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IIVG Papers Veröffentlichungsreihe des Internationalen Instituts füi Vergleichende Gesellschaftsforschung WissenschaftsZentrum Berlin IIVG/pre 83-101 POLITISCHE LEISTUNGEN, POLITISCHE UNTERSTÜTZUNG UND POLITISCHE STABILITÄT

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IIVG Papers

Veröffentlichungsreihe des Internationalen Instituts füi Vergleichende Gesellschaftsforschung

WissenschaftsZentrum Berlin

IIVG/pre 83-101

POLITISCHE LEISTUNGEN, POLITISCHE UNTERSTÜTZUNG UND POLITISCHE STABILITÄT

v o n

Ulrich. Widmaier

Erscheint in Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 1983

i

Publication Series of the International Institut for Comparative Social Research

Wissenschaftszentrum Berlin Steinplatz 2

D— 1000 Berlin 12

(2)

indicators that affect political support and political oppo­

sition are discussed. A final chapter demonstrates the application of an estimation technique for continuous simu­

lation models. The estimation is based on a data set with quarterly observations for the United States of America.

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit beschreibt in detaillierter Weise Struktur und Funktionsweise eines Simulationsmodells über politische Unterstützung, politische Opposition und poli­

tische Stabilität. Außerdem werden die Indikatoren disku­

tiert, die politische Unterstützung und politische Opposi­

tion im Modell beeinflussen. Ein abschließendes Kapitel demonstriert die Anwendung eines SchätzVerfahrens für kon­

tinuierliche Simulationsmodelle auf der Basis eines Daten­

satzes mit. vierteljährlichen Beobachtungen für die Vereinig­

ten Staaten von Amerika.

t

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POLITISCHE LEISTUNGEN, POLITISCHE UNTERSTÜTZUNG UND POLITISCHE STABILITÄT:

Ein Simulationsmodell zur Analyse langfristiger politischer Entwicklungen

von

Ulrich Widmaier 1i. Einleitung

D i e z u n e h m e n d e V e r f ü g b a r k e i t q u a n t i t a t i v e r I n d i k a t o r e n ü b e r d e m o g r a p h i s c h e , ö k o n o m i s c h e , s o z i a l e u n d p o l i t i s c h e E n t w i c k l u n g e n a u f g l o b a l e r , r e g i o n a l e r u n d n a t i o n a l e r E b e n e s o w i e d i e W e i t e r e n t w i c k l u n g d e r C o m p u t e r t e c h n o l o g i e n im H a r d - u n d S o f t w a r e b e r e i c h , v e r b u n d e n m i t e i n e r n e u e n I n t e r d e p e n d e n z ­ o d e r G a n z h e i t s p e r s p e k t i v e b e i m V e r s t ä n d n i s s o z i o - ö k o n o m i - s c h e P r o z e s s e , f ü h r t e n im l e t z t e n J a h r z e h n t z u r E n t w i c k l u n g e i n e r g a n z e n R e i h e v o n s o g e n a n n t e n W e l t m o d e l l e n .

Obwohl heterogen in ihrer Akzentsetzung, ihren Methoden und Aggregationsebenen, verbindet sie die zentrale Fragestellung nach der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit des Planeten Erde. Mit anderen Worten: die eingetretene und für die Zu­

kunft antizipierte Scherenentwicklung zwischen demographi­

schem Wachstum und Ressourcenerschöpfung bzw. -Schrumpfung bzw.- -Verteuerung stellte den inhaltlichen Focus dieser Stu­

dien dar. Durchweg kamen sie zu dem Schluß, daß die politi­

schen Institutionen auf nationaler und internationaler Ebe­

ne eine neue Politik im Sinne der strengen Geburtenkontrol­

le, der schonenden Verwendung von Rohstoffen sowie der um­

fassenden Kontrolle der Umweltverschmutzung durchführen müßten. .Anderenfalls sei die sozio-ökonomische und die öko­

logische Katastrophe irgendwann im 21. Jahrhundert kaum zu vermeiden. Der Appell an die Politiker blieb jedoch ab­

strakt und naiv zugleich. Dies gilt sowohl für die Forde­

rung nach Nullwachstum (Welt-3: Grenzen des Wachstums),

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nach radikaler Umverteilung der Ressourcenverwendung zum Zwecke der Befriedigung der Grundbedürfnisse (Bariloche:

Grenzen des Elends) wie auch für den Vorschlag nach grös­

serer internationaler Kooperation bei der Bekämpfung und Beseitigung der globalen Umweltverschmutzung (Global 2000).

Diese residuale Betrachtungsweise von Politik begreift letz­

tere nicht als einen Teil der Problematik, die die Weltmo­

delle thematisierten, sondern als exogenen Faktor, der, wenn nicht völlig, so doch weitgehend veränderbar sei. Die Kritik an einer derartigen Auffassung von politischer Entscheidungs fähigkeit markiert deshalb auch den Ansatzpunkt für den Ver­

such, politische Entscheidungsstrukturen und -prozesse in Welt- bzw. globale Modelle zu integrieren. Ein Ziel einer solchen Integration ist die Demonstration, daß Politik, Öko­

nomie und Demographie sich in starkem Maße gegenseitig be­

einflussen und deshalb nicht als autonome Handlungseinheiten begriffen werden können.

Im v o r l i e g e n d e n P a p i e r v e r f o l g e n w i r d i e A b s i c h t , e i n f ü r d i e I n t e g r a t i o n i n e i n g r ö ß e r e s , m u l t i s e k t o r a l e s W e l t m o d e l l geeignetes politisches Submodell vorzustellen. 1) Unsere

grundlegende Annahme besagt dabei, daß die Zukunft der Erde, zumindest was die nächsten 30 bis 50 Jahre betrifft, nicht so sehr durch die physische Erschöpfung von Ressourcen und unkontrolliertem Bevölkerungswachstum gefährdet ist, sondern eher durch Verteilungsfragen und dadurch induzierte Konflik­

te. Deshalb sind politische Entscheidungen im nationalen wie internationalen Bereich von zentralem Interesse. Trotz der Tatsache, daß wir uns damit in einem gewissen Gegensatz zu den bekannten existierenden Weltmodellen befinden, bedeutet dies nicht die Negation der Relevanz von Ressourcenproble­

men. Es bedeutet nur, daß in.einer Situation, in der Res­

sourcen knapper und teurer werden, auch die Verteilungskon­

flikte im binnen- bzw. zwischenstaatlichen Bereich wahr­

scheinlicher-, wichtiger und verbreiteter sein werden (siehe Olson, 1982) .

