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Archiv "Epilepsietherapie bei Erwachsenen" (13.09.1979)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Botulismus

Pathogenese

Man nimmt heute an, daß das oral aufgenommene Toxin nach etwa zwei Stunden in unveränderter Form im oberen Dünndarm resorbiert wird und über die Lymphwege in die Blutbahn gelangt (2). Das Toxin ent- faltet seine eigentliche Wirkung an den Synapsen der efferenten, para- sympathischen Nerven und den mo- torischen Endplatten (3). Indem das Toxin die Freisetzung von Acetyl- cholin an den Nervenendigungen blockiert, verhindert es die Impuls- übertragung auf die Muskelendplat- ten und führt somit zur Paralyse.

Klinik

Bei einem Teil der Kranken kommt es anfänglich zu Allgemeinsympto- men wie Kopfschmerzen, Schwin- del, Druck in der Magengegend, Übelkeit und Erbrechen, die auf an- dere Zersetzungsprodukte in den verdorbenen Speisen zurückzufüh- ren und toxinunabhängig sind.. Hier- an schließen sich die für den Botu- lismus typischen, neurologischen Symptome an. Die Latenzzeit zwi- schen oraler Toxinaufnahme und Beginn erster, neurologischer Sym- ptome beträgt im allgemeinen 12 bis 36 Stunden, selten bis zu 14 Tagen.

Augenmotilitätsstörungen wie Flim- mern vor den Augen, Lichtscheu, Strabismus divergens, Blepharopto- se, Mydriasis, Pupillenstarre, even- tuell auch Ophthalmoplegia interna und externa, sowie Schluck- und Atemstörungen entwickeln sich schnell. Nach anfänglicher Hypersa- livation kommt es zu einer quälen- den Trockenheit im Mund durch Versiegen der Speichelsekretion.

Weiter werden Nachlassen der Trä- nensekretion, Sprechstörungen bis zur Aphonie, allgemeine Adynamie, Darm- und Blasenlähmungen beob- achtet. Sehnen- und Periostreflexe, die anfänglich erhalten sind, neh- men im Verlauf der Erkrankung bis zum völligen Erlöschen ab. Während dieses Verlaufs ist der Patient be- wußtseinsklar, fieber- und schmerz- frei. Die Sensibilität ist erhalten. Die

Patienten versterben unter den Zei- chen zunehmender Ateminsuffi- zienz.

Neben diesen schweren Krankheits- bildern kommen leichtere mono- beziehungsweise oligosymptomati- sche Verläufe vor.

Diagnosebestätigung

Der Toxinnachweis im Tierversuch dient zur Bestätigung der klinischen Diagnose. In hierfür eingerichteten Laboratorien der Medizinaluntersu- chungsämter und Hygiene-Institute werden weißen Mäusen oder Meer- schweinchen intraperitoneal folgen- de Proben injiziert: Patientenserum, Erbrochenes, abgesaugter Magen- inhalt und die in Frage kommenden, verdorbenen Lebensmittel. Bei Vor- handensein von Toxin versterben die Tiere an charakteristischen Atemlähmungen. Sie überleben bei Durchführung des Neutralisations- tests, bei dem Probe und spezifi- sches Antitoxin simultan gegeben werden. Hierdurch wird der Toxintyp ermittelt. Das hat sowohl therapeuti- sche als auch epidemiologische Be- deutung. Von sekundärer Bedeu- tung ist der kulturelle Erregernach- weis (4, 5).

Therapie

Die Behandlung mit Botulismus-An- titoxin muß so früh wie möglich ein- setzen, um das noch frei im Blut zirkulierende Toxin zu neutralisie- ren. Keinesfalls darf mit der Serum- gabe so lange gewartet werden, bis die Bestätigung der Diagnose durch den Tierversuch vorliegt. Da es sich um ein heterologes, vom Pferd ge- wonnenes Fermo-Serum handelt, können primär allergische und ana- phylaktische Reaktionen auftreten, die vor Therapiebeginn durch ge- eignete Testmethoden (Intrakutan- oder Konjunktivaltest) ausgeschlos- sen werden müssen. Bei vorliegen- der Allergie muß desensibilisiert werden. Außerdem sei auf eine dosisabhängige Phenolintoxikation durch die Serumbehandlung hinge- wiesen (Phenol < 2,5 mg/ml AT).

Die in der Literatur empfohlenen Do- sierungen schwanken um (200—) 500(— 800) ml Botulismus-Antitoxin/

Tag beim Erwachsenen (4). Davon sollten initial — nach einer Verträg- lichkeitsprüfung — etwa 150 ml lang- sam i. v. (über 15 Minuten! cave:

Schockreaktion!) verabreicht wer- den. Die nachfolgenden Dosen sind ebenfalls langsam i. v. oder i. m. zu injizieren. Die Gesamtdosis und die Entscheidung zwischen i. v. oder i. m. Injektion müssen aus dem Zeit- intervall seit Verzehr der verdächti- gen Speise und aus dem klinischen Verlauf abgeleitet werden. Einer relativen Unterdosierung und un- vollkommenen Toxinneutralisation steht auf der anderen Seite die Ge- fahr der Anaphylaxie oder der Se- rumkrankheit gegenüber. Die Thera- piedauer beträgt unter Umständen mehrere Tage.

Durch Magenspülungen, hohe Ein- läufe und Prostigmingaben sind mögliche Botulismuserreger aus dem Magen-Darm-Kanal zu entfer- nen. Unterschiedliche Erfahrungen liegen bezüglich Besserung der neuromuskulären Störungen durch Guanidinhydrochlorid vor (4, 6).

Auch die symptomatischen Maßnah- men wie regelmäßiges Absaugen des Speichels, Sonden- oder par- enterale Ernährung, Elektrolyt- und Flüssigkeitsbilanzierung, Intubation, eventuell Tracheotomie und Beat- mung sowie kardiale Überwachung erfordern eine sorgfältige Betreu- ung dieser Kranken. Die Letalität des Botulismus wird in der Literatur mit 15 bis 60 Prozent angegeben.

Literatur

(1) Fey, H.: Botulismus, in: Gsell, 0., Mohr, U.

(Hrsg.): Infektionskrankheiten Bd. 2 (Springer:

Berlin—Heidelberg—New York 1968), 808-825 — (2) Heckly, R. J.; Hildebrand, G. J., und Laman- na, C.: J. exp. Med. 111 (1960) 745 — (3) Laman- na, C.: Science 130 (1959) 763-772 — (4) Müller, H. E.: Med. Klin. 65 (1970) 293-295 — (5) Pohle, H. D.: Notfallmedizin 1 (1975) 27-30 — (6) Ki- chert, S.; Hagenah, R.; Müller-Jensen, A.: DMW 100 (1975) 2394-2397

Anschrift der Verfasserin:

Dr. med. Anemone (wand Medizinische

Universitätsklinik Bergheimer Straße 58 6900 Heidelberg

2326 Heft 37 vom 13. September 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Das Ziel der Epilepsiebehandlung ist Anfallsfreiheit, optimale Ursachen- behandlung und bei notwendig wer- dender Medikamentengabe gute medikamentöse Verträglichkeit. Ei- ne EEG-Sanierung ist nicht zwin- gend notwendig.

Zur erfolgreichen und patientenge- rechten Langzeitbehandlung der Epilepsie ist oft nicht nur Spezial- wissen nötig, sondern auch viel Ge- duld bei der optimalen pharmakolo- gischen Einstellung.

Die Behandlung der Epilepsie glie- dert sich in drei Hauptteile:

• Kausale Therapie

• Sozio-medizinische Maßnahmen

• Pharmakotherapie

Bevor auf das umfangreiche Kapitel der Pharmakotherapie im einzelnen eingegangen wird, sollen kurz die notwendigen soziomedizinischen Maßnahmen und die kausale Thera- pie besprochen werden (Tabelle 1).

