen Methoden sind Mittel und Maßnah- men unerläßlich, bei denen das ständige, zielstrebige Üben der Funktionen, die behindert oder ge- stört sind, und das Üben der noch erhaltenen Kräfte im Vordergrund steht. t>

FORUM

Therapie neben der Pädagogik

Ärztliche Mitwirkung

in Sonderkindergärten und Sonderschulen

Peter Simon

Die Betreuung behinderter Kinder in Sonderkindergärten und Son- derschulen wird beeinträchtigt durch ein nur scheinbar unbedeu- tendes Kompetenzproblem: Wie ist die Stellung der Krankengymna- sten und Beschäftigungstherapeuten in solchen Einrichtungen? Die Regelungen sind in den verschiedenen Bunbesländern unterschied- lich; vielfach enthalten die Dienstanweisungen für Krankengymna- sten an Sonderschulen Vorschriften, bei deren Befolgung diese Personen gegen das Heilpraktikergesetz verstoßen würden. Der Au- tor, Landesarzt für Behinderte in zwei Regierungsbezirken Baden- Württembergs, fordert eine ärztliche Initiative, um eine ihren Zweck erfüllende therapeutische Betreuung von behinderten Kindern im Kindergarten- und Sonderschulbereich zu erreichen.

2892 Heft 45 vom 4. November 1976 DEUTSCHES .ÄRZTEBLATT

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Betreuung behinderter Kinder

Da der Behinderte durch therapeu- tische Maßnahmen in seinen Kräf- ten und in seiner Zeit stark bean- sprucht wird, ist bei der Auswahl des Lernstoffes zu beachten, daß der Schüler nicht überfordert wird.

Das Sonderschulwesen beschränkt sich also ganz bewußt nicht nur auf den Bildungsauftrag, sondern will auch allgemeines und speziel- les therapeutisches Handeln ein- schließen.

Zwei Beispiele hierfür aus den ent- sprechenden Richtlinien bezie- hungsweise Empfehlungen:

• Im Sonderschulkindergarten für Körperbehinderte ist besonders auf die Förderung der Bewegungsfä- higkeit, die Funktionsschulung, das Selbständigkeitstraining, die Ent- wicklung der Sinne und des Sprachvermögens hinzuarbeiten.

• Die Schule für Körperbehinderte hat krankengymnastische, beschäf- tigungstherapeutische und logopä- dische Einzel- oder Gruppenbe- handlung während der gesamten Schulzeit durchzuführen.

Mit diesen Zielsetzungen werden also Förderungen angestrebt, die im medizinischen Bereich liegen und die von Kräften der Heilhilfs- berufe durchzuführen sind. Für letztere ist es charakteristisch, daß sie nach den geltenden Bestim- mungen nicht ohne ärztliche Anlei- tung, Aufsicht und Auftragsertei- lung tätig werden können. Eine entsprechende ärztliche Absiche- rung muß gewährleistet werden, da andernfalls Einzel- oder Gruppen- behandlungen nicht durchführbar sind.

Verantwortungsbewußtes Personal der Heilhilfsberufe wird nie auf exakt abgeklärte Diagnosen, Pro- gnosen und eindeutige Therapiean- weisungen verzichten, ehe es mit seiner Tätigkeit beginnt. Erfahrene Mitarbeiter wissen sehr wohl um die Komplikationen, die sich erge- ben können, wenn dieser Weg ver- lassen wird, und halten daher die Grenzen ihres Berufsgebietes ein.

Wo anders verfahren wird, ist man rasch auf dem Gebiet der Laienbe-

handlung, was nur zum Nachteil der Betreuten ausgehen kann, oder aber es kommt zu Scheinbehand- lungen, wofür der Einsatz dieses qualifizierten Personals zu aufwen- dig sein dürfte. Dann sind diese Mitarbeiter aber auch nur Status- symbole beziehungsweise Aushän- geschilder, die die Erfüllung eines Gesamtbetreuungsauftrages vor- täuschen.

Die andere Gefahr liegt darin, daß diese Mitarbeiter mangels fachge- rechter Anweisung zu einer Art Selbsthilfe greifen und eventuell bei durchaus wohlgemeintem En- gagement Aktivitäten entwickeln, die letztlich in eine Art Trutzburg einmünden.