(5)

3

Ferner gehen wir davon aus, daß der Nationalstaat trotz der Zunahme supranationaler Bürokratien in einigen Teilen der Welt aus einer aggregierten Perspektive der bedeutendste politische Akteur zur Bewältigung oben angesprochener Pro­

bleme ist und sein wird. Konsequenterweise sollte ein Welt­

modell, mit dem Anspruch, politische Prozesse berücksichti­

gen zu können, als ein System von Nationalstaaten mit spe­

zifischer interner Struktur und politisch-ökonomischen In­

teraktionen zwischen den Staaten konzipiert werden. Inter­

nationale Beziehungen auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet sowie ihre Interdependenz sollten dabei den interna­

tionalen Sektor darstellen. Im binnenstaatlichen Bereich sollten Submodelle über Entwicklung der Volkswirtschaften, demographischen Wandel, Aufrechterhaltung und Weiterent­

wicklung der politischen Legitimität sowie zukünftige Mög­

lichkeiten staatlicher Steuerungsfähigkeit mit Hilfe von Budgets die sektorale Struktur eines solchen Modells kom­

plettieren. Überflüssig zu sagen, daß vor allem die Verbin­

dung dieser Sektoren untereinander die eigentliche Aufgabe polit-ökonomischer Modellierung darstellt.

Jeder Versuch, die zunehmende Komplexität politischer Pro­

zesse zu modellieren, zwingt zu starker Vereinfachung. Un­

sere Annahmen und Hypothesen müssen sich auf die zentralen und langfristig notwendigen -Bedingungen binnenstaatlicher politischer Prozesse beschränken. Darunter verstehen wir in erster Linie

- die Aufrechterhaltung eines minimalen Grades von Legi­

timität für das politische System als Ganzes,

- die Verhinderung von umfassenden gewaltsamen Konflikten und

- die Sicherung einer minimalen Steuerungs- und Umvertei­

lungskapazität durch die nationalstaatlichen Regierungen, um dadurch ein gewisses Ausmaß zielorientierter Politi­

ken zu erreichen.

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Selbstverständlich sind diese drei Elemente miteinander verknüpft und sie stellen nach Meinung einer Reihe von Autoren die Kernpunkte dessen, was man politische Stabi­

lität nennt,' dar (z.B. Hurwitz, 1973) . Völlig unbestrit­

ten ist dabei die Tatsache, daß politische Stabilität eine relative Kategorie ist und das Ausmaß an Toleranz im Hin­

blick auf Defizite in oben genannten Kriterien von Land zu Land recht variabel ist. Je nach Anspruchsniveau, Ausmaß der sozio-politischen Mobilisierung und den Grad der poli­

tischen Institutionalisierung (Davies, 1962; Deutsch, 1961;

Huntington., 1968 ) werden sich die Nationalstaaten in einem Weltmodell auf den drei Dimensionen sehr unterschiedlich einstufen lassen und die Grenzen des Zusammenbruchs dürf­

ten von System zu System recht flexibel sein (Sanders, 1981) In dem vorliegenden Papier entwickeln wir ein Modell und überprüfen es partiell empirisch, das nur zwei der oben aufgelisteten Bereiche erfaßt. Es handelt sich dabei um den Komplex der politischen Legitimität, definiert als das Pro­

blem der Aufrechterhaltung von politischer Unterstützung für machtausübende politische Eliten und die sie tragenden Institutionen. Weiter soll sowohl das Auftreten von Kon­

flikt- und Protestverhalten als auch die Anwendung staatli­

cher Repressionsmaßnahmen in diesen Sektor einbezogen wer­

den. Die Entscheidungsprozesse innerhalb des Regierungsappa­

rates , die zu Allokationsentscheidungen (Budgetaufstellun­

gen) führen, bleiben hier zunächst unberücksichtigt und wer- den als exogene Größen behandelt.2)

Ganz allgemein gesehen, entspricht unsere Konzeptualisie- rung des binnenstaatlichen politischen Prozesses der Struk­

tur eines traditionellen polit-ökonomischen Modells: die Bevölkerung reagiert auf politische, ökonomische und soziale Bedingungen und sofern sie als akzeptabel oder günstig wahr genommen werden, mit Unterstützung der jeweiligen Regierung.

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CT

Sind die Bedingungen ungünstig und die Leistungen der Re­

gierung schwach, ziehen sie ihre Unterstützung zurück. Da­

bei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob die Regierung formal und/oder institutionell tatsächlich in der Lage ist, bestimmte Sachverhalte effektiv zu beeinflussen. Sie wird immer für die vorherrschenden politischen, ökonomischen und sozialen Bedingungen verantwortlich gemacht. Außerdem gibt es eine ganze Reihe von mehr oder weniger institutionali­

sierten Möglichkeiten, Unterstützung auszudrücken oder zu entziehen. In demokratischen Mehrparteiensystemen mit Wett­

bewerbscharakter kommt der Entzug von Unterstützung dadurch zum Ausdruck, daß man eine andere Partei und dadurch eine andere Regierung wählt. In einem autoritären sozialisti­

schen Staat kann sich mangelnde Unterstützung z.B. .in ge­

ringerer Arbeitsproduktivität niederschlagen. Hinzu kommt, daß die Regierungen dieser Welt in sehr unterschiedlicher Weise auf die mangelnde Unterstützung durch ihre Bürger re­

agieren und auch reagieren können. Dies zeigt sich unter anderem am Ausmaß der Repression oder in der Art und Weise wie Haushaltsmittel verteilt werden. Dennoch, so lautet un­

sere Prämisse, versuchen sie neben anderen Zielen, wie Auf­

stellung eines ausgeglichenen Haushalts, Zufriedenstellung bürokratischer Anforderungen und Entwicklung internationa­

ler Stärke mit unterschiedlichem Nachdruck,auch einen ge­

wissen Grad an politischer Unterstützung aufrecht zu erhal­

ten. Dies geschieht auf der Basis von Regierungsentschei­

dungen, die entweder mit Hilfe der eigenen Bürokratie oder über andere Institutionen (z.B. Zentralbanken) als Leistun­

gen die Ökonomie und/oder die Wohlfahrtsprogramme positiv beeinflussen sollen. Damit ist der Kreislauf geschlossen, und die veränderten ökonomischen, sozialen und politischen Verhältnisse werden einer, erneuten Bewertung durch die Be­

völkerung unterzogen.

