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IIVG Papers Verbffentlichungsreihe des Internationalen Instituts fUr Vergleichende Gesellschaftsforschung (IIVG)/Arbeitspolitik des Wissenschaftszentrums Berlin

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Verbffentlichungsreihe des Internationalen Instituts fUr Vergleichende Gesellschaftsforschung (IIVG)/Arbeitspolitik

des Wissenschaftszentrums Berlin

IIVG/dp85-216

Chemisierung der Technik

am Beispiel der industriellen Nutzung der Faserverbundwerkstofftechnologie

von Rudolf Richter

Berlin, Dezember 1985

rSSN 0724-5084

Publication series of the International Institute for Comparative Social Research/Labor Policy

Wissenschaftszentrum Berlin Steinplatz 2, D 1000 Berlin 12

030/313 40 81

(2)

IN HAL TSVERZEI CHN I S

Zusammenfassung I. Einleitung

II. Der Prozeß der industriellen Einführung und Diffusion von Faserverbundwerkstoffen

1. Abriß zum historischen Verlauf der Ent- wicklung

2. Die Bedeutung überbetrieblicher Einfluß- faktoren

III. Der betriebliche Einsatz von Faserverbund- werkstoffen

1. Das produktionstechnische Einsatzspektrum 2. Modernisierungs- und Rationalisierungs-

perspektiven

3. Das Potential zur Ver~nderunq betrieblicher Arbeitsstrukturen

IV. Schlußbemerkungen Literaturverzeichnis

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dernisierungs- und Rationalisierungsstrategie, die stoffliche Veränderungen industrieller Produktionsverfahren - i.d.R.

mit dem Ziel der Uberführung diskontinuierlicher Produktions- verfahren in kontinuierliche - zum Gegenstand hat. Die Ver- wendung künstlich herges~ellter oder chemisch veredelter Werk- und Hilfsstoffe sowie die Anwendung chemischer Verfahrens- technologien in anderen Produktionsbereichen stellt innerhalb des Gesamtspektrums der technologischen Entwicklung industriel- ler Produktions- und Arbeitsprozesse eine wesentliche Kompo- nente dar, die zur Erfassung der Komplexität des technologi-

schen Wandels adäquat berücksichtigt werden muß.

Die industrielle Nutzung von Faserverbundwerkstoffen verkör- pert die Anwendung einer solchen Chemisierungstechnologie.

Die von der chemischen Industrie entwickelten Faserverbundstof- fe können herkömmliche Werkstoffe nichtnur infolge ihres

Leistungspotentials und erweiterter konstruktiver Möglichkei- ten substituieren, sondern auch gravierende Verbesserungen der industriellen Produktionsabläufe, wie etwa die Verkürzung

von Produktionssträngen, die Erhöhung der betrieblichen Flexi- bilität usw., ermöglichen. Ihr zunehmender Einsatz wirkt sich auf die Struktur der Betriebe und die organisatorische Gestal- tung der Produktionsprozesse ebenso aus wie auf die Lage der Beschäftigten und die Bedingungen ihrer Arbeit. Trotz der technischen und ökonomischen Vorteile ist die Faserverbund- werkstofftechnologie, die in ihren Grundzügen seit Jahrzehn-

ten vorliegt, erst in den letzten Jahren in den Prozeß der breiten industriellen Diffusion eingetreten. Für diese Ent- wicklung sind überbetriebliche Einflußfaktoren, wie in einigen Aspekten aufgezeigt wird, von maßgeblicher Bedeutung gewesen.

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I. EINLEITUNG

Seit Anfang der 70er Jahre stützen sich die Modernisierungs- und Rationalisierungsstrategien der Unternehmen prim~r auf die Einführung von flexiblen, automatisierten und computerge- stützten Fertigungs- und Dispositionssystemen. Die damit ein- hergehenden betrieblichen Konversionsprozesse sind von der sozialwissenschaftlichen Forschung in ihrer technischen Dimen- sion unter den rubrizierenden Aspekten der Informatisierung von Betriebsabläufen und der Automatisierung von Produktions- und Fertigungsverfahren aufgenommen worden.

Dem parallel dazu sich vollziehenden stofflichen Wandel in der industriellen Produktion wird dagegen verhältnismäßig ~enig Beachtung geschenkt, obgleich der Einsatz automatisierter

und computergestützter Fertigungssysteme ohne einen gleichzei- tigen Wandel in der Arbeitsstofftechnik nicht denkbar gewesen wäre. Einerseits hat die Dynamik und das Potential im Prozeß der Einführung neuer Informations- und Steuerungstechnologien einen speziellen Anforderungsbedarf hinsichtlich der zu ver- wendenden Materialien bei der Optimierung der Produktionsver- läufe erzeugt. Andererse~ts zeichnet sich in der forcierten Durchführung stofflicher Innovationen aber auch eine eigen- ständige Modernisierungsstrategie der Unternehmen ab, die in dem Bemühen einer Transformation bislang diskontinuierlicher in kontinuierliche Produktionsprozesse analog dem chemischen Fließprinzip besteht. Wir bezeichnen diesen betriebstechnolo- gischen Aspekt, in dessen Zentrum Innovationen der Arbeits- stoff- und Verfahrenstechnik stehen, die von der chemischen Industrie als "science based industry" bereitgestellt werden, als Prozeß der "Chemisierung der Technik". 1

Die Vernachlässigung dieses Aspekts ist um so erstaunlicher, als bei der betrieblichen Modernisierung durch den Einsatz neuer Technologien zwei Prinzipien dominieren, die gerade

1) VgI. Köhler, B.M./Richter, R., Chemisierung der Technik als Rationalisierungsstrategie, in: Naschold, F. (Hg.): Arbeit und Politik, Frankfurt/Main, New York 1985, S. 179-200.

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auch ein charakteristisches Merkmal für den Prozeß der "Che- misierung der Technik" sind: die Steigerung von Flexibilität und der Berechenbarkeit sowohl des betrieblichen Geschehens wie auch der angewandten'Produktionstechnik. In diesem Kon- text verkörpern die Innovationen der Arbeitsstoff- und Ver- fahrenstechnik einen Zuwachs an betrieblicher Rationalität in einem zweifachen Sinne. Zum einen tragen sie maßgeblich zur Technisierung von betrieblichen Handlungsabläufen im Sin- ne zunehmender formeller Rationalität wie Berechenbarkeit, Reagibilität und Planbarkeit bei. Zum anderen materialisiert sich diese Intention in einer spezifischen Produktionstech- nik, die mit den Attributen hochspezialisiert, flexibel und effizient belegt werden kann.2 Chemisierung der Technik bedeu- tet konkret eine Rationalitätssteigerung in bezug auf Produk- tion und Einsatz von Arbeitsstoffen, die mit "Eigenschaften nach Bedarf" ausgestattet werden können und damit z.B. eine rechnergestützte Auslegung von Formteilen und Werkzeugen bzw.

die Vorausberechnung von Prozeßdaten ermöglichen. Weitere

typische Kennzeichen dieses Prozesses sind die Sicherung rela- tiv konstanter Qualitätsniveaus, ständige Reproduzierbarkeit und eine Verfahrenstechnik, die in ihren strukturellen Merk- malen - etwa der Kontinuisierung von Produktionsabläufen oder einer spezifischen Kombination von Maschine, Apparatur und Arbeitsstoff, in welcher der Steuerung des Ablaufs chemisch- physikalischer Prozesse gegenüber einer äußerlichen ~aschinel- len Einwirkung größere Bedeutung zukommt - der Produktions- technik derchemischen Industrie entlehnt ist.

2) VgI. Schmidt, G" Technik und kapitalistischer Betrieb.

Max Webers Konzept der industriellen Entwicklung und das Rationalisierungsproblem in der neueren Industriesoziolo- gie, in: Sprondel/Seyfarth (Hg.t·, Max Weber und die Ratio- nalisierung sozialen Handeins, stuttgart 1981.

Dieser Prozeß der Chemisierung der 'I'echrií.k (CdT) hat als mate- riell eindeutig abgrenzbare Rationalisierungsstrategie spezi- fische Auswirkungen auf das Produkt- und Leistungsangebot

der Unternehmen, auf die Struktur der Betriebe und die organi- satorische Gestaltung der Produktionsprozesse sowie auf die Lage der Beschäftigten und die Bedingungen ihrer Arbe~t. Ana-

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lytisch läßt sich dieser Prozeß in drei Einzelprozesse auf- gliedern, die allerdings in der betrieblichenPraxis häufig miteinander verkoppelt sind. Wir bezeichnen diese drei Pro-

zesse als:3

CdT 1: die Verwendung künstlich hergestellter oder chemisch veredelter Werkstoffe;

CdT 2: die .Verwendung künstlich hergestellter bzw. chemisch veredelter Hilfsstoffe, die sich nur auf das Verarbei- tungsverfahren auswirken;

CdT 3: die Anwendung chemischer Verfahrenstechnologien in an- deren Produktionsbereichen.

Bei der Einführung von Faserverbundwerkstoffen handelt es sich um eine Werkstofftechnologie, die dem Prozeß der CdT 1 zuzuordnen ist. Sie ist insofern gut geeignet, exemplarisch die Chemisierung der Technik abzubilden, da sie eine Vielzahl der charakteristischen Eigenschaften dieses Prozesses in sich vereint und zudem Elemente der beiden anderen Einzelprozesse CdT 2 und 3 mit aufnimmt.

Der Begriff der Faserverbundwerkstoffe umfaßt ein breites Spektrum von unterschiedlichsten Werkstoffen. Er wird deshalb in den nachfolgenden Ausführungen eingeschränkt auf Faserver- bundwerkstoffe mit Kunststoffmatrix, wobei die Fasern aus be-

liebigem Material, etwa aus Glas, mineralQschen Stoffen, aus Kohlenstoff- oder Aramidfasern usw. bestehen können. Diese Einschränkung wird deshalb vorgenommen, weil nur Faserverbund- werkstoffen dieses Ausgangsmaterials sowohl von der ökono-

misch-technischen Bedeutung wie auch vom mengenmäßigen Verbrauch her betrachtet, in der industriellen Nutzung ein solch breites Interesse entgegengebracht wird.4

3) VgI. Köhler, B.M./Richter, R., Chemisierung der Technik als Rationalisierungsstrategie, a.a.O., S. 8 f.

