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IIM/LMP 87-14

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IIM/LMP 8 7 - 1 4

Die japanische Aufwertungskrise - Lehren für die Arbeitsmarktpolitik

C hristoph Deutschmann

Dezember 1987 ISSN Nr. 0722-673X

Forschungsschwerpunkt Arbeitsaarkt und Beschäftigung (IIMV)

Research Unit Labour Market and Eaployaent (IIM)

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The paper analyses the present recession in Japan which was trig g e re d by the d r a s tic re v a lu a tio n o f the Yen and which has lead to a marked in ­ crease o f unemployment in Japan. I t is argued th a t the ro o ts o f the c r is is do not l i e sim ply in "wrong" tra d e p o lic ie s and excessive Japanese p ro te c tio n is m . Rather the problem is lo ca te d in the in s t it u t io n s and o rg a n is a tio n a l s tru c tu re s which underlay Japanese success in the past but which now prove unable to cope w ith the problems o f too much success - in p a r tic u la r e n te rp ris e networks, e n te rp ris e unionism and a weak w e lfa re s ta te . Success has "tu rn e d sour" in Japan. The conclusion is th a t d e ve l­

oped and e f f ic i e n t in d u s tr ia l economies need c o u n te rv a ilin g in s t it u t io n s on s o c ie ta l le v e l which a llo w them to c o n tro l t h e ir own success.

Die japanische Aufwertungskrise - Lehren für die Arbeitsmarktpolitik

Zusammenfassung:

Der A ufsatz a n a ly s ie rt d ie gegenwärtige Rezession in Japan, d ie durch d ie d ra s tis c h e Aufwertung des Yen ausgelöst wurde und zu einem m erklichen An­

s tie g der A r b e its lo s ig k e it in Japan g e fü h rt h a t. Die Wurzel der Schwie­

r ig k e ite n - so la u te t das Argument - l i e g t n ic h t e in fach in "fa ls c h e n "

H a n d e ls p o litik e n und im japanischen P ro te ktio n ism u s. Den Kern des Pro­

blems b ild e n vielm e hr jene In s titu tio n e n und o rg a n isa to risch e n S tru k tu ­ ren, d ie d ie frü h e re n E rfo lg e der japanischen In d u s trie möglich gemacht haben, nun sich aber a ls ungeeignet erweisen, um d ie Konsequenzen des E r­

fo lg e s s e lb s t zu bew ältigen - insbesondere Unternehmensnetzwerke, U nte r­

nehmensgewerkschaften und der schwach e n tw ic k e lte S teuer- und W o h lfa h rts­

s ta a t. Die Schlußfolgerung la u te t, daß e n tw ic k e lte In d u s trie g e s e lls c h a f­

te n , d ie über e f f iz ie n t e Unternehmensstrukturen verfügen, w ir ts c h a ftlic h e In s titu tio n e n brauchen, d ie s ie daran h in d e rn ,

zu

e rfo lg r e ic h zu werden.

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I.

Der vorherrschenden ökonomischen Lehrmeinung zu fo lg e g i l t d ie japanische W irts c h a ft s e it der erste n "Ö lk ris e " in der M itte der s ie b z ig e r Jahre a ls V o rb ild f ü r eine e r fo lg r e ic h e Bewältigung w e ltm a rk tin d u z ie rte r K risen . Sie hat g e zeigt - so h e iß t es - , wie rascher S tru ktu rw a n d e l, e in hohes Tempo von Prozeß- und P roduktinnovationen sich m it hohen Wachstumsraten des S ozialp rod ukts und n ie d rig e r A r b e its lo s ig k e it verbinden lassen. Es waren keineswegs nur P u riste n m o n e ta ris tis c h e r oder n e o klassisch er' Prove­

n ie n z, die sich auf das japanische Modell b e rie fe n . Auch f ü r i n s t i t u t i o ­ n e ll o r ie n t ie r t e Ökonomen und S o z ia lw is s e n s c h a ftle r waren das japanische System "le b ensla nge r B eschä ftigu ng", japanische S tr u k tu r - und Technolo­

giesteuerung V o rb ild e r d a fü r, wie man e rfo lg re ic h e A n g e b o ts p o litik be­

tre ib e n könne, ohne in "Thatcherism us" zu v e r fa lle n .

S e it etwa anderthalb Jahren i s t es f r e i l i c h um das japanische Modell eig entü m lich s t i l l geworden. Die auf d ie "?la za"-K on ferenz der fü n f w ich­

tig s te n In d u s trie lä n d e r im September 1985 folgende d ra s tis c h e Abwertung des D o lla r gegenüber dem Yen hat Japan in eine W irts c h a fts k ris e g e s tü rz t, d ie d ie A r b e its lo s ig k e it auf das höchste, in der N a ch krie g sze it ( s e it 1953) je gemessene Niveau g e trie b e n h a t. O f f i z i e l l b e trä g t d ie A r b e its lo ­ senquote zwar nur 3 P rozent. Aber da d ie japanische S t a t is t ik a ls " a r ­ b e its lo s " nur d ie je n ig e n Arbeitssuchenden z ä h lt, d ie n ic h t mehr a ls eine Stunde pro Woche b e za h lt t ä t ig s in d , weiß je d e r, daß d ie ta ts ä c h lic h e A r­

b e its lo s ig k e it v ie l höher l i e g t - r e a lis tis c h e Schätzungen gehen von 5 b is 7 Prozent aus. In Japan s e lb s t werden immer neue, düstere Prognosen über den A rb e itsm arkt v e r ö f f e n t lic h t ; "Aushöhlung von In d u s trie n " i s t zu einem v e rb re ite te n Schlagwort geworden. Peter Drucker, e in e r der frü h e ­ sten Propagandisten des "japanischen Managements", s ie h t nun d ie ja p a n i­

sche W irts c h a ft m it schm erzlichen, d ie japanische I d e n t it ä t bedrohenden Entscheidungen k o n fr o n tie r t (Drucker 1987). Es i s t n ic h t ein Mangel an in te r n a tio n a le r K o n k u rre n z fä h ig k e it, der d ie je tz ig e n japanischen Schwie­

r ig k e ite n verursa cht hat - das genaue Gegenteil i s t der F a ll. Japan v e r­

m i t t e l t heute eine Lehre neuer (bzw. in Vergessenheit g e ra te n e r)' A r t, nämlich daß Beschäftigungsprobleme gerade auch dann entstehen können, wenn eine W irts c h a ft zu e rfo lg re ic h i s t . Der E rfo lg k ip p t dann um, er

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"tu rn s s o u r", wie d ie Far Eastern Economic Review es in e in e r S ch la g ze ile fo r m u lie r te .

Meine These i s t , daß d ie japanische K ris e zu einem w ic h tig e n T e il durch eben jene S tru k tu re n und Mechanismen hervorgerufen worden i s t , m it denen d ie japanische W irts c h a ft vergangene K risen so e f f iz i e n t b e w ä ltig t h a t.

Die Schlußfolgerung daraus la u te t: Gerade in dem Maße, wie eine G e s e ll­

s c h a ft ökonomisch e f f iz ie n t e Unternehmens- und In d u s trie s tru k tu re n e n t­

w ic k e lt, braucht s ie In s t it u tio n e n , d ie s ie davor bewahren, zu e r f o lg ­ re ic h zu werden. Sie w ird m it dem Problem k o n fr o n tie r t , ih re eigene W ett­

be w e rb sfä h ig ke it so zu steuern, daß s ie n ic h t ih re eigene In te g r a tio n in den W eltmarkt g e fä h rd e t. Dazu braucht s ie gewiß n ic h t ih re P r o d u k tiv itä t zu beschneiden. N ötig i s t aber eine " s e lb s tr e fle x iv e " W ettbewerbs-, A llo - k a tio n s - und V e r te ilu n g s p o litik , d ie n ic h t nur d ie eigene ökonomische L e is tu n g s fä h ig k e it, sondern auch d ie ih r e r Konkurrenten - von denen s ie l e t z t l i c h s e lb s t abhängt - im Auge b e h ä lt.