1. Kausale Therapie

Hierunter werden konservative und operative Behandlungsmaßnahmen verstanden, die je nach Grundleiden klassifiziert sind; daß aufgrund der damit einhergehenden epilepti- schen Anfälle auch eine antikonvul- sive Medikation je nach Anfallstyp indiziert ist, versteht sich von selbst, darauf soll weiter im Kapitel Phar- makotherapie eingegangen werden.

1.1. Konservative

Behandlungsmaßnahmen

Bei einer Meningoenzephalitis bak- terieller Genese sind wohl bei ein- hergehenden epileptischen Anfällen Antikonvulsiva indiziert, an erster Stelle müssen aber Antibiotika nach entsprechender Austestung stehen.

Bei Hirnembolien oder Sinusvenen- thrombosen, die beide oft mit foka- len Anfällen einhergehen können, sind spezifische therapeutische Maßnahmen ebenso notwendig wie die Behandlung der Anfälle.

Eine Radiatio und anschließende zytostatische Behandlung bieten sich bei einem Glioblastoma multi- forme als Mittel der ersten Wahl an.

1.2. Operative Maßnahmen Tumoren, wie insbesondere Astrozy- tome und Oligodendrogliome, soll- ten ebenso wie subdurale Hämato- me, Hirnabszesse oder Mißbildungs- tumoren in der Regel operativ exstir- piert werden, unabhängig davon, ob sie mit epileptischen Anfällen ein- hergehen oder nicht.

Eine nur relative Operationsindika- tion besteht bei epileptogenen Rin- denherden. Auch stereotaktische Eingriffe bei nichttumorbedingten Epilepsien sind im Einzelfall zu ent- scheiden. Sie sind am ehesten noch bei unifokalen kortikalen oder unifo- kalen temporo-mediobasalen Epi- lepsien im Rahmen der sogenannten Residualepilepsien indiziert. lnsge-

Die Pharmakotherapie der Epilepsie führt in 60 bis 80 Prozent zu Anfallsfreiheit, wenn gezielt anfallstypisch behandelt wird und Nebenwir- kungen und die neuesten pharmakologischen Erkennt- nisse berücksichtigt werden.

Therapieresistenzen sind meist durch Beachtung der Anfallsgenese, sozio-medizi-

nische- oder Medikationspro- bleme erklärbar. Eine Status- epilepticus-Behandlung hat immer unter stationären Be- dingungen zu erfolgen.

samt ist aber die relative Operations- indikation im oben genannten Sinne durch die Verbesserung der Phar- makotherapie wesentlich seltener als früher gegeben.

2. Sozio-medizinische Maßnahmen

Von den sozio-medizinischen Maß- nahmen spielen die Beratung des Patienten hinsichtlich einer Regulie- rung der Schlaf-Wach-Periodik, die Abstinenz anfallsfördernder Medika- mente einschließlich des Alkohols, die Vermeidung unphysiologischer Reize und die berufliche und fami- liäre Rehabilitation die größte Rolle.

2.1. Regulierung

der Schlaf-Wach-Periodik

Schlafmangel hat den stärksten an- fallsproduzierenden Effekt beson- ders bei den Aufwach-Grand-mal- Epilepsien, so daß ausreichende Schlafdauer unbedingt notwendig bleibt. Aufwachepileptiker dürfen auch keinen Schichtdienst machen.

2.2. Abstinenz gegenüber Alkohol und an.fallsfördernden Medikamenten

Alkohol selbst ist nicht anfallsauslö- send, anfallsprovozierend ist aber das Absetzen des Alkohols, wie dies

Epilepsietherapie bei Erwachsenen

Johannes Richard Jörg und Horst Hielscher

Aus der Neurologischen Klinik

(Direktor: Professor Dr. Hans Joachim Lehmann) der Universität Essen — Gesamthochschule

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 37 vom 13. September 1979 2327

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Epilepsietherapie

auch von den Antikonvulsiva herbe- kannt ist. Einsichtigen Kranken kann man somit den Genuß eines Glases Bier oder Wein unbedenklich erlau- ben. Unabhängig vom Alkohol be- deutet auch eine vermehrte Trink- menge durch eine Hypervolämie ein anfallsauslösendes Moment.

Als ausgesprochen anfallsfördernde Medikamente gelten Psychostimu- lantien und Analeptika (Cardiazol, Eukraton), Analgetika und Antipyre- tika (Novalgin), Lokalanästhetika wie Novocain, Penicillin in sehr ho- hen Dosen intravenös oder i ntrathe- kal appliziert, Tuberkulostatika wie Neoteben, Rimifon und Streptomy- cin intrathekal und insbesondere die Gruppe der Neuroleptika.

2.3. Vermeidung

anfallsauslösender Faktoren Als unphysiologische Reize, die an- fallsprovozierend wirken können, gelten nicht nur überstarke emotio- nale Reaktionen, sondern insbeson- dere auch audiogene oder photoge- ne Reize bei Reflexepilepsien.

2.4. Berufliche und familiäre Rehabilitationsmaßnahmen Im Rahmen der Eingliederung in Fa- milie und Beruf ist besonders auf Anfallskalenderführung, regelmäßi- ge ärztliche Kontrolle, damit verbun- den vor allem auf EEG-Kontrolle zu achten.

2.5. Sonderberatungen

Sonderberatungen sind zum Bei- spiel zur Frage der Kraftfahrzeug- fahrbefähigung, der Frage des Flie- gens in Passagierflugzeugen, der Gefährdung bei sportlichen Betäti- gungen wie Schwimmen usw. not- wendig. Hierzu gibt es Anweisungen der Deutschen Sektion der Interna- tionalen Liga gegen Epilepsie.

3. Pharmakatherapie

Vor der Besprechung der speziellen Pharmakatherapie sollen die allge- meinen Gesichtspunkte der medika- mentösen Epilepsiebehandlung be- sprochen werden (Tabelle 2).

Tabelle 1: Behandlung der Epilepsie 1. Kausale Therapie:

1.1. Meningoenzephalitistherapie

1.2. Tumorexstirpation 1.3. Radiatio

1.4. Resektion epileptogener Rindenherde 2. Sozio-medizinische Maßnahmen:

2.1. Regulierung der Schlaf-Wach-Periodik 2.2. Alkohoi-/Medi kamentenabstinenz

2.3. Anfallskalenderführung, regelmäßige ärztliche und EEG- Kontrollen

2.4. Vermeidung anfallsauslösender Faktoren (z. B. im Rahmen der Reflex-E.)

2.5. Berufseingliederung und Familieneingliederung 3. Pharmakotherapie:

3.1. Allgemeine Gesichtspunkte

3.2. Spezielle Therapie

2328 Heft 37 vom 13. September 1979 DEUTSCHES ARZTEBLATT

3.1. Allgemeine Gesichtspunkte 3.1.1. Indikation der chronischen Epi- lepsiebehandlung

Epilepsietherapie ist immer Lang- zeitbehandlung. Ein epileptischer Anfall, zum Beispiel als einzelner sogenannter. Schlafentzugs-Grand- mai-Anfall, berechtigt noch nicht zur Diagnose einer Epilepsie und erfor- dert je nach Ätiologie demzufolge auch keine Langzeitbehandlung. Ei- ne Pharmakatherapie ist bei Anfäl- len, die weniger als ein- bis zweimal pro Jahr auftreten, im allgemeinen nicht indiziert. Ausnahmen gibt es in Abhängigkeit zum Beispiel von der beruflichen Situation.

3.2.2. Risiken des Absetzens der Antikonvulsiva

Der Patient muß über die Notwen- digkeiten, Komplikationen und Risi- ken einer Langzeitbehandlung aus- reichend aufgeklärt werden; da- durch wird der Patient selbst zur Mitarbeit motiviert, so daß ihm dann auch die Gefahr eines Status epilep- ticus nach abruptem Medikamen- tenentzug verständlich wird.