Zwischenbilanz

Man könnte noch von vielen Seiten her an diese Fragestellung heran- gehen. Die beiden Beispiele ge- statten aber bereits eine Zwischen- bilanz:

O Ohne Diagnose und ohne die Möglichkeit fortlaufender Befund- kontrollen darf und kann keine Therapie durchgeführt werden.

49 Ohne schulbegleitende Thera- pie ist bei zahlreichen Behinde- rungsarten kein Bildungsauftrag zu erfüllen.

• Bei vielen Sonderschuleinrich- tungen sind pädagogische und me- dizinische Aufträge eng miteinan- der verknüpft. Die Verantwortung für die Durchführung der Maßnah- men können jedoch nicht wechsel- seitig austauschbar übernommen werden.

O Das partnerschaftlich nach der Verantwortungsgröße abgestufte Mitwirken von Ärzten muß in die- sem System gewährleistet sein.

Zum Krankheits-, Behinderungs- und Therapiebegriff

Nun hat man schon versucht, be- sonders auf dem Gebiet der Kran- kengymnastik und der Beschäfti- gungstherapie Hilfskonstruktionen zu entwickeln, die zumindest nach

außen hin den Anschein erwecken sollen, als ob diese medizinischen Mitarbeiterinnen im schulischen Bereich ganz andere Aufgaben zu erfüllen und ganz andere Tätigkei- ten auszuführen hätten. Dieser Schein trügt, da nach höchstrich- terlichen Entscheidungen für die anstehende Beurteilung weder die Bezeichnungen der Einrichtung noch die Bezeichnungen des Per- sonals, noch die Bezeichnungen einzelner Methoden ausschlagge- bend sind. Hauptkriterien sind der Zustand der zu betreuenden Per- son, die auf sie einwirkenden Maß- nahmen und die angestrebten, be- ziehungsweise erzielten Erfolge.

Es wird häufig verkannt, daß nach den gesetzlichen Bestimmungen die überwiegende Zahl aller Behin- derten gleichzeitig auch als krank zu bezeichnen ist und viele der bei ihnen durchgeführten Maßnahmen als echte Krankenbehandlungen anzusehen sind. Diese nun einmal im Wandel der Rechtsprechung entwickelten Vorstellungen können und dürfen nicht plötzlich an der Kindergarten- oder Schultür ausge- sperrt werden.

Es würde zu weit führen, für alles diesbezüglich Gesagte hier den ausführlichen Beweis antreten zu müssen. Jedenfalls sind alle Behin- derungen dann Krankheit, wenn ohne Behandlung mit einer Ver- schlimmerung zu rechnen ist.

Krankheit ist auch ein regelwidri- ger Körper- oder Geisteszustand, dessen Vorhandensein allein die Notwendigkeit einer Heilbehand- lung zur Folge hat. Behandlungs- bedürftigkeit liegt vor, wenn der re- gelwidrige Zustand einer Heilbe- handlung mit dem Ziel der Besse- rung oder der Verhütung der Ver- schlimmerung des regelwidrigen Zustandes bedarf. Beim Körperbe- hinderten erfüllen auch Prothesen- versorgung und Übungsbehand- lung den Begriff der Behandlungs- bedürftigkeit (entspr. Übersicht bei Simon, P.: Der orthopädisch Behandlungsbedürftige, 1973). Die- se Auslegungen gehen so weit, daß man selbst die in einem heil- pädagogischen Kinderheim mit Er-

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 45 vom 4. November 1976 2893

(3)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Betreuung behinderter Kinder

folg durchgeführten Maßnahmen der stationären Behandlung einer seelischen Erkrankung gleichsetzte.

Aus all diesem ergibt sich, daß auch im Kindergarten- und Schul- bereich überall dort, wo Maßnah- men — gleich welcher Art — die Behinderung positiv beeinflussen, die Tatbestände einer Krankenbe- handlung erfüllt sind. Ohne ärztli- che Mitwirkung kann diesem nicht verantwortungsbewußt Rechnung getragen werden.