Auf der empirischen Ebene versucht das Modell zwei For­

schung straditionen innerhalb der Politischen Wissenschaft zu integrieren. Beide haben quantitative, empirische Modell-

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ansätze zur Analyse der politischen Stabilität von National­

staaten verwendet. Es handelt sich einerseits um die soge­

nannten polit-ökonomischen Modelle, die im wesentlichen auf ökonometrischen Verfahren b a s i e r e n ^ , und andererseits um die empirischen Ouerschnittsanalysen über innerstaatliche politische Konflikte.4)

Der Versuch, diese beiden Forschungsrichtungen zu integrie­

ren, schließt die Berücksichtigung sowohl relativ kurzfri­

stiger als auch langfristiger Einflußfaktoren auf die poli­

tische Stabilität einer bestimmten politischen Einheit ein.

Ein globales Modell ist mehr im Hinblick auf die Projektion langfristiger Entwicklungen und Veränderungen entworfen. A l ­ lerdings sind auch kurzfristige politische und ökonomische Veränderungen von Bedeutung, da sich Probleme unter bestimm­

ten Umständen anhäufen und möglicherweise nicht nur niedri­

ge Unterstützungsraten für bestimmte Regierungen mit sich bringen, sondern auch hohe interne Konfliktraten mit gewalt­

samen Handlungen größeren Stils auslösen.

Unsere einführenden Bemerkungen zu dieser Arbeit möchten wir mit einigen methodologischen Punkten abschließen. Die Arbeit versucht, empirische Bestätigungen für alle funk­

tionalen Beziehungen zu liefern, die im Modell spezifiziert sind. Dieses Ziel ist selbstverständlich sehr schwer zu er­

reichen. Für einige Nationen sind außerordentlich wenig ökonomische, soziale und vor allem politische Daten verfüg­

bar. Selbst für OECD-Länder wie die BRD oder die USA ist es schwierig, Zeitreihen mit vergleichbaren Indikatoren zu fin­

den, die lang genug sind, um klassische ParameterSchätzun­

gen zu ermöglichen. Trotzdem sind wir zuversichtlich, für die meisten der Anfangsbedingungen im Modell empirische Be­

lege zu finden und hoffen zumindest den Bereich, in den die Parameter fallen, empirisch bestimmen zu können. Für einige Teile des Modells sind Datensammlungen vorhanden. Speziell für den Teil über politischen Konflikt und RegierungsSank­

tionen wird das World Handbook III mit seinen Ereignisdaten

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1 _

von Nutzen sein (Jodice/Taylor, 1981). Für eine Reihe west­

licher Länder existieren Zeitreihen über politische Unter­

stützung. Sie müssen in einigen Ländern durch Wahlergeb­

nisse und in einem weiteren Teil der Länder durch andere Arten von Indikatoren (wie Arbeitsproduktivität, Streiks, Proteste oder Aufstände) ersetzt werden.

Schließlich haben wir auch eigene Daten gesammelt. Speziell wurden die Art und Intensität der Opposition von Gruppen g e g e n d a s politische System (Gurr/McClelland, 1971) aus journalistischen Quellen (New York Times Index) vercodet.

Ein zweiter Punkt, der hier zumindest kurz berührt werden soll, ist die Wahl unserer Simulationssprache. Der zugrun­

deliegende "stock-and-flow"-Charakter der meisten unserer theoretischen Konzepte hat zu der Entscheidung geführt, das Modell in kontinuierlicher und nicht in diskreter Form zu spezifizieren. Diese allgemeine Strategie schließt al­

lerdings nicht die Möglichkeit aus, diskontinuierliche Pro­

zesse im Modell zu repräsentieren. Die Sprache, die wir be­

nützen, DARE-P (Wait, 1978; Korn/Wait, 1977), ist flexibel genug, auch diskrete Entwicklungen handhaben zu können.

Das Thema diskreter vs. kontinuierlicher Modelle kann hier jedoch nicht ausführlicher diskutiert werden. Der interes­

sierte Leser sollte dazu die relevante Literatur konsul­

tieren.

Im folgenden Abschnitt werden wir die Struktur des politi­

schen Modells genauer beschreiben. Danach folgt im nächsten Abschnitt eine Erörterung der Beziehung zwischen politischer Unterstützung und Indikatoren zur Messunc der sozio-ökonomi­

schen und politischen Lage.

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2. Strukturelle Eigenschaften des Modells über politische Unterstützung und Opposition

Schon ein kurzer Blick auf die politischen Institutionen und Strukturen der existierenden Nationalstaaten zeigt, welche Variationsmöglichkeiten wir auf dieser Dimension zu berücksichtigen haben. Sie reichen vom autoritären Ein- Parteien-System mit sozialistischer Ideologie zur bruta­

len Militärdiktatur auf dem äußersten rechten Flügel, und von der pluralistischen oder neokorporativen westlichen Mehr-Parteien-Demokratie bis zum quasi-feudalistischen Familien- oder Verwandtschaftssystem.