3.2.3. Medikamentöse Nebenwirkungen

Eine Langzeitmedikation mit Anti- konvulsiva kann zu toxischen aller- gischen und anderen Nebenwirkun- gen führen.

~ Toxische Nebenwirkungen bein- halten insbesondere Störungen auf hämatopoetischem Gebiet wie Leukopenie, Granulozytopenie oder aplastische Anämie. Nebenwirkun- gen solcher Art werden wohl bei al- len Antikonvulsiva beobachtet, in der Hauptsache treten sie aber unter der Phenytoin-Therapie auf.

~ Dosisabhängige Nebenwirkun- gen sind Intoxikationszeichen in Form von Sedierung, Konzentra- tionsschwäche und zerebellärem Syndrom. Der Ausprägungsgrad der einzelnen Symptome hängt von dem jeweiligen Antikonvulsivum ab: So

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sind die zerebellären Zeichen bei Phenytoinintoxikationen die Regel, es kann sogar isoliert zu irreversi- blen Kleinhirnschädigungen kom- men. Eine Osteomalazie ist von der Dauer und Dosierung insbesondere einer Medikation mit Phenytoin, Barbituraten und Primidon ab- hängig.

..". Allergien finden sich in den er- sten drei Behandlungswochen meist in Form eines urtikariellen, morbilli- oder skarlatiniformen Exanthemes, an Medikamenten kommen dafür unter anderen Barbiturate, Phenyto- in, Suxinimide und auch Carbam- azepin in Frage.

Bei einer Allergie in der Anfangs- phase kommt eine Reduktion oder vorübergehendes Absetzen des An- tikonvulsivums unter Barbiturat- schutz und erneutes nochmaliges vorsichtiges Einschleichen mit kleinsten Dosen im Sinne einer De- sensibilisierung in Frage. Bei erneut auftretender Allergie ist eine medi- kamentöse Umstellung indiziert.

3.2.4. Notwendige Kontrolluntersuchungen

..". Blutbildkontrollen sind anfäng- lich im Wochenabstand, später halb- jährlich notwendig. Bei durch Mehr- fachbestimmungen bestätigten Leukopenien unter 3000 ist ein Ab- setzen des verwendeten Medika- mentes unter Barbituratschutz indi- ziert.

Eine megaloblastische Anämie soll- te mit Folsäure behandelt werden, gegebenenfalls ist ebenfalls ein Aus- tausch des Antikonvulsivums not- wendig.

..". Urinuntersuchungen sind bei ne- phrotoxischen Substanzen indiziert und daher in der Regel unter den heute noch verwendeten Antikon- vulsivagaben nicht mehr notwendig.

..". Thrombozytenzählungen und Thrombozytenfunktionstests kön- nen bei Valproinat-Behandlung in den ersten Wochen der Einstel- lungsphase notwendig werden. C>

Tabelle 2: Allgemeine Gesichtspunkte der Epilepsie-Pharmakatherapie

1. Indikation der Pharmakotherapie:

chronische Epilepsie Berufssituation

2. Risiken des Absetzens der Antikonvulsiva 3. Nebenwirkungen:

3.1. Toxische:-Leukopenie -aplastische Anämie 3.2. allergische

3.3. dosisabhängige NW:-Intoxikationszeichen -zerebelläres Syndrom 4. Notwendige Kontrolluntersuchungen:

4.1. Blutbild

4.2. Thrombozytenwerte (unter Valproinat-Th.)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Epilepsietherapie

4.3. alkalische Phosphatase 1 xjährlich (Suchtest für unter DPH) Osteomalazie

4.4. gegebenenfalls auch Leberenzymkontrollen (nicht die Regel) 5. Serumspiegelbestimmungen:

5.1. bei Therapieversagen

5.2. bei Intoxikation zur Klärung der Genese

5.3. zur Klärung von Enzyminhibition bzw. Enzyminduktion 5.4. bei psychischen Störungen (z. B. Psychosen)

6. Information über mögliche Enzyminduktionen:

6.1. bei Ovulationshemmern besonders durch DPH und Barbiturate 6.2. Digitoxin durch DPH

6.3. Methylprednisolon durch DPH 6.4. Vitamin-D-Abbau

6.5. Phenytoin durch Carbamazepin, Phenobarbital, Primidon 7. Schwangerschaftsüberwachung:

teratogene Wirkung der Antiepileptika 8. Therapie-Einleitung

9. Therapie-Beendigung

10. Medikamente, die die "Krampfschwelle" herabsetzen:

10.1. Analeptika (Cardiazol, Eukraton) 10.2. Antipyretika (Novalgin)

10.3. Antibiotika (Penicillin in hohen Dosen oder intrathekal) 10.4. Tuberkulostatika (Neoteben, Rimifon, Streptomycin i ntrathekal)

10.5. Neuroleptika

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 37 vom 13. September 1979 2329

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Zur Fortbildnng Aktuelle Medizin Epilepsietherapie

~ Die alkalische Phosphatase, Kal- zium und anorganisches Phosphat sind jährlich einmal als Suchtest für eine Osteomalazie durchzuführen, da unter Phenytoin, Barbituraten und Primidon durch Enzyminduk- tion eine Osteomalazie auf dem Bo- den eines Vitamin-D-Mangels ent- stehen kann. Sonnenberg empfiehlt wegen der Osteomalaziegefahr auch regelmäßige Röntgenuntersuchun- gen. Therapeutisch wäre bei Oste9- malazienachweis entsprechend für eine erhöhte Vitamin-D-Zufuhr zu sorgen.

3.2.5. Serumspiegelbestimmungen Die Serumspiegel bestimm u ngen sollten am besten morgens nüchtern vor der Tabletteneinnahme erfolgen.

Sie sind erst dann sinnvoll, wenn das Fließgleichgewicht erreicht ist, also ein konstantes Verhältnis zwi- schen Medikamentenzufuhr und Medikamentenausscheidung be- steht.

Eine Serumspiegelbestimmung vor Erreichen des Fließgleichgewichts ist unnötig, weil irreführend. Die Zeit bis zum Erreichen des Fließgleich- gewichtes kann aufgrund der Plas- mahalbwertzeit der Medikamente (Tabelle 3) abgeschätzt werden.

Für die Serumspiegel der einzelnen Antikonvulsiva gibt es sogenannte therapeutische Bereiche (Tabelle 3). Dieser Bereich ist nur als ein Mittel- wert anzusehen, und es gibt daher immer wieder Patienten, bei denen schon unterhalb ·des therapeuti- schen Bereiches des verordneten Medikamentes Anfallsfreiheit ein- tritt, wie auch Fälle, die schon im therapeutischen Bereich oder sogar schon unterhalb des therapeuti- schen Bereiches Intoxikationssym- ptome aufweisen.

Darüber hinaus bestehen Hinweise, daß der sogenannte therapeutische Bereic.h für das gleiche Medikament bei verschiedenen Anfallstypen dif- ferent ist.

Trotz dieser Vorbehalte und der zu berücksichtigenden erheblichen in-

terindividuellen Schwankungen er- scheint eine Serumspiege/bestim- mung in folgenden Fällen indiziert:

a) Bei Therapieversagen zur Klä- rung der Frage, ob der Patient Medi- kamente einnimmt, ob eine exzessi- ve Metabolisierung im Sinne einer Enzyminduktion besteht, ob Resorp- tionsstörungen vorliegen usw.

b) Bei Intoxikationen zur Klärung, welches Medikament für die Intoxi- kationszeichen verantwortlich ist.

c) Zur Aufklärung psychischer Stö- rungen, zum Beispiel Wesensände- rung, Psychosen = forcierter Nor- malisierungen usw.

