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Archiv "Studie zum psychischen Befinden in Deutschland: Unsicherheit bei Jugendlichen im Osten" (18.04.1997)

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uch sieben Jahre nach der Wie- dervereinigung besteht eine tiefe Kluft zwischen ost- und westdeutscher Mentalität. So erleben sich die ostdeutschen Jugend- lichen apathischer und gleichzeitig ag- gressiver als die Westdeutschen. Das geht aus der dritten Untersuchung psychischer Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland der Uni- versität Leipzig hervor.

„Den Puls der Einheit fühlen“

Prof. Dr. Elmar Brähler und Di- plompsychologin Julia Würz von der Abteilung für Medizinische Psycholo- gie und Medizinische Soziologie un- tersuchten zusammen mit Prof. Dr.

Michael Geyer und Dr. med. Aike Hessel von der Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosoma- tische Medizin empirisch das seeli- sche Empfinden und Körpererleben der Bürger in beiden Teilen Deutsch- lands. Prof. Dr. Brähler: „Unsere Ab- sicht war, den Puls der Einheit zu fühlen.“ In ihrem Auftrag befrag- te das Meinungsforschungsinstitut USUMA, Berlin, im November ver- gangenen Jahres bevölkerungsreprä- sentativ 1 034 Ost- und 1 013 West- deutsche.

Neben dem höheren Aggressi- onspotential und der Apathie konsta- tiert die Studie weiter eine ausgepräg- te Erschöpfung unter den ostdeut- schen Jugendlichen. Stärker als Gleichaltrige aus Westdeutschland beschrieben sie sich als „müde“. Da- her sei ein vermehrtes Auftreten von Depressionen und Verhaltensstörun-

gen bei Jugendlichen in Ostdeutsch- land zu erwarten. Diese Verunsiche- rung führt die Studie auf die hohe psy- chische Belastung der ostdeutschen Jugendlichen durch den abrupten Wertewandel von der DDR zur Bun-

desrepublik zurück. So habe sich zum Beispiel die geschlechtliche Iden- titätsfindung in der DDR und in Westdeutschland eklatant voneinan- der unterschieden: Im stärker fami- lienorientierten Ostdeutschland hät- ten Frauen das erste Kind meist schon mit Anfang 20 bekommen, in West- deutschland, wo Karriere und Erfolg mehr im Vordergrund ständen, etwa sechs Jahre später. Auch die berufli- che Orientierung habe sich für ost-

deutsche Jugendliche nach der Wie- dervereinigung ganz anders gestaltet:

Während in der DDR ein Arbeits- kräftedefizit herrschte, drohten nach der Wende Lehrstellenmangel und Arbeitslosigkeit.

Bei den über 25jährigen lägen die Verhältnisse genau umgekehrt. Im Gegensatz zu den ostdeutschen Ju- gendlichen beurteilten sich die über 25jährigen im Osten weniger aggres- siv und teilnahmslos, tatkräftiger und glücklicher als in Westdeutschland.

Die psychische Entfremdung zwischen den Menschen beider Lan- desteile trete auch in den angegebe- nen Charakterbeschreibungen zuta- ge. Laut Untersuchung charakterisie- ren sich Ostdeutsche viel stärker mit Attributen wie „Fleiß“, „Engage- ment“ und „Friedfertigkeit“, betonen

„Mitmenschlichkeit“ und „Gefühls- stärke“. Im Westen erschienen diese Eigenschaften eher unbedeutend.

Westdeutsche sind narzißtischer

Auffällig ist der Studie zufolge das unterschiedliche Körpererleben in Ost- und Westdeutschland. Ein eher narzißtisches Körperbewußtsein attestiert die Studie den Westdeut- schen. Sie schauten beispielsweise viel häufiger in den Spiegel, um sich ihrer körperlichen Attraktivität zu versichern. In ihrer Sexualität schil- derten sie sich gehemmter als die Be- fragten im östlichen Teil Deutsch- lands. Prof. Dr. Brähler interpretiert diese Differenz als Ausdruck der star- ken emotionalen Kontrolle und Lei- stungsorientierung der Westdeut- schen. Ihre Beherrschung sexueller Impulse, ihr Anspruch an körperliche Leistungsfähigkeit und Attraktivität wirkten einer erfüllten Sexualität ent- gegen. So sei im Westen ein eher re- pressives und aufgesetztes Sexualver- halten entstanden. Genußvoller und unbefangener gingen Ostdeutsche mit ihrem Körper um. Sie äußerten sich zufriedener über ihre Sexualität und empfänden mehr Stolz auf ihren Körper. Mit Nacktheit gingen die Menschen aus den neuen Bundeslän- dern natürlicher um. Die FKK-Bewe- gung in der DDR sei Indiz für ihre Unbefangenheit. Josy Wübben A-1040 (24) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 16, 18. April 1997

P O L I T I K AKTUELL

Studie zum psychischen Befinden in Deutschland

Unsicherheit bei

Jugendlichen im Osten

Ein neues Selbstbewußtsein der Ostdeutschen konnte eine Untersuchung der Universität Leipzig im Juni 1996 feststellen. Diese Tendenz setzte sich nach einer jetzt vorgelegten Studie der Universität generell fort. Gleichzeitig zeigten sich hingegen die 16- bis 25jährigen in Ostdeutschland verunsichert. Die Studie beschäftigt sich empirisch mit dem psychischen Befinden und dem Körpererleben in Ost- und Westdeutschland.

3

2,5

2 2,34

2,75

2,51 2,49

bis 25 Jahre älter als 25 Jahre Unterschiede in den Gefühlszuständen

Ostdeutscher und Westdeutscher im November 1996 (Skalenmittelwerte)

Westdeutsche Ostdeutsche

Ausprägung des Items „müde“ in Abhängigkeit von Alter und Ost-/Westwohnsitz

Grafik

Referenzen

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