V erm utlich lassen sich d ie Probleme e in e r zu e rfo lg re ic h e n W irts c h a ft, wie w ir s ie gegenwärtig am japanischen F a ll beobachten können, gar n ic h t anders a ls über S e lb s tk o n tro lle und Selbstbegrenzung lösen - wenn n ic h t f r e i w i l l i g , dann u n f r e iw illig . Was gegenwärtig in Japan zum Tragen kommt, sind d ie eher u n fr e iw illig e n Mechanismen der Selbstbegrenzung: d ie nega­

tiv e n Wirkungen der Yen-Aufwertung auf den japanischen Außenhandel s e lb s t, der fa s t p a n ik a rtig e T ra n sfe r von K a p ita l und P ro d u k tio n s s tä tte n in s Ausland, d ie " j o i n t venture s" und die Weitergabe von "Know-how" an ausländische Unternehmen, d ie diesen Lektionen in japanischem Management e r t e i l t und ihnen - ob man dies w i l l oder n ic h t - dazu h i l f t , zu ebenbür­

tig e n oder sogar überlegenen Konkurrenten zu werden. Eine s e lb s tr e fle x iv e W e ttb e w e rb sp o litik i s t aber auch anders, nämlich a ls f r e i w i l l i g e Be­

schränkung und p o litis c h e Steuerung der eigenen K o s te n v o rte ile e in e r Na­

tio n a lw ir ts c h a ft dem Ausland gegenüber m öglich. Man kann sich z .ß . Im­

p o r tfä h ig k e it e rh a lte n , indem man auf den s ta a tlic h s u b v e n tio n ie rte n und p r o te k tio n ie r te n Ausbau noch n ic h t e n tw ic k e lte r oder ko n ku rre n zfä h ig e r In d u s trie n v e r z ic h te t, man kann durch eine entsprechende V e rte ilu n g s p o li­

t i k d a fü r sorgen, daß d ie hohe P r o d u k tiv itä t auch ta ts ä c h lic h der Wohl­

f a h r t und L e b e n sq u a litä t im eigenen Lande zugute kommt. Unter diesem Ge­

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s ic h ts p u n k t gewinnen auch in der o f f iz i e l le n Ökonomie so in V e rru f gera­

tene In s titu tio n e n wie der W o h lfa h rts s ta a t und d ie m ächtige, z e n t r a li­

s ie r t e In d u strie g e w e rksch a ft einen neuen S inn: Sie können den ökonomi­

schen E rfo lg e in e r G e s e lls c h a ft steuern und ihn vor dem "Umkippen" be­

wahren.

Das Problem der japanischen G e s e lls c h a ft, das heute s ic h tb a r w ird , i s t , daß s ie über I n s t it u t io n e n , d ie eine K o n tro lle (und n ic h t nur V e rs tä r­

kung) des eigenen ökonomischen E rfo lg s erm öglichen, n ic h t v e r fü g t. B is ­ lang war es u n te r japanischen Ökonomen und W ir ts c h a fts p o litik e r n ü b lic h , den W o h lfa h rts s ta a t m it le id ig a ls ein Symptom e u ro s k le ro tis c h e r "Degene­

r a tio n " zu b e lä ch e ln : Die japanische G e s e lls c h a ft, in der h a rte A rb e it noch a ls Tugend geschätzt s e i, habe solche E inrichtung en n ic h t n ö tig . Nun g ib t es auch in Japan eine wachsende Zahl von Experten, d ie lie b e r doch etwas mehr Eurosklerose h ä tte n , w e il s ie in e in e r W ir t s c h a f t s p o lit ik , d ie d ie ganze Welt m it japanischen Waren und K apita lanla gen ü b e rz ie h t, auf d ie Dauer n ic h t a llz u v ie l Sinn e rb lic k e n können. Der W o h lfa h rts s ta a t aber - so z e ig t s ic h - lä ß t sich n ic h t über Nacht durch Dekrete der Re­

gierung aus dem Boden stampfen. Sein Aufbau e r fo r d e r t tie fg r e ife n d e Ver­

änderungen der s o z ia le n S tru ktu re n und des p o litis c h e n Bewußtseins, d ie zu ih r e r E n tfa ltu n g Z e it benötigen. Eine p o lit is c h gesteuerte Lösung der japanischen W irtscha ftspro blem e i s t deshalb au f kurze F r is t n ic h t in S ic h t, und dies macht eine Verschärfung der Arbeitsm arktproblem e in Japan in den kommenden Jahren w a h rs c h e in lic h . Für d ie Bundesrepublik, deren S te llu n g am W eltmarkt ja v ie le Ä h n lic h k e ite n m it der Japans a u fw e is t, f o lg t daraus meiner Meinung nach, daß w ir keinen Grund haben, über unsere

"e u ro s k le ro tis c h e n " E in richtung en a llz u u n g lü c k lic h zu s e in : Wir s o llte n s ie - bei a l l e r R e fo rm b e d ü rftig k e it - e rh a lte n und p fle g e n .

(6)

I I .

Ursache der japanischen Rezession i s t der ra p id e V e r fa ll des D o lla rku rse s s e it dem Herbst 1985, der d ie japanische E x p o rtw irts c h a ft w e it mehr a ls jede andere g e tro ffe n h a t. Für jeden D o lla r , den japanische Firmen auf den Auslandsmärkten v e rd ie n te n , e r h ie lte n s ie im Herbst 1985 noch 250 Yen; im Herbst 1987 waren es 140, heute nur noch 120. Die Aufwertung des Yen gegenüber dem D o lla r rü h rte aus den g ig antisch en Überschüssen der japanischen H andelsbilanz von 56 Mrd. D o lla r (1985) und 93 Mrd. D o lla r (1986), von denen 39 Mrd. (1985) und 51 Mrd. (1986) im Handel m it den USA entstanden waren. In D o lla r gerechnet, e x p o rtie rte d ie japanische W irt­

s c h a ft im Jahr 1986 Waren und D ie n s tle is tu n g e n in einem fa s t doppelt so hohen Wert, wie s ie im p o rtie r te ( v g l. T a b e lle 1 im Anhang). Ein so d ra ­ s tis c h e s Ungleichgew icht macht K orrekturen u n ve rm e id lich , und eben diese fin d e n j e t z t s t a t t und führen zu em pfind lich en Anpassungsprozessen am A r- b e its m a rk t.

O ffe n s ic h tlic h g ib t es im P rin z ip zwei M ö g lic h k e ite n , das U ngleichgew icht in der japanischen H andelsbilanz zu k o r r ig ie r e n : zum einen durch eine Re­

duzierung der Handelsbilanzüberschüsse (sinkende E xp orte/ste igen de Impor­

te oder b e id e s ), zum anderen durch einen v e rs tä rk te n K a p ita le x p o rt. Von dem ersten Korrekturmechanismus kann b is h e r kaum gesagt werden, daß e r in nennenswertem Umfang wirksam geworden wäre, im G e g e n te il: 1986 war der sogenannnte J-K u rv e n -E ffe k t zu beobachten, demzufolge d ie Aus- und E in­

fuhrmengen im ersten Stadium e in e r Aufwertung n ic h t ausreichend ab- bzw.

zunehmen, um d ie Währungsverschiebungen auszugleichen. Zwar sind d ie Ex­

p o rte volumenmäßig schon im Jahr 1986 s ta rk zurückgegangen (d er Gesamt­

rückgang im Jahr 1986 w ird auf ca. 20 Prozent ge schätzt; v g l. auch Tabel­

le 2 im Anhang). Um den V e r fa ll der Yen-Erlöse zu begrenzen, haben d ie japanischen Exporteure jedoch d ie P reise e rh ö h t. Obwohl d ie Steigerung des Yen-Kurses im allgemeinen n ic h t v o ll übergewälzt werden konnte, i s t der D o lla rw e rt der japanischen Ausfuhren t r o t z des Volumenrückgangs daher noch einmal s ta rk gestiegen. Umgekehrt i s t der D o lla rw e rt der Im porte vor allem wegen sinkender Öl p re is e zurückgegangen, was w e ite r zu der dram a ti­

schen Höhe des Außenhandelsüberschusses im Jahr 1986 bei getragen h a t.

E rs t f ü r das laufende Jahr w ird damit gerechnet, daß der re c h te Ast der

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J-Kurve e r r e ic h t und der schon s e it 1982 anhaltende Trend zu g a lo p p ie re n ­ der Zunahme der Außenhandelsüberschüsse gestoppt werden kann. Wenn der Yen-Kurs dennoch n ic h t in den Himmel gewachsen i s t , so i s t dies b is h e r in e r s te r L in ie auf den zweiten Korrekturmechanismus, d ie K a p ita lv e rk e h rs b i- la n z , zurückzuführen. Die gesamten A u s la n d s in v e s titio n e n Japans sind i n ­ nerhalb eines Jahres nach dem Beginn der Yen-Aufwertung im September um 85 Prozent gegenüber dem V o rja h r angestiegen. Weit ü b e rp ro p o rtio n a l s t i e ­ gen dabei d ie D ir e k tin v e s titio n e n , d ie sich 1986 gegenüber 1985 mehr a ls verdoppelten (von 6,4 Mrd. auf 14,5 Mrd. D o lla r ; v g l. T abelle 3 im An­

hang).