Grundsätzlich ist zur Serumspiegel- bestimmung festzustellen, daß das therapeutische Ziel die Anfallsfrei- heit, nicht aber eine optimale Plas- makonzentration ist. Im Falle von Kombinationsbehandlungen mit mehreren Antiepileptika sind in Ein- zelfällen Enzyminduktionen und -in- hibitionen bei sämtlichen möglichen Kombinationen beschrieben wor-

den, grundsätzlich gilt aber, daß der

Phenytoinspiegel durch Phenobar- bital, Primidon und Carbamazepin gesenkt werden kann, der Pheno- barbitalspiegel demgegenüber bei zusätzlicher Carbamazepin-, Pheny- toin- oder Valproinatgabe ansteigt.

3.2.6. Probleme der Enzyminduktion Bei Einnahme von Ovulationshem- mern kann es gegebenenfalls durch Enzyminduktion unter Barbiturat- oder Hydantoineinnahme zu einem Wirkungsverlust kommen; ob die von einzelnen Autoren empfohlene Zuführung einer doppelten östro-

gendo~s zur Behebung des Wi~

kungsverlustes ausreicht, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Der Digitoxinspiegel kann ebenso wie der Methylprednisonspiegel durch Phenytoineinnahme absinken. Carbamazepin ist in der Lage, den eigenen Abbau zu induzieren, so daß es nach längerer Behandlungs- dauer zu einem scheinbaren Versa- gen der Therapie kommen kann.

2330 Heft 37 vom 13. September 1979 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Der Vitamin-D-Abbau kann durch Phenytoin und Barbiturate be- schleunigt werden und so zu einer Osteomalazie führen.

3.2. 7. Schwangerschaftsüberwachung Das Risiko der Kindsschädigung während der Schwangerschaft durch Grand-mal-Anfälle ist sicher größer als durch die therapiebeding- ten Medikamentenschädigungen (Janz). Post parturn istfür das Abstil- len Sorge zu tragen, um eine "Be- handlung des Neugeborenen" mit einem Antikonvulsivum über die Muttermilch zu vermeiden.

3.2.8. Therapieeinleitung

Zur Therapieeinleitung (Tabelle 4) ist prinzipiell- Ausnahme ist nur der Status epilepticus - einschleichend mit einem Antikonvulsivum zu be- ginnen - zum Beispiel mit 112 oder gar nur V4 Tablette Primidon zu- nächst zur Nacht, über mehrere Ta- ge-, um dann jeweils um V2 Tablette (gleich 125 mg) je nach Verträglich- keit weiter zu steigern.

Liegt ein sogenanntes kombiniertes Anfallsleiden mit großen und kleinen Anfällen vor, so wird man mit dem Medikament beginnen, welches als Mittel der ersten Wahl für große An- fälle gilt.

Immer ist zunächst die Einstellung auf nur ein Medikament vorzuneh-

men. Gegebenenfalls muß die Dosis

unabhängig vom Serumspiegel bis an die klinisch sichtbare Intoxika- tionsgrenze gesteigert werden. Ist das Medikament erster Wahl bis an die l11toxikationsgrenze hin ohne Wirksa:nkeit ausdosiert, so muß ein Austau.>ch gegen das Medikament zweiter Wahl und danach gegebe- nenfalls auch gegen das Medika- ment dritter Wahl vorgenommen werden.

Erst wenn eine Monotherapie ohne Effekt bleibt, ist mit einer Kombina- tionsbehandlung von Medikamen- ten zu beginnen. [>

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Tabelle 3: Pharmakologische Daten der einzelnen Antikonvulsiva

Zur Fortbildllllg Aktuelle Medizin Epilepsietherapie

Antikonvulsivum Plasma- Fließgleich- Therapeutischer Einzel- Tagesdosis

Freinamen und halbwertzeit gewicht Bereich dosen/ Erwachsene

Beispiel für erreicht nach !Ag/mi Serum die

Handelsnamen (Tage)

Phenobarbital 2-6 Tage 14-21 20-40 1-3 2-4 mg/kg

Lumina! 0,1® 100-400 mg/die

Primidon 3-12-19 Std. 4-8 5-20 3 15-20 mg/kg

Mylepsin® 0,25 für Metabolit Pheno- 1000 bis

Liskantin ® 0,25 barbital s. o. 2000 mg/die

Carbamazepin 21 Std. 2-4 4-10 3-4 15-20 mg/kg

TegretaJ® 0,2 600 bis

TimoniJ® 0,2 1600 mg/die

Phenytoin 5-19-120 Std. 5-14 10-25 1 (-2) 5-6 mg/kg

Zentropil® 0,1 Phenhydan® 0,1 Epanutin® 0,1

Valproinat 15-19 Std. ErgenyJ® 0,3/0,5

OrfiriJ® 0,3 Convulex® 0,3

Ethosuximid 2-3 Tage Suxinutin® 0,25

Petnidan® 0,25 Pyknolepsinum® 0,25

Clonazepam 20-40 Std. RivotriJ® 0,0005

0.002

Ursache für die häufigsten Therapie- versagen sind:

a) Unterdosierung eines wirksamen Medikamentes

..,.. durch unzureichende Verord- nung durch den Arzt

..,.. durch unzuverlässige Medika- menteneinnahme seitens des Pa- tienten.

4-8 20-140

4-8 40-100

4-8 0,02-0,07

Die in den Tabellen 3 und 4 aufge- führten Erwachsenendosen gelten ab dem 14. Lebensjahr, schematisch kann für Kinder vom 1. bis 5. Le- bensjahr die halbe Erwachsenendo- sis, für Kinder vom 6. bis 13. Lebens- jahr 3/4 der Erwachsenendosis ver- ordnet werden.

Man sollte grundsätzlich die Dosie- rung in mg/kg Körpergewicht vor- nehmen, da das Körpergewicht ein

200-500 mg/ die

3-4 15-20 mg/kg 900 bis 2400 mg/die

1 (-3) 15-20 mg/kg 1000 bis 2000 mg/die

3-4 0,03-0,1 mg/

kg

2-8 mg/die ungefährer Maßstab für das Volu- men ist, in dem sich das Medika- ment verteilen soll. Entgegen dieser Regel benötigen Kinder allerdings höhere Dosen von Phenytoin und Phenobarbital (7-1 0 beziehungswei- se 3,5-4,5 mg/kg Körpergewicht).

b) Verordnung von Medikamenten- kombinationen, die eine Enzymin- duktion beziehungsweise -inhibition

zeigen. C>

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 37 vom 13. September 1979 2331

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Epilepsietherapie

c) Falsche Diagnose des Anfallsty- pes: In diesem Zusammenhang ist besonders erwähnenswert, daß nicht selten psychogene Anfälle als hirnorganische Anfälle verkannt werden und die Patienten entspre- chend medikamentös behandelt werden, was nicht nur unwirksam ist, sondern auch die Gefahr der weiteren Fixierung psychogener Verhaltensweisen über eine „rituali- sierte" Einnahme der Tabletten her- aufbeschwört.

Differentialdiagnostisch ist selbst- verständlich auch an organisch be- dingte nichtepileptische Anfälle wie tetanische Anfälle, kardiovaskuläre Synkopen, Adams-Stokes-Anfälle oder auch an die selteneren „Ka- rotis-Sinus-Syndrom-Anfälle" zu denken.

d) Falsche Wahl des Medikamentes bei richtiger Diagnose des Anfalls- typs

e) Verkennung der Ursache einer Epilepsie zum Beispiel bei epilepti- schen Anfällen im Rahmen einer i n- trakraniellen Raumforderung.

Die Beurteilung, ob für ein Medika- ment ein therapeutisches Versagen vorliegt, sollte nicht vor Ablauf von zwei bis drei Wochen bei optimaler Dosiseinnahme erfolgen, weil sich die Gleichgewichtskonzentrationen mit der gewählten Dosierung erst dann einstellen, wenn etwa fünf Halbwertzeiten des jeweiligen Medi- kamentes verstrichen sind.

