Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 48⏐⏐28. November 2008 A2551
A K T U E L L
In ihrer Praxis hat sie einen Ordner angelegt, in dem sie alle ausge- druckten cme-Teilnahmebescheini- gungen des Deutschen Ärzteblattes sammelt. „Sicher ist sicher“, meinte Dr. med. Jutta Baumann, niederge-
lassene Augenärztin aus Radeberg bei Dresden. Am 29. September 2008 um 21.56 Uhr schickte sie ihre Antworten zur cme-Fortbildung
„Notfälle in der Geburtshilfe – peri- partale Blutungen“ online an die
Redaktion. Damit war sie die ein- millionste Teilnehmerin. Mitglieder der Redaktion trafen Baumann in Berlin, um ihr den Preis zu über- reichen – einen Gutschein für ein 2-Tage-Wellness-Arrangement im Hotel Kempinski.
„Ich habe eine zwölfjährige Toch- ter, der ich neben meiner Praxis auch gerecht werden muss, da kommt es mit sehr entgegen, dass es die Möglichkeit der Onlinefortbil- dung gibt“, sagte Baumann. Sie hat von 54 Fortbildungseinheiten 44 ab- solviert und bestanden. „Auch wenn nur zwei Themen aus meinem Fach- gebiet stammten, habe ich doch an den meisten teilgenommen, denn ich will alle nötigen Fortbildungs- punkte zusammen haben, wenn ich sie im nächsten Jahr nachweisen muss“, betonte die Ärztin. Es berei- te ihr Freude, auch fachfremde The- men zu bearbeiten, denn die meisten Artikel seien so geschrieben, dass sie für alle Ärzte verständlich seien.
Sie böten eine gute Möglichkeit, über das eigene Fachgebiet hinaus Wissen zu erwerben. et
Am 19. November 2008 ist es end- gültig vorbei. Die Ärztin Cornelia E.
gibt es nicht mehr. Die Frau Corne- lia E. hat das Amtsgericht Hamburg an jenem Tag unter anderem we- gen Urkundenfälschung und Betrug zu 18 Monaten Haft auf Bewäh- rung verurteilt. Denn E. hat vier Jahre lang als Ärztin gearbeitet,
ohne es zu sein. Ein klarer Fall von Hochstapelei oder ein tragisches Schicksal?
Die Frage ist in diesem Fall nicht leicht zu beantworten. „Sie wollte ja nicht jemand sein, der sie nicht war. Sie wareine gute Ärztin, nur zu früh aussortiert vom System“, schreibt die Süddeutsche Zeitung über den Fall. Cornelia E. war am Physikum gescheitert, wurde exma- trikuliert. Sie studierte unbemerkt (und unkontrolliert) weiter, fälschte Zeugnisse und Approbation. In der Kinderklinik des Universitätskran- kenhauses Eppendorf fiel die ver- meintliche Ärztin Vorgesetzten und Eltern durch ihr Engagement und ihre fachliche Kompetenz auf. Es war der Anfang vom Ende, als die Ärztekammer Hamburg die junge Frau im August 2007 ultimativ auf- forderte, ihre Approbationsurkunde im Original vorzulegen. Das Lügen- gebäude stürzte ein.
Natürlich hat Cornelia E. das Ver- trauen von Patienten und Kollegen missbraucht. Sie hat gelogen und betrogen. Doch offenbar entsprach ihr Traumberuf ihrer Neigung und ihren Fähigkeiten – was man nicht von allen Berufstätigen sagen kann.
Cornelia E. scheiterte an einem Aus- bildungssystem, das seine Kandida- ten noch immer vorwiegend nach Noten auswählt und dessen Prüfun- gen wenig mit dem klinischen Alltag zu tun haben. Das soll keine Recht- fertigung sein. Vielleicht regt der Fall E. aber zum Nachdenken an.
RANDNOTIZ
Heike Korzilius
Geplatzter Traum
Preisverleihung in Berlin:Chefredakteur Heinz Stüwe und Redakteurin Catrin Marx gratulieren Jutta Baumann (Mitte).
CME IM DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT
Augenärztin ist einmillionste Teilnehmerin
Die Information und Aufklärung über Organspenden und Organver- teilung sollten intensiviert werden, um auf diese Weise die Bereitschaft zu freiwilligen Organspenden zu er- höhen. Das forderten Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche in Deutsch- land und der Bundesärztekammer in einem gemeinsamen Gespräch am 20. November in Berlin.
Beim Thema Patientenverfügun- gen betonten die Gesprächspartner, dass Vorausverfügungen keinen Kö- nigsweg darstellten und immer auf Interpretation angewiesen seien.
Deswegen sei die Bedeutung der Vorsorgevollmacht hervorzuheben, damit im Ernstfall eine Person betei- ligt sei, die das besondere Vertrauen des Patienten genieße und mit allen Entscheidungsvollmachten ausge-
stattet sei. Außerdem müssten das Hospizwesen und die Möglichkeiten palliativmedizinischer Begleitung weiter ausgebaut werden.
Die Beteiligten waren sich darin einig, dass eine Mitwirkung von Ärzten bei der Selbsttötung dem ärztlichen Ethos widerspreche und daher nicht zu rechtfertigen sei.
Auch eine rechtliche Einschränkung der Garantenpflicht des Arztes so- wie eine gesetzliche Verankerung der ärztlichen Beihilfe zum Suizid wurden abgelehnt. Der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med.
Jörg-Dietrich Hoppe, machte außer- dem auf die Unterfinanzierung in Teilen des Gesundheitswesens und die Überbürokratisierung der ärztli- chen Tätigkeit aufmerksam, die ei- ner zuwendungsorientierten Medi- zin entgegenstünden. Kli GESPRÄCH MIT DEN KIRCHEN
Bedeutung der Vorsorgevollmacht
Foto:Svea Pietschmann