Ärztliche Aufgaben bei der Betreu- ung von Behinderten in Sonder- schulen und Sonderschulkinder- gärten

Für die Betreuung Behinderter im Kindergarten und im Schulbereich ist ein für diese Zwecke engagier- ter Arzt erforderlich. Er muß sich die Aufgaben und Zielsetzungen ei- ner solchen Sondereinrichtung zu eigen machen und die Mitarbeiter aus dem medizinischen und päd- agogischen Bereich fachgerecht und verständnisvoll anleiten kön- nen. Weiter sollte er in der Lage sein, sich der kollegialen Mitarbeit anderer Fachdisziplinen zu bedie- nen. Darüber hinaus muß er aber primär das Vertrauen der Eltern und das Zutrauen der behinderten Kinder haben. Aus welchem Fach- gebiet heraus er sich dieser Aufga- be nähert, ist dabei nicht unbe- dingt ausschlaggebend. Engage- ment, Einfühlungsvermögen, Im- provisationsfreudigkeit sowie allge- mein ärztliche Grundeinstellung und -ausbildung sind der Maßstab dafür, wie man einer solchen Son- deraufgabe mit minimalen oder maximalen Anforderungen gerecht werden kann.

Im Rahmen dieser Ausführungen soll ein allgemein gehaltener Hin- weis ärztlicher Aufgaben bei der Betreuung von Sonderschulen und Sonderkindergärten ausreichend sein. Es erscheint aber zwingend notwendig, diesen Fragenkomplex in anderem Zusammenhang spe- zieller und ausführlich darzustellen.

Dabei müßte auf Fragen gewisser Organisationsformen, auf das Ab- grenzen von Kompetenzen, auf das

Setzen von Prioritäten, auf das Ab- stecken der Verantwortung auch in Teilbereichen, auf die Haft- und Schweigepflicht usw. näher einge- gangen werden.

Möglichkeiten der Zusammenarbeit Gesundheitsamt und Sonderschule In der vorher aufgestellten Zwi- schenbilanz sind die wesentlich- sten Gesichtspunkte aufgezeigt, die es im sonderschulischen Be- reich von medizinischer Seite her zu beachten gilt. Ohne Einblick in die tieferen Zusammenhänge wäre es naheliegend, den ärztlichen und fürsorgerischen Dienst eines Ge- sundheitsamtes zur Bewältigung der speziellen Aufgaben im Son- derschulwesen heranzuziehen. Die vorstehend gemachten Darstellun- gen sollten aber bereits erkennen lassen, daß die vom Bildungswe- sen an vielen Stellen übernomme- nen medizinischen Aufgaben über- haupt nicht vom schulärztlichen Dienst eines Gesundheitsamtes wahrgenommen werden können.

Will man bezüglich dieser Frage- stellung die Dienstaufgaben eines Gesundheitsamtes untersuchen, so muß man wegen des Fehlens neue- rer und modernerer gesundheits- rechtlicher Regelungen auf das Gesetz zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens von 1934 in der jetzt gültigen Fassung zurück- greifen. Bereits diese Feststellung sollte die völlig unzulängliche Si- tuation kennzeichnen. Modernen Entwicklungen im Bereich des Bil- dungswesens und ganz. allgemein auch bei anderen Verfahren, die der Förderung Behinderter dienen, haben sich entsprechende Rege- lungen des allgemeinen und öffent- lichen Gesundheitswesens nicht angeschlossen.

Das Gesundheitsamt hat die Aufga- be, die Schulgesundheitspflege durchzuführen. Hierzu gehört es, den körperlichen und geistigen Gesundheitszustand der Schulkin- der zu überwachen, damit es bei den schulischen Anforderungen zu keinen Komplikationen kommt. Ge- gebenenfalls sind die Eltern anzu-

halten, notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Ärztliche Behandlungen sind ausdrücklich nicht Aufgabe des Gesundheitsamtes. Anweisun- gen für eine schulbegleitende The- rapie in Sonderschulen entfallen damit.

Die alte Aufgabe der Gesundheits- ämter bei der Fürsorge körperlich behinderter Kinder bestimmt, den Heilplan festzulegen, der an die Stelle weiterzuleiten ist, die über die Durchführung des Planes zu entscheiden hat. Mit dieser alten, heute noch gültigen Bestimmung, kommt man bei den Sonderschulen in der Praxis nicht weiter, da die meisten Gesundheitsämter fachlich nicht so ausgestattet sind, daß sie einen exakten Heilplan für das ein- zelne behinderte Kind festlegen könnten.

Prüft man vor dem Hintergrund der gültigen Bestimmungen auch noch weitere Möglichkeiten, die sich zum Beispiel aus der Mutter-Kind- Beratung, aus der besonderen ge- sundheitlichen Schülerüberwa- chung und aus der Förderung der Körperpflege ergeben, so muß man feststellen, daß man auch hier- durch keine Einstiegsmöglichkeiten erhält, die es gestatten, den Ge- sundheitsämtern die notwendige spezielle medizinische Betreuung von Sonderschulen zu übertragen.

