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Archiv "Die Kostenschwemme im Medizinstudium" (17.01.1980)

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ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Die Kostenschwemme im Medizinstudium

J. F. Volrad Deneke

Nachdem nunmehr feststeht, daß die Novellierung der Appro- bationsordnung in dieser Legis- laturperiode nicht mehr erfolgen wird, besteht vielleicht die Chan- ce, den Gedanken der Einfüh- rung eines Referendariats als Bestandteil der Ausbildung zum Arzt in den weiteren Novellie- rungsdiskussionen unter allen Gesichtspunkten gründlich zu erörtern. Dazu mag der Hinweis in diesem Artikel dienlich sein, daß Kostengründe eher für als gegen die Einführung eines sol- chen Referendariats sprechen.

In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 3. Januar 1980 hat Konrad Adam einen sehr beachtenswerten Artikel unter der Über- schrift „Was darf die Weiterbildung kosten? — eine unpopuläre Frage und sehr deutliche Zahlen" geschrieben. Er beschäftigt sich in diesem Artikel nicht mit der ärztlichen Weiterbildung, sondern mit dem Thema der medizinischen Ausbildung von Studierenden, die nach Abschluß der Ausbildung zum Arzt gar nicht die Absicht haben, später einmal als Arzt tätig zu sein.

Von diesem Ansatzpunkt her trifft er dann eine Reihe von Feststel- lungen und entwickelt einige Thesen, die weit über diesen ersten Ansatz seiner Fragestellung hinaus bedeutungsvoll sind und die daher verdienen, teils hervorgehoben, teils ergänzt, teils in Frage gestellt zu werden. Die von Konrad Adam dargestellte Problematik kann unter dem grundsätzlichen Aspekt der Kostenentwicklung des Medizinstudiums in vier Gedankenzügen dargestellt werden:

1. „Wie kein anderes Studienfach erlebt die Medizin derzeit einen Ansturm weiblicher Interessenten ... Hand in Hand mit dieser Ent-

wicklung geht ein Trend zur Überalterung, bei dem die Medizin ebenfalls deutlich führt."

Adam belegt diese Feststellung mit der Hochschulstatistik und mit persönlichen Erfahrungen einzelner Dozenten. Er macht darauf auf- merksam, daß in keinem anderen von der Dortmunder Zentralen Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) zwangsverwalteten Studien- fach, relativ und absolut gesehen, so viele Bewerber im Alter von mehr als 23 Jahren zum Zuge kommen wie in der Medizin: „40% der im Winter-Semester 1977/78 zugelassenen Medizinstudenten hatten diese für einen Studienanfänger nicht unbedenkliche Altersgrenze überschritten. Während in allen anderen Studienfächern die Bewer- ber im Alter von 19 oder weniger Jahren bessere Zulassungschancen hatten als die über 23jährigen, war es in der Medizin genau umge- kehrt; hier dominieren die Alten."

Heft 3 vom 17. Januar 1980 101

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Diese Entwicklung sei um so auf- fallender, als sie dem erwähnten Trend zum größeren Frauenanteil zuwiderlaufe. Da Frauen keinen Wehrdienst leisten, liegt ihr Alter bei Studienbeginn in der Regel um ein bis zwei Jahre unterdem ihrer männlichen Kommilitonen:

"Wenn sich Verweiblichung und Überalterung in der Medizin nicht ausschließen, sondern geradezu ergänzen, dann läßt auch dies auf eine durch das Auswahlverfahren atypisch verzerrte Zusammenset- zung der Studentenschaft schlie- ßen."

Was Adam hier aus den Statistiken der Hochschulen sowie aufgrund von Beobachtungen einzelner Studenten darstellt, kann auch aus eigener Erfahrung nur bestä- tigt werden, selbst wenn die neua- sten Zahlen eine Abflachung des Trends zur "Verweiblichung" an- zudeuten scheinen;

Der Preis einer

"Verweiblichung und Überalte- rung in der Medizin"

Was bedeutet jedoch diese Ten- denz zur "Verweiblichung und Überalterung in der Medizin" für die Kosten, die das Medizinstu- dium den Öffentlichen Händen auferlegt?