G le ic h g ü ltig , ob d ie K o rre k tu r des U ngleichgew ichts über einen Rückgang der Exporte, eine Zunahme der Importe oder über einen v e rs tä rk te n Kapi­

ta le x p o r t ve rla u fe n w ird - negative Auswirkungen auf den japanischen A r­

be itsm a rkt sind u n ve rm e id lich . Bisher hat sich der Produktionsrückgang in den E x p o rtin d u s trie n noch bei weitem n ic h t p ro p o rtio n a l auf d ie Beschäf­

tig u n g au sg e w irkt. Der Beschäftigungsrückgang in der verarbeitenden Indu­

s t r ie b e lie f sich im Mai 1987 gegenüber Mai 1986 auf 1,5 Prozent (Japan Times Weekly vom 18.7.1 987 ). Entlassungen hat es b is h e r nur in m ittle r e n und k le in e n Unternehmen gegeben und in denjenigen Branchen, in denen d ie Wirkungen der Yen-Aufwertung m it anhaltenden S tru k tu rk ris e n zusammentra- fen (S c h iffb a u , bestimmte G ru n d s to ff- und P ro d u k tio n s g ü te rin d u s trie n , in geringerem Maße auch in der S ta h lin d u s tr ie ) . In den anderen h a u p tb e tro f­

fenen In d u s trie n (A u to m o b il-, E le k tro - und E le k tr o n ik in d u s tr ie , Maschi­

nenbau) b lie b es b is h e r bei den t r a d i t i o n e l l üblich en "weichen" Methoden der Reduktion von Arbeitsvolum en und B eschäftigung, d .h . Überstundenab­

bau, E in s te llu n g s s to p p s und Abbau p e rip h e re r Belegschaften, T ransfe rs in ­ nerhalb der Unternehmen. Damit b e s tä tig t sich d ie schon in frü h e re n Re­

zessionen gewonnene E rfahrung, daß Veränderungen des Produktionsniveaus in Japan ve rh ä ltn ism ä ß ig langsam auf d ie Beschäftigung durchschlagen - das Management i s t auch diesmal o ffe n b a r w ieder b e r e it, sich r e la t i v la n ­ ge m it einem großen P o ls te r "üb ersch üssige r" A rb e its k rä fte abzufinden.

Aber genau d ie s macht einen anhaltenden Beschäftigungsabbau in den kom­

menden Jahren w a h rs c h e in lic h , f a l l s n ic h t d ie frü h e re n Wachstumsraten von Produktion und Exporten wieder e r r e ic h t werden.

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Damit i s t aber schon aufgrund der gegenwärtig rasch voranschreitenden Verlagerung der P roduktion in s Ausland (Nordamerika, Westeuropa, andere o s ta s ia tis c h e Länder) kaum zu rechnen. B isher konnten D ire k tin v e s titio n e n im Ausland eher a ls d ie Beschäftigung in Japan fö rd e rn d e in g e s tu ft wer­

den, w e il es sich v ie lfa c h um re in e Montagefabriken h a n d e lte , d ie aus Ja­

pan b e lie f e r t wurden. Neuerdings lä ß t sich aber in den w ic h tig s te n Ex­

p o rtin d u s trie n (vo r allem in der Auto- und E le k tro in d u s trie ) ein Trend zur Verlagerung auch der Z u lie fe r in d u s tr ie n in s Ausland beobachten. Ande­

r e r s e its z e ig t sich auch, daß d ie ausländischen T ochterfirm en v e r s tä rk t Verträge m it einheim ischen Z u lie fe re rn abschließen. H in te r d ie s e r Ent­

w icklung s te h t n ic h t nur d ie permanente Drohung p r o te k tio n is tis c h e r E in­

g r i f f e durch d ie ausländischen Regierungen, sondern auch d ie durch d ie Yen-Aufwertung ausgelöste d ra s tis c h e Verschiebung der L o h n k o s te n re la tio ­ nen. Der P ro d u ktio n ssta n d o rt Japan i s t u n te r dem G esichtspunkt der Lohn­

kosten heute, nach der Yen-Aufwertung, um 20 b is 30 Prozent te u re r a ls der G roßbritanniens oder F ra n kre ich s; ja s e lb s t d ie amerikanischen Toch­

te rfirm e n scheinen kostenmäßig zunehmend g ü n stig gegenüber den Stam m fir­

men in Japan abzuschneiden (von Standorten wie Südkorea, Taiwan oder S in­

gapur ganz zu schweigen). Damit lo h n t es sich immer mehr, n ic h t nur d ie in te rn a tio n a le n M ärkte, sondern auch den japanischen Markt s e lb s t von den ausländischen Niederlassungen her zu b e lie fe r n (Drucker 1987: 931). Daß das auf Kosten ja p a n isch e r A rb e its p lä tz e geht, i s t wohl kaum zu verm ei­

den. Es mag ü b e rtrie b e n scheinen, schon j e t z t von der Gefahr e in e r "Aus­

höhlung" der japanischen In d u s trie zu sprechen - e in Schlagw ort, das in Japan d e rz e it h ä u fig zu hören i s t . Aber das A rb e its m in is te riu m rechnet in se in e r neuesten Prognose dam it, daß von den gegenwärtig 19,83 M illio n e n A rb e its p lä tz e n im sekundären Sektor b is 1993 2,2 M illio n e n verschwinden werden (Japan Times Weekly vom 25.7.1 987 ).

Der zu erwartende Beschäftigungsabbau b e t r i f f t zwar nur d ie In d u s trie und - genauer - nur bestimmte Bereiche der In d u s tr ie , nämlich d ie s ta rk ex­

p o r to r ie n tie r te n Fahrzeug-, Maschinen- und In v e s titio n s g ü te rin d u s trie n sowie d ie E le k tro - und E le k tro n ik in d u s trie n . S tä rke r b in n e n w irts c h a ftlic h o r ie n t ie r t e In d u s trie n wie d ie Konsum güterindustrie, d ie B a u w irtsch a ft und vor allem der D ie n s tle is tu n g s s e k to r sind zwar in einzelnen F ä lle n von v e rs c h ä rfte r Im portkonkurrenz b e tro ffe n , f lo r ie r e n jedoch im allgemeinen

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unverändert; vor allem dem D ie n s tle is tu n g s b e re ic h werden gute Expansions­

chancen p ro p h e z e it. Was dem Schlagwort von der "Aushöhlung" aber dennoch seine Berechtigung g ib t , i s t , daß d ie A ufw ertungskrise gerade d ie dyna­

mischsten und am Weltmarkt e rfo lg re ic h s te n In d u s trie n t r i f f t , d ie d ie in ­ te r n a tio n a le Reputation der japanischen W irts c h a ft als "Number One" be­

gründet haben. Es sind a u s s c h lie ß lic h diese In d u s trie n , d ie d ie in d u ­ s t r i e l l e Beschäftigungsexpansion in der ersten H ä lfte der a c h tz ig e r Jahre getragen haben, aber nun a ls "Lokomotive" f ü r den A rb e itsm a rkt a u s fa lle n .

III.

Man w ird v i e l l e i c h t einwenden, daß es f ü r eine solche Einschätzung noch zu frü h i s t : Hat n ic h t d ie japanische W irts c h a ft in frü h e re n Krisen (1974/75 und 1980/81) eine a u ß e ro rd e n tlich e F ä h ig k e it bewiesen, m it S ch w ie rig ke ite n fertigzuw erden? Das könnte gewiß auch diesmal so s e in . Aber es d a rf n ic h t übersehen werden, daß d ie heutige K rise von ganz ande­

re r A rt i s t a ls d ie vergangenen und ih re Überwindung deshalb auch' andere M itte l f o r d e r t .

Auslöser der K risen und 1974/75 und 1980/81 waren d ie bekannten Sprünge der E nergie- und R o h s to ffp re is e am W eltm arkt, d ie d ie in diesen Punkten von E infuhren besonders abhängige japanische W irts c h a ft e m p fin d lic h t r a ­ fe n . Es handelte sich also um eine e xte rn verursachte Verschlechterung der Terms o f Trade, der m it d re i M itte ln entgegengewirkt wurde: ■

1. durch eine in t e llig e n t e und bemerkenswert e ff e k tiv e s e k to ra le S tru k ­ t u r p o l i t i k , der es in r e la t iv kurzer Z e it gelang, e in e rs e its K apazitä­

ten in der e n e rg ie in te n sive n und in te rn a tio n a l weniger k o n k u rre n z fä h i­

gen P ro d u ktio n sg ü te r- und S chw erin du strie abzubauen und a n d e re rs e its In v e s titio n e n , Ressourcen und A rb e its k rä fte in z u k u n fts trä c h tig e , " i n ­ fo rm a tio n s in te n s iv e " In d u s trie n zu lenken;

2. durch eine f le x ib le L o h n p o litik , d ie schon in der S tru k tu r des Lohnsy­

stems (dem hohen A n te il des Bonus a ls variablem , gewinnabhängigen

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L o h n b e sta n d te il) ve ra n ke rt i s t , aber a n d e re rs e its durch d ie P o lit ik der T a rifp a rte ie n a b g e stü tzt wurde. Die Lohnzurückhaltung der Gewerk­

schaften v e rh in d e rte , daß d ie P r o fite durch d ie höheren E nergie- und R ohstoffkosten e m p fin d lic h geschmälert wurden;

3. durch ein e rfo lg re ic h e s Unternehmensmanagement, dem es rascher a ls den in te rn a tio n a le n Konkurrenten gelang, zu r a tio n a lis ie r e n , neue Techni­

ken einzusetzen und auf veränderte N achfragestrukturen zu re a g ie re n . Was zu diesem e rfo lg re ic h e n Management g e h ö rt, i s t inzwischen wohl weitgehend bekannt und s o ll h ie r nur s tic h w o r ta r tig a u fg e zä h lt werden:

ein anspruchsvolles System in n e r b e tr ie b lic h e r Q u a lifiz ie ru n g e in e r­

s e its , das einen fle x ib le n E insatz der Stammbelegschaften bei hoher B e s c h ä ftig u n g s s ic h e rh e it e rm ö g lic h t, a n d e re rs e its ein hoher A n te il va­

r ia b le r Randbelegschaften, eine hohe A rb e its m o tiv a tio n , d ie durch sub­

t i l e Anreizsysteme g e fö rd e rt w ird , eine ausgeklügelte A b la u fo rg a n isa - tio n des F ertigungsprozesses, la n g f r is t ig e s t a t t k u r z f r is t ig e r P r o f i t ­ o rie n tie ru n g . N ic h t a lle , aber v ie le d ie s e r S tra te g ie n waren so e f f i ­ z ie n t, daß s ie geradezu zum V o rb ild f ü r zeitgemäßes Management gewor­

den sin d .