4) Unter Faserverbundwerkstoffen " ... werden im folgenden

polymere Werkstoffe aus einer Polymermatrix (kontinuierliche Phase) und Verstärkerfüllstoffen und/oder Verstärkungsfasern

(eingelagerte diskontinuierliche Phase) verstanden." EckelI, A., Die Chemie und Physik von Verbundwerkstoffen mit Poly-

mermatrix, in: VDI-Verlag (Hg.), Verbundwerkstoffe und Werkstoff- verbunde in der Kunststofftechnik, Düsseldorf 19B2.

(7)

Die technische Bedeutung dieser Werkstofftechnologie resultiert aus dem gezielten Einsatz der Anisotropie, d.h. der richtungs- abhängigen Verteilung von Festkörpereigenschaften. Dieser

Einsatz gilt als ein Hauptprinzip im Strukturleichtbau. Die synthetische Nachbildung dieses in der Natur maßgeblichen Bauprinzips in industriellen Produktionsverfahren setzt eine hohe Stufe der technischen Entwicklung voraus.

In der organisierten Natur, "p'. also in allen Strukturen des Lebendigen, ist eine Technik erkennbar, die durch hohe Zweckmäßigkeit, hohen Spezialisierungsgrad und bestmögli- che Werkstoffausnutzung bei geringem Gewicht gekennzeich- net ist. Die Werkstoffe der Natur sind infolgedessen zwangs- läufig uneinheitlich. Ihr Verhalten ist je nach Beanspru- chungsrichtung unterschiedlich, sie sind anisotrop." 5 Die Variationsvielfalt dieser Werkstofftechnologie, aus einer Vielzahl von möglichen Kombinationen den Werkstoff mit den gewünschten spezifischen Eigenschaften rechnerisch syntheti- sieren zu können und ihn - und damit zugleich sein Gewicht - im Bauteil nur in der Richtung wirkend einzusetzen, in der er sein volles Leistungsvermögen entfalten muß, sowie schließlich eine relativeinfache und schnelle Verarbeitbarkeit, begrün- den das ökonomisch-technische Potential dieser Faserverbund- werkstoffe.

5) VOl-Verlag (Hg.), Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde in der Kunststofftechnik, Vorwort, S. V, a.a.O.

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~

II. DER PROZESS DER INDUSTRIELLEN EINFüHRUNG UND DIFFUSION

1. Abri ß zum historischen Verlauf der Entwicklung

Die Nachzeichnung der historischen Entwicklung von Faserver- bundwerkstoffen bemüht sich weniger um eine detaillierte Re- konstruktion der verschiedenen Entwicklungsetappen und der Verästelung der Anwendungsbereiche als vielmehr um die Illu-

stration der Umstände, die diese Form der gesellschaftlichen Produktivkraftentwicklung initiiert, begleitet oder auch behin- dert haben. Für eine arbeitspolitische ThemensteIlung sind Einzelheiten der naturwissenschaftlichen Genese neuer Werk- stoffe, die Steigerung ihres Leistungsvermögens und die Per- fektionierung ihrer synthetisierten Eigenschaften von unterge- ordneter Bedeutung gegenüber der Frage nach den gesellschaft- lichen Triebkräften, die den Bedarf an dieser neuen Technolo- gie entstehen lassen. Die Konfiguration gesellschaftlicher

Institutionen sowie betrieblicher und außerbetrieblicher Grup- pierungen, die die Entwicklung neuer Technologien fördern

und steuern, die zugrunde liegenden Zielvorstellungen, Motiva- tionen und Interessen, die in die Gestaltung neuer Technolo- gien miteingehen, sind relevan~er als die rein technische Dimension dieser Entwicklung.

Der Bezug auf gesellschaftliche Elemente der Technikentwick- lung liegt bei Arbeitsstoffprodukten der chemischen Industrie nicht unbedingt nahe, da ihre zunehmende Verwendung in gera- dezu klassischer Form einen allgemeinen Trend industrieller Entwicklung und ein elementares Grundprinzip des wissenschaft-

lich-technischen 'Fortschritts' verkörpert: die in der Entwick- lung der Technik ablesbare Verdrängung des Organischen durch anorganische Stoffe und Kräfte.6 Aus einer solchen Perspektive 6) VgI. Gehlen, A., Die Seele im technischen Zeitalter, Ham-

burg 1957, S. 7 f.; der Gegensatz von organisch zu anorga- nisch bezieht sich hier nicht auf die in der Chemie vorge- nommene Trennung von organischer und anorganischer Chemie.

Gemeint ist das Verhältnis von 'lebendig', 'natürlich vor- findlich' zu 'nicht lebendig', 'synthetisch'.

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ist die Substitution organischer Werk- und Baustoffe eine zwangsläufige, gleichsam naturgesetzliehe Entwicklung, ein Prozeß, der "... immer tiefer in die molekulare Struktur der Materie hineingreift. Stoffe mit wünschenswerten Eigenschaf- ten, die die Natur gar nicht hergibt, werden synthetisch her- gestellt, Makromoleküle künstlich abfgebaut .... Die anorga- nische Natur ist in viel höherem Grade erkennbar .... Sie bietet daher auch viel günstigere Bedingungen für den techni- schen Zugriff. Sie ist machbarer."7 Dies geläufige Erklärungs- modell für die Dynamik technischen Wandels ist in seinen Grund-

zügen einfach. Vorfindliehe, auch vorindustrielle Techniken werden methodisch durch naturwissenschaftliche Analyse unter-

sucht. Die offene Zweckstruktur wissenschaftlicher Analyse bringt die verborgenen technischen Grundprinzipien und Natur- gesetzmäßigkeiten hervor und ermöglicht eine Synthe~isierung auf höherem Niveau.

So schreibt sich auch die Geschichte der Faserverbundwerkstof- fe nach diesem Verständnis als ein Siegeszug der methodischen Analyse einer vorindustriellen Technik durch die modernen Naturwissenschaften. Die Menschen haben sich demnach schon früh des technischen Prinzips der Werkstoffverbunde bedient, um die Eigenschaften der angewandten Arbeitsstoffe in Hinblick auf Elastizität und Festigkeit zu verstärken.

"Auch der Mensch hat sich schon sehr früh der Vers·tärkungs-- technik bedient, man denke nur an die Berichte im alten

Testament über strohverstärkte Lehmhütten .... Die Über- tragung des Verstärkungsprinzips auf synthetische Polymere geht auf das Jahr 1907 zurück, als es Baekeland gelang,

Phenol/Formaldehydharze gezielt herzustellen und mit Asbest- fasern oder Holzmehl zu verstärken. Diese Produkte, bekannt unter dem Namen Bakelite, wurden weitgehend abgelöst durch die Entwicklung von Glasfasern und ungesät·tigten Polyester

(UP) Harzen zwischen 1930 und 1935, die zum entscheidenden Durchbruch der faserverstärkten Kunststoffe führte." 8 Dieses Konzentrat der historischen Entwicklung von Faserver- bundwerkstoffen ist symptomatisch für die Verbreitung techni-

7) Freyer, H., Über das Dominentwerden technischer Kategorien in der Lebenswelt der industriellen Gesellschaft, in: Ge- danken zur Industriegesellschaft, Mainz1970, S. 142.

8) EckelI, A., a.a.O., S. 27.

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scher Denkmodelle in der Aufbereitung industrieller Wandlungs- prozesse. Die Darstellung einer von vielen gesellschaftlichen Faktoren determinierten Technologie erfolgt auf der Basis einer technischen Rationalität, die sich aus dem scheinbar neutralen Charakter der Naturwissenschaften herleitet. Der wesentliche Bereich gesellschaftliçher Einflußfaktoren wird

aus dem Gesamtzusammenhang technologischen Wandels ausgeblen- det oder sinkt auf die Stufe eines Residualfaktors hinab.

Jede neue Technik muß aber - unabhängig von ihrem Fortschritts- potential, bezogen auf die gesellschaftliche Produktion -

eine Vielzahl an Hemmnissen überwinden, bevor der ökonomische und gesellschaftliche Diffusionsprozeß in Gang kommt. Die

vorherrschenden alten Techniken müssen verdrängt, andere Alter- nativen in ihrer Entwicklung behindert werden, hohe Leistungs- f&higkeit und Kostenvorteile in der betrieblichen Produktion sind abzuwägen gegenüber den Bedarfsunsicherheiten und den Erfahrungsdefiziten mit der neuen Technik. Das an die etablier- ten Techniken geknüpfte Netz von Herrschafts- und Machtstruk- -turen sowie die Balance des Interessenausgleichs von Kapital und Arbeit müssen neu bestimmt werden und schließlich sind auch gesellschaftliche Normen und WerteinsteIlungen zu über- winden. Dem sozialen Prozèß der Entscheidung und Implementa-

tion einer neuen Technologie kommt bei der Evaluation ihrer Be- stimmungsfaktoren kein geringeres Gewicht zu,als dem Prozeß naturwissenschaftlicher Invention und Weiterentwicklung.

Vor diesem Hintergrund läßt sich auch der Entwicklungsverlauf der Faserverbundwerkstoffe aus einer anderen Perspektive dar- stellen. Die Realisierung des Verstärkungsprinzips in Form eines chemisch synthetisierten Werkstoffs war zunächst für die aufstrebende elektrotechnische Industrie von Bedeutung.

Die guten dielektrischen Eigenschaften standen dabei ausschließ- lich im Mittelpunkt, die strukturellen Eigenschaften, auf

die das Verstärkungsprinzip abzielt, blieben ohne weitere Be- deutung. Erst ein Ergebnis, das durch sein strukturelles Merk- mal kritischer Engpässe schon von jeher technischen Alternativen förderlich war, brachte einen neuen Entwicklungsschub und ließ das Entwicklungspotential dieser Arbei ts- und Werkstoffe zut.aqetreten.

