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ie künstliche Befruchtung durch Intrazytoplasmatische Spermien- injektion (ICSI) soll nun doch Be- standteil des Leistungskatalogs der Ge- setzlichen Krankenversicherung wer- den. „Die aktuelle Studienlage zur ICSI lässt in Verbindung mit den Vorgaben des Bundessozialgerichtes keinen ande- ren Schluss zu“, begründete der Vorsit- zende der Kassenärztlichen Bundesver- einigung (KBV), Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm, die Entscheidung, die der KBV-Vorstand trotz großer Be- denken am 18. Januar in Berlin getrof- fen hatte.Die seit Jahren andauernde Diskus- sion darüber, ob das Verfahren als Kas- senleistung anerkannt werden kann, ist damit vorerst beendet. Im Oktober 1997 hatte der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Aner- kennung abgelehnt. Es sei noch nicht ausreichend untersucht, ob es nach An- wendung des Verfahrens zu einer er- höhten Missbildungsrate komme, hieß es damals.
Lübecker Studie weist nur gering höhere Risiken aus
Inzwischen hat sich die Lage geändert.
Die „Lübecker Studie“ hat ergeben, dass Säuglinge nach einer mittels ICSI eingeleiteten Schwangerschaft 1,3fach häufiger fehlgebildet sind als Kinder, die auf „natürlichem“ Weg gezeugt wurden. Die Methode birgt damit kein relevantes Risiko für kindliche Fehlbil- dungen, folgerten die an der Studie be- teiligten Wissenschaftler. Daneben hat- te das Bundessozialgericht im letzten Jahr geurteilt, dass die gesetzlichen Krankenkassen Methoden der künstli- chen Befruchtung unabhängig davon bezahlen müssen, ob ein erhöhtes Risi- ko von Missbildungen besteht. Die Ent- scheidung darüber, ob sie ein solches
Risiko eingehen wollen, habe der Ge- setzgeber den Eltern überlassen, hieß es in dem Grundsatzurteil vom 3. April (Az.: B 1 KR 40/00). Das Gericht beur- teilte den Beschluss des Bundesaus- schusses von 1997 als „mit höherrangi- gem Recht unvereinbar und damit un- wirksam“ und verpflichtete die Kran- kenkassen, die Kosten für das ICSI- Verfahren zu übernehmen. Es kritisier- te zugleich, der Bundesausschuss habe seine Entscheidung nicht auf das Miss- bildungsrisiko abstellen dürfen. Der Gesetzgeber habe 1990 die künstliche Befruchtung in die Leistungspflicht der Krankenkassen aufgenommen, obwohl auch bei der In-vitro-Fertilisation ein erhöhtes Risiko von Behinderungen be- stehe. Voraussetzung sei lediglich eine Beratung der Eltern über alle Risiken.
Eltern sollten sich vom Arzt ausführlich beraten lassen
Vor diesem Hintergrund können es die Ärzte im Bundesausschuss nicht ableh- nen, die ICSI-Methode in den Lei- stungskatalog aufzunehmen, heißt es bei der KBV. „Jeder, der in dieses Ver- fahren seine Hoffnung setzt, sollte sich aber von seinem Arzt intensiv über mögliche Risiken aufklären lassen und erst danach seine Entscheidung tref- fen“, sagte Richter-Reichhelm. Nur in rund 25 Prozent der Fälle kann über ICSI eine Schwangerschaft herbeige- führt werden.
Sorge dürften den Kassenärzten auch die zu erwartenden Zusatzkosten durch die Aufnahme der neuen Metho- de in den Leistungskatalog der GKV bereiten. Sie gehen von einem jähr- lichen Finanzbedarf von 100 bis 150 MillionenA aus. Bisher haben es die Kassen stets abgelehnt, zusätzliches Geld für neue Leistungen bereitzu-
stellen. HK
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A248 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 5½½½½1. Februar 2002 P O L I T I K