Es sche int so, daß auch diesmal wieder v ie le japanische Unternehmen auf diese bewährten S tra te g ie n der Krisenüberwindung z u rü c k g re ife n . Man r ic h ­ t e t sich auf den hohen oder sogar auf einen noch höheren Yen-Kurs e in und unternimmt a lle s , um Kosten zu senken, Personal abzubauen und d ie Organi­

s a tio n noch s t r a f f e r oder f le x ib le r zu g e s ta lte n . Aber das Problem i s t dam it, anders a ls in frü h e re n Z e ite n , nur vordergrü ndig g e lö s t. Denn in dem Maße, wie sich d ie japanische W irts c h a ft an den neuen Wechselkurs

"gewöhnt", i s t angesichts des fortbestehenden rie s ig e n Überschusses neuer A u ftrie b f ü r den Yen zu erwarten - ein T e u fe ls k re is , der m it der Börsen­

k r is e im Oktober 1987 auch prompt wieder in Gang kam. Wenn d ie Wurzel der S ch w ie rig ke ite n in dem Übermaß an E rfo lg l i e g t , i s t noch mehr E rfo lg o f­

fenbar kein M it t e l, um s ie zu lin d e rn .

So gut wie a lle p o lit is c h V e ra n tw o rtlich e n in Japan sind sich deshalb j e t z t darüber e in ig , daß es "so n ic h t w e ite rg e h t" und eine grundlegende Um orientierung der w ir ts c h a fts p o litis c h e n S tra te g ie notwendig i s t . Die

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G ru n d lin ie n d ie s e r N euorientierung sind in den vergangenen Jahren w ieder­

h o lt von verschiedenen re g ieru ng sam tliche n Expertenkommissionen (im 1.

und 2. "Maekawa"-Report, in einem Gutachten des M ITI) fo r m u lie r t und von der Regierung g e b i l l i g t worden. Die Grundforderungen d ie s e r Gutachten sind im w esentlichen g le ic h : Abbau von Handelshemmnissen in der L a n d w irt­

s c h a ft und im V erteilungssystem des Handels, eine expansive F in a n z p o litik zur S tim u lie ru n g der Binnennachfrage und der Beschäftigung, v e rs tä rk te ö f f e n tlic h e In v e s titio n e n im Wohnungsbau und in der I n f r a s t r u k t u r , d ra ­ s tis c h e Verkürzung der A r b e its z e it und eine Reform des Steuersystems, d ie d ie Steuervergünstigungen auf Ersparnisse abbaut. Zum größten T e il han­

d e lt es sich - m it anderen Worten - um ein klassische s keynesianisches Programm. Es e n tb e h rt s ic h e r n ic h t e in e r gewissen Ir o n ie , daß - in e in e r Z e it, in der sich s e lb s t z a h lre ic h e frü h e re Keynesianer zur "Angebotspo­

l i t i k " bekehrt haben - ausgerechnet das Land, das diese A n g e b o ts p o litik am e rfo lg re ic h s te n p r a k t iz ie r t hat (und damit auch zum "Hecht im Karpfen­

te ic h " des Weltmarktes geworden i s t ) , nun so etwas wie eine Renaissance keynesianischer Ideen zu erleben s c h e in t.

A lle rd in g s i s t h ie r s o fo rt zu k o r r ig ie r e n : Der "jap anisch e Keynesianis­

mus" s te h t b is la n g im w esentlichen nur auf dem Papier der o f f iz i e l le n Gutachten. Forderungen nach mehr Binnennachfrage, nach k ü rz e re r A rb e its ­ z e it , nach mehr ö ffe n tlic h e n In v e s titio n e n k lin g e n gut - wie man s ie aber u n te r den gegebenen p o litis c h e n V e rh ä ltn isse n in Japan p o lit is c h durch­

setzen kann, weiß d e rz e it niemand. Die S c h w ie rig k e it l i e g t d a r in , daß es n ic h t a u s re ic h t, ein fach neue Gesetze oder V e rw a ltu n g s ric h tlin ie n zu e r ­ lassen. Es sin d d ie In s titu tio n e n und S tru ktu re n s e lb s t, d ie der g e fo r­

derten N euorientierung im Wege stehen - d ie gleichen In s titu tio n e n und S tru k tu re n , d ie zwar den vergangenen E rfo lg möglich gemacht haben, gerade deshalb sich nun aber n ic h t e in fa ch in d ie entgegengesetzte Richtung auf mehr Konsum und Binnennachfrage umpolen lassen.

(12)

IV.

Der unbefangene Beobachter w ird n ic h t so le ic h t b e r e it s e in , die se E in ­ schätzung zu schlucken. L ie g t d ie Wurzel des Übels n ic h t ganz e in fa ch in dem überzogenen P rotektionism us der Japaner? S o llte Japan sich n ic h t end­

lic h b e r e it fin d e n , n ic h t nur d ie t a r if ä r e n , sondern auch d ie n i c h t t a r i - fä re n Handelshemmnisse abzubauen und w e s tlic h e n Firmen g le ic h e Wettbe­

werbschancen einzuräumen? Dieses Argument i s t s ic h e r lic h n ic h t ganz fa ls c h . Es g ib t in Japan, wie auch anderswo, eine mächtige A g ra rlo b b y, der es b is heute gelungen i s t , d ie E in fu h r la n d w ir ts c h a ftlic h e r Erzeug­

nisse (R eis, R in d fle is c h , Z itr u s frü c h te u .a .) wirksam zu b lo c k ie re n . Es g ib t darüber hinaus im gesamten Konsumgüterbereich ein sehr e ffe k tiv e s n ic h tta r ifä r e s Handelshemmnis in G e s ta lt der G roßhandelsgesellschäften, d ie ausländische A n b ie te r g e z ie lt d is k rim in ie re n . Das V erteilungssystem des Handels i s t auch v e ra n tw o rtlic h d a fü r, daß d ie aus der Yen-Aufwertung re s u ltie re n d e n Importpreissenkungen b is h e r kaum an d ie Konsumenten w e i­

te r g e r e ic h t worden s in d .

Niemand b e s t r e it e t , daß es in diesen Bereichen noch mächtige Importhemm­

nisse g ib t , deren Abbau jedoch p o lit is c h schwer durchzusetzen i s t und an den Machtgrundlagen der regierenden L ib e ra l demokratischen P a rte i r ü t t e ln d ü r fte . Aber a n d e re rs e its g la u b t auch niemand daran, daß der Abbau der rie s ig e n japanischen Handelsbilanzüberschüsse durch mehr E in fu h r von Kon­

sumgütern a lle in zu e rre ich e n i s t . Japanische Haushalte sind schon v o l l ­ g e s to p ft m it Fernseh- und Videogeräten und Kühlschränken, und v ie l mehr Autos sind bei den hoffnungslos ü b e r fü llte n und v ie l zu engen' Straßen beim besten W ille n n ic h t r e a lis t is c h . Mehr Konsum von französischem Käse, ita lie n is c h e m Wein, amerikanischen Steaks und Z itru s frü c h te n wäre gewiß wünschenswert, aber d ie s a lle in würde kaum ausreichen. Der Kern des Pro­

blems l i e g t vielm e hr in der unzureichenden E in fu h r von In v e s titio n s - und In d u s trie g ü te rn . Der A n te il von Maschinen und Fahrzeugen (SITC 7) an der gesamten japanischen E in fu h r (W e rta n te il in D o lla r) betrug 1985 8,6 Pro­

zen t, der Gesamtanteil der In d u s trie g ü te r (ohne Chem ikalien, SITC 6 - 8 ) betrug 21,9 Prozent. Für d ie Bundesrepublik la u te n d ie entsprechenden An­

te ils z a h le n 22,8 und 50 Prozent (OECD Economic Surveys, Japan, Germany 1986). Lind gerade im Bereich der In d u s trie p ro d u k te und In v e s titio n s g ü te r

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lä ß t sich zeigen, daß es eben n ic h t o ffe n e r oder la te n te r P rotektionism us i s t , der ausländischen A nbietern das Geschäft so schwer macht, sondern d ie s p e z ifis c h japanischen Unternehmensnetzwerke und Subkontraktsystem e.