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"During World War II there developed a critical shortage of light alloy and many experiments were carried out to see if any of the cellulose-based sheet materials ... could be used for covering airframes. Work was carried out in the UK as well as in the USA. By 1943 it was clear that cellu- lose as used in fabric or paperbased laminates has certain fundamental drawbacks •... Far more fruitful was the work carried out in the early 1940's on asbestos - based compo- sitive materials. It was during the development of these that the vacuum moulding and the autoclave moulding methods were introduced, thus largely removing the size limitation on reinforced plastics structures." 9

Die positive Aufnahme dieser neuen Werkstoffe durch die Wehr- und Luftfahrttechnik bestimmte ihre weitere Entwicklung. Nach weiteren Verbesserungen ihrer strukturellen Eigenschaften

,

in Hinblick auf die spezifischen Anforderungen des Segelflug- zeugbaus in den SOer Jahren - eine Phase, in der die BRD-Her- stellerfirmen weitgehend Pionierarbeit leisten- erfolgte ein beschleunigter Entwicklungsschub mit der Verabschiedung des amerikanischen Raumfahrtprogramms Mitte der 60er J'ahre.

In den Folgejahren entwickelte sich eine deutliche Uberlegen- heit der US-Hersteller für diesen Werkstoffbereich, der die europäische Chemieindustrie nötigte, US-Patente und Lizenzen zu nehmen.

Die Verwendung von Faserverbundwerkstoffen in der Wehr-, Luft~

und Raumfahrttechnik stellte in Hinblick auf die angezielte industrielle Durchsetzung dieser Arbeits- und Werkstoffe einen äußerst günstigen Umstand dar. In mehrfacher Hinsicht konnte die Entwicklung dieses Technikbereichs ohne die störenden Einflüsse eines intensiven Konkurrenzdrucks erfolgen. Zum einen hat der zu erzielende Nutzeffekt innerhalb dieser sepa- rierten Industriezweige für einen weitgesteckten Bereich Prio- rität vor den anfallenden Kosten. Die Anwendung dieser neuen Werkstoffe vollzieht sich nicht in einem industriellen Rahmen, sondern unter besonderen Bedingungen in Form einer Prototypen- oder Einzelproduktion. Das bedeutet eine überschaubarere, ope-

rationablere ErproJ::l,ung und Handhabung bei einem in Umfang und Zusammensetzung anders strukturierten Arbei t.sk r

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9) Hunt, M.S., High-Duty fibre-Reinforced Plastics, National

Mechanical Engineering Research Institute, Council for

Scientific and Industrial Research, 1982.

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Die Sonderanforderungen in diesem Sektor bestehen " ... in der höchsten mechanischen Bauteilqualität bei einer höchst- möglichen Reproduzierbarkeit. Kosten und Aufwand spielen da-

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bei eine untergeordnete Rolle. Die einzelnen Verfahrensschrit- te sind voneinander getrennt und werden von speziellen Anla- gen unter optimierten Bedingungen durchgeführt.1I10

Ein dritter, gegenüber Ziviltechniken wesentlicher Aspekt resultiert aus abweichenden Sicherheitsanforderungen an die Wêrkstoffe. Eine Forderung wie in der Zivilluftfahrt etwa, daß die Werkstoffe auch unter extremsten Bedingungen über lange Zeiträume (bis zu 25 Jahren) einwandfrei, d.h. ohne Minderung der Belastbarkeit, durchhalten müssen, besteht hier

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Der zentrale technische Gesichtspunkt, unter dem Faserverbund- werkstoffe Eingang in die Wehrtechnik sowie in die Luft- und Raumfahrtindustrie finden, ist ihre besondere Eignung für Leichtbauverfahren. Für den Bereich der Raumfahrt ist die

konsequente Anwendung und Weiterentwicklung dieser neuen Werk- stofftechnik absolut eindeutig, der Einfluß des Leichtbaus auf Auftragserfüllung und Wirtschaftlichkeit am ausgeprägte- sten.12

"Neben diesen wirtschaftlichen Aspekten zwingt mitunter die Nutzlastkapazität des vorgesehenen Trägers zu extremem Leichtbau. Im Regelfall werden Satelliten so ausgelegt, daß die Tragfähigkeit voll ausgeschöpft ist. Zeichnet sich im Laufe der Entwicklung des Satelliten eine überschreitung 10) Menges, G./Ermert, W., Moderne Fertigungsverfahcren bei Kunst-

stoff-Faser-Verbundwerkstoffen, in: VDI-Verlag (Hg.), Verbund- werkstoffe ... , a.a.O., S. 145.

11) Diese Bedingung kann sich aber auch als Hemmschuh erwei- sen. "Im Gegensatz zum Militärflugzeugbau sind die Herstel- ler von Airlinern zudem an viel härtere Sicherheitsforde- rungen gebunden, neue Technologien wie die Faserverbund- werkstoffe fließen deshàlb nur langsam in den Herstellungs- prozeß ein."

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\tiirtschaftswoche 40/1984, 8. 154.

12) So kann bei einer Einsparung von 1 kg Strukturmasse durch Leichtbaumaßnahmen ein potentieller Gewinn von 4,2 Mio $ . bei einer siebenjährigen Nutzungsdauer, bezogen auf 15 Sa- telliten, erzielt werden. Vgl. Brunsch, K., Leichtbau

mit Kúnststoffen in der Luft- und Raumfahrt, in: VDI-Verlag (Hg.), Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde in der

Kunststofftechnik, a.a.O.

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der zulässigen Nutzlast ab, so wird meist versucht, dieses durch noch intensiveren Leichtbau zu vermeiden, weil masse- sparende Eingriffe, z.B. in die Elektronik, im allgemeinen nicht hinreichend kurzfristig machbar sind." 13

Die Faserverbundwerks,toffe haben damí.t,auf die Entwicklung der Wehrtechnik und der Luft- und Raumfahrt maßgeblichen Ein- fluß genommen, indem sie im Verlauf ihrer Fortentwicklung neue technische Lösungsmöglichkeiten eröffneten. Nach einer kurzen Phase der Substitution herkömmlicher Mat.erialien konn- ten diese von der chemischen Industrie bereitgestellten Ar- beitsstoffe eine eigene Werkstoffklasse bilden, indem sie Anwendungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten boten, dieI den klassischen Werkstoffen verschlossen sind. Unter den besonde- ren Bedingungen ddeser Industriebereiche haben die Faserver- bundwerkstoffe in Hinblick auf die sachgerechte Gestaltung ihrer Anwendungsbedingungen, der Optimierung der Fertigungs- verfahren und ihrer technischen Fortentwicklung eine Reifungs- phase durchlaufen, die ihren verstärkten Einsatz auch in der industriellen Produktion bedeutend erleichterte. Die Speiche- rung und Auswertung dieser Erfahrungen ermöglichte dann ein gezieltes Angebot dieser Werkstofftechnik für ausgewählte Marktsegmente der Ziviltechnik.

Zwei gesellschaftliche Entwicklungen Anfang der 70er Jahre ließen zudem eine forcierte, breit gestreute Anwendung dieser neuen Werkstofftechnik geboten erscheinen. Einerseits resul- tierte aus der "Energiekrise" und dem sich darüber vermitteln- den gesellschaftlichen Bewußtsein von der absehbaren Erschöp- fung natürlicher Rohstoffe eine konsequente Forderung nach Leichtba.uprinzipien für die zivile Technik, etwa imAutomobil.- bau und der Verkehrstechnik. Parallel dazu entwickelte sich diese Leictitbauforderung für die Verkehrstechnik auch als ein Gebot der sich verschärfenden Umweltbedingungen mit dem Ziel der Drosselung des Energieverbrauchs.

Da von den gebräuchlichen Konstruktionswerkstoffen wie Stahl, Aluminium oder Titan seit Ende der SOer Jahre keine besonderen

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13) Brunsch, K., a.a.O., S. 208.

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Entwicklungsimpulse mehr ausgegangen waren, konnte die Kunst- technologie in diese Lücke des neu entstandenen gesellschaftli- chen Bedarfs hineinstoßen. Nach überproportional starken Zu- wachsraten im Verbrauch von Faserverbundwerkstoffen beginnt die Entwicklung dieses Marktsegments der chemischen Industrie

sich seit Anfang der 80er Jahre stärker an der Entwicklung des Bruttosozialprodukts zu orientieren. Dies ist - vor dem Hintergrund des jährlichen Mengenverbrauchs - ein deutlicher

Indikator für die gefestigte Marktstellung der Faserverbund- werkstoffe im Bereich der industriellen Produktion.

2. Die Bedeutung überbetriebJicher EinfJußfaktoren

Nach dem eingangs unterlegten arbeitspolitischen Grundver- ständnis enthalten unternehmerische Entscheidungen über Moder- nisierungen und Technikeinsatz immer implizit eine politische Substanz, auch wenn sie scheinbar ausschließlich nach ökono- mischen und technischen Erfordernissen gefällt werden. Damit soll nicht die Eigenständigkeit technischer und ökonomischer Entscheidungskriterien in Frage gestellt werden, sondern viel- mehr auf die Eingebundenheit dieser Kriterien sowohl in ihrer

Planungs- wie auch in der eigentlichen Umsetzungsphase in einen vorgegebenen, politisch strukturierten Gesamtrahmen hingewiesen werden. Aus diesem Zusammenhang heraus erklärt

sich die Asymmetrie der beiden wesentlichen Produktionsfakto- ren, die darin besteht, daß

" ... die Kapitalseite im Gegensatz zu den Gewerkschaften und betrieblichen Interessenvertretungen ihre Positionen in höherem Maße als Strukturzwänge ins Feld führen kann, während die Arbeitspolitik der letzteren manifest über Forderungen und Thematisierung, aJsoüber Politisierung, vermittelt werden muß." 14

Die Dominanz von Sachzwängen technisch-ökonomischer Rationali- tät macht sich dabei nicht nur auf dem Gebiet betrieblicher Konversionsprozesse geltend, sondern sie erstreckt sich auch auf die überbetrieblichen Ebenen, etwa den Bereich staatlicher Interventionen und auf das System industrieller Beziehungen.

14) Jürgens, U./Naschold, F., Arbeitspolitik - Entwicklungs- tendenzen und Politikformen, in: PVS-Sonderheft 13/82, S. 329.