Wie kann man dieses breite Spektrum politischer Systeme im Kontext einer globalen Simulation wiedergeben? Müssen wir für jede Nation ein eigenes Modell "schneidern"? Oder ist es möglich, die gemeinsamen Charakteristika und die globale Gleichförmigkeit politischer Prozesse zu betonen und folglich nur ein einziges Modell für politische Unter­

stützung und Opposition zu benützen und dabei die Parame­

ter anzupassen? Unsere Antwort auf diese entscheidende Fra ge ist ja und nein. Auf der einen Seite sind wir uns be­

wußt, daß es nötig ist, die oben erwähnten strukturellen Unterschiede zwischen den Systemen so genau wie möglich wiederzugeben. Auf der anderen Seite ist es praktisch un­

möglich, die enorme Vielfältigkeit der politischen Struk­

turen auf globaler Ebene zu modellieren. Dazu kommt, daß eine vergleichende Analyse der Ergebnisse bei einem Modell dessen Einheiten strukturell u n d in bezug auf die Parameter verschieden sind, sehr viel schwieriger und kom­

plexer ist. Vergleiche über Sektoren und Nationen hinweg können in diesem Fall nur auf der Basis der Abweichungen von länder-spezifischen Referenz-Läufen gemacht werden.

Unsere Strategie für die Modellierung der wesentlichen Schwankungen politischer Unterstützung und Opposition in globaler Perspektive besteht in einer Verbindung von län­

der-spezif ischen mit allgemein-strukturellen Ansätzen. Wir

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9

gehen von der Annahme aus, daß das Verhalten einer Regie­

rung weitgehend von dem Wunsch bestimmt ist, an der Macht zu bleiben, und das der Bürger des Staates von dem Bestre­

ben, ihre sozialen, ökonomischen und politischen Lebensbe­

dingungen zu verbessern. Ihre Erwartungen werden vom er-- reichten Standard und den verfügbaren Vergleichsmaßstäben begrenzt. Das theoretische Konzept, das diese beiden Ver­

haltensweisen miteinander verbindet, nennen wir politische Unterstützung. 7 Das bedeutet, daß die Bürger eines Staates ihre Regierung danach beurteilen, inwieweit sie ihre bewuß­

ten Bedürfnisse befriedigt. Sie wägen die Vorteile der Po­

litik der Regierung gegen die Nachteile ab und neigen dazu, sofern das Ergebnis positiv ist, diese Regierung einer an­

deren vorzuziehen. Mit anderen Worten: sie geben ihr ihre Unterstützung. Es sollte erwähnt werden, daß diese Prozes­

se innerhalb einer Vielzahl institutioneller Rahmenbedin­

gungen stattfinden. Einige machen es für Regierungen ein­

facher, Unterstützung aufrechtzuerhalten, andere machen es eher möglich, Mangel an Unterstützung durch Repressionen auszugleichen.

Unterstützung kann unter anderem auf der Grundlage von Wahl­

ergebnissen oder Massenbefragungen gemessen werden. Die äl­

tere Wahlforschung hat festgestellt, daß Staatsbürger bei ihrer Wahlentscheidung hauptsächlich von ökonomischen Fak­

toren beeinflußt werden.D Als Folge davon haben politische Ökonomen ökonometrische Modelle entwickelt, die statistische Erklärungen für Wahlergebnisse und die Popularität von Re­

gierungen und/oder Parteien liefern. Ganz allgemein waren die Ergebnisse vielversprechend, obwohl in der Zwischenzeit diese Forschungsrichtung in methodologischer und theoreti- scher Hinsicht stark kritisiert worden ist. ' Inflationsra­8) ten, Arbeitslosigkeit und reales Einkommenswachstum sind die am häufigsten verwendeten erklärenden Variablen.

Diese empirische Richtung in der politischen Ökonomie lie­

fert uns ausreichende empirische Belege für die Beziehung

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zwischen ökonomischer Entwicklung und politischer Unter­

stützung für die Regierung. Allerdings sollte das Problem politischer Stabilität in einem Weltmodell mehr als die Dimension der politischen Unterstützung für die Regierung beinhalten, da es in einigen Systemen institutionalisierte Formen (z.B. Wahlen) für einen Regierungswechsel gibt, die nicht unbedingt die politische Stabilität gefährden. Viel­

mehr ist es gerade diese institutionalisierte Form des re­

gulären Machtswechsels, die die Unterstützung für die Re­

gierung wiederherstellt und damit zur politischen Stabili­

tät beiträgt. Mit anderen Worten: das politische System sollte als Mehr-Ebenen-Struktur im Modell repräsentiert sein.

E i n e a n a l y t i s c h e K l a s s i f i k a t i o n v o n D a v i d E a s t o n i s t h i e r v o n N u t z e n . 9) E a s t o n u n t e r s c h e i d e t d r e i E b e n e n i n n e r h a l b v o n p o l i t i s c h e n S y s t e m e n : d i e s o g e n a n n t e n A u t o r i t ä t e n ( a u ­ t h o r i t i e s ) , d a s R e g im e ( r e g i m e ) u n d d e n N a t i o n a l s t a a t ( p o l ­

i t y ) . H i n t e r d i e s e r a n a l y t i s c h e n U n t e r s c h e i d u n g s t e h t d i e I d e e , d a ß r e l a t i v z u f r i e d e n e S t a a t s b ü r g e r i h r e U n t e r s t ü t ­ z u n g a u s d r ü c k e n f ü r :

- die politische Elite (Regierung), die momentan in einer bestimmten politischen Einheit aufgrund zu­

friedenstellender Leistungen an der Macht ist;

- die geltende institutionelle Ordnung (Verfassung) eines Staates, die das Recht auf politische und ökonomische Partizipation zuläßt und zugleich Eigen­

tumsrechte bekräftigt;

- und die nationale Identität und Integration, die auf dem Wunsch beruht, Bürger dieses Staates zu sein. Die­

ser Wunsch kann emotionalen, traditionalen oder utili­

taristischen Ursprungs sein.

Die drei beschriebenen Ebenen sind miteinander verbunden.

In demokratischen Systemen werden zufriedenstellende Lei-

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11

stungen der Regierung bei der Steuerung der ökonomischen Entwicklung, Bereitstellung von Sozial- und Transferaus­

gaben sowie der Ermöglichung einer sozialen Aufwärtsmobi­

lität die Unterstützung erhöhen. Ceteris paribus wird dies möglicherweise zu einer erhöhten Unterstützung für das Re­

gime führen. Mit anderen Worten: die Legitimität der in­

stitutioneilen Ordnung wächst mit steigendem wirtschaftli­

chem Wohlstand und sozialer Sicherheit. Die Ebene des Na­

tionalstaates bleibt von solchen Entwicklungen relativ un­

berührt. Allerdings kann auf lange Sicht das Ausbleiben ökonomischer Krisen die nationale Integration fördern.