Die "Überalterung" der Studien- anfänger in der Medizin treibt die Kosten rrundestens durch zwei Faktoren:

[> Die Öffentliche Hand wird be-

sonders dadurch hoch belastet, daß leichter zugängliche Fächer zunächst studiert werden. Der Staat trägt die Kosten für diese vorgeschalteten "Parkstud ien";

[> das Verhältnis von Studienjah-

ren zu Berufsjahren verschiebt sich zuungunsten der Berufsjahre, wodurch die Berufsjahre älterer Studienanfänger in der Medizin mit einer höheren Amortisations- quote an Ausbildungskosten bela- stet werden als bei frühzeitigem Studienbeginn.

Die "Verweiblichung" bedeutet

für die Entwicklung der Kosten, die die Öffentlichen Hände für das Medizinstudium zu zahlen ha- ben:

[> Bisher stieg mit der Zahl der

weiblichen Studierenden in der Medizin die Zahl derjenigen :Ärz- tinnen, die im Zusammenhang mit einer Familiengründung den Beruf ganz oder für Jahrzehnte aufga- ben, nicht unerheblich, wodurch ebenfalls die Amortisationsquote der Studienkosten sich durch Ver- schiebung der Verhältniszahl Aus- bildungsjahre : Berufsjahre erheb- lich erhöhte.

Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die bisherige Erfahrung, wonach ein Teil der neu approbierten Ärz- tinnen ihren Beruf mindestens über Jahrzehnte nicht ausübte, weil eine Familiengründung dem entgegenstand, heute und in Zu- kunft nicht doch wesentlich weni- ger zutrifft als früher.

Denn die ökonomischen Verhält- nisse bevorzugen die kinderlose Ehe durch zwei Arbeitseinkom- men für das Ehepaar, während vielfach schon ein Kind zusätzli- che berufliche Belastungen der Ehefrau nicht ohne Schaden für Mutter oder Kind tragbar macht.

Ergebnis: Das Pro-Kopf-Einkom- men der Familie mit einem Kind sinkt nach Aufgabe der Berufstä- tigkeit eines Ehepartners auf nur wenig mehr als ein Sechstel ge- genüber dem Pro-Kopf-Einkom- men des kinderlosen Ehepaares, da der steuerrechtliche Ausgleich gerade bei höherem Einkommen nicht mehr sehr zu Buche schlägt.

Wie steht es mit den Folgekosten des heutigen Auswahlverfahrens?

Der Hinweis auf die "Verweibli- chung" und der Hinweis darauf, daß die Auswahlkriterien eine

"Überalterung" in der Zulassung zum Medizinstudium fördern, be- rücksichtigt eine weitere Frage- stellung nicht:

102 Heft 3 vom 17. Januar 1980 DEUTSCHES ARZTEBLATT

..,.. Inwieweit manipulieren die derzeitigen Auswahlkriterien die Art und Weise des künftigen Leistungsangebotes kostenstei- gernd?

Diese Frage zielt nicht auf Kosten- steigerungen im Medizinstudium selbst, sondern auf Folgekosten des derzeitigen Auswahlverfah- rens zum Medizinstudium. ln ver- einfachter Formulierung kann das Problem etwa wie folgt dargestellt werden:

Es wird immer mehr hochqualifi- zierte Anwendung medizinischer Naturwissenschaft und immer we- niger "praktische" Medizin ge- lernt, weil die Auswahlkriterien theoretisch-wissenschaftliche Be- gabungen - diese bevorzugend - auslesen, die etwaige Eignung zum guten Arzt aber nicht zu be- rücksichtigen vermögen. Es gibt unseres Wissens bisher keine Pa- rameter, mit denen die finanzielle und berufspraktische Auswirkung einer etwaigen derartigen Manipu- lation durch die Auswahlkriterien gemessen werden könnte.

Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Praxis der Berufsausübung könnte sich eine gewisse Korrek- tur dieser einseitigen, theoretisch- wissenschaftliche Begabungen bevorzugenden Selektion dadurch ergeben, daß nach der Erfahrung auch in anderen Ländern ein ho- her Anteil von Frauen in einem Be- ruf eine große Rolle für die Le- bensnähe der Berufsausübung spielen kann. Diese Erfahrung muß sich jedoch nicht bestätigen, gerade weil die Auswahlkriterien auch im Bereich der weiblichen

Studierenden diejenigen mit intel-

lektuellen und theoretisch-wissen- schaftlichen Begabungen bevor- zugen.

2. Nach Ansicht von Konrad Adam wird die voraussichtliche Folge

von "Verweiblichung und Überal-

terung" eine erhebliche Verzöge- rung, "wenn nicht gar das völlige Ausbleiben der viel zitierten Arzte- schwemme sein".

