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Archiv "Humanitärer Einsatz im Kosevo-Klinikum: Deutsche Ärzte leisten Hilfe in Sarajevo" (19.01.1996)

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Academic year: 2022

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nser Ärzte-Team aus der Un- fallchirurgischen Klinik am Klinikum Minden, der Berufs- genossenschaftlichen Unfall- klinik Frankfurt am Main und dem Universitätsklinikum Essen reiste von Frankfurt aus über Zagreb nach Split. Dort rüstete die Bundeswehr uns mit schußsicheren Westen und Stahlhelmen aus, bevor es in gepan- zerten Fahrzeugen über Mostar nach Sarajevo weiterging. Am 5. Septem- ber wurden wir im Kosevo-Klinikum empfangen. Das Klinikgelände war zum Teil völlig zerstört. Alle Gebäude waren beschädigt, viele Fensterschei-

ben fehlten und waren, wie fast über- all in der Stadt, mit undurchsichtiger UNHCR-Folie verhängt. Das gesam- te Inventar der Kliniken war repara- turbedürftig.

Wir wurden überwiegend in den Kliniken für Unfallchirurgie und Or-

thopädie, Plastische Chirurgie und Neurochirurgie eingesetzt. Überall fehlten Ärzte und Pflegepersonal.

Am stärksten betroffen war die Ab- teilung für Anästhesiologie, in der vor Kriegsbeginn mehr als 60 und mittlerweile nur noch 12 Ärzte arbei- teten. Dem Klinikpersonal war etwa drei Jahre lang kein Gehalt gezahlt worden; erst seit Juni 1995 gab es 50 DM monatlich. In den Kliniken für Unfallchirurgie und Orthopädie fehl- te es an nahezu allem. Es gab weder genügend Verbandmaterial noch Desinfektionslösungen, Antibiotika,

OP-Kleidung, Lagerungshilfen oder Orthesen. Anästhesieüberwachungs- geräte waren entweder nicht ausrei- chend oder nur in ungenügendem Zustand vorhanden.

Ärzte sind gezwungen zu improvisieren

Aufgrund des extremen Mangels an Anästhesiepersonal konnten die beiden Anästhesistinnen von Anfang an eigenverantwortlich arbeiten. Wir, die drei Unfallchirurgen, assistierten zunächst. Nachdem wir das Vertrauen der Kollegen in der Klinik für Unfall- chirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie erworben hatten, wurden uns zunehmend eigenverantwortliche Eingriffe großer und größter Schwie- rigkeitsgrade überlassen. War der Be- darf an Hilfsmitteln schon bei der kli- nischen Visite deutlich geworden, wa- ren wir im Operationssaal gezwungen zu improvisieren, Implantate ver- schiedener Hersteller zu kombinieren und uns an Bedingungen anzupassen, unter denen unsere Kollegen in Sara- jevo seit Jahren arbeiteten. Ange- sichts der materiellen Defizite wur- den wir sehr zurückhaltend in unserer Kritik, was notwendige Stellungskor- rekturen oder erforderliche Verfah- renswechsel betraf.

Acht Tage vor unserem Eintref- fen waren die überlebenden Opfer des Markthallen-Massakers in der Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 3, 19. Januar 1996 (31) A-91

THEMEN DER ZEIT

BLICK INS AUSLAND

Humanitärer Einsatz im Kosevo-Klinikum

Deutsche Ärzte leisten Hilfe in Sarajevo

Nach dem Markthallen-Massaker in Sarajevo im August vergangenen Jahres wur- de auf Initiative des Auswärtigen Amts ein Ärzteteam zusammengestellt, das die Arbeit im Kosevo-Klinikum unterstützen sollte. Die Berichte über den humanitären Einsatz der deutschen Ärzte vom 3. bis zum 17. September 1995 haben dazu bei- getragen, daß mittlerweile die medizinische Unterstützung bis Juni 1996 gewähr- leistet ist. Denn auch nach dem Friedensabkommen von Dayton hat sich die schwierige Arbeitssituation im Klinikum kaum verändert. Im folgenden Artikel schildern die Teilnehmer ihre Erfahrungen aus dem ersten Sarajevo-Einsatz.

Volker Echtermeyer

1

, Matthias Bühler

2

, Wolfgang Dietzen

2

, Adelheid Fabius-Börner

2

, Janja Durbic-Wesseler

3

Intraoperative Situation im septischen OP des Kosevo-Klinikums Fotos (2): Matthias Bühler

1 Unfallchirurgische Klinik am Klinikum Minden; 2 Berufsgenossenschaftliche Unfall- klinik Frankfurt/Main; 3 Universitätsklini- kum Essen, Anästhesieabteilung

(2)

Klinik primär versorgt worden. Rund 100 Patienten, die bereits tot eingelie- fert oder in der Klinik gestorben wa- ren, hatte man unmittelbar vor dem Klinikgelände begraben. Die physi- sche und psychische Erschöpfung der Ärzte und des Pflegepersonals war offenkundig.