Bei Behandlung mit mehreren Medi- kamenten sollte bei notwendig ge- wordenen Umstellungen oder Dosis- änderungen zunächst immer nur ein Medikament in seiner Dosierung ge- ändert beziehungsweise gegen ein anderes ausgetauscht werden.

Grundsätzlich ist dafür Sorge zu tra- gen, daß eine Verteilung der Tages- dosen auf sowenig Zeiten wie mög- lich erfolgt; so kann die Tagesdosis von Phenytoin, Phenobarbital oder Ethosuximid ohne weiteres auf ein- mal eingenommen werden, da diese Antikonvulsiva eine lange Halbwert- zeit besitzen (Tabelle 3).

Anfallsfreie Patienten auf ein ande- res Medikament umzustellen, weil das benutzte Medikament nicht als Medikament erster Wahl gilt, er- scheint sinnvollerweise kontraindi- ziert.

Ebenso wie die Therapieeinleitung hat auch die Therapieumstellung immer in kleinen Schritten und ge- mäß einem detailliert aufgestellten Behandlungsplan zu erfolgen, der mit dem Patienten genauestens und geduldig besprochen werden sollte.

3.2.9. Beendigung der Therapie Grundsätzlich sollte eine antikon- vulsive Therapie nie in der Pubertät oder in der Schwangerschaft been- det werden.

Die Erfahrung bei der Epilepsiebe- handlung zahlreicher Patienten lehrt, daß man frühestens nach drei- jähriger Anfallsfreiheit mit der Medi- kamentenreduktion beginnen sollte;

dabei sollte während der drei- jährigen Anfallsfreiheit auch das EEG frei von epilepsietypischen Po- tentialen sein und die Medikamen- tenreduktion mit regelmäßigen ärzt- lichen und EEG-Kontrollen einher- gehen.

Daß es in Ausnahmefällen kürzere anfallsfreie Zeiten vor Beginn der Reduktion geben kann, versteht sich von selbst.

Nie aber sollten Antiepileptika ab- rupt abgesetzt werden, da dann die Gefahr der Status-epilepticus-Aus- lösung außerordentlich groß ist.

Ist schließlich die Indikation zur Me- dikamentenreduktion gestellt, so sollte diese immer erst mit dem Mit- tel gegen kleine Anfälle beginnen und bis zum Absetzen dieses Medi- kamentes durchgeführt werden. Erst danach können die Antikonvulsiva gegen die Grand-mal-Anfälle in An- griff genommen werden.

Jede Reduktion hat vorsichtig, zum Beispiel vierteljährlich um eine vier- tel bis eine halbe Tablette weniger unter EEG-Kontrollen zu erfolgen.

3.3. Spezielle Pharmakotherapie der Epilepsien

Die medikamentöse Ansprechbar- keit hängt in erster Linie vom Typ der Anfälle ab. Es gibt im Gegensatz zu anderen Bereichen keine „Breit- bandantiepileptika", sondern es be- steht eine sich durch die eigene kri- tische Erfahrung immer wieder er- gänzende Prioritätenliste von Anti- konvulsiva (siehe dazu Tabelle 4 un- ter dem Abschnitt Therapie, Medika- mente 1., 2. und 3. Wahl).

3.3.1. Grand-mal-Epilepsie

3.3.1.1. Aufwach-Epilepsie

Mittel der 1. Wahl Primidon, Mittel der 2. Wahl Valproinat, Mittel der 3. Wahl Phenobarbital.

Primidon wird im Stoffwechsel zu 20 Prozent zu Phenobarbital umgewan- delt, ist aber auch selbst antikonvul- siv wirksam. Initial kann es bei unzu- reichender einschleichender Be- handlung zu Schwindel, Nausea, Apathie, Benommenheit und weite-

ren Intoxikationszeichen führen.

Valproinat ist bei Grand-mal-Anfäl- len schlechter wirksam und sollte nur bei einer Aufwach-Epilepsie das Mittel erster Wahl sein, wenn die An- fälle erst kurze Zeit bestehen; bei einer chronischen beziehungsweise chronifizierten Grand-mal-Epilepsie vom Aufwach-Typ hat es als Mittel zweiter Wahl zu gelten.

Phenobarbital gilt bei Erwachsenen mit einer Grand-mal-Epilepsie vom Aufwach-Typ als Medikament dritter Wahl, als Medikament erster Wahl ist es bei Kleinkindern, insbesonde- re bei einer Kombinationsform von Aufwach- und Impulsiv-Petit-mal- Anfällen anzusehen.

Phenobarbital wird bei Erwachse- nen mit 100 bis 400 mg täglich do- siert, eine Phenobarbitalintoxikation führt zu allmählich zunehmender Müdigkeit im Gegensatz zu den rela-

2332 Heft 37 vom 13. September 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Epilepsietherapie

Tabelle 4: Einteilung und Therapie der einzelnen Epilepsietypen Epilepsie-Form Verteilung Erkran-

kungsalter

Kombination Ätiologie Anfallsbild Therapie Freinamen Dosen mg/die Grand-mal-

Epilepsie Aufwach-GM

Schlaf-GM

Diffuse GM

oft provoziert, nach Erwachen, nach Alkohol- abusus gelegent- lich, Serien unbestimmt

1. u. 2.

Lebens- jahrzehnt jedes Alter

jedes Alter

Pyknolepsie indifferente Absence Impulsiv-PM BNS, psycho- motorische A.

BNS, Jackson- A., psychomo- torische A.

meist idio- pathisch (ggf. here- ditär) idiopathisch und sympto- matisch symptoma- tisch

generalisiert

generalisiert, selten fokal generalisiert oft fokal bis Hemi-GM

1. Primidon (1000-2000) 2. Valproinat 3. Phenobarbital 1. Phenytoin (300-500) 2. Carbamazepin 1. Primidon 2. Phenytoin 3. Carbamazepin (600-1600) Altersgebun-

dene Petit-mal- Epilepsie

BNS (West-S.) tgl. Serien

tgl. häufig, bes. morgens

Serien bes.

morgens einzeln, ge- legentlich einzeln, Se- rien bes.

morgens

bis 2. Lj.

bis 5. Lj.

3.-10. Lj.

3.-10. Lj.

7.-15. Lj.

10.-20. Lj.

Schlaf- u.

diffuse GM

diffuse u.

Schlaf-GM

Aufwach-GM

Aufwach-GM

Aufwach-G M

Aufwach-GM

symptoma- tisch

symptoma- tisch

idiopathisch (bis 10% he- reditär)

idiopathisch (bis 10% he- reditär) idiopathisch

idiopathisch (bis 10% he- reditär)

vornüber

Sturzanfall

seelische Pause bzw.

auf-rück- wärts

Automatis- men seelische Pause symmetrische Zuckungen

1. Clonazepam 2. Nitrazepam (10-30) 3. Dexamethason/

ACTH

1. Clonazepam (2-8) 2. Diazepam 3. Ethosuximid (1000-2000) 1. Valproinat (1200- 2400)

2. Ethosuximid 3. Methsuximid

1. Ethosuximid 2. Methsuximid (1000-2000) 1. Valproinat 2. Ethosuximid 3. Methsuximid 1. Primidon 2. Valproinat 3. Phenobarbital (100-400) Myoklon-astat.

