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Archiv "Burn-out-Prävention: Die psycho-physischen Abwehrkräfte stärken" (28.03.2014)

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V

iele Ärzte und Therapeuten glauben, sie seien unver- wundbar. Gehört es doch zu ihrem Beruf, zu helfen, immer für ihre Pa- tienten da zu sein, stets eine Ant- wort auf alle Fragen zu haben, Ver- trauen und Stärke auszustrahlen. Da darf man sich Schwächen nicht nur nicht leisten, oft verbieten sich der Arzt und Therapeut schon die Frage nach der eigenen Befindlichkeit und gehen so permanent über die eigenen Grenzen hinweg, oft eben

bis zur völligen psychischen und physischen Erschöpfung.

Daher verwundert es nicht, dass das Suizidrisiko bei Ärzten etwa doppelt so hoch ist wie in der Ge- samtbevölkerung, bei Ärztinnen ist es sogar viermal so hoch, was an der Doppelbelastung Familie/

Beruf liegen mag (1). Bei den vollendeten Suiziden führen die Psychiater die Rangliste an, ge- folgt von Anästhesisten, Chirur- gen und Internisten.

Bei einer anonymen Befragung von 900 Psychiatern und Nerven- ärzten der Universität Ulm auf dem Kongress der Deutschen Gesell- schaft für Psychiatrie und Psycho- therapie, Psychosomatik und Nerven- heilkunde (DGPPN) im Jahr 2006 gaben 45 Prozent an, schon einmal eine depressive Episode erlitten zu haben. In der Allgemeinbevölke- rung erkranken laut Robert-Koch- Institut knapp zwölf Prozent einmal im Leben an einer Depression.

Drei Burn-out-Phasen

Ärzte und Therapeuten sind eben auch „nur“ Menschen, und zwar Menschen in herausragender ge- sellschaftlicher Position, die eine große Verantwortung tragen. Und so durchlaufen auch sie die typi- schen drei Burn-out-Phasen, die schließlich in der Lähmung und depressiven Erschöpfung münden, häufig ohne es zu realisieren oder erst, wenn sie in der Endphase an- gekommen sind (2):

Die Leitsymptome der Phase I sind Aggressivität und Aktivität, häufig Überaktivität. Getrieben vom hohen Anspruch, emotional und intellektuell immer präsent zu sein, stets unter hohem Zeitdruck arbeitend, dabei weitgehend fremd- bestimmt zu sein und unter hohem wirtschaftlichen Druck zu stehen bei gleichzeitig häufig unklaren ge- setzlichen Rahmenbedingungen und hoher intrinsischer Motivation, holen die Mediziner und Therapeu- ten das Letzte aus sich heraus.

Wirklicher Leidensdruck ist in die- sem Stadium selten.

In Phase II kommt es zuneh- mend zu Flucht und Rückzug. Die Betroffenen beginnen, ihre Situati- on zu realisieren, und der Leidens- druck wächst. Allerdings nehmen sie sich selbst und ihre Bedürf - nisse nicht mehr richtig wahr. So wird zum Beispiel durch die Flucht in sportliche Überaktivitäten die Kompensation versucht, die aber misslingt. Es folgt ein sukzessiver sozialer Rückzug, der Kontakt zu den Patienten wird minimiert, Mit- menschlichkeit und Empathie ver- ringern sich. Dies wird mit dem Be- griff der Depersonalisation zusam- mengefasst.

Die Resilienz, die körperliche wie mentale Abwehrkraft, ist trainierbar.

BURN-OUT-PRÄVENTION

Die psycho-physischen Abwehrkräfte stärken

Foto: picture alliance

2 Deutsches Ärzteblatt I Heft 13 I 28. März 2014

(2)

Ist es angesichts des zunehmenden ökonomischen Drucks – auch in den katholischen Krankenhäusern – überhaupt noch möglich, dem christlichen Glauben im Alltag einen Raum zu geben?

Braun: Voraussetzung für ein christlich geprägtes Miteinander im Klinik alltag ist, dass das Krankenhaus wirtschaftlich gut aufgestellt ist.

Es geht darum, Strukturen zu schaffen, vor allem auch medizinische, die einem Luft geben.

Ganz konkret haben wir an unseren Standorten schon seit vielen Jahren eine klare Schwerpunktsetzung realisiert, so dass wir vom Behandlungsspektrum her sehr effizient arbeiten können. Wir haben zudem den Vorteil, dass wir als Verbund nur in Düsseldorf aktiv sind:

an acht Standorten mit insgesamt fünf Krankenhäusern. Das heißt, wir sind sehr eng beieinander und können sowohl medizinisch als auch beim Einkauf und der Verwaltung Synergien erzielen.

Was das christliche Profil im Berufsalltag angeht, so setzen wir sehr auf Vorbilder. Wir als Geschäftsführung, aber auch die ärztlichen und sons- tigen Führungskräfte versuchen, einen vernünftigen Umgang miteinander vorzuleben und beispielsweise auch eine Fehlerkultur voranzubringen.

Dabei spielt die Führungskräfteentwick- lung eine wichtige Rolle. Es geht darum, den Leuten neben ihrer Fachlichkeit auch in allen anderen Bereichen Hilfsmittel an die Hand zu geben.

