A 522 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 11|
16. März 2012UMFRAGE UNTER STUDIERENDEN
Beruf und Familie bleibt ein Spagat
Die Umfrage der bvmd belegt: Medizinstudierende halten sowohl die Universitäten als auch die Arbeitsbedingungen in Klinik und Praxis für wenig familienfreundlich.
K
ind und Karriere? Das ist für viele Medizinstudierende und junge Ärztinnen und Ärzte heu- te offenbar noch immer ein Gegen- satz, der sich nicht auflösen lässt.So legt es die aktuelle Umfrage der
„Aktion freundilie – für Freunde und Familie“ der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutsch- land (bvmd) nahe. Mehr als 2 000 Teilnehmer, darunter 1 950 Studie- rende und 90 Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung, von 35 Fakultäten in Deutschland beantworteten im vergangenen Jahr 25 Fragen zur Fa- milienfreundlichkeit des Studiums und des Arztberufes.
„Familienfreundlichkeit spielt für viele Medizinstudierende be-
reits im Studium eine große Rolle, doch bei der Wahl einer Assistenz- arztstelle ist sie mitunter entschei- dend“, sagt die bvmd-Präsidentin Melissa Camara Romero dem Deutschen Ärzteblatt. So antwor- teten auf die Einstiegsfrage „Setzt Du Dich persönlich mit dem The- ma Familienfreundlichkeit ausein - ander?“ 84,2 Prozent der Teilneh- mer mit „Ja“. Auf die Ärzte in der Weiterbildung bezogen ist das Thema sogar für 92,3 Prozent der Teilnehmer wichtig. Allerdings weist die bvmd auf eine methodi- sche Einschränkung hin: Es haben sich wahrscheinlich besonders an dem Thema interessierte Studie- rende und Ärzte beteiligt.
Mehr als zwei Drittel der Stu- dierenden gaben an, dass sie sich unter der Voraussetzung von fami- lienfreundlichen Maßnahmen an der Uni durchaus vorstellen könn- ten, während des Studiums ein Kind zu bekommen. Aber auf die Frage „Für wie familienfreundlich hältst Du Deine Uni?“ antworteten 34,5 Prozent der Studierenden
„gar nicht“ oder „wenig“. Nur 18,4 Prozent hielten ihre Uni für
„stark“ oder „sehr stark“ familien- freundlich.
Kinder als Hindernis
Noch schwieriger wird es im späte- ren Beruf. Auf die Frage „Sind Kin- der ein Karrierehemmnis?“ antwor- teten 68,8 Prozent der Studierenden und 82,4 Prozent der Ärzte mit
„Ja“. In der Bewertung der Schwere des Konfliktes zwischen berufli- cher Tätigkeit und Familienleben zeigt sich ein Unterschied zwischen Studierenden und bereits berufstäti- gen Ärztinnen und Ärzten. Wäh- rend 58,8 Prozent der Studierenden den Konflikt als „stark“ oder „sehr stark“ wahrnehmen, sind es bei den Ärztinnen und Ärzten, die die Rea-
lität in Klinik und Praxis erleben, 73,7 Prozent.
Die meisten Befragten sind da- von überzeugt, dass familienför- dernde Maßnahmen keine negati- ven betriebswirtschaftlichen Folgen mit sich brächten. Trotzdem wür- den nur 40 Prozent der Teilneh- mer das Thema im Vorstellungs - gespräch anbringen. Nahezu alle Befragten waren sich sicher, dass dies ihre Bewerbungschancen ver- schlechtern würde. „Das ist alar- mierend und fordert nicht nur politische Initiative, sondern auch konkrete Verbesserungen in jeder einzelnen Klinik“, meint die bvmd.
Hauptwunsch: Teilzeit
Die jüngste Umfrage bestätigt an- dere Untersuchungen: So ergab ei- ne Umfrage der bvmd unter Me - dizinstudierenden bereits 2006, dass sich 86 Prozent der Befragten Kinder wünschen, dies mit ihrem künftigen Beruf aber nur für schwer oder sehr schwer vereinbar hielten. 2010 fragte die Universität Trier zusammen mit der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung und dem Medizinischen Fakultätentag 12 000 Medizinstudierende, wie wichtig ihnen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei. 95,5 Prozent gaben an, dies sei ihnen
„wichtig“ oder „sehr wichtig“.
Die jetzige Umfrage zeigt, dass zwischen 70 und 75 Prozent der Kliniken bereits über Möglichkei- ten zur Kinderbetreuung verfügen.
Als wesentlich wichtiger bewerte- ten die Teilnehmer der Umfrage aber die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten, Elternzeit zu nehmen und die Arbeitszeiten individuell zu ge-
stalten.
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Dr. med. Arne Hillienhof
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Eine ausführliche Darstellung der Studienergebnisse: www.aerzteblatt.de/nachrichten/49292 Für familien-
freundlich hält le- diglich jeder fünfte Medizinstudierende seine Universität.
Foto: dpa