PM (Lennox-S.) Pyknolepsie (Friedmann-S.) - einfache Absence - Retropulsiv- PM

- PM-Automa- tismen Indifferente Absencen Impulsiv-PM

Hirnfokale An- fälle (nicht al- tersgebunden) Psychomotori- sche PM

Jackson-Anfälle

Adversiv-Anfälle

E. partialis con- tinua

zykloleptisch irregulär

irregulär

irregulär

irregulär

jedes Alter

jedes Alter

jedes Alter

jedes Alter

oft Schlaf- GM, auch diffuse GM diffuse GM

diffuse GM

diffuse GM

symptoma- tisch u.

idiopa- thisch symptoma- tisch

symptoma- tisch symptoma- tisch

Aura-ora- le Automa- tismen- Dämmer fokaler Beginn, klares Bewußt- sein, march of convulsion fokaler Beginn

streng fokal lokalisiert

1. Carbamazepin 2. Phenytoin 3. Clonazepam 1. Primidon 2. Clonazepam 3. Phenytoin 4. Carbamazepin 1. Primidon 2. Clonazepam 3. Phenytoin 1. Diazepam 2. Primidon

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 37 vom 13. September 1979 2333

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Zur 'Fortbildung Aktuelle Medizin Epilepsietherapie

tiv abrupt auftretenden Intoxika- tionszeichen unter der Einnahme von Phenytoin und Carbamazepin.

Phenobarbital induziert mikrosoma- le Enzyme der Leber besonders stark, daher wird das Fließgleichge- wicht erst nach zwei bis vier Wochen erreicht. Wenn Phenobarbital mit Valproinat kombiniert wird, so kommt es zu einer deutlichen Erhö- hung des Phenobarbitalspiegels und entsprechend früher zu Intoxi- kationszeichen. Das gleiche gilt auch bei einer Primidonbehandlung.

3.3.1.2. Schlaf-Epilepsie

Als Medikament erster Wahl gilt Phenytoin, Carbamazepin soll nach Penin und Mitarbeitern das Medika- ment zweiter Wahl sein.

Phenytoin kann eine Interaktion mit zahlreichen anderen Medikamenten bewirken. Die Erwachsenendosen liegen zwischen 300 und 500 mg/

die.

Initial kommt es als Nebenwirkun- gen gelegentlich zu einem inneren Zittern und einem intermittierenden Tremor, später treten als Intoxi- kationszeichen zerebelläre Ataxie (gegebenenfalls auch irreversibel), Hypertrichose, Gingivahyperplasie oder eine Leukopenie auf. Zu beach- ten ist, daß Phenytoin eine nichtli- neare Kinetik hat, so daß es ab 4 mg/

kg Körpergewicht nur noch in Schritten von 50-mg-Dosen erhöht werden sollte. Zu beachten ist wei- ter, daß Phenytoin bei primär gene- ralisierten Epilepsien, welche mit ei- ner Pyknolepsie einhergehen, die Petit-mal-Anfälle häufig auch provo- zieren kann.

3.3.1.3. Diffuse Grand-mal-Epilepsie Medikament erster Wahl ist Primi- don, als Medikament zweiter Wahl gilt Phenytoin, Medikament dritter Wahl ist Carbamazepin und Medika- ment vierter Wahl Phenobarbital.

Von einzelnen Autoren (Penin) wird das Carbamazepin auch als Medika- ment zweiter oder gar erster Wahl angesehen. Unsere eigenen Erfah-

rungen geben dem Carbamazepin bei allen Formen von Grand-mal- Epilepsie nur einen geringen Stel- lenwert. Als therapeutischer Bereich gilt für das Carbamazepin ein Wert zwischen 4 und 10 µg/ml, das Fließ- gleichgewicht ist schon nach zwei bis vier Tagen erreicht.

Merke: Bei einer Grand-mal-Epilep- sie im Kindesalter ist das Antikon- vulsivum erster Wahl immer ein Phenobarbital-Präparat (zum Bei- spiel Luminal®).

4. Herdanfälle beziehungsweise hirnfokale Anfälle

4.1. Psychomotorische Anfälle Medikament erster Wahl ist Car- bamazepin, das Medikament zweiter Wahl ist Phenytoin. Als Medikament dritter beziehungsweise vierter Wahl gelten Clonazepam und Primidon.

Clonazepam kann aber auch als Me- dikament erster Wahl bei pschomo- torischen Anfällen gelten, wenn die fokalen Symptome im Vordergrund des Anfallsbildes stehen.

Clonazepam führt initial oft zu ei- nem stark sedierenden Effekt, es kann weiterhin zu einer Hypersekre- tion der Bronchialschleimhaut und einer allgemeinen Muskelhypotonie kommen. Überdosierungserschei- nungen sind relativ schnell erreicht, und es sind dann nicht selten auch dysphorische Verstimmungen zu beobachten.

Psychomotorische Anfälle mit Val- proinat zu behandeln kann in selte- nen Fällen erwogen werden, und Anfallsfreiheit wurde auch bereits mehrmals in der Literatur in Einzel- fällen beschrieben.

4.2. Jackson-Anfälle und Adversivanfälle

Als Medikament erster Wahl gilt Pri- midon, Medikamente zweiter bezie- hungsweise dritter und vierter Wahl sind Clonazepam, Phenytoin und Carbamazepi n.

4.3. Epilepsia partialis continua Kojewnikow

Medikament erster Wahl ist Diaze- pam, an zweiter Stelle ist Primidon einzuordnen.

5. Altersgebundene Petit-mal-Anfälle

5.1. BNS-Krämpfe (West-Syndrom) Medikament erster Wahl ist Clon- azepam, Medikament zweiter Wahl Nitrazepam, an dritter Stelle stehen Dexamethason beziehungsweise ACTH (Synacthen®).

Nitrazepam macht bei Überdosie- rung Müdigkeit und Gangunsicher- heit und kann in hohen Dosen auch atemdepressorisch wirken.

Dexamethason mit einer Dosierung von 4 bis 9 mg/die oder auch Syn- acthen® mit einer Dosierung von 80 bis 160 I. E./die sollten nur unter Grand-mal-Schutz mit Phenobarbi- tal verabfolgt werden (Einzelheiten der Behandlung sind den einschlä- gigen Mitteilungen von Doose und Matthes zu entnehmen). Medika- mente außer Clonazepam, Kortiko- iden beziehungsweise ACTH und Ni- trazepam sollen bei den BNS- Krämpfen keinerlei Einfluß haben.

5.2. Myoklonisch-astatische Petit- mal-Anfälle (Lennox-Syndrom) Als Medikament erster Wahl gilt Clonazepam, an zweiter und dritter Stelle stehen Diazepam und Ethosu- ximid. Oxazolidin-Präparate (Para- dione®, Tridione®) sollten nicht zu- letzt wegen ihrer nephrotoxischen Nebenwirkungen nur in Spezialfäl- len Anwendung finden.

5.3. Pyknolepsie (Friedmann-Syndrom)

Bei einfachen Absencen oder Retro- pulsiv-petit mal ist das Medikament erster Wahl Valproinat, das Medika- ment zweiter Wahl Ethosuximid und an dritter Stelle steht Methsuximid.

2334 Heft 37 vom 13. September 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Epilepsietherapie

Ethosuximid besitzt als Nebenwir- kung einen leicht erregenden Effekt, kann allerdings bei hoher Dosis auch sedierend wirken. Wenn gleichzeitig eine Aufwach-Grand- mal-Epilepsie vorliegt, so wäre dem Ethosuximid immer Valproinat vor- zuziehen, da Ethosuximid Grand- mal-Anfälle noch provozieren kann.

Ethosuximid hat einen therapeuti- schen Bereich zwischen 40 und 100 ,t,g/ml, kann in einer Einzeldosis eingenommen werden und besitzt eine Plasmahalbwertzeit von zwei bis drei Tagen. Die üblichen Er- wachsenendosen schwanken zwi- schen 1000 und 2000 mg/die.

Wenn bei einer Kombinationsform von Pyknolepsie und Aufwach- Grand-mal-Epilepsie Valproinat un- zureichend ist, wäre eine Medikation mit Primidon und Ethosuximid in Kombinationsform einzuleiten.

Bei einer Pyknolepsie mit Petit-mal- Automatismen ist die Valproinat- Medikation meist unwirksam. Das Medikament erster Wahl ist dann Ethosuximid, das Medikament zwei- ter Wahl Methsuximid. Als Regel kann dabei gelten, daß gerade das Methsuximid bei Petit-mal-Automa- tismen und therapieresistenten Py- knolepsieformen nicht selten noch einen antikonvulsiven Effekt besitzt.