Andere Möglichkeiten ärztlichen Mitwirkens in Sonderschulen Außer dem Gesundheitsamt ist hier keine Institution bekannt, die man auf Grund bereits bestehender ge- setzlicher oder sonstiger Regelun- gen daraufhin überprüfen könnte, in- wieweit sie Zuständigkeiten für die ärztliche Betreuung von Sonder- schulen und Sonderschulkinder- gärten im Sinne vorstehender Auf- gaben haben könnte.

Auch bei Durchsicht einschlägiger Gesetze, Richtlinien und Empfeh- lungen aus dem Bereich des BilL dungswesens ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, wie und von wem ärztliche Aufgaben in sol- chen Einrichtungen wahrgenommen

2894 Heft 45 vom 4. November 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(4)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Betreuung behinderter Kinder

werden sollen, soweit an solche in diesem Zusammenhang überhaupt gedacht worden ist (siehe vorn).

Nur in den Empfehlungen zur Ord- nung des Sonderschulwesens, be- schlossen von der ständigen Kon- ferenz der Kultusminister der Län- der von März 1972, findet man für den Bereich der Sonderschule für Körperbehinderte hierzu die Anga- be:

Krankengymnastische, beschäf- tigungstherapeutische und logopä- dische Einzel- oder Gruppenbe- handlung müsse während der ge- samten Schulzeit in Zusammenar- beit mit dem Landesarzt durchge- führt werden. Das Tätigkeitsfeld ei- nes Landesarztes für Behinderte ist durch das BSHG abgesteckt, und es ergeben sich daraus keinerlei Hinweise, daß der Landesarzt für Behinderte im Sonderschulbereich mitzuwirken hätte (hierzu Simon, P.: Der Landesarzt für Behinderte, 1973).

Gerade diese Angabe aus einer für das ganze Bundesgebiet gülti- gen Empfehlung zeigt, wie wenig die Verantwortlichen die Verfahren kennen, die sie sich flankierend für ihre eigenen Aufgaben nutzbar ma- chen sollten.

Die Richtlinien für den „Betrieb von Sonderkindergärten im Lande Hessen" vom 16. November 1972 (M-II A 3 — 5 000 251) verpflichten den Träger des Sonderkindergar- tens, die regelmäßige ärztliche Be- treuung der behinderten Kinder und die Beratung des Personals durch einen geeigneten Arzt im Benehmen mit dem Gesundheits- amt zu regeln.

Unter den gegebenen Umständen erscheint von allen hier bekannt gewordenen Verfahren dieses vom Grundsatz her als das brauchbar- ste, um den modernen Erkenntnis- sen entsprechenden praktischen Bedürfnissen gerecht zu werden. In gleicher Form wäre eine solche Verpflichtung auch möglichst ein- heitlich in allen Bundesländern für solche Sonderschulkindergärten und Sonderschulen gesetzlich zu

verankern, die auf ein ständiges ärztliches Mitwirken angewiesen sind.

Für das Land Baden-Württemberg sind zwar die Verpflichtungen für ein ärztliches Mitwirken an diesen Einrichtungen nicht in jener Form präzisiert. Für nebenamtlich oder nebenberuflich an Sonderschulen und Sonderschulkindergärten für körperbehinderte Kinder und Ju- gendliche beschäftigte Ärzte sind aber Vergütungssätze festgelegt (Erl. KM-BW 29. Oktober 1970 V 5955/199).

Es sollte aber nicht allein nur dem Träger solcher Sondereinrichtun- gen überlassen bleiben, diese Auf- gaben zu regeln, da der einzelne praktisch oftmals hierzu gar nicht in der Lage ist. Vielmehr sollte die Ärzteschaft mit ihren allgemeinen und insbesondere fachlichen Orga- nisationen sich mehr als seither dieser Fragestellung annehmen.