Im Gegensatz dazu ist in einem autoritären System jede so- zio-politische Entwicklung durch das Handicap schwacher Unterstützung für das Regime belastet. Daraus folgt, daß eine Regierung in dieser Situation an sich weit größere politische und ökonomische Erfolge liefern muß, um theore­

tisch einen vergleichbaren Grad an Unterstützung zu be­

kommen .

In etwa das gleiche gilt für Staaten mit geringer Unter­

stützung des Nationalgedankens. Sowohl Nationalstaats- als auch Regimeunterstützung sind Größen, die von einer Simu­

lationsperiode zur anderen normalerweise niedrige Änderungs raten aufweisen. Das heißt, wir erwarten auf diesen Ebenen langfristige Zyklen. Das mag in politischen Systemen mit einem niedrigen politischen Institutionalisierungsgrad, wo in der Realität Ereignisse wie Revolutionen oder Staats­

streiche manchmal starke Fluktuationen in der Regime- oder Nationalstaatsunterstützung zur Folge haben, wesentlich anders sein. Wir erwarten von unserem Modell keine Vor­

hersagekapazität für diese Art von Ereignissen. Es sagt eher kontinuierliche. Veränderungen als plötzlich eintre­

tende, diskrete Ereignisse vorher. Man könnte sagen, daß Unterstützung für das Regime und den Nationalstaat den langfristigen Querschnittsaspekt politischer Unterstützung

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darstellt, wie er in der quantitativen Forschung der ver­

gleichenden politischen Wissenschaft erforscht wird. Unter Stützung für die Regierung ist dagegen der dynamische, zyklische Aspekt, der in der politisch-ökonomischen Model­

lierung seinen Ausdruck findet.

Im allgemeinen setzen wir eine hierarchische Beziehung zwi sehen den drei Ebenen von Unterstützung voraus. Wir erwar­

ten, daß in den meisten unserer Nationalstaaten die Unter­

stützung für die herrschende Regierung niedriger sein wird als für das Regime. Es ist unwahrscheinlich, daß Leute, die die politischen Spielregeln nicht akzeptieren,

eine Regierung unterstützen, die ihr Amt unter illegitimen konstitutionellen Bestimmungen ausübt. Man kann sich natür lieh eine (seltene) revolutionäre Übergangssituation vor­

stellen, in der ein charismatischer Führer von mehr Leuten unterstützt wird als die politischen Institutionen und Ver fahrensweisen eines niedergehenden Regimes. In ähnlicher Weise sollte die Unterstützung für die nationalstaatliche

Integration immer höher sein als die für das Regime. Denn Bürger, die nicht zu einer bestimmten Gemeinschaft oder Na tion gehören wollen,.werden sich kaum von ihrer spezifi­

schen Verfassung angezogen fühlen.

Nachdem wir die Struktur unseres Konzepts über politische Unterstützung unter allgemein theoretischen Gesichtspunk­

ten diskutiert haben, sollten wir uns der Frage zuwenden, wie sich diese "Stocks"an Unterstützung bilden, aufrecht­

erhalten werden oder sich erschöpfen. Jedes politische System hat zu einem gegebenen Zeitpunkt auf allen drei Ebenen eine bestimmte Menge an Unterstützung durch die Bevölkerung zur Verfügung. Dieser Bestand an Unterstüt­

zung unterliegt wie jeder Kapitalstock einer Abschreibung.

Die Abschreibungsrate ist nicht konstant. Sie variiert von Ebene zu Ebene und von System zu System und kann sich

sogar im selben System über die Zeit verändern. Frey und

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13

Schneider (1978) haben für einzelne Präsidenten in den USA unterschiedliche Abschreibungsraten beobachtet. Angesichts - dieser Ergebnisse ist es ein relativ schwieriges Unterfan­

gen, die Abschreibungsrate für alle Ebenen und alle Länder empirisch festzusetzen. Doch Regierungen sind nicht nur dazu verdammt, den Grad an Unterstützung über die Zeit schwinden zu sehen, sondern können ihn auch dadurch erhö-

f

hen, daß sie die ökonomischen, sozialen und politischen Bedingungen der Bevölkerung verbessern.

Als Indikatoren für sich ändernde Lebensbedingungen auf der Ebene von Haushalten oder Individuen werden in der Litera­

tur makroökonomische Aggregate verwendet. Politische Öko­

nomen haben die Beziehung zwischen makro-ökonomischen Va­

riablen wie Arbeitslosenrate, Inflationsrate, Veränderun­

gen i m :verfügbaren Einkommen und dem Prozentsatz der Be­

völkerung, der die Regierung unterstützt, "Popularitäts­

funktion" genannt. Das bedeutet, daß die Bevölkerung die Leistungen der Regierung unter dem Gesichtspunkt beurteilt, welche Erfolge oder Mißerfolge sie bei der Steuerung der Entwicklung von Wirtschaft und Politik aufzuweisen hat.

Dies gilt im allgemeinen für unterschiedliche Systeme mit variierenden institutioneilen Möglichkeiten der Regierung, die ökonomische Entwicklung tatsächlich zu beeinflussen.

Veränderungen bei den Indikatoren , mit denen Regierungs­

leistungen gemessen werden, beeinflussen in unserem Ansatz die Unterstützung der Regierung in einer spezifischen Weise.

Wir gehen davon aus, daß die Bürger die Leistungen des po­

litisch-ökonomischen Systems nicht auf der Basis absoluter Veränderungen bei bestimmten Leistungsindikatoren beurtei­

len, sondern vielmehr aufgrund früherer Erfahrungen, die ein Erwartungsniveau darstellen. Die tatsächlichen Zu- und Abnahmen in der Unterstützung sind die gewichteten Diffe­

renzen zwischen der momentanen Situation und dem Erwartungs­

niveau. Diese Idee hat sich theoretisch wie empirisch als nützliches Konzept erwiesen, um die Folgen von Veränderun­

gen bei sozialen, politischen und ökonomischen Entwicklun-

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gen zu analysieren (Cagan, 1956; Davies, 1962). In Glei­

chungsform übersetzt sieht das folgendermaßen aus:

DASUP = <*-, n * (Veränderung der Zufriedenheit der Bevölkerung mit ökonomischen, so­

zialen und politischen Bedingungen (18 Indikatoren; siehe Anhang I)) - ß * ASUP

+Y * DRSL (1)

wobei: a1 ß und- y Gewichtungsparameter sind, DASUP = ist die Veränderung in der Regierungsunter­

stützung ,

ASUP = das Niveau an Unterstützung der Regierung und

DRSL = verzögerte Veränderungen in der Regimeun­

terstützung .