Methsuximid kann allerdings schwere Leber-, Nieren- und Blut- zellschäden hervorrufen.

5.4. Indifferente Absencen Medikament erster Wahl ist Valproi- nat, an zweiter Stelle steht Ethosuxi- mid, erst an dritter Stelle Methsu- ximid.

Valproinat wird in einer Dosis von 900 bis 2400 mg/die eingenommen, es ist gegenüber indifferenten Ab- sencen ebenso wirksam wie Ethosu- ximid, hat aber deutlich weniger Ne- benwirkungen. Der toxische Grenz- bereich ist ebenso wie beim Ethosu- ximid sehr unscharf, am ehesten tre- ten Müdigkeit, Übelkeit und Erbre- chen auf. Seltener kommt es zu Thrombozytopathien- oder -penien, passagerem Haarausfall oder Appe-

titsteigerung. Positiv ist beim Val- proinat ein Stimmungsausgleich zu vermerken. Bei einer Kombinations- form von indifferenten Absencen mit einer Aufwach-Grand-mal-Epilepsie ist immer mit einer Valproinat-Be- handlung zu beginnen.

5.5. Impulsiv-Petit mal

Als Medikament der ersten Wahl ist Primidon unumstritten, an zweiter Stelle steht Valproinat, wobei die Entwicklung zeigen wird, ob sich nicht in den nächsten Jahren Val- Tabelle 5: Therapie des Status epilepticus (Petit-mal-Status und Grand-mal-Status)

I. Petit-mal-Status

a) Pyknolepsie- bzw. Impulsiv-PM-Status:

—Diazepam 5-20 mg i. v. je nach Alter oder

—Clonazepam 0,5-4 mg i. v. je nach Alter

b) Status psychomotoricus: ebenso wie I. a (s. o.) c) Jackson-Status:

—Clonazepam 1. Wahl 0,5-4 mg i. v.

—Diazepam 2. Wahl 5-20 mg i. v.

— Phenobarbital 3. Wahl 200-400 mg i. m.

II. Grand-mal-Status:

1. Antikonvulsivum:

1. Wahl:

— Diazepam 5-30 mg im Tropf oder langsam i..v. (Atemdepression!) oder

—Clonazepam 0,5-4 mg i. v.

2. Wahl:

Phenytoin 0,25 mg i. v. und gleichzeitig i. m. Ggf. auch Phenytoin als 1.

Wahl anzuwenden (z. B. wenn Sedierung unerwünscht ist!!)

Als Medikament 1. Wahl kann gleiche Dosis nach 30 Minuten noch- mals gegeben werden.

—Phenobarbital 0,2-0,4 mg i. m. (indiziert, wenn Medikament 1. Wahl ohne Erfolg war und Phenytoin nicht indiziert ist.

3. Wahl:

—Chloralhydrat-Rectiolen 2 x 3 g innerhalb von 45 Minuten!

2. Antiödemtherapie:

—Sorbitinfusion 40% 250 ml

—Dexamethason 48-96 mg/die

—Diuretikum (Lasix®/Diamox®) 3. Acidoseausgleich:

—ist nur im Kindesalter ggf. nötig. Exsikkoseausgleich. Kontrolle des Blasenstandes, Infektschutz

4. Ultima ratio:

a) Liquor-Luft-Austausch (Gefahr des Einklemmens bei Hirntumor) b) Intubationsnarkose mit Relaxierung

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 37 vom 13. September 1979 2335

(11)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Epilepsietherapie

proinat noch vor Primidon als Medi- kament erster Wahl anbietet. Medi- kament dritter Wahl ist ein Pheno- barbital-Präparat.

6. Therapie

des Status epilepticus

Bei der Status-epilepticus-Behand- lung ist zwischen einem Petit-mal- Status und einem Grand-mal-Status streng zu unterscheiden (Tabelle 5):

6.1. Petit-mal-Status

Beim Petit-mal-Status mit pyknolep- tischen Absencen beziehungsweise Impulsiv-Petit mal ist das Medika- ment erster Wahl Diazepam, an zweiter Stelle steht Clonazepam.

Diazepam sollte i. v. je nach Alter zwischen 5 und 20 mg dosiert wer- den, möglichst unter EEG-Kontrolle.

Clonazepam kann in einer Dosie- rung zwischen 0,5 und maximal 4 mg i. v. appliziert werden. Nur bei fehlender Wirksamkeit kommt auch Phenobarbital i. v. in Betracht.

Eine gleiche Behandlung ist auch beim Status psychomotoricus indi- ziert. Die Differentialdiagnose zum Absencenstatus mit Automatismen ist oft sehr schwierig und meist nicht durch die Wirksamkeit der einge- schlagenen Therapie, sondern durch EEG-Ableitungen zu klären.

Kommt es zu keinem Sistieren des Status psychomotoricus unter Ben- zodiazepin-Gaben, so wäre noch Phenytoin i. v. indiziert.

Bei einem Jackson-Status ist das Medikament erster Wahl Clonaze- pam, an zweiter Stelle steht Diaze- pam, das Medikament dritter Wahl ist Phenobarbital.

Die Dosierungen für Clonazepam und Diazepam entsprechen den für den Impulsiv-Petit-mal-Status ange- gebenen Dosen (siehe oben), Phe- nobarbital kann i. m. in einer Dosie- rung zwischen 200 und 400 mg ge- geben werden.

6.2. Grand-mal-Status

Der Grand-mal-Status wird mit ei- nem Antikonvulsivum und einer an- tiödematösen Therapie behandelt.

Eine oft notwendige Zusatzbehand- lung bei Ateminsuffizienz oder Herz- Kreislauf-Versagen soll hier nur pauschal besprochen werden.

6.2.1. Antikonvulsive Behandlung Als Medikament erster Wahl hat das Diazepam und neuerdings auch das Clonazepam zu gelten.

Diazepam kann i. v. langsam oder auch parenteral im Tropf (0,9pro- zentige NaCI- oder 5prozentige Glu- koselösung) in einer Dosierung von 5 bis 30 mg gegeben werden.

Clonazepam wird mit 0,5 bis 4 mg i. v. dosiert.

Für beide Medikamente gilt, daß bei Einzelgabe die Wirkung rasch nach- lassen kann und daher die zweite Medikation des gleichen Medika- mentes schon nach 30 Minuten rou- tinemäßig zu erfolgen hat. Bei der Diazepam-Behandlung ist beson- ders auf den atemdepressorischen Effekt in höheren Dosen zu achten.

Die maximale Tagesdosis von Diaze- pam liegt zwischen 80 und 120 mg, für Clonazepam zwischen 8 und 12 mg.

Als Medikamente zweiter Wahl gel- ten Phenytoin und Phenobarbital.

Phenytoin ist dann als Medikament erster Wahl anzusehen, wenn der sedierende und gegebenenfalls atemdepressorische Effekt von Di- azepam oder Clonazepam uner- wünscht ist, wie dies zum Beispiel bei Verlaufskontrollen im Rahmen eines Hirntraumas immer wieder vorkommt.

Phenytoin wird initial mit 0,25 mg i. v. und 0,25 mg gleichzeitig i. m. als Medikament zweiter Wahl dosiert.

Die intravenöse Applikation hat langsam zu erfolgen, da sowohl Herzrhythmusstörungen als auch ein Blutdruckabfall möglich sind.

Ein atemdepressorischer Effekt ist

allerdings nicht bekannt. Der Wir- kungseintritt von Phenytoin ist auch nach intravenöser Applikation erst nach 15 bis 20 Minuten zu erwarten, und es kann daher nicht wie beim Diazepam, Clonazepam und Pheno- barbital unmittelbar nach der Wir- kung dosiert werden. Dies ist ein entscheidender Nachteil der Pheny- toin-Behandlung. Diazepam kommt aber — ein großer Nachteil — im Ge- gensatz zu Phenytoin nicht für eine sich anschließende orale Dauerbe- handlung in Betracht.