Analysen des japanischen Managements haben v ie lfa c h g e z e ig t, wie bedeut­

sam d ie f ü r d ie japanische In d u s tr ie typisch en Unternehmensnetzwerke f ü r ih re n E rfo lg auf dem W eltmarkt waren ( z u le tz t h ie rzu Dore 1986). Bei d ie ­ sen Netzwerken handelt es sich um eine Form ökonomischen Austauschs, der m it dem Schema "M arkt" versus "H ie ra rc h ie " n ic h t zu erfassen i s t . Es i s t keine h ie ra rc h is c h e Beziehung, denn d ie Z u lie fe r e r und Subkontrahenten sind fo rm e ll se lb stä n d ig e Unternehmen, wenn auch m eist kap italm ä ß ig m it der Stammfirma v e rflo c h te n . Es i s t aber auch keine M arktbeziehung, denn d ie Zusammenarbeit geht über den Kauf und Verkauf von Produkten und D ie n stle istu n g e n w e it hinaus. Es handelt sich um eine in te n s iv e , la n g f r i ­ s t ig angelegte Kooperation, d ie einen Austausch von P ersonal, Know-how, gemeinsame Bemühungen auf za h lre ich e n Gebieten von der Q u a lifik a tio n s p o ­ l i t i k , der Produktplanung b is hin zur Q u a litä ts k o n tr o lle e in s c h lie ß t.

Vertrauen und p e rsö n lich e L o y a litä te n sp ie le n in den Beziehungen, d ie in Japan gern in eine "F a m ilie n "-M e ta p h o rik g e k le id e t werden, eine große R o lle . Das h e iß t n ic h t, daß der Preiswettbewerb bedeutungslos wäre. Aber das Auftauchen eines anderen A n b ie te rs , der das g le ic h e F e r tig u n g s te il, das g le ic h e Gerät oder d ie Maschine b i l l i g e r v e rk a u ft, w ird d ie ja p a n i­

sche Stammfirma n ic h t so le ic h t dazu veranlassen, ih re n L ie fe ra n te n f a l ­ len zu lassen. Sie w ird ihn vielm ehr dazu bewegen, es dem Konkurrenten nachzutun, d ie Kosten zu senken, d ie Q u a litä t zu verbessern, und s ie w ird ihm d a fü r auch Z e it einräumen. Umgekehrt w ird s ie von ihm auch Preiskon­

zessionen fo rd e rn und e rh a lte n , wenn s ie s e lb s t in S ch w ie rig ke ite n i s t . Es besteht kein Z w e ife l, daß solche Formen der n e tzw e rka rtig e n Koopera­

t io n Inn ova tion und F l e x i b i l i t ä t e r le ic h te r n und hohe Q ualitätsnorm en zu e rre ich e n h e lfe n - daher r ü h r t das auch in w e stlich e n Ländern wachsende In te re sse an ihnen. Aber ebenso t r i f f t zu, daß s ie das E indringen e x te r­

n e r, insbesondere au sländischer A n b ie te r in den Markt enorm erschw ert.

H ier l ie g t eine der w ic h tig s te n in fo rm e lle n H andelsbarrieren im In v e s ti­

tio n s g ü te rb e re ic h , d ie auf d ie S tru k tu r des japanischen Managements s e lb s t, n ic h t auf b ö s w illig e p r o te k tio n is tis c h e Absichten zurückgeht.

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Gewiß, es b le ib t abzuwarten, was aus dem System w ird , wenn d ie Kostenvor­

t e i l e au sländ ischer A n b ie te r aufgrund andauernder Kurssteigerungen des Yen in s G igantische wachsen s o llte n . Aber wenn es in einem solchen F a ll zu größeren Einbrüchen ausländischer A n b ie te r in den japanischen In v e s t i­

tio n s g ü te rm a rk t käme, so würde die s eine w eitre ichen de Veränderung der O rg anisa tion und S tru k tu r der Unternehmen s e lb s t bedeuten - n ic h t nur eine andere " H a n d e ls p o litik " .

Wenn auch eine der Hauptquellen des japanischen Außenhandelsüberschusses in der unzureichenden E in fu h r von In v e s titio n s - und In d u s trie g ü te rn l i e g t , so h e iß t dies n ic h t, daß Volumen und S tru k tu r der Nachfrage der Haushalte a ls Ursache der S ch w ie rig ke ite n keine R olle s p ie lte n . V ie le Konsumgütermärkte sind ü b e r s ä ttig t, aber dennoch g ib t es gerade in Japan, was d ie L e b e n sq u a litä t b e t r i f f t , gewiß keinen Mangel an u n b e frie d ig te n B edürfnissen. F ragt man, wie sich diese Bedürfnisse in zahlungsfähige Nachfrage verwandeln lassen, so tr e te n zwei In s titu tio n e n in den B lic k : das System der in d u s tr ie lle n Beziehungen sowie d ie durch es geform te Lohn-, A r b e its z e it- und S o z ia lp o lit ik der T a rifp a rte ie n und das s t a a t l i ­ che Finanzsystem. Auf beiden Ebenen lä ß t sich wiederum zeigen, daß es eben d ie dem vergangenen E rfo lg zugrundeliegenden S tru ktu re n s in d , welche d ie Wurzel der gegenwärtigen S ch w ie rig ke ite n b ild e n .

Wer mehr konsumieren w i l l , braucht z w e ie r le i: mehr Geld und mehr Z e it . An Geld f e h l t es in Japan n ic h t unbedingt: Die Löhne (wenn auch n ic h t d ie Lohnnebenleistungen) sind im in te rn a tio n a le n V e rg leich r e la t iv hoch; es g ib t einen ve rg le ich sw e ise hohen A n te il von Haushalten m it mehreren Ver­

d ie n e rn ; d ie - gemessen an anderen Ländern - au ß e ro rd e n tlich hohe Spar­

quote de u te t e b e n fa lls auf f in a n z ie lle Spielräume hin (d rü c k t f r e i l i c h auch d ie N otw endigkeit p r iv a te r A u s b ildungs- und A lte rs v o rs o rg e ange­

s ic h ts unzureichender s ta a tlic h e r Leistungen aus). Woran es aber in Japan ohne Z w e ifel f e h l t , i s t Z e it. Die J a h re s a rb e its z e ite n je abhängig Be­

s c h ä ftig te n lie g e n in Japan bei gut 2.100 Stunden und übersteigen damit das am erikanische und westeuropäische Niveau um 250 b is 500 Stunden. Aus

"w e s tlic h e r" S ic h t s e lb s tv e rs tä n d lic h e A rbe itszeitno rm e n wie der bezahlte K ra n kh e itsu rla u b , der mehrwöchige bezahlte Jahresurlaub und d ie v o lle Fünftagewoche sind in Japan noch kaum v e r w ir k lic h t , d ie bezahlte und un­

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bezahlte M e h ra rb e its z e it nimmt n ic h t s e lte n exzessive Ausmaße an, und dies i s t h a n d e ls p o litis c h in der Tat von e rh e b lic h e r Bedeutung.

Die langen A rb e its z e ite n tragen zu den japanischen H andelsbilanzüber­

schüssen in d o p p e lte r Weise b e i: Sie stärken e in e rs e its d ie Konkurrenzfä­

h ig k e it und damit d ie E x p o rtk ra ft der japanischen Unternehmen, s ie be­

grenzen a n d e re rs e its d ie mögliche Konsumzeit, das Konsumpotential der Be­

völkerung und damit d ie Binnennachfrage. Die Behauptung, daß d ie hohe W ettbew erbsfähigkeit ja p a n isch e r Unternehmen zu einem guten T e il den la n ­ gen A rb e its z e ite n zu verdanken i s t , w id e rs p ric h t zwar einem gängigen öko­

nomischen Theorem, demzufolge hohe P r o d u k tiv itä t in der Regel m it ku rze n A rb e its z e ite n k o r r e l i e r t . Der Nutzen, den japanische Unternehmen aus den

langen und unbestimmten A rb e its z e ite n ziehen, i s t jedoch weniger q u a n ti­

t a t iv e r a ls q u a lit a t iv e r A r t, er sch lä g t sich weniger in meßbarer Produk­

t i v i t ä t a ls in der höheren Q u a litä t der Produkte, in höherer F l e x i b i l i t ä t und ra scherer Anpassung an Kundenbedürfnisse n ie d e r. O rg a n is a tio n s p rin z i­

pien wie " ju s t in tim e " oder " t o t a l q u a lity c o n tr o l" , d ie in japanischen Unternehmen b is zur P e rfe k tio n e n tw ic k e lt worden s in d , setzen aufgaben­

o r ie n t ie r t e s t a t t s t a r r e r ch rono logische r Z e ite in te ilu n g e n voraus, d ie in der P raxis n ic h t s e lte n exzessive M ehrarbeit zur Folge habenJ Dazu kom­

men aber z w e ife llo s auch d ie m anifesten K o s te n v o rte ile aufgrund des Feh­

lens eines nennenswerten Jahres- und K ra n kh e itsu rla u b s. Es macht sich e r einen U nterschied, wenn japanische Unternehmen bei ih r e r Personalplanung m it e in e r d u rc h s c h n ittlic h e n jä h rlic h e n Abwesenheitsquote durch K rankheit und Urlaub von nur 5 Prozent rechnen müssen, deutsche jedoch m it 17 Pro­

ze n t.