(3)

Zu denjenigen, die nach Meinung Adamsaufgrund vorgerückten Al- ters als zukünftige Ärzte ausschei- den, kämen die Ausländer, "die nur selten in Deutschland tätig werden, und die Studienabbre- cher, deren Zahl sich durch die jüngste Verschärfung der medizi- nischen Prüfungsanforderungen sicherlich erhöhen wird."

Für die Mitteilung, der Anteil der Studienabbrecher in der Medizin liege zur Zeit bei etwa 15 Prozent, haben wir an keiner Literaturstelle einen Beleg finden können. Auch

••

Ist diese Belastung (durch jedwede "Schwundquote") in der Medizin und in allen anderen Fakultäten nicht doch geringer als durch aka- demische Ausbildung, die aus arbeitsmarktpolitischen Gründen brachliegen wird?

••

die Angabe, daß 8 Prozent der Me-

dizinstudenten Ausländer seien,

ist in dieser Form nicht belegbar, weil nicht bekannt ist, ob und in welchem Umfange die 8-Prozent- Quote für das Studium von Aus- ländern ausgeschöpft wird. Wer von den Deutschen infolge per- sönlicher Umstände auf eine Be- rufstätigkeit verzichtet, läßt sich auch nach Adam schwer abschät- zen. Dennoch kommt Adam dann insgesamt "auf eine Schwundquo- te von 25 bis 30 Prozent".

Die Errechnung einer solchen Schwundquote von 25 bis 30 Pro- zent mit der Folge, daß von 100 Studienanfängern der Medizin am Ende nur 70 bis 75 angehende Ärz- te übrigblieben, ist mindestens ebenso spekulativ wie die Voraus- sage einer Ärzteschwemme. Mit Sicherheit läßt sich zur Zeit nur eine Feststellung treffen:

...,.. Die Zahl der Studienanfänger in der Medizin liegt weit über der Reproduktionsquote, d. h. über der Zahl derjenigen Ärztinnen und Ärzte, die ihre Berufsausübung aufgeben.

Schon die Frage danach, wie hoch der Prozentsatz derjenigen ist, die hiervon ihren Beruf irgendwann einmal wieder aufnehmen, kann heute nicht beantwortet werden.

Mit Sicherheit jedoch steigt zur Zeit immer noch die Zahl derjeni- gen Ärztinnen, die nach einer Pha- se nichtärztlicher Lebenserfüllung in Familie und Kindererziehung zu Beginn oder im Laufe des 6. Le- bensjahrzehnts oft für anderthalb bis zwei Jahrzehnte wieder in den Beruf zurückkehren.

Insoweit enthält der wachsende Anteil derjenigen approbierten Ärztinnen und Ärzte, die ärztlich oder auch überhaupt beruflich nicht tätig sind, einen immer hö- heren Anteil von reaktivierbarem ärztlichen ArbeitspotentiaL Dieses kann- unter welchen Umständen auch immer - gleichsam über Nacht arbeitsmarktpolitisch rele- vant werden. Es kann in Katastro- phenfällen bedingt oder nach Re- aktivierungsfortbildung voll ein- satzfähig sein. Es kann in ökono- mischen Krisenzeiten beruflich wieder mobil werden. Es kann aus persönlichen Gründen aktiviert werden. Sicher ist jedenfalls, daß die bisherige Erfahrung, nach der ein Teil der neu approbierten Ärz- tinnen ihren Beruf nicht außübte, in Zukunft von wesentlich geringe- rer Bedeutung sein dürfte. Auf die Gründe ist bereits an anderer Stel- le hingewiesen worden.

Aber auch hinsichtlich der Zahl derer, die das Medizinstudium ab- brechen, sprechen alle bisherigen Erfahrungen gegen Adams Schät- zungen der Schwundquote, weil die aus anderen Studienrichtun- gen kommenden "Quereinstei- ger" den Schwund weitestgehend ausgleichen. Dies ist ja gerade ei- ner der Gründe für die von Adam zutreffend dargestellte Altersent- wicklung bei den Medizinstudie- renden.