Wird das Phenytoin als Medikament erster Wahl initial benutzt, so kann nach 30 Minuten die gleiche Dosis nochmals gegeben werden. Besteht dann immer noch Therapieresistenz, so wäre auf Diazepam oder Pheno- barbital überzuwechseln.

Wenn der Status epilepticus aber beendet ist, so sollte 2 und 6 Stun- den nach der ersten Injektion von Phenytoin je 250 mg i. m. gegeben werden. Am 2. und 3. Tag reichen dann 2mal täglich je 250 mg i. m.

aus, anschließend sollte eine Ein- stellung auf orale Erhaltungsdosen erfolgen.

Phenobarbital wird in einer Dosie- rung von 0,2 bis 0,4 g i. m. gegeben in Fällen, in denen das Medikament erster Wahl ohne Erfolg, und Pheny- toin nicht gegeben wurde. Der we- sentliche Nachteil von Phenobarbi- tal ist der narkotische und atemde- pressorische Effekt.

Als Medikament dritter Wahl hat das Chloralhydrat zu gelten, welches in- nerhalb von 45 Minuten mit 2 mal 3 g Rektiole appliziert werden kann und besonders in Kombination mit Di- azepam oder noch besser mit Phe- nytoin gute Wirkung zeigt.

Clomethiazol (Distraneurin®) wird von uns nur noch beim Auftreten eines Status oder von Grand-mal- Anfällen im Rahmen eines Alkohol- oder Medikamentenentzugsdelirs verwandt, da es einen stark sedie- renden und atemdepressorischen Effekt hat und wegen der Suchtge- fahr nur vorübergehend eingesetzt werden darf.

2336 Heft 37 vom 13. September 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(12)

ECHO

Zu: „Kohlenmonoxid wichtig für die Angiopathieentstehung durch Zigarettenrauchen" im DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATT, Heft 8/

1979, Seite 484 f.

Kohlenmonoxyd macht das

Zigarettenrauchen noch riskanter

„Nikotin und Teer sind nach Überzeugung der meisten Raucher die beiden einzigen ernstzunehmenden Risiko- stoffe im Zigarettenrauch.

Das ist – leider – ein Trug- schluß.

Der ,Blaue Dunst' enthält nämlich abgesehen von Ni- kotin nicht nur eine ganze Reihe anderer Gifte, sondern auch das überaus giftige Kohlenmonoxyd.

Das bei der unvollständigen Verbrennung von Tabak und Zigarettenpapier entstehen- de geruchlose Gas mit der chemischen Formel CO hemmt die Sauerstoffversor- gung des Körpers.

Mit jeder Zigarette dreht der Raucher für seine Lungen ein wenig den ‚Gashahn' auf.

Aber nicht nur das: Nach jetzt im DEUTSCHEN ÄRZ- TEBLATT veröffentlichten

Forschungsergebnissen ver- ursacht Kohlenmonoxyd auch ohne Hilfestellung der anderen Gifte im Zigaretten- rauch offenbar ernste Schä- den an den Innenwänden der großen Blutgefäße.

Bei der Entstehung der rau- chertypischen Herz- und Kreislauferkrankungen spielt das Gas vermutlich also eine ebenso große Rolle wie das Nikotin . .." (Reuter in: Süd- deutsche Zeitung und in an- deren Tageszeitungen) Zur Fortbildung

Aktuelle Medizin Epilepsietherapie

6.2.2. Antiödemtherapie

Die Antiödemtherapie wird mit 40prozentiger Sorbit-Lösung (250 bis 500 ml tgl.) durchgeführt, in sel- tenen Fällen, so zum Beispiel beson- ders bei Tumor-Epilepsien, kann auch eine Kombination mit Dexame- thason (48 bis maximal 96 mg/die) notwendig werden.

Als sofort eintretender diuretischer Effekt hat sich auch heute noch im- mer die Applikation von Lasix®

(20-60 mg i. v. oder i. m.) unter Se- rumkaliumkontrolle bewährt.

6.2.3. Allgemein-medizinische Maßnahmen

Ein Acidoseausgleich ist im Erwach- senenalter in der Regel nicht not- wendig. Auf eine Exsikkose muß ebenso wie auf Blasenstand regel- mäßig geachtet werden. Für freie Atemwege ist immer Sorge zu tra- gen (unter anderem gegebenenfalls Guedeltubus einlegen), entspre- chend ist eine Lagerung zum Aspira- tionsschutz durchzuführen.

Digitalisierung und Antibiotika sind meist erforderlich. Analeptika sind selbstverständlich ebenso wie Neu- roleptika kontraindiziert.

6.2.4. Ultima ratio

Als Ultima ratio einer Grand-mal- Status-Behandlung mit fehlendem Effekt nach Applikation der oben aufgeführten Antikonvulsiva ist eine lntubationsnarkose mit Relaxierung indiziert. In seltenen Fällen kann auch ein Liquor-Luft-Austausch not- wendig werden, dabei ist allerdings immer die Gefahr einer oberen oder unteren Einklemmung zu beachten, so daß der Liquor-Luft-Austausch bei einem tumorbedingten Status epilepticus absolut kontraindiziert ist. Zu beachten ist, daß bei einem Grand-mal-Status 0 2 -Gaben kon- traindiziert sind, da damit der Grand-mal-Status noch verlängert werden kann. Nach der Grand-mal- Status-Behandlung muß immer die Weiterleitung oder die Einleitung ei-

ner antikonvulsiven Basisbehand- lung erfolgen. Ob diagnostische Maßnahmen notwendig sind, ist nur im Einzelfall zu entscheiden.

Wenn wir abschließend zum Aus- gangspunkt der chronischen Epilep- siebehandlung zurückkehren, so ist festzustellen, daß in 60 bis 80 Pro- zent der Epilepsiekranken Anfalls- freiheit immer dann zu erreichen ist, wenn die kausalen Therapiemög- lichkeiten berücksichtigt werden, sozio-medizinische Maßnahmen An- wendung finden und eine optimale Pharmakotherapie erfolgt. Daß da- bei trotz aller Schemata und Emp- fehlungen bei jedem einzelnen- Kranken immer wieder ein anderer therapeutischer Ansatz in Frage kommen kann, macht die Behand- lung der Epilepsie nicht nur schwie- riger, sondern auch interessanter und reizvoller, insbesondere weil von dem behandelnden Arzt nicht der apparative, sondern der persön- liche Einsatz gefordert wird.

Literatur

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Therapie des Status epilepticus, Schattauer- Verlag, Stuttgart 1976— (7) Janz, D.: Die Epilep- sien, Thieme-Verlag, Stuttgart 1969 — (8) Janz, D.: Über Pharmakoresistenz in der Epilepsie- behandlung, DMW 103 (1978)1612-1619 — (9) Matthes, A.: Epilepsie-Fibel, Thieme-Verlag, Stuttgart 1975 (10) Penin, H.: Antiepileptische Langzeitmedikation, Nervenarzt 49 (1978) 497-506 — (11) Rabe, F.: Fortschritte der Epi- lepsiebehandlung, Med. Welt 29 (1978) 1835-1837 — (12) Sonnenberg, A., und Sonnen- berg, G. E.: Osteopathie durch Antikonvulsiva, Pathogenese, Klinik und Therapie, Fortschr.

Neurol. Psychiat. 46 (1978) 248-259

Anschrift der Verfasser:

Privatdozent Dr. med. habil.

Johannes Richard Jörg Dr. med. Horst Hielscher Neurologische Klinik des Universitätsklinikums der GHS Essen,

Hufelandstraße 55 4300 Essen 1

2338 Heft 37 vom 13. September 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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