Aus unserem Leitbild heraus organisieren wir zudem Workshops mit allen Mitarbeitern, die sich speziell mit ethischen Fragestellungen und christlichen Begründungen beschäftigen. Da gibt es viele Einzelmaß - nahmen, mit denen wir versuchen, den Menschen eine Hilfestellung für ihren beruflichen Umgang mit Leid und Tod zu bieten.

Aber speziell was den Umgang unserer Mitarbeiter mit Sterbenden angeht, macht es wenig Sinn, Verfahrensanweisungen oder ähnliches zu schreiben. Letztendlich ist alles personenabhängig. Und der Person erleichtert man die Arbeit, wenn man die passende Atmosphäre schafft.

Wenn die Mitarbeiterin weiß, dass sie Unterstützung findet, dass sie auch einmal etwas falsch machen darf und dass sie aufgefangen ist, wenn es ihr nicht gut geht. Dann wird sie sich im entscheidenden

Moment menschlich verhalten. JF

FRAGE DER WOCHE AN . . .

Jürgen Braun, Geschäftsführer Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf

Die Phase III ist schließlich durch Isolation und Passivität ge- kennzeichnet. Alkohol-, Nikotin- oder Tablettenmissbrauch stellen einen inadäquaten Fluchtversuch dar. Die Leitreaktion der Phase III ist die Lähmung. Oft wird in dieser Endphase erst die eigene Situation realisiert, der Leidensdruck steigt erheblich an, so dass jetzt erst Hilfe gesucht wird. Suizidgedanken sind in dieser Phase häufig. Es fühlt sich für den Betroffenen wie ein voll- ständiges Erstarren an, es ist das Gefühl der Gefühllosigkeit – eine schwere Depression.

Soweit muss es aber nicht kom- men. Ärzte und Therapeuten kön- nen rechtzeitig die Notbremse zie- hen oder – noch besser – ihre Resi- lienz, ihre psycho-physische Ab- wehrkraft, frühzeitig trainieren und so stärken.

Medizinern sollten bereits wäh- rend der Ausbildung Methoden der Resilienzstärkung beigebracht wer- den. Es geht hierbei zunächst dar - um, die eigene Persönlichkeit ken- nenzulernen, seine individuellen Fähigkeiten, aber auch die Belas- tungsgrenzen und diese zu akzep- tieren und zu respektieren. Die emotionale Stabilität, also die inne-

re Sicherheit und Gelassenheit, die Fähigkeit zur Kontrolle der eigenen Emotionen, kann man gezielt trai- nieren. So baut sich ein gesundes Selbstwertgefühl auf. Hierzu bieten sich Seminare an, ein Coach oder ein ausgebildeter Kollege oder Psy- chotherapeut.

Die Rolle seines Lebens Zur Resilienzstärkung ist es wich- tig, auch seine kognitiven Fähigkei- ten zu stärken, was bedeutet, zielge- richtet zu denken und die Gedanken auf das Gute auszurichten. So gera- ten der Mediziner und Therapeut erst gar nicht in die Opferrolle, son- dern gehen mit einer proaktiven Grundhaltung durch ihr Leben, nehmen also eine aktive und initia- tive Rolle ein, was ein hohes Maß an Selbstwirksamkeitsüberzeugung nach sich zieht. Dies ist ein beson- ders wichtiger Resilienzfaktor.

Die Resilienz wird darüber hin - aus erhöht durch tragfähige Sinn- konzepte: Sich dem Sinn des eige- nen Lebens anzunähern und dies als Leitlinie zu nutzen, ist der Haupt- faktor für Erfüllung und Zufrieden- heit. Solange der Mensch sich am Außen orientiert, an der Welt der Begrifflichkeit und Vergänglich-

keit, an den Meinungen anderer und übernommener Lebensmuster, fin- det er schwerlich die Rolle seines Lebens.

Natürlich fördern eine intakte Familie, ein Freundeskreis, das Ver- einsleben und sportliche Aktivitä- ten die psycho-physischen Abwehr- kräfte wie auch beispielsweise das Erlernen und Praktizieren von Ent- spannungsverfahren, der Medita - tion oder von Yoga.

Zusammenfassend ist festzuhal- ten, dass jeder Mensch seine Resi- lienz, seine körperliche wie menta- le Abwehrkraft, gezielt trainieren kann. Dabei geht es darum zu ler- nen, den eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, sich im Loslassen und Akzeptieren der Dinge zu üben, nicht Fehler zu suchen, sondern Lösungen anzustreben, gut für sich zu sorgen, neugierig, flexibel und lernbereit zu bleiben und in einem Lernprozess den eigenen Lebens-

sinn zu finden.

Dr. med. Markus Will,Attendorn

LITERATUR

1. Reimer C, Trinkaus S, Jurkat HB: Suizidali- tät bei Ärztinnen und Ärzten. Psychiat Prax 2005; 32: 381–5.

2. Bergner TMH: Burnout-Prävention. 2. Auf - lage. Stuttgart: Schattauer 2012.

4 Deutsches Ärzteblatt I Heft 13 I 28. März 2014

Referenzen

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