Andererseits: Überzeugende Pro- gnosen hinsichtlich der Berufs- aussichten der neu approbierten Ärzte lassen sich auch nach einer aktuellen Studie des Instituts für Gesundheits-System- Forschung in Kiel über die Entwicklung des Bedarfs an Ärzten zur Zeit über- haupt nicht machen. Allein die Veränderungen tariflicher und ar- beitsrechtlicher Bedingungen, wie die Veränderung der Zahl zumut- barer Bereitschaftsdienststunden oder die Entwicklung der durch- schnittlichen Wochenarbeitszei- ten für Krankenhausärzte, machen jede Prognose argumentativ anfäl- lig. Noch viel mehr gilt dies in An- betracht künftiger Notwendigkei- ten und erst recht in Anbetracht künftiger Möglichkeiten aus der Entwicklung des medizinischen Fortschritts sowie aus etwaigen Veränderungen des Leistungska- talogs der Sozialversicherung, zum Beispiel in der Präventivme- dizin.

Jedenfalls: Reproduktionsrate und Studienanfängerzahlen klaffen weit auseinander ...,.. Angesichts des weiten Ausein- anderklaffens von Reproduktions- rate einerseits und Studienanfän- gerzahlen andererseits ist jedoch Warnung wohl eher angezeigt als Beschwichtigung oder gar Ermun- terung.

3. Adam schätzt die Belastung der öffentlichen Kassen durch Medi- zin Studierende, die das Studium als "Bildung um ihrer selbst wil- len" betreiben, auf jährlich 350 Millionen DM, wenn es sich dabei auch nur um 1h Prozent der gut 70 000 eingeschriebenen Medizin- studenten handeln würde.

Diese Schätzung stützt sich auf die Kalkulation eines früheren Prä- sidenten der Westdeutschen Rek- torenkonferenz, wonach derjeni- ge, der Medizin studiert, die öf- fentlichen Kassen insgesamt mit einer siebanstelligen Summe bela- stet. "Nach dieser Rechnung müs- sen heute für jeden angehenden

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 3 vom 17. Januar 1980 103

(4)

Mediziner jährlich an die 150 000 DM aufgewandt werden. Bei einer Studiendauer von zwölf bis drei- zehn Semestern oder sechs Jah- ren ergibt sich daraus ein Gesamt- betrag von rund 1 Mill. DM."

Adam weist nicht zu Unrecht auf die Belastung der Öffentlichen Hand durch diese Studierenden hin, die nicht letztendlich zur Be- rufsausbildung studieren, sondern zur "Bildung um ihrer selbst wil-

len". So verdienstvoll der Hinweis

auf diese Kosten, die aus Steuer- geldern finanziert werden müssen, auch ist, so muß hierzu doch min- destens ergänzend gefragt wer- den:

~ Ist diese Belastung in der Medi- zin und in allen anderen Fakultä- ten nicht doch geringer als durch akademische Ausbildung, die aus arbeitsmarktpolitischen Gründen brachliegen wird?

Wenn man jedoch akzeptiert, daß eben diese künftige arbeitsmarkt- politische Situation nicht progno- stiziert werden kann, so daß aus arbeitsmarktpolitischen Gründen auch keine Kosten-Nutzen-Rech- nung angestellt werden kann, dann scheint doch mindestens ei- ne andere Gegenüberstellung er- kenntnisträchtig:

Die sehr weite Spanne zwischen Reproduktionsrate und Zahl der Studienanfänger läßt immerhin ja die Wahrscheinlichkeit groß sein, daß Steuermittel in weit höherem Umfang als für nur ein halbes Pro- zent der gut 70 000 eingeschriebe- nen Medizinstudenten für den Erwerb von Berufsqualifikationen ausgegeben werden, die später aus arbeitsmarktpolitischen Grün- den nicht eingesetzt werden kön- nen. Das würde bedeuten, daß er- hebliche Steuermittel für die Her- anbildung sozialer Unzufrieden- heit ausgegeben werden. Wäre dies nicht weit schlimmer, als daß Bildung auf Gemeinkosten "nur um der Bildung willen", aber im- merhin doch zu individueller Sinn- erfüllung des Lebens erworben wird?

Und noch bedeutungsvoller als die Frage, ob wir es uns leisten können, ein halbes Prozent der Studenten medizinische Bildung um der Bildung willen erwerben zu lassen, ist doch wohl die Frage, ob nicht ganz grundsätzlich in die Diskussion um die Reform des Me- dizinstudiums endlich auch und ganz nachdrücklich die Frage ein- gebracht werden muß:

4. Was muß, was kann, was darf das Medizinstudium die Öffentli- chen Haushalte in der Bundesre- publik Deutschland im Gefüge al- ler Staatsausgaben sinnvollerwei- se kosten?

