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DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
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DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Europa – Schuldenfalle trotz Sparzwang
Der Geist von Deauville hat es uns geflüstert: Wir Deutschen machen alles besser. Von uns muss man sich ein Stück Stabili- tätskultur abschneiden. Wir leben nicht über unsere Verhältnisse und sparen tüchtig für die Zukunft, statt uns bis zum Hals zu verschulden. Ohne uns gäbe es in Europa keine Verschuldungs- grenzen. Bundesfinanzminister a. D. Waigel und Ex-
Bundesbankchef Tietmeyer haben den Stabilitätspakt gegen die heutigen Defizitsünder durchgesetzt. Wer die Anforderungen erfüllt, ist ein guter Schüler, als Belohnung gibt´s günstige Kredi- te – wie Deutschland. Wer aber in Saus und Braus lebt, besteht bekanntlich die Prüfung nicht. Das Ergebnis: Teure Kredite für Griechenland, dem faulen Knilch von der letzten Bank. Wer beim Spicken erwischt wird, muss in der Ecke stehen. Und vor der nächsten Prüfung durchsucht der Musterschüler die Taschen.
Vertrauen ist gut, Kontrolle bekanntlich besser. Das ist der Geist der Vorschläge von Deauville, wo Merkel und Sarkozy ihn riefen.
Der Aufstand der anderen EU-Länder geriet zur Gespensterde- batte. Werden nun alle zu Musterschülern wie Deutschland?
Sind hohe Verschuldungen von nun an Vergangenheit?
Diese Hoffnung ist vergeblich. Im Gegenteil, Europa steuert zielgenau auf die Schuldenfalle zu. Denn die Strafen und ver- schärften Prüfungsbestimmungen des Stabilitätspaktes machen aus weniger leistungsfähigen Schülern noch lange keine Muster- schüler. Fördern, Integrieren und dann Fordern gilt nicht nur in der Bildungspolitik, sondern auch für die Haushaltskonsolidie- rung. Weniger Schulden machen nur Länder, die gut wachsen.
Hingegen vergrößert sich der Schuldenstand, wenn eine Volks- wirtschaft in einer wirtschaftlichen Flaute mit massiven Ausga- benkürzungen sparen will. Die Verschärfung der Prüfungsbedin- gungen funktioniert, wenn alle auf die Prüfung gut vorbereitet sind, also die Wirtschaft ordentlich wächst. Ohne Wachstum wird keine nachhaltige Konsolidierung möglich sein.
Das gilt auch für den Zauberlehrling Deutschland. Schon Schrö- ders Sparkommissar Hans Eichel wollte mit Ausgabenkürzungen den Haushalt konsolidieren. Die Sparschweine auf seinem Schreibtisch wurden immer bunter und größer. Seine Schulden aber auch. Denn er sparte in der Krise und verschärfte sie so. Die Steuereinnahmen sanken, trotz Ausgabenkürzungen wurden
mehr Schulden aufgenommen (siehe Abbildung). Ab Mitte 2005 verbesserte sich die Weltkonjunktur und damit das Wachstum in Deutschland. Die Steuereinnahmen sprudelten wieder, der neue Finanzminister Steinbrück konnte den Bundeshaushalt konsoli- dieren und die Verschuldungskriterien des Stabilitätspakts ein- halten. Erst mit dem Ausbruch der Krise und den Maßnahmen zur Krisenbekämpfung stieg die Neuverschuldung wieder.
Der Geist von Deauville vernebelt die triviale Erkenntnis bei Merkel, Sarkozy und dem Europäischen Rat, dass Ausgabenkür- zungen in der Krise Wachstum kosten und eine höhere Verschul- dungen verursachen. Schon heute leiden die meisten europäi- schen Länder unter schwachem Wachstum. Die geplante Halbie- rung der Neuverschuldung würde die Konjunktur zusätzlich abwürgen und die Steuereinnahmen mindern. Der Druck zur Neuverschuldung und weiteren Sozialkürzungen würde steigen – für den Meisterschüler, aber erst recht für die Krisenländer der Eurozone. Ihnen stünde der sichere Weg in die Schuldenfalle bevor - allen Haushaltskonsolidierungen zum Trotz.
Europa befindet sich auf dem fiskalpolitischen Holzweg. Der Stabilitätspakt muss überarbeitet und an die volkswirtschaftliche und soziale Wirklichkeit angepasst werden. Merkels Damokles- schwert macht aus Sparschweinen Scherbenhaufen und aus Europa einen Ort der sozialen Kälte.
Haushaltskriterien des Stabilitätspaktes und BIP-Wachstum in Deutschland
3,2
1,2
0,0
– 0,2 1,2
0,8
2,7
1,0
– 4,7 3,4
66,3 73,4 64,9 65,8 67,6
60,4 63,9 58,8
59,7 68,0
1,3
-2,8
-3,7 -3,8
-3,3 -1,6
0,3 0,1
-4,0
-3,0
-5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
in Prozent
-80 -60 -40 -20 0 20 40 60 80
in Prozent gemessen am BIP
jährliches BIP Wachstum Schuldenstand (rechte Skala) jährliches Haushaltsdef izit/Überschuß
Öf f ent licher Schuld enst and max. 60 % d es B IP
jährliche Net t o- neuverschuldung max. 3% d es B IP
Quelle: EU-Kommission, Frühjahrsprognose 2010; Statistisches Bundesamt