DASUP wird aufgrund einer anderen wichtigen Überlegung m o ­ difiziert. Regierungen, und speziell die Parteien, auf die

sie sich stützen, haben einen gewissen Anteil von überzeug­

ten Anhängern. Sie würden, selbst wenn ihre Partei (oder Koalition) ziemlich schlechte Leistungen zeigt, nicht so ohne weiteres eine andere Partei wählen. Dieser Gedanke stammt, wie allgemein bekannt, aus der Literatur über Par­

teiidentifikation (Campbell, Converse, Miller, Stokes, 1960;

196-6). Quantitativ ausgedrückt heißt das, daß die "Identifi­

kation" zusätzlicher Anhänger umso geringer ist, je mehr die Unterstützung über die Mehrheitsgrenze (50%) bzw. den harten Kern der Parteianhänger hinausgeht. Folglich besteht auch die Neigung, auf negative Entwicklungen stärker zu re­

agieren. Wenn sich die Unterstützung bereits auf eine rela­

tiv kleine Zahl von Anhängern reduziert hat, wird der ver­

bleibende Teil wahrscheinlich seine Unterstützung beibehal­

ten, selbst wenn die Entwicklung negativ ist. Mathematisch wird das in folgender Form ausgedrückt.

DDAS = DASUP * (((100 - ASUP) * a ) + ß) (2) Diese Gleichung gilt, wenn DASUP eine positive Zahl ist.

Wenn DASUP negativ ist, dann gilt:

(17)

- 1 5 -

DDAS = DASUP * ((ASUP * a) + ß) (3) wobei DDAS die modifizierte Veränderung der Regierungsunter­

stützung und a (=.01) ein Skalierungsfaktor ist. ß repräsen­

tiert die Mehrheitsgrenze.1°)

S c h l i e ß l i c h w ir d ASUP ( d a s N iv e a u a n R e i g e r u n g s u n t e r S t ü t ­ z u n g ) v e r ä n d e r t d u r c h

ASUP. = DDAS (4)

w o b e i d e r P u n k t f ü r e i n e D i f f e r e n t i a l g l e i c h u n g d e r Form d ASUP

d t DDAS steht.

Einen Aspekt sollten wir dem Modell noch hinzufügen. Er gilt nur für die politischen Systeme, die in der Vergangenheit freie, regelmäßige und demokratische Wahlen gehabt haben und ist eine Modifikation von Gleichung (1). Wann immer eine Wahl stattfindet, und der Bestand an Unterstützung für die verantwortliche Regierung unter 50% gesunken ist, verliert sie die Wahl. Die Differenz zwischen 50% und dem gegenwärtigen Unterstützungsniveau wird zu 50% addiert und wird damit zur Ausgangsbasis für die neue Regierung. Bei Nationen, in denen Parteien existieren, deren politische Ziele gegen das Regime gerichtet sind, wird deren Unter­

stützungsgrad vom Niveau der Regierungsunterstützung ab­

gezogen.

Veränderungen der Unterstützungsstocks auf Regime- und na­

tionaler Ebene werden durch andere Mechanismen erzeugt.

Das Ausmaß der Veränderungen, die "normalerweise" auf die­

sen Ebenen auftreten, wird unseren Erwartungen nach wesent­

lich geringer sein, als auf der Regierungsebene. Verände­

rungen auf der Regime-Ebene werden durch langfristige Trends im ökonomischen und politischen System hervorgerufen, die die Verteilung politischer und ökonomischer Güter in einer N a t i o n b e t r e f f e n .

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Wir haben versucht, die Veränderungen in der Unterstützung für das Regime in unserem Modell als Funktion der zeitver­

zögerten und geglätteten Veränderungen in der Pegierungsun- terstützung, der Differenz zwischen dem momentanen Niveau an Regierungsunterstützung und dem "normalen" Bestand (=50%), der Abschreibungsrate für die Regimeunterstützung und der zeitverzögerten Veränderungsrate in der Unterstützung des Nationalstaates auszudrücken.

H i n t e r d i e s e n F a k t o r e n s t e h t d i e b e k a n n t e Ü b e r le g u n g , d a ß n e g a t i v e E n tw ic k lu n g e n im s o z i o - ö k o n o m i s c h e n u n d p o l i t i ­

s c h e n B e r e i c h d i e U n t e r s t ü t z u n g f ü r R e g ie r u n g e n v e r m i n d e r n . Wenn d a s ü b e r l ä n g e r e Z e i t h in w e g g e s c h i e h t , w ir d a u c h d i e L e g i t i m i t ä t d e s R e g im es g e r i n g e r w e r d e n . J e m eh r d i e R e g i e ­ r u n g s u n t e r s t ü t z u n g u n t e r 50% f ä l l t , d e s t o s c h n e l l e r w ir d d i e s e r L e g i t i m i t ä t s v e r l u s t d e s R e g im es e i n t r e t e n .

DRSUP = a * DELAY (DASUP) - ß * RSUP - Y * ( 5 0 - ASUP)

<5 * DPSL RSUP. = DRSUP

(5) (6)

wobei a, ß, y, <5 Gewichtungsparameter sind, DRSUP ist die Veränderung der Regimeunterstützung, RSUP der Stock an Re­

gimeunterstützung und DPSL zurückliegende Veränderungen in der Unterstützung der nationalen Einheit (Polity). DELAY

(DASUP) repräsentiert den verzögerten und geglätteten Ein­

fluß der Regierungspopularität.