Dies ist nicht nur die Frage nach der Zahl der Studierenden, son- dern auch nach den Kosten pro Kopf der Auszubildenden.

Die Ärztetagsempfehlung, unter Kostengesichtspunkten betrachtet

Der 82. Deutsche Ärztetag hat 1979 in Nürnberg nach außeror- dentlich sorgfältigen und langen Vorberatungen und nach intensi- ver Diskussion eine Empfehlung zur Reform des Medizinstudiums gegeben. Diese Empfehlung zielt nicht zuletzt auf eine Konzentra- tion der medizinisch-wissen- schaftlichen Ausbildung auf den Universitäten und auf die Ablö- sung von Verantwortung der Uni- versitäten für eine sich daran an- schließende praktische Ausbil- dung und die entsprechende Ab- schlußprüfung zu Lasten staatli- cher Prüfungsämter.

Die Verwirklichung dieses Vor- schlages würde für den prakti- schen Ausbildungsabschnitt einen Status des angehenden Arztes be- deuten, wie ihn angehende Päd- agogen und Juristen in der Refe- rendarzeit haben. Für Pädagogen und Juristen bringt die Referen- darzeit das Erlernen der prakti- schen Anwendung ihres erfolg- reich abgeschlossenen wis- senschaftlichen Hochschulstudi- ums.

104 Heft 3 vom 17. Januar 1980 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Folgerichtig liegen Verantwortung und Prüfung für diesen Ausbil- dungsabschnitt beim Staat, der für diese Zeit auch die Alimentierung der Referendare übernimmt. Der Staat übernimmt diese Kosten in diesem Bereich für die Pädagogen folgerichtig auch deswegen, weil der Staat der künftig fast aus- schließliche Arbeitgeber der Päd- agogen ist. Für die Juristen über- nimmt der Staat diese Alimentie- rung, obwohl nur ein Teil der Juri- sten später dem Staate dient.

Unabhängig von der Frage, wer letztendlich die Kosten einer Refe- rendarzeit in der Ausbildung zum Arzt tragen würde, ist dem Gedan- ken einer Referendarzeit in der Berufsausbildung zur Medizin an erster Stelle entgegengehalten worden, daß angesichts der Fi- nanzsituation die Öffentliche Hand mit den Kosten hierfür un- möglich belastet werden könne.

Selbst wenn man einmal davon absieht, ob dieses Argument im Vergleich zur Berufsausbildung von Juristen und Pädagogen einer Prüfung nach dem Gleichheits- grundsatz standhält, stellt sich doch die Frage:

Was würde denn die Einführung einer Referendarzeit in der Ausbil- dung zum Arzt die Öffentliche Hand wirklich kosten?

Die zweijährige Alimentierung von Referendaren bei Pädagogen und Juristen kostet im Einzelfall rd.

25 000 DM. Im Verhältnis zu den derzeitig genannten Kosten eines Medizinstudiums in Höhe von 1 000 000 DM handelt es sich hier also um rund 2,5 v. H. dieser heute bereits aufgewandten Kosten. Ei- ne sonst als sinnvoll erkannte Maßnahme unter diesen Umstän- den aus Kostengründen zurückzu- weisen wäre ebenso unsinnig, als wollte man nach Fertigstellung ei- nes Gebäudes aus Kostengründen die Anschaffung von Dachziegeln verweigern.

Muß nicht umgekehrt die Frage gestellt werden: [>

(5)

Hochschulen: Der Mediziner-Boom

Agrar-, Forst- und

2,

Ernährungswissenschaften Gegenüber 1975

hat sich der Anteil der Ingenieurstudenten an der Gesamt-

zahl der Studierenden verringert, der Anteil der Human- mediziner ist gestiegen

12,2

IIngenieur-

e

wissenschaften Mathematik, Naturwissenschaften

Sprach-, Kultur- wissenschaften, Sport

iß (in Prozent aller Studierenden)

21,0

Humanmedizin Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften

Kunst, Kunstwissenschaft

ShilieSChte n.IXIleS81311I hiVd 47//79 Dcutsther insriwu-Verläg

Veterinär- fl

0,5

medizin 10,5

6

Unverändert

Die in den letzten Jahren zu beobachtenden Fächerpräferenzen der Studie- renden an Hochschulen und Universitäten deuten auf tiefgreifende Umschichtungen im künftigen Akademikerangebot am Arbeitsmarkt hin:

Gegenüber 1975 ist der Anteil der Studenten der Wirtschafts- und Sozialwis- senschaften an der Gesamtzahl der Studierenden von 21 auf 21,8 Prozent, der Anteil der Medizinstudenten sogar von 7,6 auf 9 Prozent gestiegen.