Gerade weil aus dem Bereich des Bildungswesens noch keine brauchbaren Lösungen zur Bewäl- tigung dieses Problems bekannt wurden, sollte unaufgefordert die ärztliche Seite die Mithilfe anbie- ten, denn gerade im Bereich der Sonderschulen und Sonderkin- dergärten erscheint es vordringlich, zu praktikablen Verfahren zu kom- men. Auf Bundes- und Landesebe- ne wurden Arbeitsgemeinschaften Arzt — Lehrer gegründet. Vielleicht gelingt es im Rahmen dieser Zu- sammenarbeit, Kommunikation und Kooperation zwischen beiden Be- rufsgruppen für die Rehabilitation behinderter Kinder voll zur Geltung zu bringen (siehe Hirschmann, E.).

Dringend sollten aber auch noch andere Möglichkeiten untersucht und geprüft werden.

Schlußbetrachtung

Die Entwicklung des Sonderschul- wesens hat sich auf zwei grund- sätzlich verschiedenen Wegen voll- zogen. Kinder, deren Behinderun- gen, einen medizinisch nicht mehr beeinflußbaren End- oder Defekt- zustand darstellen (zum Beispiel Blinde), sind schon seit langer Zeit

ohne ständiges ärztliches Mitwir- ken pädagogisch förderbar gewe- sen, und auf diesem Gebiet wird

Hervorragendes geleistet.

Für Kinder mit anderen Behinde- rungsarten ist eine ununterbroche- ne Betreuung einschließlich einer Therapie erforderlich, wenn sie in den Genuß einer Sonderbeschu- lung kommen sollen.

Bestimmte, erst in jüngerer Zeit entwickelte Sonderschultypen be- rücksichtigen neben rein pädago- gischen auch medizinisch-thera- peutische Aufgaben, die ohne ein integriertes ärztliches Mitwirken nicht erfolgreich bewältigt werden können.

Ärztlicher und fürsorgerischer Dienst eines Gesundheitsamtes können auf Grund der seither gülti- gen Bestimmungen höchstens für Teilgebiete eine Zusammenarbeit anbieten.

Im ganzen ist sich das Bildungswe- sen bewußt, daß wesentliche von ihm selbst übernommene Aufgaben des ärztlichen Mitwirkens bedür- fen. Praktisch brauchbare und all- gemeingültige Regelungen wurden hierfür von seiten des Bildungswe- sens jedoch noch nicht entwickelt.

Die Ärzteschaft sollte diese Ent- wicklungen nicht nur kritisch beob- achten, sondern sich mehr als seit- her darum kümmern, von sich aus Kooperationsbereitschaft zeigen und einfach praktizierbare Lö- sungsmöglichkeiten anbieten. Auf alle Fälle muß vermieden werden, daß bei einheitlichen Fragen aus dem pädagogischen und medizini- schen Bereich unterschiedlich auf das behinderte Kind eingewirkt wird.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Peter Simon Landesarzt für Behinderte in den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen Wernhaldenstraße 33 7000 Stuttgart 1

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 45 vom 4. November 1976 2895

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Darin wird auch erkennbar, dass die Entwicklung von einer depressiven Episode zu einer rezidivierenden Depression regelhaft der Sensibilisie- rung von Krankheit entspricht:

Selten kann es, insbesondere bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, Kollagenkrankheiten oder gleich- zeitiger Therapie mit Allopurinol, Procainamid oder bestimmten

Dabei vermissen wir je- den Hinweis auf konkrete Unzuträglichkeiten, die sich aus der bisherigen Praxis er- geben haben; vielmehr gibt es derzeit nicht die mindesten

Es wäre Stoff für eine Glosse, für eine Realsatire oder für eine Seifenoper, wä- re es nicht schlicht zum Heu- len: Da wird in Ihrem seriö- sen DÄ eine Anzeige (und zwar nicht bei

Jüngstes Beispiel ist das von der Koalition ange- dachte Vorhaben, die in der Selbstverwaltung von Haus-, Fachärzten und Psychotherapeuten erforderli- chen Interessensabgleiche

Fazit: Einige wenige Nukleinsäure- abschnitte, die aus dem Urin isolier- bar sind, eignen sich einer aktuellen klinischen Studie nach als Biomar- ker für die Früherkennung akuter

In Zukunft wird es daher wesentlich darauf ankommen, die poliklini- sdren Patienten vermehrt für Lehrzwedre heranzuziehen. Engpässe in der patientenabhängigen

Ganz andere Gestalt nimmt die jonische Basis an (Figur 5 52). „Während die attis_che den Stylobat noch als einzigen, allen Säulen gemeinsamen Plinthus betrachtete, trennte die