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elemedizin-Projekte führen immer noch ein „Insel-Dasein“ innerhalb der Gesundheitsversorgung. Sie sind in der Regel auf den Nutzer-En- thusiasmus angewiesen, laufen nicht im Regelbetrieb, weil Modelle für die Or- ganisation und Abrechnung fehlen und rechtliche Aspekte ungeklärt sind. Die breite Nutzung der Telemedizin wird in der Praxis nahezu verhindert. Dieses Fazit zog Thomas Schall, Universität Regensburg, auf dem 7. Forum Infor- mation in Krankenhaus und Praxis – K Online – in München. Themenberei- che der Veranstaltung waren Telemedi- zin und elektronisch unterstütztes Dis- ease Management. Die technologische Machbarkeit telemedizinischer Anwen- dungen sei nachgewiesen. Jetzt gehe es darum, diese in die Arbeitsabläufe, das heißt zum Beispiel in Krankenhaus- informationssysteme und Wissens- und Informationsdatenbanken, zu integrie- ren und den Blick auf den Anwender- nutzen zu richten. Der Weg verläuft daher nach Schall von der Technik- entwicklung zur Leistungserbringung und ist mit einer Zunahme der „Direkt- heit der Einflussnahme“ verbunden (beispielsweise von der Telekonsultati- on über die Telediagnose zur Telebe- handlung oder vom Telemonitoring über die Telebetreuung zur Telebehand- lung). Telematisch praktizierte Medizin erhöhe die Mobilität und die Freiheit von Arzt und Patient. So könne einer- seits der Arzt Leistungen abseits von Klinik und Praxis erbringen, anderer- seits erhalte der Patient eine qualitäts- gesicherte adäquate Betreuung, die ebenfalls nicht notwendig an Klinik und Praxis gebunden sein müsse. Weitere Vorteile: Zeitliche Verzögerungen wer- den verringert und räumliche Distan- zen aufgehoben. Dies ist mit einer Effi- zienzsteigerung verbunden. Der Nut- zen für Forschung und Lehre ist unteranderem die ständige Verfügbarkeit und Aktualität von Ergebnissen, die Möglichkeit neuer Studiendesigns und der Zugriff auf konsistente Datenbe- stände.
Ein Beispiel für ein innovatives praxisbzogenes Telemedizinprojekt im Rahmen der integrierten Versorgung stellte Dr. Marc Kurepkat, Clinische Studien Gesellschaft, Berlin, vor. Das Hypertonie-Pilotprojekt im Praxisnetz Nürnberg Nord erprobt mit 20 teilneh- menden Ärzten die elektronische Um- setzung von Disease-Management-Pro- grammen (eDMP) anhand einer Leitli- nie zur Hypertoniebehandlung bei Ver- sicherten der AOK. Die internetbasier- te Anwendung umfasst die Online-Do- kumentation in einer Oracle-Daten- bank, unter anderem mit Online-Be- rechnungen (wie dem BMI), Plausibili- tätsprüfungen, Dokumentationsstatus sämtlicher Patienten, einem Zugriffs- protokoll und regelbasierten Auswer- tungen. Das Programm „SendUS“ er- möglicht die Konvertierung und Inte- gration der Daten in die Praxis-EDV der beteiligten Ärzte. Die Daten wer-
den dabei verschlüsselt übermittelt.
Das Institut für Gesundheits- und Sozi- alforschung (IGES), Berlin, übernimmt die wissenschaftliche Evaluation und dient als DMP-Zentrale. Die Infra- struktur steht seit dem zweiten Quartal 2002 zur Verfügung. Eine begleitende nicht öffentliche Website dient als Platt- form, auf der die Leitlinie und weitere Wissensquellen abgelegt sind. Ende des Jahres soll eine CME-(Continuous Medical Education-)Sequenz als Fort- bildungsangebot eingearbeitet werden.
Ein „schlüsselfertiges“ Produkt für das elektronische Disease Management haben die Firmen IGES und DGN Ser- vice GmbH, Düsseldorf, entwickelt.
Das Programm „Ariadne“ unterstützt als datenbankgestützte Online-Appli- kation die Umsetzung von DMP von der inhaltlichen Konzeption über die Implementierung bei den Teilnehmern bis zum Regelbetrieb. Die Lösung kann in der Arztpraxis unabhängig vom ver- wendeten Praxiscomputersystem ein- gesetzt werden.
Persönliches
Gesundheitsmanagement
Ein Werkzeug zum Management von Diabetes mellitus präsentierte Oliver Mast vom Institut für Medizin, Infor- matik und Biostatistik, Basel. Mit dem Programm „Mellibase“ (www.melli base.de) kann der Arzt individuelle elektronische Risikoberichte für Dia- betiker erstellen. Das Ziel ist, über prognostische Aussagen zum Krank- heitsbild eines Patienten Therapiepro- zesse zu optimieren und diesen dabei – psychologisch und wissensbezogen – zu unterstützen, sein Risiko zu verbes- sern. Die Software vergleicht die Daten des Patienten mit den Ergebnissen aus mehr als 80 Studien und erstellt aus dieser Evidenzbasis regelmäßige Risi- koberichte. Diese projizieren für un- terschiedliche Risiken, zum Beispiel Schlaganfall, Erblindung und Ampu- tation, sowohl die statistische Wahr- scheinlichkeit als auch Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation des Pa- tienten. Arzt und Patient können auf der Grundlage der Berichte Therapie- ziele vereinbaren und kontinuierlich umsetzen. Heike E. Krüger-Brand T H E M E N D E R Z E I T
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 458. November 2002 AA2991
K Online
Telemedizin für die Praxis
Neue Entwicklungen in der Informationsverarbeitung müssen in die medizinische Versorgung integriert werden.
Beispiele für Telemedizinprojekte
G Glaukom-Monitoring im Rahmen vom EU- Projekt TOSCA (Tele-Ophthalmological Services – Citizen-centred Applications): http://tosca.gsf.de:
An der Augenklinik der Universität Erlangen- Nürnberg werden Glaukompatienten telematisch betreut. Die Patienten messen zu Hause den Au- gendruck, übermitteln die Daten über Palmpilot oder Telefontastatur an den zentralen Server und können so kontinuierlich überwacht werden.
G Endotel (ENDOskopie-TELedienste) www.imse.
med.tu-muenchen.de/mi/endotel/index.html): mul- timedialer Informations- und Telekonsultations- dienst auf dem Gebiet der gastroenterologischen Endoskopie. 3-stufig konzipiert: mit elektroni- schem Informationssystem (WWW-basiert), Tele- konsultation (asynchroner Dienst) und Videokon- ferenz (synchroner Dienst).