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Am Beispiel der Einführung von Faserverbundwerks'toffen lä.ßt sich die oben relativierte Eigenständigkeit technisch-ökono- mischer Entscheidungskriterien nachvollziehen. Der Prozeß der industriellen Diffusion dieser Werkstofftechnologie wird argumentativ vorangetrieben und begleitet von Nützlichlteits- überlegungen und Erwägungen des Preis-Leistungsverhältnisses.

Dabei werden Vorteile wie Rohstoffeinsparung, Zuverlässig- keit, Leistungsfähigkeit, Energieeinsparung usw. angeführt.

Auf über'bet.rLeb.l Lche.r Ebene, etwa der Förderung von neuen Mat.erLaLt.echnoLoqí.en durch staatliche F'örderprograrruue, wird auf die technologischen Herausforderungen der Zukunft Bezug genommen r deren innovative BewäLt.Lqunq die nat.Lon al.e Industrie konkurrenzfähig erhalte. So formuliert die Bundesanstalt für Materialforschung für den Bereich:der Verbundwerkstoffe:

"Die komplexen Aufgaben der gegenwärtigen und zukünftigen Technik erfordern für die verschiedenen Industriebereiche die Verwendung von Materialien und Bauteilen, die möglichst die Vorteile mehrerer 'klassischer' Werkstoffe in sich vereinigen. . .. Hierbei ist eine wesent.Lí.che Zielsetzung z.8. die Reduzierung des Gewichts von bewegten Teilen ...

in Hinblick auf die Einsparung von Antriebsenergie. Eine andere Zielsetzung besteht in der weiteren Miniaturisie- rung von Bauteilen ... " 15

In Anbetracht des Leistungspotentials der Faserverbundwerk- stoffe sowie des Umstands, daß diese Material t.eohnoLoqí,e in ihren Grundzügen immerhin seit Jahrzehn'ten der industriellen Nutzung zur Verfügung steht, überrascht ihre in diesem Zusam- menhang vergleichsweise späte und dem Volumen nach auch heute noch relativ geringe Verwendung. Hinzu kommt , daß es innerhalb des breiten Spektrums der Faserverbundwerkstoffe eine Reihe spezieller Werkstoffe mit ganz unterschiedlichen Materialeigen- schaften gibt, die keine industrielle Nutzung erfahren. "Eine Vielzahl bereits hergestellter oder getesteter Verbundwerk- stoffe hat keine technische Realisierung erfahren. Im Klartext heißt dies, daß Verbundmaterialien Problemlösungen für definier- te A,nwen ungs 'a ,,_eSJ_na.d fâI.I . 'l ,,16

Der Begriff 'definierter Anwendungsfall' verweist offensicht- lich auf eine technische Problemlage, zu deren Lösung einer-

15) Bundesanstalt für Materialprüfung, Forschungsbericht 1985, Berlin 1982, S. 11-12.

16) Wirtschaftswoche 1/2 1984, S. 67.

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seits Materialeigenschaften erforderlich sind, die bei der Verwendung traditioneller Werkstoffe nicht gegeben sind. Ande- rerseits auf die besondere Fähigkeit chemisch synthetisierter Arbeits- und Werkstoffe, deren Eigensch~ften und Leistungsver- mögen per Computer rechnerisch vorsynthetisierbar sind. Jen-

seits solcher technischen Bezüge kommt in diesem Begriff aber auch ein gesellschaftliches Element, das in die Technikgestal- tung eingeht, ~zum~Ausdruck. Dieses läßt sich substantiell in der Frage nach den allgemein geltenden Konstruktions- und Designregeln in der industriellen Güterproduktion herausschä- len. Bei der Verwendung von Faserverbundwerkstoffen sind diese nicht nur unzureichend, sondern weitgehend unbrauchbar.

"A common mistake is to assume that composite materials can be used as a direct substitute for metals using the same design techniques as for metallic structures. This attitude has resulted in many failures and has tended to bring composites into disrepute." 17

Das Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen bedarf also eines Umdenkens, da für jeden Anwendungsfall die typischen mechanischen und physischen Eigenschaften neu zu ermitteln sind. Während bei metallischen W~rkstoffen die Berücksichti- gung der dokumentierten einachsigen Werkstoffkennzeichen zur Gestaltung und zum Belastungsdesign ausreichen, muR bei den Kunststoffen die Zeit- und Temperaturabhängigkeit bei der jeweiligen Belastungsart und -höhe zugrunde gelegt wer- den. Außerdem ist auch das 'Technoklima' mit seinen Auswirkun- gen auf die Wärme- und Lichtalterung, der Feuchtigkeitsaufnah- me und der Spannungskorrosion von Bedeutung. Die richtige kunststoffgerechte Durchbildung von Bauteilen erfordert neues fachspezifisches Wissen. Entsprechend wird in den VDI-Richt- linien formuliert:

"Beim Gestalten der Werkstücke sollte die im Metallbau übliche auf gelöste Bauweise, d.h. die Aufteilung in Bau- gruppen mit vielen Einzelteilen und Halbzeugen unbedingt vermieden werden. Das Nachbauen von bewährten Metallkon- struktionen führt bei glasfaserverstärkten Kunststoffen

im allgemeinen zu Mißerfolgen. Als Grundregel gilt: möglichst alle Einzelteile zu einem Werkstück zusammenzufassen, das in einem Arbeitsgang gefertigt wird. Der Werkstoff erlaubt ein so freizügiges Gestalten, daß in den meisten Fällen al- 1"7)Hunt, M. S ., a. a.O., S. 6.

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lein durch die Formgebung ausreichende Steif igk.eit erzielt werden kann." 18

Mit dem Verweis auf die Nichtanwendbarkeit der üblicherweise vermittelten, für isotrope Werkstoffe geltenden Konstruktions- und Gestaltungsregeln - "Drilling a hole in the end of a bar of undidirectional composites is not much better than drilling a hole in the end of a piece of rope,,19 - tritt ein gesell- schaftliches Element zutage, das generell für den Prozeß der industriellen Diffusion neuer Technologien von Bedeutung ist.

Dieses Element engt die Eigenständigkeit technischer Beurtei- lungskriterien keineswegs ein, sondern dokumentiert nur einen Uberbetrieblichen Einflußfaktor, der prädeterminierend und beständig auf den Prozeß der Einführung und Diffusion neuer Technologien einwirkt. Durch seinen normenden Charakter werden die Formen der industriellen Nutzungneuer Technologien wie auch ihre Anwendungsbereiche mi·tgestaltet, wobei dieser Ei.n""' fluß sich sowohl hemmend wi.e auch fördernd auswirken kann.

So ist der zögernde Einsatz von Faserverbundwerkstoffen im Karosseriebau darauf zurückzuführen, daß nach der derzeitigen Fahrzeugkonzeption selbsttragende Karosserien - erst die kom- plett zusammengeschweißte Karosserie gibt dem Fahrzeug die notwendige Stabilität - zugrunde gelegt, werden. Würde man stattdessen eine Rahmenkonstruktion verwenden - der Rahmen garantiert dabei die Festigkeit und die Karosserieteile wer- den an ihm befestigt -, wäre das wesentliche Hindernis für eine forcieæte Verwendung von Faserverbundstoffen aus dem Weg geraum' .., t 20

Ein anderer, ähnlich strukturierter Einflußfaktor von überbe- trieblicher Relevanz stellt der in Abschnitt 11.1. schon er- wähnte, in politischen Arenen durch Auseinandersetzungen und Kompromisse geformte Komplex der Sicherheitsanforderungen und -bestimmungen für indust.riell herqe st.eLl,te Güter dar.

1B) VDI-Richtlinien, Gestalten von Werkstücken aus GFK, VOl

2012, S. 1.

19) HuntI M .S., a.a .O ., S. 6.

20) VgI. Wirtschaftswoche 39, 1983, S. 104 f.

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1 5

Neben diesen, trotz ihrer technischen Bezüge gesellschaftlich determinierten Einflußfaktoren lassen sich bei der Betrach- tung des Entwicklungsverlaufs von Fa$erverbundwerkstoffen auch andere Wirkungsmechanismen entdecken, etwa solche, die dem System der interindustriellen Beziehungen zuzuordnen sind.

Im Bereich der industriellen Produktion hat sich ein engmaschi- ges/Netz von Einfluß- und Abhängigkeitsbeziehungen beispiels- weise 0Wischen der Maschinenbauindustrie und ihren unmittel- baren Abnehmern entwickelt, das durch einen kontinuierlichen Fluß an Informationen, Erfahrungsberichten usw. ständig aktua- lisiert wird. Bestandteil dieses Kommunikationsnetzes sind natürlich auch Informationen traditionell verwendeter Werk-

stoffe, ihre Weiterentwicklung sowie ein großes Reservoir an Erfahrungswissen ihrer industriellen Nutzung. Die Umstel- lung auf neue Werkstofftechnologien, der Prozeß der Chemisie- rung durch den Einsatz von Faserverbundstoffen, erDordert

eine Zäsur in diesem Einfluß- und Kommunikationssystem, indern sie einerseits eine enge Bindung zwischen Rohstoffhersteller - hier der chemischen Industrie - und dem Verarbeiter voraus- setzt. Andererseits muß aber auch eine entsprechende Koopera- tion zwischen der chemischen Industrie und einern Subsystem der Maschinenbauindustrie, den Kunststoffmaschinenherstellern, erfolgt sein, um Fortschritte chemisch synthetisierter Werk- stoffe marktgerecht durch eine abgesicherte maschinelle Aus- stattung anbieten zu können.

"Es ist daher oft so, daß die Probleme, die sich in der Fertigungstechnik beim Verarbeiter zeigen, mit Mitteln der Chemie in der Rezeptierung der Massen angegangen wer- den. Dies ist auch daraus erklärlich, daß die enge Bindung zwischen Rohstoffhersteller und Verarbeiter sich hier stär- ker ausgewirkt hat, als der Einfluß und das Interesse der Maschinen- und Fertigungsmittelhersteller.~ 21

Dieser Prozeß der Neuorientierung auf Verarbeiterseite, der Annäherung von Rohstoffhersteller und Verarbeiter und des Wandels bestehender Kommunikations- und Einflußstrukturen

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21) Derek, H., Zur Technologie der Verarbeitung von Harzmatten, Diss. Aachen 1982, S. 1: "Diese Abstimmung (die Auswahl der Werkstoffe, die Wahl des Fertigungsverfahrens und das

stoffgerechte Gestalten, d. Verf.) macht eine Zusammenar- beit zwischen konstruierendem Ingenieur, Rohstoffherstel-

ler und Verarbeiter wünschenswert. Sie sollte bereits bei der Planung ansetzen." VDI-Richtlinien 2010,Blatt 1, S. 1.