Was die Wirkung der langen japanischen A rb e its z e ite n auf d ie Nachfrage­

s e ite , d ie Konsumzeiten b e t r i f f t , so sei nur daran e r in n e r t, welchen B ei­

tra g etwa der bundesdeutsche Auslandstourismus f ü r d ie Reduzierung der westdeutschen Außenhandelsüberschüsse im EG-Rahmen l e i s t e t . Ein T o u ris ­ musgeschäft in diesem Umfang i s t nur m öglich auf der Basis des von den westdeutschen Gewerkschaften durchgesetzten sechswöchigen bezahlten und

Siehe C. Deutschmann: A r b e its z e it in Japan. O rg a n isa to risch e und orga­

n is a tio n s k u ltu r e lle Aspekte der Rundumnutzung der A r b e its k r a ft , Frank­

f u r t 1987.

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z u s ä tz lic h m it U rlaubsgeld au sg e sta tte te n Jahresurlaubs. Auch in Japan i s t der Tourismus und s p e z ie ll der Auslandstourismus eine Wachstumsbran­

che, aber seine ökonomische Bedeutung (ca. 5 M illio n e n Auslandsreisende im Jahr 1985) i s t angesichts der großen Bevölkerung noch immer g e rin g . Wünsche, mehr zu re is e n , sind gewiß vorhanden, aber w e il es d ie I n s t i t u ­ tio n des bezahlten Jahresurlaubs in Japan p ra k tis c h n ic h t g ib t , f e h l t d ie M ö g lic h k e it, s ie zu v e rw irk lic h e n .

Daß es den Urlaub wie eine Reihe anderer f ü r europäische und am erikan i­

sche Arbeitnehmer s e lb s tv e rs tä n d lic h e a r b e its z e itp o litis c h e Errungen­

schaften in Japan noch n ic h t g ib t , i s t in e r s te r L in ie auf d ie von z a h l­

reichen ökonomischen Japan-Experten a ls so e rfo lg r e ic h gerühmten ind u­

s t r ie lle n Beziehungen zurückzuführen. Und h ie r lä ß t sich wiederum das g le ic h e Phänomen des "Umkippens" e r fo lg s tr ä c h tig e r S tru k tu re n i d e n t i f i ­ z ie re n , um das es uns geht.

Die japanischen Gewerkschaften sind Unternehmensgewerkschaften; d ie in d u ­ s t r i e ll e n Beziehungen ko n ze n trie re n sich auf d ie Unternehmensebene. Es g ib t zwar K onsultationen auf der n a tio n a le n Ebene, ebenso e x i s t i e r t t e i l ­ weise eine s e k to ra le Koordinierung der TarifVerhandlungen au f der S e ite der Gewerkschaften und der A rb e itg e b e r, aber das S teu eru ngsp oten tial d ie ­ ser ü b e rb e trie b lic h e n Verhandlungsebenen i s t nur g e rin g . Vereinbarungen, d ie h ie r g e tro ffe n werden, r a t i f i z ie r e n im allgemeinen nur d ie P o l i t i k , d ie bei den b e trie b lic h e n Instanzen auf Zustimmung s tö ß t. In den U nter­

nehmen s e lb s t g ib t es, anders a ls in den meisten w e stlich e n Ländern, k e i­

ne k la re p e rso n e lle und i n s t i t u t i o n e l l e D iffe re n z ie ru n g zwischen der Ge- w erkschaft und dem Management. Die Folge i s t , daß d ie T a r i f p o l it ik in hohem Maße von der w ir ts c h a ftlic h e n Lage und R e n ta b ilitä ts in te re s s e n des einzelnen Unternehmens bestimmt w ird . Das z e ig te sich 1975, a ls d ie Un­

ternehmensgewerkschaften rasch au f eine au ß e ro rd e n tlich kon zessionsberei­

te P o l i t i k umschwenkten, um ih r e Firmen bei der Bewältigung der Ö l- und R oh stoffp reissp rüng e zu u n te rs tü tz e n . Die Gewerkschaften a k z e p tie rte n R eallohnsteigerungen w e it u n te rh a lb der P ro d u k tiv itä ts e n tw ic k lu n g , s ie nahmen einen erheb lich en Beschäftigungsabbau im Bereich der Stammbeleg- ---

Die unteren Vorgesetzten e r fü lle n h ä u fig g e w e rksch a ftlich e Funktionen;

G ew erkschaftsbeiträge werden über das Personalbüro eingezogen.

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schäften und d ie S u b s titu tio n von Stam m arbeitsplätzen durch T e i lz e i t - , L e ih - und S u b k o n tra k ta rb e it h in . Vor allem aber v e rz ic h te te n s ie im Ge­

gensatz zu den Gewerkschaften v ie le r anderer w e s tlic h e r Länder auf I n i ­ t ia t iv e n zur Verkürzung der A r b e its z e it. Das hat es der japanischen Indu­

s t r ie gewiß e r le ic h t e r t , auf den Weltmärkten vorzudringen. Nur: Was b is zum Beginn der a c h tz ig e r Jahre von Nutzen gewesen sein mag, wurde dann zum Übel. Die Gewerkschaften b e h ie lte n ih re n S chulte rschlu ß m it dem Mana­

gement im " in te rn a tio n a le n ökonomischen K rie g " (wie der Wettbewerb auf den Weltmärkten in Japan gern genannt w ird ) auch dann noch b e i, a ls d ie japanische W irts c h a ft lä n g s t p ro g re ssiv wachsende Handelsbilanzüberschüs­

se e in fu h r . Das lag n ic h t so sehr daran, daß d ie Gewerkschaften d ie S i­

tu a tio n fa ls c h e in g e sch ä tzt h ä tte n . Was zum Tragen kam, war vielm e hr d ie s tr u k tu r e lle Schwäche der m ittle r e n und z e n tra le n Organisationsebenen der Gewerkschaften, d ie es ihnen unmöglich macht, gesam tgew erkschaftlich (und m öglicherweise auch g e s a m tw irts c h a ftlic h ) a ls s in n v o ll e ra ch te te P o l i t i ­ ken durchzusetzen. In den Dachverbänden und Branchenverbänden gab es 1983 b is 1985 v ie le F u n ktio n ä re , d ie sich f ü r eine a k tiv e re Lohn- und vor a l ­ lem A r b e it s z e it p o lit ik e in s e tz te n ; d ie Verbände Sohyo, Domei und IMF-JC o rg a n is ie rte n zu diesem Thema Aufklärungskampagnen und in te rn a tio n a le Konferenzen (Nihon Rodo Kyokai Zasshi 1984). M it Recht wurde damals argu­

m e n tie rt, daß eine sehr v ie l aggressivere A r b e it s z e it p o lit ik nach dem V o rb ild des deutschen S tre ik s n ic h t nur g e w e rk s c h a ftlic h , sondern auch g e s a m tw irts c h a ftlic h geboten s e i. Aber bei den g e w e rk s c h a fts p o litis c h maßgeblichen Unternehmensgewerkschaften fand diese Einschätzung kaum Wi­

d e r h a ll, und so l i e f d ie von den Dach- und Branchenverbänden i n i t i i e r t e Kampagne f ü r A rb e its z e itv e rk ü rz u n g ins Leere.