Immer wieder haben wir schrift- lich festgehalten, was in der Klinik fehlte. Auf dieser Basis wurde im Auftrag der Deutschen Botschaft in Sarajevo ein Bedarfsplan erstellt, der mit den Mitarbeitern der Unfallchir- urgischen Klinik abgestimmt wurde.

Unabhängig davon haben wir eine Hilfssendung organisiert, um den größten Mangel an Medikamenten, Desinfektionslösungen, OP-Wäsche und vor allem an chirurgischen Instru- menten zu beheben. Die Sendung mit einem Materialwert von rund 250 000 DM wurde vom Auswärtigen Amt fi- nanziert. Verbandmaterial und In- strumentarium trafen zusammen mit einem Strom-Aggregat und einer Me- dikamentenlieferung für die Kinder- klinik nach unserem Einsatz im Kose- vo-Klinikum ein.

Atypisches Vorgehen bei Kriegsverletzungen

Neben der Sekundärversorgung der Verletzten des Markthallen-Mas- sakers mußten wir viele Frischverletz- te behandeln, die von Heckenschüt- zen angeschossen worden waren.

Wenn auch die Versorgungsprinzi- pien bei Unfall- und Kriegsverletzten gleich sind, so ist doch das Verlet- zungsmuster völlig unterschiedlich.

Schwerste Knochen- und Weichteil- zertrümmerungen zwingen oft zu aty- pischem Vorgehen, um Extremitäten überhaupt erhalten zu können. Die krankengymnastische Nachbehand- lung war nur in Einzelfällen möglich, automatisierte Bewegungsschienen fehlten völlig.

Während unseres Aufenthalts in Sarajevo normalisierte sich der Alltag allmählich. Seit Öffnung der Straße über den Flughafen hatte sich das Versorgungsangebot verbessert, und die Preise begannen zu sinken. Auch die Verkehrsbetriebe arbeiteten wie- der rudimentär. Strom gab es während unseres Aufenthalts jedoch

nur etwa alle vier Tage für wenige Stunden, meist nachts. Je Haushalt war die Entnahme von lediglich drei Kilowatt gestattet. Die Gasversor- gung funktionierte nicht, und Wasser mußte am Brunnen oder an Quellen geschöpft werden. Da es kaum Brennholz gab, waren die meisten Al-

leen der Stadt abgeholzt. Auch Park- bänke, Parkett, Bücher und anderes brennbares Material wurden verheizt.

Obwohl sich die Gefahr durch Heckenschützen erheblich verringert hatte, wurden wir von Mitarbeitern des Klinikums immer wieder darauf hingewiesen, Straßen und Plätze zu meiden, die von den Tschetniks gut einsehbar waren. Trotz der bitteren Kriegserfahrung, dem Mangel an Nah- rungsmitteln und Geld, sind wir mit ei- ner Gastfreundschaft aufgenommen worden, die uns tief beeindruckt hat.

Hilfe braucht Kontinuität

Um die Engpässe bei der Patien- tenversorgung zu überbrücken und die Ärzte vor Ort zu unterstützen, hat

die Johanniter-Unfallhilfe zusammen mit der Organisation Help am 1. No- vember 1995 ein zweites Ärzte-Team nach Sarajevo entsandt, einen Chirur- gen aus Neubrandenburg und einen Anästhesisten aus Bonn. Beide Ärzte arbeiteten einen Monat lang am Kli- nikum. Obwohl sich die Lebensum- stände im Ver- gleich zum ersten Einsatz leicht ent- spannt hatten, fehlte es im Klini- kum nach wie vor an Medikamen- ten und medizi- nischem Ver- brauchsmaterial.

Dr. med. Peter Schulz aus Neu- brandenburg, Mit- glied des zweiten Ärzte-Teams, hat bestätigt, daß die Ärzte des Kosevo- Klinikums trotz des Friedensab- kommens länger- fristige personelle und materielle Unterstützung be- nötigen. Im Ver- gleich zu unserem Einsatz im Sep- tember hat sich an der Alltags- situation also kaum etwas ver- ändert.

Für Dezember stellte das Aus- wärtige Amt erneut Finanzmittel zur Verfügung, die einen dritten Einsatz von drei Ärzten am Kosevo-Klinikum ermöglichten. Derzeit bereitet die Jo- hanniter-Unfallhilfe die längerfristige Entsendung von bis zu drei Ärzten nach Sarajevo vor. Der Einsatz, der von Januar bis Juni 1996 geplant ist, soll aus EG-Mitteln finanziert wer- den. Außerdem wurde eine Nah- rungsmittelhilfe für die Kosevo-Kli- nik bewilligt, da viele der Patienten akut unterernährt sind.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Volker Echtermeyer Klinikum Minden

Postfach 33 80 32390 Minden A-92 (32) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 3, 19. Januar 1996

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Blumen zur Erinnerung an das Massaker vor der Markthalle in Sarajevo

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