(19)

reicht über das ganze Spektrum industrieller Beziehungen.

Er ist damit nicht nur technischen und ökonomischen Zusammen- hängen, sondern auch unstreitig gesellschaftlichen und politi-

schen Einflüssen unterworfen. Kennzeichen eines solchen Um- bruchs ist der Prozeß der Verbreitung und Verallgemeinenmg der prodbktionstechnischen Kenntnisse einer neuen Werkstoff- technologie. Sein Entwicklungsstand mißt sich an dem 'Stand der Technik' der zum betrieblichen Einsatz bereitstehenden maschinellen Ausstattung.

"Als Ergebnis dieser En-twicklung (des Einsatzes von Duro~

plasten, d. Verf.), die auch durch eine Nachfrage an einer Vielzahl von Teilen in kleiner Stückzahl bei oft kleinen und mittleren Unternehmen gekennzeichnet ist, liegen heute eher Erkenntnisse zum chemischen Einfluß verschiedener

Parameter vor, jedoch weniger zur direkten Fertigungstech'"

nik. Bet.raoht e

t;

man andere Technologien zur Verarbeitung von Kunststoffen, so ist dort oft ... ,ein enonner Fort-

schritt in der eigentlichen Fêrtigungstechnik, direkt abIes- bar an der Entwicklung der Maschinen, erzielt worden." 22 Nimmt man die Fortschritte in der Maschinenent:wicklung zum Maßstab für den Stand der industriellen Diffusion von Faser- verbundwerkstoffen, so hat diese Werkstofftechnologie nicht nur FuB gefaBt, sondern befindet sich in einer Phase der zu- nehmenden Ausdehnung ihrer Anwendungsbereiche. Die Sparte

der Kunststoffmaschinenhersteller, die der maschinellen Weiter- entwicklung dieser Werkstofftechnologie in den letzten ,Jahren vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt hat, verzeichnet starke

Nachfragesteigerungen. Gleichzeitig hat sich der Schwerpunkt fhrer Innovationen auf ein Kernprinzip des Chemisierungspro- zesses, das auch die Faserverbundwerkstofft.echnologie bietet, eingestimmt. Gegenüber einer F'rühphase mit dem Schwerpunkt mechanischer Leistungssteigerungen in den Maschinenkonzeptio- nen dominieren jetzt ausgefeilte Meß~, Steuer- und Regelungs- techniken, die eine Kontinuität der Fertigungstechnik gemäB

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22) Derek, H., a.a.O., S. 1 f.

23) Vgl. Wirtschaftswoche 39/83, S. 100:

"Ilbe

r Magne'tventile oder pneumatische steuerungselemente redet heute kaum

noch einer - MeB-, Steuer- und Regelungs-technik t.ri1lDJ.nphie~

ren ... Bei einer Verdreifachung der Leistungsfä.higkeit

bekommen Steuerung und Regelung auf einmal einen ganz

anderen Stellenwert."

(20)

I /

Trotz des erfolgreichen Einbruchs der Kunststofftechnologien in die Märkte der traditionellen Rohstoffhersteller und den damit einhergehenden Verschiebungen im System der interindu- striellen Beziehungen vollzieht sich der weitere Verlauf einer breiteren industriellen Nutzung der Faserverbundwerkstoffe

nicht ohne Hemmnisse. Zwischen den Herstellern der alten und der neuen Werkstoffe ist ein heftiger Kampf um Märkte, Ein- fluß- und Interessensphären entbrannt. So haben beispielswei- se die Aluminiumhersteller für die Luftfahrtindustrien, in denen der Durchbruch von Faserverbundwerkstoffen besonders spektakulär verlaufen ist, eine neue Aluminiumlegierung (Alu- minium-Lithium) entwickelt, die wesentlich leichter und viel- seitiger ist als das herkömmliche Flugzeugaluminium.

"Obwohl es nicht ganz so leichtgewichtig ist wie der Her- ausforderer Kunststoff, werden dem neuen Metall dennoch sehr gute Chancen eingeräumt. Denn für die Flugzeugbauer zählt ein ganz entscheidender Vorteil: Aluminium-Lithium kann praktisch von heute auf morgen anstelle der bisheri- gen Leichtmetalle mit denselben Werkzeugmaschinen und Vor- richtungen verarbeitet werden. Für die Kunststoffbauweise dagegen sind ganz andere Produktionsverfahren n0tig. Eine kurzfristige Umstellung auf Kunststoff in großem Stil wür- de deshalb Investitionen in Milliardenhöhe bedeuten." 24 Eine solche Neustrukturierung der produktionstechnischen Ver- fahren wird allerdings trotz betriebswirtschaftlicher Erwägun- gen nur auf kurze Dauer zu blockieren sein. Die Möglichkeit, durch Gewichtseinsparungen von mehreren Tonnen den Treibstoff- verbrauch stark abzusenken und damit zugleich auch umweltpoli- tischen Forderungen entgegenzukommen, wird die Nachfrage so strukturieren, daß auf längere Sicht die unkonventionellen Kunststoffe auch im Zivilflugbereich dominieren werden.25 Obgleich es sich bei der Einführung von Faserverbundwerkstof- fen primär um eine ökonomisch-technisch zu erklärende Entwick- lung handelt, spielen gesellschaftliche und politische Ein-

24) Wirtschaftswoche 40/1984, S. 154.

25) "MBB arbeitet bereits an rechnergesteuerten, weitgehend automatisierten Verfahren für die Herstellunq von Kunst- stoffbauteilen." a.a.O. Nach Schätzung von Bõeing werden in den neunziger Jahren kommerzielle Düsenflugzeuge zu mehr als zwei Dritteln aus Faserverbundstoffen bestehen.

Die daraus resultierenden Einsparungen an Treibstoff sind kaum abzuschätzen.

(21)

flußfaktoren eine maßgebliche Rolle in Hinblick auf die zeitli- che Dimension ihrer Einführung sowie in bezug auf die Formen und die Breite ihrer industriellen Anwendung.

"New technologies are selected through a complex interaction between some fundamental economic factors (search for new profit opportunities and for new markets, tendency toward cost saving and automation, etc.), together with powerful

institutional factors (the interests and the structure I

of the existing firms, the effects of government agencies, I

etc. ).II 26

Die Analyse dieser Faktoren in ihren wechselseitigen Beziehun- gen, vor allem die Bestimmung des Verhältnisses von be·triebli-·

cher Ebene und überbetrieblichen Einflußfaktoren, eröffnet

die Möglichkeit der Eingrenzung politisch relevanter Handlungs- parameter.

--._---~.

26) Dosi, G., Technological Paradigms and Technological Tra- jectories, in: Research Policy 11/1982, S. 157.

(22)

19

III. DER BETRIEBLICHE EINSATZ VON FASERVERBUNDWERKSTOFFEN

1. Das produktionstechnische Einsatzspektrum

Es zeichnet sich ab, daß die Forderung nach konsequenten II Leichtbauverfahren in der Luftfahrt, der Fahrzeug- und Maschi- nenbauindustrie eine weiter wachsende Umorientierung nach hochfesten, leicht synthetischen Werkstoffen zur Folge haben wird. Beispielsweise ist in den letzten Jahren bei Serienauto- mobilen ein Mengenwachstum im Verbrauch von Kunststoffen von jährlich 9 v.H. zu verzeichnen gewesen, so daß mittlerweile mehr als 140 kg27 der Einzelteile aus diesem Werkstoff gefer- tigt werden. Unter den Kriterien der Bauteiloptimierung, der Gewichtsreduzierung und der Energieeinsparung stellen die Substitution von nichttragenden Karosserieteilen und der Be- reich der Funktions- und Sicherheitsverbesserungen die Einsatz- schwerpunkte dar. Wähœend der Ausstattungsbereich fast zu

2/3 von Kunststoffanwendungen erobert ist, ist der Durchbruch im Fahrwerk- und Antriebsbereich mit dem tendenziellen Absin- ken der Preise für kohlefaserverstärkte Kunststoffe absehbar.

In der elektrotechnischen Industrie erreichte die Anwendung von Faserverbundwerkstoffen bereits im Verlauf der 70er Jahre

ihren Höhepunkt. Diese Werkstofftechnologie ist hier wegen ihrer guten elektrischen Isolation, ihrer Außenwitterungs- und Korrosionsbeständigkeit nicht mehr wegzudenken. Nach Pro- gnosen werden schließlich auch für die Luft- und Raumfahrtin- dustrie Strukturgewichtsanteile von bis zu 60 v.H. für kohle- faser- und aramidfaserverstärkte Kunststoffe ohne weiteres für möglich gehalten. Für 1983 konnte man dabei mit " ... einer Kilopreisrelation von Stahl zu Kunststoff zu Aluminium zu glasfaserverstärktem Kunststoff zu aramidfaserverstärktem Kunststoff zu kohlenfaserverstärktem Kunststoff wie 1 : 2 : 5 : 10 : 100 : 500 kalkulieren.,,28

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27) Die Angabe gilt für das Jahr 1983; 1953 entfielen etwa 4 kg Kunststoffe auf einen Serien-PKW.

28) Klein, B., Faserverstärkte Kunststoffe eignen sich gut als Konstruktionswerkstoffe, in: Maschinenmarkt 26/1983.

(23)

Eine Einschätzung der zunehmenden industriellen Verwendung von Faserverbundwerkstoffen kann sich indes nicht nur auf Veränderungen marktbedingter Nachfragestrukturen sowie auf gesellschaftliche und politische Einflußfaktoren beschränken.