Nun müssen d ie Gewerkschaften erle be n, daß d ie g le ic h e Gewinnabschöpfung, d ie s ie in den Jahren 1983 b is 1985 durch eine a k tiv e A r b e its z e it- und L o h n p o litik hä tten e rz ie le n können, durch den Devisenmarkt besorgt w ird . Den Nutzen davon haben f r e i l i c h n ic h t s ie und ih r e M itg lie d e r , sondern d ie B e s itz e r von Yen-Vermögen, d ie a lle r d in g s o f t n ic h t re c h t w issen, wie s ie d ie gig a n tisch e n Währungsgewinne verwerten s o lle n . Ih re vielgerühm te K o o p e ra tio n s b e re its c h a ft hat den japanischen Gewerkschaften n ic h t nur keinen Nutzen, sondern b e trä c h tlic h e n Schaden e in g e b ra ch t, und s ie können j e t z t kaum anders, a ls sich d ü p ie rt zu fü h le n . Sie mögen zwar Genugtuung

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darüber empfinden, daß auch d ie Regierung j e t z t so vehement wie n ie zuvor d ie g e w erksch aftliche n Forderungen nach A rb e its z e itv e rk ü rz u n g u n te r­

s t ü t z t . Aber a ls Folge der E x p o rtk ris e sind d ie p ra ktisch e n Spielräume g e w e rk s c h a ftlic h e r P o l i t i k s ta rk zusammengeschrumpft, und so b le ib t ihnen b is auf w e ite res kaum etwas anderes ü b rig , a ls erneut den G ürtel enger zu schnallen und - w irkun gslos - gegen den Strom der A u s la n d s in v e s titio n e n zu p ro te s tie re n . Immerhin deuten sich doch Konsequenzen aus diesen E rfa h ­ rungen an. N achdrücklicher denn je bemühen d ie Gewerkschaften sich darum, d ie aus den g e s c h e ite rte n Arbeitskämpfen der fü n fz ig e r Jahre r e s u ltie r e n ­ de p o litis c h e Z e rs p litte ru n g zu überwinden. Bis 1990 w ollen sich d ie b is ­ herigen v ie r n a tio n a le n Zentren zu e in e r gemeinsamen D achorganisation

(Rengo) v e re in ig e n . Es b le ib t f r e i l i c h abzuwarten, ob d ie p o lit is c h e In ­ te g ra tio n der Gewerkschaften an der S p itz e auch ih re n E in flu ß auf d ie Un­

ternehmensgewerkschaften stärken w ird .

Nur knapp sei noch auf eine d r i t t e I n s t it u t io n eingegangen, an der man wiederum dem onstrieren kann, wie vergangene E rfo lg e in gegenwärtige Übel umschlagen: den Staat und d ie s ta a tlic h e F in a n z p o litik . In der Vergangen­

h e it hat d ie japanische S teu er- und A u sga be npo litik bei D eregulationsbe- fü rw o rte rn immer w ieder hohes Lob g e e rn te t. Es wurde au f d ie im V e rg leich zu a lle n großen In d u s trie lä n d e rn e in m a lig n ie d rig e Quote der Steuern und S o z ia lv e rs ic h e ru n g s b e iträ g e , auf den n ie d rig e n Staatsverbrauch ( v g l. Ta­

b e lle 4 im Anhang) und auf das d ie p r iv a te E rsparnis s tim u lie re n d e Steu­

ersystem - schätzungsweise 70 Prozent der p riv a te n Ersparnisse sind ste u ­ e r f r e i - hingewiesen, es wurden d ie energischen S c h r itte der Regierung bei der P riv a tis ie r u n g der Staatsunternehmen (Telekommunikation, Eisen­

bahnen) hervorgehoben. Nur: Der verh ä ltn ism ä ß ig k le in e Umfang des ö f f e n t ­ lic h e n Sektors m indert j e t z t d ie Chance, ö ff e n tlic h e Ausgaben a ls In s t r u ­ ment zur Steigerung der Binnennachfrage einzusetzen und dringend e r f o r ­ d e rlic h e P ro je kte zur Verbesserung der so zia le n und m a te rie lle n I n f r a ­ s tr u k tu r in A n g r iff zu nehmen.

N a tü rlic h b le ib t der Regierung der Weg der D e fiz itfin a n z ie r u n g , und in der Tat sind im vergangenen und im laufenden Jahr b e re its e in ig e Konjunk­

turprogramme a u fg e le g t worden, d ie eine gewisse Abkehr von der in der e r­

sten H ä lfte der a c h tz ig e r Jahre durchgehaltenen s t r ik t e n S p a r p o litik s ig ­

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n a lis ie r e n . Aber eine s u b s ta n tie lle R o lle des Staates bei der Stärkung der Binnennachfrage und beim Ausbau der ö ffe n tlic h e n In f r a s tr u k tu r würde e r s t einmal eine Steuerreform voraussetzen, d ie d ie F inanzie run gsgru nd la­

gen des Staates n a c h h a ltig v e rb e s s e rt. Ohne eine solche Reform wäre m it einem erneuten galoppierenden A nstieg der S chuldenlast wie schon in den s ie b z ig e r Jahren zu rechnen. Versuche, s ie durchzusetzen, wurden von der Regierung Suzuki in den s ie b z ig e r Jahren und erneut von Nakasone 1987 un­

ternommen - beide s c h e ite rte n . Kernstücke des von Nakasone u rs p rü n g lic h fa v o r is ie r t e n Konzepts waren d ie Einführung e in e r fü n fp ro z e n tig e n Mehr­

w e rts te u e r und d ie Abschaffung der S te u e rp riv ile g ie n auf E rspa rnisse ; zum A usgleich s o llte n d ie d ire k te n Steuern au f das Einkommen gesenkt werden.

Die S teuerreform war "aufkommensneutral" k o n z ip ie r t, unausgesprochen war jedoch d ie M ehrwertsteuer a ls Hebel k ü n ftig e r Steuererhöhungen in s Auge gefaßt worden. Gegen diesen Plan regten sich so h e ftig e Widerstände in Nakasones eigener P a rla m e n ts fra k tio n , daß d ie M ehrwertsteuer f a lle n ge­

lassen wurde; ü b rig b lie b nur eine " k le in e S te u e rre fo rm ", d ie an den F i ­ nanzierungsproblemen des Ö ffe n tlic h e n Sektors wenig ändern d ü r fte . Japans neuer M in is te rp rä s id e n t Takeshita unternimmt nun einen d r it t e n A n la u f.

Das S cheite rn der S teuerreform hat erneut d e u tlic h gemacht, wie groß d ie p o litis c h e n Widerstände in Japan gegen einen starken S teuer- und Wohl­

fa h r ts s ta a t noch immer s in d . Sie gehen n ic h t z u le tz t auf den f ü r e n tw ik - k e lte In d u s trie lä n d e r enorm hohen A n te il an Selbständigen u n te r der Er­

werbsbevölkerung (ca. 35 Prozent) zurück; d ie Masse der kle in e n S elbstän­

digen b ild e t zu g le ich das p o litis c h e Rückgrat der regierenden L ib e ra ld e ­ mokratischen P a rte i. Die Aussichten f ü r einen "Im p o rt" des Keynesianismus nach Japan sind u n te r diesen Umständen g e rin g .

(20)

V.

Unsere Ausgangsthese war, daß G ese llschaften wie Japan (und n ic h t nur Ja­

pan), d ie e r fo lg r e ic h e mikroökonomische S tru ktu re n e n tw ic k e lt haben, ge­

rade wegen und im Maße dieses E rfo lg e s In s titu tio n e n brauchen, d ie s ie daran h in d e rn , zu e r fo lg r e ic h zu s e in . Japan le id e t an einem Mangel an solchen In s t it u tio n e n , d ie S tru k tu r der in d u s tr ie lle n Beziehungen, der Finanz- und W ir ts c h a fts p o litik sind f a s t nur da rau f a u s g e ric h te t, den Wirkungsgrad mikroökonomischer P o litik e n zu s te ig e rn , ihnen p o litis c h e n und in te rn a tio n a le n Flankenschutz zu gewähren. Die S c h w ie rig k e ite n , d ie j e t z t daraus entstanden s in d , lassen sich w a h rsch e in lich gar n ic h t anders a ls über irg e n d e in e Form der S e lb s tk o n tro lle und Selbstbegrenzung der j a ­ panischen W irts c h a ft löse n. Die Frage i s t a lle r d in g s , ob sich diese Selbstbegrenzung o b je k tiv , über den Markt d u rc h s e tz t, oder ob s ie p o li­

tis c h gesteuert werden kann. Was sich in der gegenwärtigen E x p o rtk ris e d u rc h s e tz t, sind o ffe n b a r d ie o b je k tiv e n , m a rk tv e rm itte lte n Mechanismen der Selbstbegrenzung. Die japanische In d u s tr ie w ird n ic h t nur durch d ie Verteuerung ih r e r Produkte auf den in te rn a tio n a le n Märkten zurückgewor­

fe n . Ungeachtet der in Japan s te ts besonders ausgeprägten Ängste um d ie Bewahrung n a tio n a le r “ I d e n t it ä t " i s t d ie japanische W irts c h a ft heute in einem in der Vergangenheit n ie gekannten Ausmaß gezwungen, s ic h zu i n t e r ­ n a tio n a lis ie re n - e in Prozeß, der g e fä h rlic h e und u n k a lk u lie rb a re innen­

p o litis c h e Rückwirkungen haben könnte. Japanische Firmen ve rla g e rn heute ih re Produktion in s Ausland in einem Ausmaß, das u n w e ig e rlich auf Kosten des japanischen Exports und ja p a n isch e r A rb e its p lä tz e g e h t. Sie gründen gemeinsame Unternehmen m it ausländischen Konkurrenten, d ie dam it m it j a ­ panischem Know-how und japanischen Managementtechniken v e r tra u t gemacht werden. Man l i e f e r t - wenn auch w id e r w illig - Know-how an d ie a ls beson­

ders g e fä h rlic h eingeschätzten o s ta s ia tis c h e n Konkurrenten, w e il sonst europäische oder am erikanische Firmen in d ie Lücke zu springen drohen.