Hingegen ist der Anteil der Ingenieur-Studenten von 12,2 auf 11,3 Prozent, der Anteil der Mathematik-Studenten und übrigen Naturwissenschaftler von 19,6 auf 18,8 Prozent zurückgegangen. Wie die Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, feststellt, kollidiert diese Entwicklung eindeutig mit den kurzfristi- gen Bedarfsschätzungen. Allein in Nordrhein-Westfalen wird mit einem Überangebot von etwa 100 000 Lehrern Ende der achtziger Jahre gerechnet.

Bei den Ärzten und Apothekern, aber auch bei den Geisteswissenschaftlern hat sich die Zahl der Arbeitslosen von 1975 bis 1978 nahezu verdoppelt DÄ Wieviel Ausbildungskosten in der

Medizin können durch Einführung eines im Curriculum und durch ar- beitsgemeinschaftliche Aufsicht straff geführten Referendariats eingespart werden?

Gerade wenn man die Kosten für die Einrichtung eines Referendari- ats als Teil der Ausbildung zum Arzt mit dem bloßen Aufwand der Alimentierung der Referendare als zu niedrig angesetzt bezeichnet, dann wird deutlich, welch ein Ge- winn an Qualität der Ausbildung und welche echte Chance zur Ver- kürzung der durchschnittlichen Studiendauer hier besteht. Denn:

Die zusätzlichen Kosten zur Er- richtung staatlicher Prüfungsäm- ter und für die Einrichtung und Führung von Arbeitsgemeinschaf- ten der Referendare, wie sie in Pädagogik und Justiz selbstver- ständlich sind, würden sich quan- titativ hinsichtlich der Studiendau- er und qualitativ hinsichtlich des Ergebnisses der Ausbildung mit Sicherheit auszahlen!

Wer die Diskussion um die Reform der Approbationsordnung im An- schluß an die Beschlußfassung des Deutschen Ärztetages und im Zusammenhang mit Berichterstat- tung und Kommentierung der Be- ratungen und Ergebnisse der

„Kleinen Kommission" beim Bun- desministerium für Jugend, Fami- lie und Gesundheit zur Novellie- rung der Approbationsordnung sorgfältig verfolgt hat, muß fest- stellen, daß der Gedanke der Ärz- tetagsforderung, den praktischen Teil der Ausbildung aus der alleini- gen Verantwortung der Universitä- ten herauszulösen, in allen seinen Konsequenzen auch für die Allge- meinmedizin nicht gründlich ge- nug bedacht, beschrieben und diskutiert worden ist.

Vielleicht hängt das damit zusam- men, daß gerade die sich an der Diskussion beteiligenden Ärzte aufgrund der Erfahrung ihrer eige- nen Berufsausbildung sich schwe- rer als Juristen und Pädagogen tun, die Nützlichkeit eines Stu- dien- und Ausbildungsganges für

die Berufsausbildung zum Arzt phantasievoll und kritisch zu er- wägen, wie sie sich zwar ander- weitig seit Jahrzehnten bzw. seit Generationen bewährt hat, aber in der Ausbildung zum Arzt bisher eben noch nicht geübt worden ist.

Es bedarf daher sicher auch eines gewissen Zeitablaufes, damit in der Vorstellungswelt der zu die- sem Thema diskutierenden Ärzte ein solches Referendariat als reali- sierbares Modell akzeptiert wird.

Kostengründe

sprechen eher für als gegen ein Referendariat

Nachdem jedoch nunmehr fest- steht, daß die Novellierung der Ap- probationsordnung in dieser Le-

gislaturperiode nicht mehr erfol- gen wird, besteht vielleicht doch die Chance, diesen Gedanken in den Novellierungsdiskussionen zur Approbationsordnung noch weiter zu vertiefen. Dazu mag der Hinweis dienlich sein, daß Kosten- gründe eher fürals gegen die Ein- führung eines Referendariats als Bestandteil der Ausbildung zum Arzt sprechen.

Anschrift des Verfassers:

Prof. J. F. Volrad Deneke Haedenkampstraße 1 5000 Köln 41 (Lindenthai)

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