Für die Neueinführung bzw. den verstärkten Einsatz dieser Werkstofftechnologie gibt es auch innerbetriebliche Gründe, die sich aus der Bedeutung des allgemeinen Prozesses der Che- misierung der Technik herleiten lassen. Dieser Prozeßals

betriebstechnologischer Trend stellt unter dem Leitbegriff der Kontinuisierung von Produktionsabläufen eine unternehmeri- sche Modernisierungs- und Rationalisierungsstrategie dar, die zu anderen - etwa der Automatisierung und Informatisierung betrieblicher Tätigkeitsfelder in einem teilweise konkurrie- renden, teilweise komp1emen tären Ve rhä Lt.ni.s steht.

Nach rapiden Fortschritten in der Modernisierung betrieblicher Strukturen stößt eine weitere Vervollkommnung angestrebter rationellerer Betriebsabläufe häufig auf die 'organischen Schranken' herkömmlich verwendeter Arbeits- und Hilfsstoffe.

Eine unternehmerische Schwerpunktse·tzung zieltdaher bei den Neu- und Weiterentwicklungen vah Produkten auf adäquate Lösun- gen für den Bereich der Konstruktion und des Design, auf den Einsatz neuartiger Fügeverbindungen und Materialien mit Eigen- schaften nach Maß.

Gegenüber dieser Bedeutung des komplementären Charakters des Chemisierungsprozesses in bezug auf andere Rationalisierungs- strategien steht aber die seines eigenständigen Gestaltens und Umformens betrieblicher Produktionsabläufe nicht. nach.

Chemisierung der Technik soll hier eine weitgehende Kontinui- sierung der betrieblichen Fertigungsprozesse gewährleisten und impliziert dabei eine große Stoffintensität der Produk- tion. Kennzeichnend ist dabei die Aufhebung des klassischen Unterschieds von Arbeitsgegenstand und -mittel,denn die exter- ne, maschinelle Einwirkung auf das Produkt tritt in ihrer

Vielseitigkeit und Bedeutung zurück vor dem Einsatz chemischer Hilfs- und Arbeitsstoffe, den Rezepturen und dem bewußten

Steuern chemisch-physikalischer Prozesse. Das Charakteristikum

(24)

:on

des Chemisierungsprozesses in seiner materiell technischen Gestalt ist eine durchgängige Kombination von Maschinerie, Apparatur und Arbeitsstoffen, " ... die Montage tritt hier

zurück gegenüber einer Meß- und Regeltätigkeit des Produktions- flusses, der durch Leitungs-, Behälter und andere strukturie- rende Systeme, durch chemische Stoffumwandlungsreaktionen

und mechanische Transportformen des entstehenden Warendings zusammengehalten wird."29

Ergebnis dieses Prozesses sind eindeutige Vorteile in Hinblick auf die Transparenz, die Berechenbarkeit und die planmäßige Steuerung des betrieblichen Geschehens in seiner materiellen und organisatorischen Gestalt, d.h. ein hohes Maß an Flexibi- lität und Reagibilität. So bietet die Chemisierung der be- trieblichen Technik die Einsparung von Prozeß- bzw. Bearbei- tungsstufen und verkürzt damit die Produktionsstränge. Gleich- zeitig werden die Verarbeitungsstufen überschaubarer, die Qualität und Reproduzierbarkeit der Produkte zuverlässiger garantiert. Neben weiteren Vorteilen wie Energieeinsparungen, Ausfallverkürzungen usw. stehen schließlich auch Arbeitsstoff-

zul}eferer mit hoher wissenschaftlich-technischer Beratungs- kompetenz zur Verfügung.

Dieser kurze Anriß zur allgemeinen produktionstechnischen

Bedeutung des Chemisierungsprozesses läßt sich in vielen Punk- ten am Beispiel der Einführung von Faserverbundwerkstoffen

belegen. Eine komplementäre Komponente spiegelt der Einsatz dieser Werkstoffe im Zusammenwirken mit moderner Mikroelek- tronik und hochspezialisierter Sensortechnik - etwa im Be- reich des Spritzgießens oder auf dem Extrusionssektor - wie- der. Eine wichtige Rolle wird dabei der Möglichkeit der rech- nergestützten Auslegung von Formteilen und Werkzeugen sowie der Vorausberechnsung bzw. der Auslegung von Prozeßdaten bei Einsatz dieser Technologie eingeräumt.

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29) Bahr, H.D., Die Klassenstruktur der Maschinerie, in: Vah- renkamp, R. (Hg.), Technologie und Kapital, Frankfurt 1973, S. 54.

(25)

"Anhand dieser Grunddaten wird sich eine Selbstkon-trolle der Maschinerie während der Produktion ermöglichen lassen.

So wird eine Selbstoptimierung der Anlagen und dami-t eine Sicherung der Wirtschaftlichkeit durch Qualitätskontrolle und Ausschußvermeidung erreicht.1I 30

Die durch die allgemeine Forderung nach vermehrtem Einsatz von hochfesten Leichtbauwerkstoffen induzierte Verbreiterung der indust.riellen Anwendungsbereiche für Faserverbundwerk- stoffe is-t überhaupt nur umsetzbar , wenn gleichzeitig wesent- liche Elemente der Automatisierungs- und Informatisierungstech- nologien mitberücksichtigt werden. Die notwendig eindeutige Reproduzierbarkeit von Produkten in Hinblick auf Zusammenset- zung und Menge des Werkstoffs, Richtungsverlauf der Fasern etc. erfordert automatisierte Betriebsprozesse. Dabei setzt man auf den Einsatz von Robotern bei der Materialzufuhr und -dosierung, beim Einlegen und Entnehmen von Teilen bei der Qualitätskontrolle und bei der Nacharbeit. Gleichzeitig kann das erforderliche und mögliche Maß an Qualität von Produkten dieser Werkstoffe nur dann konsequent ausgeschöpft werden, wenn parallel die Daten über Kon s'truk'tí.on und Verarbei-tung gesammelt, gespeichert und für erweiterte Aufgabenstellungen anwenderfreundlich wieder bez e.í.t.qest.eILt werden.

Auch für die Rontinuisierung betrieblicher Pr-oduktí.onsabLäuf e bietet der Einsatz von Faserverbundwerkstoffen ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Allerdings wird diese Form der Fertigungstechnik mit großer Stoffintensität der Produktion nur für hohe Bauteilstückzahlen gewählt. Fertigungsverfahren wie Pultrusion und Pullforming, bei denen kontinuierlich Pro- file für den tragenden Strukturleichtbau produziert werden, sind Beispiele dafür. Reine Rontinuisierung im eigentlichen Sinne, wohl aber im Ergebnis, stellt die spezifische Eigen- schaft der Faserverbundwerkstoffe dar, daß auch komplexere Produktteile in einer Produktionsstufe herges~ellt werden können. Im Fertigungsverfahren werden die Fasern " ... in eine flüssige Reaktionsharzrnasse eingebettet und beim Härten des Harzes in dem so entstehenden festen Formstoff verankert. Das

30) Wirtschaftwoche 39/1983, S. 98.

(26)

¿j

flüssige Ausgangsmaterial ermöglicht es, auch kompliziert gestaltete Teile in einem Arbeitsgang mit verhältnismäßig geringem Aufwand herzustellen.,,31

Darüber hinaus können auch voneinander völlig verschiedene Bearbeitungsphasen wie etwa das Gestalten oder Ausformen des Bauteils und das Lackieren in einer Fertigungsphase zusammen- gefaßt werden. Beim sogenannten 'Inmold Coating' wird das

Lackieren durch das Aufbringen des Lacks im Preßwerkzeug selbst vorgenommen. Im Vergleich zu den vielfachen Unterbrechungen bei Fertigungsverfahren unter Anwendung herkömmlicher Materia- lien wie Blech, Stahl usw. kann eine solche Verkürzung der Verarbeitungsstufen auch als Kontinuisierung angesehen wer- den.

Charakteristisch für den Einsatz von Faserverbundwerkstoffen ist schließlich auch die reduzierte maschinentechnische Bedeu- tung geg~nüber einer angemessenen Steuerung der chemisch-phy- sikalischen Prozesse durch entsprechende Rezepturen von Reak- tionsmitteln, Haftvermittlern und anderen Hilfsstoffen.

"Die Eigenschaften des gehärteten Reaktionsharzformstoffes und damit des Formteiles hängen nicht nur vom Ausgangsmate- rial ab, sondern auch im hohen Maße von der Führung des Härtungsprozesses. Kenntnisse über die Vorgänge beim H~rten des Reaktionsharzès sind daher für den Verarbeiter unerläß- lieh." 32

Eine enge Zusammenarbeit der Verarbeiter mit den die Roh- und Hilfsstoffe bereitstellenden Unternehmen der chemischen Indu- strie ist somit eine unabdingbare Voraussetzung für die indu- strielle Nutzung dieser Werkstofftechnologie.

2. Modernisierungs- und Rationalisierungsperspektiven

Die guten gewichtsspezifischen Eigenschaften von Faserverbund- werkstoffen, eine im Verlauf des letzten Jahrzehnts günstige Materialpreisentwicklung sowie eine wachsende Verbreitung der

---~---=--=---~~

31) VDI-Richtlinien 2010, Blatt 1,S. 1.

32) VDI-Richtlinien 2010, a.a.O.

(27)

erforderlichen konstruktiven und gestalterischen Kenntnisse dieser Werkstofftechnologie stützen die Prognosen für einen allgemeinen, breit gefächerten industriellen Durchbruch. In Anbetracht des fertigungstechnischen Vorteils von Faserver- bundwerkstoffen gegenüber den Werkstoffen herkömmlicher Art, auch komplizierte Bauteilformen in 'einem Schuß' herstellen zu können und damit weniger Bearbeitungsstufen zu benötigen, muß zur breiteren industriellen Anwendung nur noch eine Vor- aussetzung erfüllt werden. Diese besteht in der Einführung automatisierter Herstellungsverfahren, um die erforderlichen Stückzahlen relativ kostengünstig und ohne Qualitätsabfall produzieren zu können.