Der Vormarsch der südkoreanischen In d u s tr ie auf den S c h iffb a u -, A u to -, S ta h l- und inzwischen auch E lektro nikm ä rkten wäre ohne "E n tw ic k lu n g s h il­

fe " ja p a n isch e r Unternehmen kaum m öglich gewesen. Selbstbegrenzung nimmt so d ie Form e in e r mehr u n fr e iw illig e n a ls f r e iw illig e n U nterstützung von Konkurrenten an, d ie diesen dazu v e r h i l f t , zu ebenbürtigen oder gar über­

legenen Wettbewerbern au f dem Weltmarkt zu werden.

(21)

Daß auch in Japan d ie Zw eifel am Sinn e in e r solchen P o l i t i k wachsen, le u c h te t ohne w e ite re s e in . Eine w ir t s c h a f t lic h so e r fo lg r e ic h e G e s e ll­

s c h a ft wie Japan h ä tte z w e ife llo s mehr von ihrem E rfo lg , wenn s ie ih re E f f iz ie n z v o r t e ile durch p o litis c h e S e lb s tre g u lie ru n g auf das f ü r d ie In ­ te g ra tio n in den Weltmarkt z u trä g lic h e Maß begrenzen würde, wenn s ie - m it anderen Worten - d ie Früchte ih r e r Überschi eßenden P r o d u k tiv itä t i n ­ te rn v e r te ile n würde, s t a t t d ie Weltmärkte m it ihnen zu ü b e rflu te n . Die te c h n is c h -o rg a n is a to ris c h e E ffiz ie n z von Unternehmen und In d u s trie n bräuchte damit n ic h t be sch n itte n zu werden, im G e g e n te il. Aber es wären In s t it u tio n e n zur Regulierung ih r e r ökonom ischen Dynamik, ih r e r P r o f it a - b i l i t ä t n ö tig , d ie d ie dank hoher te c h n is c h -o rg a n is a to ris c h e r E ffiz ie n z entstehenden ökonomischen V e rte ilu n g ssp ie lrä u m e auch nutzen und ausschöp­

fe n . Diese Funktion können s ie nur dann e r f ü lle n , wenn s ie mehr sind a ls nur der v e rlä n g e rte Arm "p ro d u k tiv e r K o a litio n e n " auf Unternehmensebene und e in wirksames Gegengewicht gegen jene b ild e n können. Sie brauchen da­

zu e in von b e trie b lic h e n Interessen unabhängiges so zia le s und p o litis c h e s Fundament. Eine - auch im Sinne des B e sch ä ftig u n g szie ls - wirksame W ir t­

s c h a f t s p o lit ik kann n ic h t darau f v e rz ic h te n , eine wie immer prekäre Ba­

lance d ie s e r w ide rsp rü ch lich e n E rfo rd e rn is s e des Systems anzustreben - in s o w e it sind "n e o k o rp o ra tis tis c h e " Theorien keineswegs v e r a lt e t .

I n s t it u tio n e n , d ie d ie R o lle eines Gegengewichts e r fü lle n können, lassen sich jedoch - dies z e ig t d ie a k tu e lle japanische Erfahrung - n ic h t durch p o lit is c h e Dekrete aus dem Boden stampfen, s ie können nur h is to r is c h wachsen. H is to ris c h gewachsene In s titu tio n e n d ie s e r A rt sind d ie z e n tra ­ l i s i e r t e In d u strie g e w e rksch a ft und der W o h lfa h rtssta a t w esteuropäischer Prägung. Der n ic h t z u le tz t durch d ie japanische E xp o rto ffe n s iv e der v e r­

gangenen zehn Jahre in d u z ie rte in te r n a tio n a le Konkurrenzdruck hat zu zu­

nehmender K r i t i k an der " R ig id it ä t " d ie s e r In s titu tio n e n g e fü h rt. Empfeh­

lungen zum Abbau des Sozial Staates haben K onju nktu r. Die Gewerkschaften werden n ic h t länger nur zu e in e r zurückhaltenden P o lit ik ermahnt, sondern eine D e z e n tra lis ie ru n g der T a r i f p o l i t i k und der g e w erksch aftliche n Orga­

n is a tio n s s tru k tu re n s e lb s t w ird g e fo rd e rt. Es wäre seltsam , wenn solche

"Japanisierungs"-R ezepte ausgerechnet in einem Augenblick b e fo lg t würden, in dem d ie Japaner s e lb s t massiv m it ih re n problem atischen Folgen kon­

f r o n t i e r t werden.

(22)

Gewiß kann d ie In d u strie g e w e rksch a ft ih re R o lle a ls Gegenmacht nur e r f ü l ­ le n , wenn auch der andere Machtpol in t a k t i s t ; wo Unternehmens- und Indu- s tr ie s tr u k tu r e n n ic h t e f f iz ie n t s in d , stehen sowohl d ie In d u strie g e w e rk­

s c h a ft a ls auch der W o h lfa h rtssta a t auf schwachen Füßen. Aber e f f iz ie n t e Angebotsstrukturen ohne Ind ustrie ge w e rkscha ften und ohne W o h lfa h rtssta a t - das f ü h r t , wie d ie a k tu e lle japanische Erfahrung z e ig t, zur K o llis io n . In der B undesrepublik, d ie wie Japan über eine e rfo lg re ic h e E xportindu­

s t r i e , im Gegensatz zu Japan jedoch auch über einen Sozial S taat und über In d u strie ge w e rkscha ften v e rfü g t, besteht ganz besonderer Anlaß, diese neue japanische Lehre zur Kenntnis zu nehmen.

(23)

Literatur

Deutschmann, C hristoph (u n te r M ita r b e it von Claudia Weber): A r b e its z e it in Japan. O rg a nisa torisch e und o r g a n is a tio n s k u ltu r e lle Aspekte der

“ Rundumnutzung'' der A r b e its k r a ft , F ra n k fu rt 1987.

Dore, Ronald: F le x ib le R ig id it ie s . In d u s tr ia l P o lic y and S tru c tu ra l Ad­

justm ent in the Japanese Economy 1970-80, London 1986.

Drucker, Peter F .: Japan's Choices, in : Foreign A f f a ir s , Summer 1987, V ol. 65, No. 5, pp. 923-941.

Nihon Rodo Kyokai Z a ssh i: Kokunai Rodo J i j o ( Z e it s c h r if t des Japan I n s t i ­ tu te o f Labour: Die n a tio n a le S itu a tio n der A r b e it) , September 1984, V ol. 26, No. 9, pp. 64-65.

OECD: Economic Surveys Japan, 1986/87, Germany 1985/86, P a ris .

Rodosho: Rodo Hakusho Showa 61 (A rb e its m in is te riu m : Weißbuch 1986), Tokyo 1986.

(24)

ANHANG

Tabelle 1: H andelsbilanz (Mrd. U S -D ollar)

Jahr Exporte Im porte B ila n z

1982 137,663 119,584 18,079

1983 145,468 114,014 31,454

1984 168,290 124,033 44,257

1985 174,015 118,029 55,986

1986 205,591 112,764 92,827

Q ue lle: Bank o f Japan.

T a b e lle 2: Veränderungen des Exportvolumens 1985 b is 1986 ( in Prozent)

(a) Gesamte Exporte

Q uartal Veränderungen zum vorherig en Quartal

1985: 1. 0,6

2. 2,2

3. -4 ,2

4. -3 ,8

1986: 1. -6 ,5

(b) Entw icklung des Exportvolumens ausgewählter Waren Sept. 1986 b is März 1987 im V e rg le ich zum entsprechenden V orjahreszeitraum

Autom obile -11

Videotape Recorder -14

Fernsehgeräte -33

Optische Geräte - 9

Elektromaschinen -14

Q ue lle: Japanisches A rb e its m in i­

ste riu m (Rodosho), Weiß­

buch 1987.

Q u e lle : M IT I, nach Japan Times Weekly vom 6.6.1987.

(25)

Tabelle 3: Entwicklung der D ire k tin v e s titio n e n im Ausland 1982 b is 1986 (Z a h lu n g s b ila n z s ta tis tik , Mrd. D o lla r)

Jahr Neuanlagen Bestand

1982 4,540 28,969

1983 3,612 32,178

1984 5,965 37,921

1985 6,452 43,974

1986 14,480 58,454

Q ue lle: Japanisches F in a n zm in iste riu m .

Tabelle 4: F in a n z p o litis c h e Daten

Steuern und S ozial Versiche­

ru n g sb e iträ g e (1) in v.H. d.

B ru tto s o z ia lp ro d u k ts (1985)

Staatsverbrauch in v.H .. (2) des B ru tto s o z ia lp ro d u k ts

(1984)

Japan 27,5 9,9

BRD 39,9 20,1

(1) Q uelle: F in a n zb e rich t 1987 der Bundesregierung.

(2) Q uelle: OECD.

Referenzen

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