Festgehalten werden sollte, daß ß in Gleichung (1) selbst vom Niveau der Regime- und Nationalstaatsunterstützung ab­

hängig ist, während es in Gleichung (5) nur vom Stock der Unterstützung der nationalstaatlichen Integrität abhängt.

Wir versuchen mit dieser Verbindung die Idee auszudrücken, daß die Abschreibungsraten von Regierungs- und Regimeunter­

stützung größer sind, wenn der Grad an Regime- und "Polity"- Unterstützung niedrig ist.

(19)

17

Veränderungsraten in der Unterstützung auf der Polityebene sind in der Regel sehr gering. Es müssen schon ziem­

lich drastische Veränderungen im politischen System auftre­

ten, um den durchschnittlichen Bürger von seinem National­

staat zu entfremden. Unterstützung auf dieser Ebene verän­

dert sich in unserer Formulierung als Funktion zeitverzö­

gerter Veränderungen in der Regimeunterstützung und einer Abschreibungsrate.

DPSUP = a * DELAY (DRSUP)

- ß # PSUP (7)

P S U P . = DPSUP (8 )

w o b e i a , ß G e w i c h t u n g s p a r a m e t e r s i n d , DPSUP V e r ä n d e r u n g e n i n d e r S t a a t s u n t e r s t ü t z u n g u n d PSUP d e r G r a d a n U n t e r s t ü t ­ z u n g d e s N a t i o n a l s t a a t e s .

In unserem Modell ist ein starker Mangel an politischer Un­

terstützung sowohl auf Regimeebene als auch auf der Ebene der nationalen Integration eine notwendige aber bei weitem nicht ausreichende Bedingung für das Auftreten von Protesten. Es gibt eine ganze Reihe genauso wichtiger anderer Bedingungen.

Man kann sich durchaus eine Situation vorstellen, in der die politische Unterstützung relativ hoch ist, aber zugleich eine beträchtliche Menge Konfliktverhalten vorhanden ist.

Das ist immer dann der Fall, wenn Minderheiten gegen die so- zio-politischen und ökonomischen Bedingungen rebellieren, unter denen sie leben müssen. Ein Mangel an politischer Un­

terstützung durch die Massen und tatsächliches Konfliktver­

halten können unabhängig voneinander auftreten. Sie können, müssen aber nicht notwendigerweise gemeinsame Ursachen ha­

ben. Die Konfliktforscher haben sich bei der Erklärung von Protestverhalten besonders auf zwei Variablen konzentriert:

die Chance für die Regierung, wirkungsvolle'soziale und po­

litische Kontrolle auszuüben und die Möglichkeit für die Unterprivilegierten, ihre Unzufriedenheit kollektiv auszu­

drücken. Mit anderen Worten: es ist wenig manifestes

(20)

Konfliktverhalten zu erwarten, wenn die Regierung starke und effektive Repression ausübt und die deprivierten Indi­

viduen wenig Gelegenheit haben, sich zu organisieren. Das Verhältnis zwischen den Handlungsmöglichkeiten der Regie­

rung und denen der Dissidenten wird also zur entscheiden­

den Determinanten dafür, ob sich Konflikte entwickeln und wie sie ausgetragen werden. Zum größten Teil werden die Chancen von Dissidenten, eine kollektive Protestbewegung zu bilden, dadurch bestimmt, inwieweit sie sich auf be­

stehende Massenorganisation stützen können. Freiwillige, säkulare Interessengruppen sind für diesen Zweck hervor­

ragend geeignet; primordiale Solidaritäten, wie wir sie in ethnischen, religiösen oder sprachlich definierten Grup­

pen finden, sind kaum schlechter, und aktive Unterstützung von außen hilft zudem.

Wir haben bei unserem Versuch, die Dynamik von Konflikt und Repression innerhalb von Nationalstaaten zu modellieren, starkes Gewicht auf die Beziehung zwischen Repression und Konflikt gelegt. Dieses Problem ist auf theoretischer Ebe­

ne immer noch ungelöst; Haben Regierungssanktionen die von der Regierung gewünschten Konsequenzen, oder wirken sie eher in entgegengesetzter Richtung, d.h. stimulieren sie die Protestierenden, ihre Anstrengungen zu verstärken? Für die Belegung beider Hypothesen wurden die verschiedensten psychologischen Theorien herangezogen. In einer meiner frü­

heren Arbeiten habe ich argumentiert, daß psychologische Theorien der falsche Ansatzpunkt bzw. die falsche Ebene

sind, um dieses Problem zu klären (Widmaier, 1978). Betrach­

tet man die Frage aus dem Blickwinkel der Logik des kollek­

tiven Handelns, dann ist es entscheidend für die Wirksamkeit von Repressionen-, die die Regierung auf Protestierende aus­

übt, ob diese bereits irgendeine Form von Organisation ge­

bildet haben. Regierungsrepressionen führen in diesem Fall gewöhnlich zu höheren Protestraten. Wenn die Regierung in der Lage ist, Unzufriedenheit, noch bevor sie organisierte Formen annimmt, zu kontrollieren, unterdrücken oder zu ka­

(21)

1 9

nalisieren, hat sie eine viel bessere Chance für "erfolg­

reiche" Sanktionen. Jedenfalls scheint die Beziehung nicht linear zu sein. Wahrscheinlich ist die Beziehung von der Art einer umgekehrten U-Kurve.

Querschnitts- und Längsschnittanalysen (Hibbs, 1973; Wid- maier, 1981) lassen vermuten, daß Sanktionen und Protest normalerweise gemeinsam auftreten. Daran wird auch der zu­

nehmende Organisationsgrad in den Gesellschaften der gan­

zen Welt deutlich. Diese Ergebnisse stehen auch in Einklang mit K.W. Deutschs Hypothese der sozialen Mobilisierung und

ihren späteren Abwandlungen (Deutsch, 1961; Hibbs, 1973;

Deutsch, Dominguez, Heclo, 1981).