Automatisiert werden kann dabei auf zwei Ebenen. Einersei,ts zielen die Anstrengungen auf die Entwicklung ent.spreohende r maschinente~hnischer Produktionsanlagen, ausgestattet mit Mikroelektronik, moderner Sensortechnik, Industrierobotern usw., wobei allerdings die Schwerpunktsetzungen in der Groß- serien- und Kleinserienproduktion unterschiedlich sind. Ande- rerseits findet auch' ein Automatisierungsprozeß im Bereich der Vorkonfektionierung des Ausgangsmaterials statt. Eine solche Vorbearbeitung der Faserverbundwerkstoffe hat sich für fast alle Fertigungsarten und Arten von Ausgangsmateria- lien wie Matten, Gewebe, Pre~reps (vorimprägnierte Faserbän- der) usw. durchgesetzt. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, daß die so produzierten Zwischenprodukte unbeeinflußt von der Fertigung bestimmter Bauteile eine optimale Qualität bei nur minimalen Schwankungen garantieren. Allerdings sind damit zugleich die Variationsmöglichkeiten hinsichtlich der Faseranteile, Füllstoffe, Haftvermittler und anderer Zusätze für den Verarbeiter stark eingeschränkt.

Der Automatisierungsprozeß für diesen Bereich läßt sich in seinen einzelnen Schritten gut am Beispiel der Harzmattenher~

stellung, 33 die in der industriellen Nutzung ein vergleichs- 33) Unter Harzmatten, auch SMe (Sheet moulding compound) ge-

nannt bzw. in ihrer Vielfalt unter dem Sammelbegriff Pre- preg zusammenqeEaßt , versteht man ein verarbeitungsfähiges flächiges Halbzeug aus Polyesterharz, Glasfasern und Füll- st.of fen ,

(28)

¿~

weise großes Marktsegment besetzen, nachverfolgen. Die ur- sprünglichen Verfahren zur Imprägnierung von Textilglasmatten mit Harz waren einer großtechnischen Produktion nicht gewach-

sen. Unter dem Aspekt der Mengenerweiterung wurden zunächst in einem ersten Schritt sogenannte Breitschneidwerke eingeführt, deren Arbeitsbreite für Harzmatten bis zu 3 m betragen und

auf denen eine Vielzahl von Ravings (Glasseidenstränge) gleich- zeitig bearbeitet werden konnten. Der Einsatz dieser Breit- schneidwerke ermöglichte gute Variationsmöglichkeiten hin- sichtlich Fasergehalt, Flächengewicht und Schnittlänge der Fasern. Mit einern weiteren Schritt wurden dann Wiege und Hand- habungsfehler ausgeschaltet, indem man eine vollautomatische Zubereitung der Harzpasten einführte.

"Die Pastenrezeptur, die i.d.R. aus acht bis zwölf unter- schiedlichen Komponenten besteht, wird auf eine Lochkarte übertragen, die gleichzeitig alle Steuerbefehle für die Wiege- und Mischanlage enthält. Der Werker hat keinen Ein- fluß auf den Wiegevorgang. Nach eingegebener Lochkarte und vorgewählter Chargenzahl werden ihm die Mischungen automatisch zur Verfügung gestellt, die er per Knopfdruck nur noch abzurufen braucht." 34

Ein angeschlossener Rechner speichert alle Zubereitungsmengen der Wiegeanlage sowie den Verbrauch der einzelnen Komponenten, so daß nach Schichtende durch Addition der Werte der gesamte Materialverbruch registriert und gesteuert werden kann. Mit einem dritten Schritt schließlich hat man das Einbringen der Harzpasten in die Fasern durch genau justierte Rakel und Walk-

zonen automatisiert. Die Schwankungen im Flächengewicht, Glas- gehalt, Harzanteil usw. sind dadurch auf geringe Prozentwerte reduziert worden.

Perspektivisch richten sich die weiteren Entwicklungsanstren- gungen auf die Verfeinerung und Leistungssteigerung der maschi- nentechnischen Anlagen und auf die Elmininierung des noch

verbliebenen Handarbeitteils. Bislang sind immer noch kurze Maschinenstops notwendig, um die Trägerfolien aus Polyethylen, auf denen die Harzmatten liegen, abzulösen: " ... in Japan existiert bereits eine Anlage, die durch ein vorgeschaltetes

---~---,

34) MelIert, M./Liebold, R., Der Stand der SMC-Technik aus der Sicht des Verarbeiters, in: VDI-Verlag (Hg.), Ver- bundwerkstoff und Werkstoffverbunde in der Kunststofftech- nik, a.a.O., S. 104.

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Lieferwerk auch für das Spleißen der Trägerfolien kontinuier- lich ohne jeden Maschinenstop läufton35

Größere Schwierigkeiten bere.itet d í.eAutomatisierung der Ve r- arbeitungsverfahren von Faserverbundstoffen für den Bereich der Kleinserienproduktion. Diese Verfahren, die unter dem Begriff der Niederdruckverfahren zusammengefaßt werden, dek- ken - für den mengenmäßig mit Abstand relevantesten Markt der qLas fa serve r st är k't.enKunststoffe - immerhin 4O Vo H. der Nachfrage ab. Zu diesen Verfahren zählen das Handlaminieren, das Faserspritzen, Injektionsverfahren und das Naßpressen.

"Der Mechanisierungsgrad dieser Verfahren steigt .inder Reihenfolge der Aufzählung an .... Allen Verfahren gemein-

sam ist der hohe Ant.e í.L an Handarbeit und daraus r-esul,tie-- rende hohe Lohnkosten sowie stark von der Zuverlässigkeit der Bedienung abhängende und meist entsprechend schwanken- de Baute.ilqualität und eine rela'tiv aufwendige spanende Nachbearbeitung." 36

Eine Automatisierung der Fertigung für diesen Bereich, der sich durch komplizierte Geometrien der Bauteile, besondere Ansprüche an Festigkeit und Steifigkeit und spezifische Ma- trixeinstellungen - etwa der Nichtbrennbarkeit - auszeichnet, muß hohen Flexibilisierungsansprüchen Rechnun~ tragen.

"Der Schlüssel zur Verwirkl.ichung dieser Flexibilität liegt im Einsatz von Mikroelektronik zum Steuern der Werkzeugma- schinen und Industrierobotern. Entsprechende Werkzeugma- schinen werden zur Zeit von keinem Maschinenhersteller

entwickelt, Industrieroboter stehen dagegen in einer wach- senden Vielzahl zur Verfügung •... Dazu sind keine aufwen- digen Programmiersprachen erforderlich. Industrieroboter bieten somit die Möglichkeit, nichtlineare Bewegungspro- gramme, wie sie z.B. zum Bearbeiten von komplizierten Kon-- turen erforderlich sind, zu reproduzieren. Hierbei ist

sehr wichtig, daß aufgrund der schnellen Umprogrammierbar- keit auch bereits kleine Stückzahlen wirtschaftlich bearbei- tet werden können. Dies stellt e.in Novum dar und w.ird sich in seiner Bedeutung wohl erst .inden nächsten Jahren voll ausw.irken." 37

Der Trend zum Einsatz von Industrierobotern setzt dabei auf geschlossene Fertigungszellen r um eine Beläs·t.igungder Umwelt

---_._--- --_._,---

35) MelIert, W./Liebold, R., a.a.O. f S. 107.

36) Menges, G./Ermert, W., Moderne Fertigungsverfahren bei

Kunststoff-Faser-Verbundstoffen, in: VOl-Verlag (Hg.), Ver- bundwerkstoffe und Werkstoffverbunde in der Kunststoff- technik, a.a.O.

37) Menges, G./Ermert, Wo, a.a.O., S. 148 f.

(30)

¿ /

durch Geräusche, Stäube usw. auszuschließen. Als Einsatzgebie- te stehen neben der eigentlichen Werkzeughandhabung vor allem auch die Nachbearbeitungsbereiche wie Bandablegen oder Randbe- schneiden im Mittelpunkt.

"Bisherige Arbeiten haben gezeigt, daß dabei erhebliche

Taktzeitverkürzungen und teilweise Verbesserungen der Quali- tät möglich sind. Dazu können weitere Systeme wie Program- miersensoren, Werkstückabtastvorrichtungen und adaptive Prozeßdatenrückführung beitragen." 38

Allerdings wird dieser Automatisierungsprozeß die Struktur dieses Branchensektors, der nur durch wenige mittelständische und eine Vielzahl von Klein- und Kleinstunternehmen gekenn-

zeichnet ist, grundlegend verändern. Nur größere, finanzstarke Unternehmen werden diesen Prozeß, der erheblicher Investitionen bedarf, nachvollziehen können. Im Gegensatz dazu setzt man in der Großserienproduktion jeweils auf einen bestimmten pro- duktionstechnischen Effekt, etwa die Fließfähigkeit von Harz- matten bei Preßverfahren. Zu diesem großtechnischen Produktions- bereich zählen Fertigungsverfahren wie die Faserwickeltechnik, das Pressen, das Spritzgießen und Pultrusionsverfahren. Durch den Automatisierungsprozeß können solche bestimmten Effekte konsequent genutzt werden und in der Produktion hoher Stück-

zahlen ihre Vorteile ausspielen. Der fertigungstechnische Aufwand kann in Anbetracht der Losgrößen entsprechend'groß ausfallen. Trotz der seit bereits Anfang der 70er Jahre einset- zenden Automatisierungsprozesse haben sich in vor- und nachge- lagerten Arbeitsbereichen vielfach handwerkliche oder andere manuelle Tätigkeiten erhalten. Die kontinuierliche Aufnahme der Faserverbundtechnologie durch andere Industriezweige, vornehmlich der Automobilindustrie, hat der Modernisierung und Rationalisierung auf diesem Sektor neue Impulse verliehen.

Am Beispiel des Heißpressens, eines der in Hinblick auf die verarbeiteten Materialmengen bedeutendsten Verarbeitungsver- fahrens von Faserverbundwerkstoffen, kann die sich abzeichnende Modernisierungswelle veranschaulicht werden. Derzeit gehört zur fertigungstechnischen Grundausrüstung eine hydraulische Presse, die beheizbare Metallwerkzeuge führt.

---~

38) Menges, G./Ermert, W., a.a.O., S. 150 f.

(31)

"Dazu ergeben sich jedoch verschiedene vor- und nachgelager- te Arbeitsvorgänge, die handwerklich ausgeführt werden

können. Unter dem Aspekt einer Serienanwendung mit gleich- bleibender und hoher B~uteilqualität müssen umfangreiche Maßnahmen zum Verstetigen dieses äußeren Ablaufes und zum

Optimieren des eigentlichen Preßvorgangs selbst vorgenommen werden. Als entscheidender Beitrag zur Automatisierung

des äußeren Ablaufs sind mikroprozessorgesteuerte Zuschnei- deanlagen, Handhabungsgeräte zum Be- und Entladen der Pres- se und Industrieroboter oder Werkzeugmaschinen zum spanen- den Nachbearbeiten und Entgraten anzusehen." 39

Die an die Einführung der Faserverbundtechnologie gekoppelten Fertigungsverfahren waren zunächst in einer ersten Phase ge- prägt von einem hohen Anteil handwerklicher und einfacher manueller Arbeitsvorgänge. Dies läßt sich aus den anfangs

geringen Stückzahlproduktionen, den nur fragmentarisch vorlie- genden Kenntnissen über den Fèrtigungsverlauf und einen ver- gleichsweise hohen Aufwand für Automatisierungsprozesse erklä- ren. Aus dem breiten Spektrum unterschiedlicher F'ertigungsal- ternativen wurden dann nach erfolgreicher Markteinführung

die sich auch für hohe Stückzahlen eignenden Verfahren einem Automatisierungsprozeß unterworfen. Charakteristisch war da- bei die Beschränkung auf die Automatisierung der unmittelbaren Formgebung der Bauteile, vor- und nachgelagerte Arbeitsberei- che verblieben handwerklicher Bearbeitung wie auch manuell repetitive Tätigkeiten, etwa das Bandauflegen und -ablegen, von Modernisierungsprozessen ausgespart blieben.

Für die mit Beginn der BOer Jahre einsetzende neue Rationali- sierungswelle zeichnet sich für den Bereich der Großserienpro- duktion auch der Trend zur Automatisierung der noch verbliebe- nen handwerklichen und anderen manuellen Tätigkeiten ab. In der Kleinserienproduktion konzentriert sich der Modernisie- rungsprozeß auf den Einsatz von Mikroelektronik, Industrierobo- tern und modernster Sensortechnik im unmittelbaren Fertigungs- bereich. Hier verbleibt ein gewisses Restpotential einfacher und handwerklicher Arbeitsvorgänge.

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39) Menges, G./Ermert, W., a.a.O., S. 159.

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Möglich geworden sind diese weitgehend vollautomatisch arbei- tenden Anlagen durch die Kombination neuerer technischer Ent- wicklungen auf dem Gebiet der Informations- und Automations- technologien mit den produktionstechnischen Spezifika der Faserverbundtechnologie. Für alle Fe~tigungsverfahren gilt, daß die anvisierten vollautomatischen Anlagen trotz Prozeß- überwachung und integrierter Qualitätskontrolle einen ratio- nellen Material- und Informationsfluß nur in einem beschränk- ten Umfang garantieren. Das überwachen von Maschinen, das Erkennen von Fehlfunktionen und das Abschalten von Anlagen bei Störungen verbleibt im Bereich menschlicher Tätigkeiten.

3. Das Potential zur Veränderung betrieblicher Arbeitsstrukturen

Die mit der Einführung der Faserverbundwerkstofftechnologie einhergehende Konversion in den betrieblichen Fertigungsstruk- turen , im Produkt- und Leistungsangebot der Unternehmen und die daraus resultierenden Umstrukturierungen betrieblicher Abläufe lassen auch Veränderungen in der Gestaltung betriebli- cher Arbeitsprozesse erwarten. Ihre Neuorganisation und ein Wandel in den Qualifikationsprofilen des Faktors Arbeit können weitreichende Auswirkungen auf die Situation der Beschäftigten im Betrieb und die Bedingungen ihrer Arbeit haben. In der

Literatur über die Faserverbundwerkstoffe, die sich sehr einge- hend mit dem Komplex ihres technisch-ökonomischen Leistungspo- tentials auseinandersetzt, ist dieser Aspekt weitestgehend ausgespart geblieben. Trotz der Ermangelung empirischer Unter-

suchungen lassen sich aber auf der Grundlage der hier klar umrissenen Entwicklungslinie dieser Werkstofftechnologie eini- ge Schlußfolgerungen in Hinblick auf ihre Bedeutung für Verän- derungen betrieblicher Arbeitsstrukturen ziehen. Voraussetzung für das Eintreten unmittelbarer Auswirkungen ist allerdings die innerbetriebliche Ersetzung bisher traditioneller Ferti- gungsverfahren durch Faserverbundwerkstoffe. Denkbar wären jedoch auch unternehmerische Strategien, die, mit der Auslage- rung solcher neuen Chemisierungstechnologien auf separate

Produktionsstätten oder auf spezielle Zulieferer, gegebene Arbeitsstrukturen nur marginal verändern.

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Allgemein betrachtet gilt für diese Werkstofftechnologie,

was an Veränderungen sich prinzipiell am Konzept der Chemisie- rung der Technik entwickeln läßt. Einerseits sind die Wand- lungsprozesse der betrieblichen Arbeitsstrukturen im Zusam- menhang mit Veränderungen durch die Informatisierung und Auto- matisierung betrieblicher Tätigkeitsfelder zu sehen. Diese Prozesse werden durch die Einführung neuer Arbeits- und Hilfs- stoffe sowie der dazugehörigen Bearbeitungsverfahren unter- stützt bzw. überhaupt erst ermöglicht. Vor dem Hintergrund der in den vorangegangenen Abschnitten geschilderten spezifi- schen Eigenschaften und Verarbeitungsverfahren der Faserver- bundwerkstoffe zeichnet sich deutlich ab, wie diese Technolo- gie in den Trend der Veränderungen betrieblicher Arbeits- und Produktionsstrukturen hineinpaßt, die die derzeitige Dis- kussion über die neuen Techniken schwergewichtig thematisiert.

Der sich seit Beginn der 80er Jahre vollziehende Modernisie- rungsprozeß der an diese Werkstofftechnologie gekoppelten Verarbeitungsverfahren unterstützt und forciert den übergang von Arbeits- und Steuerungsfunktionen an die Maschinen und bringt so eine wachsende Selbstregulierungsfähigkeit der Anla- gen selbst hervor. Weiterhin fügt sich die Möglichkeit, Faser- verbundwerkstoffe gemäß der erwünschten Eigenschaften per Computer rechnerisch vorzusynthetisieren, in die vielfach auszumachende Trennung von planenden und produktionsvorberei- tenden Arbeitsfunktionen gegenüber den unmittelbar ausführen- den ein. Darüber hinaus bietet diese Möglichkeit aber auch eine zusätzliche Entlastung der konstruktiven und arbeitsvor- bereitenden Bereiche. Schließlich ermöglicht die Eigenart dieser Werkstofftechnologie, auch komplexere Werkstücke in einer Bearbeitungsphase zu fertigen, eine Rationalisierung durch den Wegfall weiterer Fertigungsstufen und eine Verkür- zung der Durchlaufzeiten. Sie geht einher mit einer Verminde- rung manueller Tätigkeiten und entsprechenden Freisetzungs- effekten.

Solche, aus dem technischen Einsatzspektrum von Faserverbund- werkstoffen ableitbaren Auswirkungen auf die betriebliche Ar- beitsprozesse sind nur im Zusammenhang mit Informations- und

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Automationstechnologien und aus dem komplementären Wechselver- hältnis zwischen jenen und diesen stofflichen Innovationen deutbar. Parallel dazu lassen sich aber auch Veränderungen vermuten, die aus dem speziellen Charakter der Chemisierungs- technologien, d.h. aus den charakteristischen Formen chemi- scher Produktions- und Arbeitsprozesse, resultieren. Mit ihrem verstärkten Einsatz in der verarbeitenden Industrie halten

sie Einzug in jene Industriebereiche, die traditionell durch Metallverarbeitungsverfahren bzw. durch traditionelle Verar- beitungsverfahren anderer Werkstoffe gekennzeichnet waren.

Charakteristisch für Produktionsverfahren in der chemischen Industrie ist ein geringerer Grad der Zerlegung in einzelne Teiloperationen. Im Vergleich zu den Bearbeitungsformen her- kömmlicher Werkstoffe in der verarbeitenden Industrie mit vielfach zergliederten Arbeitsoperationen wie Drehen, Fräsen, Bohren, Spanen usw. erfolgt bei chemischen Produktionsverfah- ren die Veränderung von inneren Formen der Naturstoffe i.d.R.

nicht durch externe mechanische Krafteinwirkungen. Weitere Kennzeichnen sind eine große Stoffintensität der Produktion und eine seit jeher ausgeprägte wissenschaftliche Durchdrin- gung der Produktionsverfahren.

"Da vielfach erst die wissenschaftliche Analytik der inne- ren Eigenschaften von Naturstoffen neue Materialien 'ermög- lichte, wurde das Laboratorium schon früh zum Bestandteil der chemischen Industrie; mehr noch als in der Elektroin- dustrie wurde hier nicht nur die Verwissenschaftlichung desArbeitsm~ttels, sondern auch des Arbeitsgegenstandes selbst erzwungen; viele Prozesse waren nur in automatischer Weise möglich." 40

Ergebnis dieser spezifischen Eigenschaften sind Produktions- verfahren, die sich durch eine durchgängige Kombination von Apparatur, Maschinerie und Arbeitsstoff auszeichnen und in denen Montagetätigkeiten gegenüber einer Meß-, Steuer- und Regeltätigkeit des Produktionsflusses zurücktreten. Die Pro- duktionstätigkeiten sind diesen Verfahren, die einen eigen- ständigen, funktionalen Charakter vermitteln, der zur Auf- rechterhaltung seines kontinuierlichen Ablaufs nur solcher Kontroll- und Uberwachungstätigkeiten bedarf, angepaßt. Als

40) Bahr, H.D., Die Klassenstruktur der Maschinerie, a.a.O., S. 52.

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