Wir haben uns dafür entschieden, Protest und Regierungssank­

tionen mit unterschiedlicher Stärke in den einzelnen Ländern miteinander zu verbinden. Der Protestbegriff umfaßt dabei ein breites Spektrum von Erscheinungen wie Demonstrationen, Aufstände, Streiks und bewaffnete Angriffe auf Regierungs­

institutionen und Eigentum. Die Gleichungen sehen folgender­

maßen aus:

SANC. = a1 * (ß1 * PROT - SANC)

+ ( 1 0 0 - R S U P ) * y

- (SANC * 6 p (9)

PROT. = ct2 * (ß2 * SANC “ PR0T)

- (DASUP * Y2 + DRSUP * Y3 + DPSUP * y4 )

* SOCM * ALOG (GNPCP)- (PROT * S2 )

Wobei SANC das Ausmaß der RegierungsSanktionen ist, PROT das Ausmaß an Protest, SOCM der Grad sozialer Mobilisierung, GNPCP das Bruttosozialprodukt pro Kopf, , a2 , ß-, und S2

sind Anpassungskoeffizienten, y-] ein Skalierungsfaktor, y2 , Y3 und y4 Gewichtungskoeffizienten und schließlich und d2 Abschreibungsraten.

(22)

Mit den ersten Ausdrücken in Gleichungen (9) und (10) wird versucht, die Beziehung von Sanktionen und Protest zu model lieren. Die länderspezifische Zeitverzögerung der Anpassung des Sanktionsausmaßes an den Protest und umgekehrt wird durch die a-Koeffizienten bestimmt. Die ß's stehen für die Unter- bzw. Überreaktionen, d.h. den Grad an relativer Re- pressivität oder Konfliktbereitschaft im System. Der zweite Ausdruck in Gleichung (9) beruht auf der Annahme, daß die Regierungen bei geringer Regimeunterstützung eher dazu ten­

dieren, Sanktionen anstatt Zugeständnisstrategien einzuset­

zen, um den Mangel an Unterstützung zu kompensieren. Der recht lange zweite Ausdruck in Gleichung (10) basiert auf der Überlegung, daß sich Protest verstärkt, wenn die Unzu­

friedenheit größer und die Unterstützung geringer wird. Die Gewichte für die drei Ebenen sind: 0,1 für Veränderungen

in der Regierungsunterstützung, 0,4 für die Regimeunter­

stützung und 0,5 für die Nationalstaatsunterstützung. Die gewichtete Summe wird mit einem Index für soziale Mobili­

sierung (siehe Cusack, 1981 und Deutsch, 1961) multipli­

ziert, der seinerseits endogen durch Entwicklungen des Bruttosozialprodukts pro Kopf angepaßt wird. Sowohl das Ausmaß an Sanktionen wie auch an Protest unterliegen einer Abschreibung. Sie kann empirisch durch die Lockerung bzw.

Rücknahme von Sanktionen, ihre Unwirksamkeit über längere Zeit hinweg, die Erschöpfung der Ressourcen der Protestie­

renden oder das langsame Zusammenbrechen der Dissidenten­

organisation eintreten. Aus der Literatur wird deutlich, daß sowohl Regierungssanktionen als auch interne Konflikt­

ereignisse empirisch eher diskontinuierlich auftreten.

Diese Diskontinuität wird zugegebenermaßen in unserer For­

mulierung nicht optimal erfaßt. Statt der beobachteten plötzlichen Ausbrüche und Zusammenbrüche von Protest und Gewalt, erfaßt sie eher die unterschwellige Neigung Re­

pressionen auszuüben oder zu protestieren. Wir kennen je­

doch die Entwicklungen, die der Diskontinuität dieser V a ­ riablen mit Hilfe der mathematischen Katastrophentheorie

(z.B. Adelman, 1982) Rechnung zu tragen versuchen. Sobald

(23)

21

diese Studie als auch unsere eigene Modellierung weiter fortgeschritten sind, werden wir vielleicht versuchen, ei­

nen derartigen Ansatz einzubauen. Eines der Hauptprobleme dabei ist es, ein komplexes Modell bei solchen Schocks vor dem "Zusammenbruch" zu bewahren.

Die Diskussion des Protest-Sanktionsproblems sollte nicht abgeschlossen werden, ohne die grundsätzliche Option von Regierungen zu erwähnen, entweder Repressionen oder Anpas­

sungsstrategien anzuwenden, um den politischen Druck zu vermindern, der durch Mangel an Unterstützung und offenen Protest sichtbar wird. Die vorangegangene Diskussion sollte deutlich gemacht haben, daß sich aus der momentanen Formu­

lierung unseres Modells für die Regierung keine sehr bewuß­

te Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Alternativen ergibt.

In der Realität sind beide Strategien ohnehin vermischt' u n d e s g i b t n u r e i n e r e l a t i v e D o m in a n z v o n R e p r e s s i o n o d e r

1 2 )

Anpassung (Lichbach, 1982). Wann immer die Unterstützung auf der Regimeebene sinkt, verstärkt sich ceteris paribus die Tendenz der Regierung zu Repressionen. Mit anderen Wor­

ten: wenn es der Regierung nicht gelingt, über längere Pe­

rioden die Zufriedenheit und Unterstützung aufrechtzuerhal­

ten, was zu Verminderungen im Niveau der Regimeunterstützung führt, wird sie zunehmend zu Repressionen greifen müssen.

Das Ausmaß, zu dem "erfolgreiche" Politik durch repressive und regulatorische Handlungen ersetzt werden muß, variiert von Land zu Land stark und wird in den nationalen Modellen durch unterschiedliche Parameter modelliert. Wir meinen, daß nicht nur unsere Formulierung das komplexe Problem ver­

meidet, den spezifischen Entscheidungsprozeß innerhalb der Regierung zu modellieren, der entweder zu mehr Anpassung oder mehr Repression führt, sondern daß es dafür auch eine Menge empirischer und theoretischer Evidenz gibt. Welche andere Wahl bleibt einer Regierung, wenn sie die politischen und ökonomischen Wünsche der Bevölkerung außer Acht läßt und einen großen Anteil ihrer Ressourcen eher für militäri­

sche Zwecke ausgibt, als die interne Repression zu verstär-

(24)

ken, speziell, wenn die Unzufriedenheit kollektiv artiku­

liert wird? Oder ist es keine Regierungssanktion, wenn Regierungen den Verkauf und die Verteilung von Lebensmit­

teln rationieren müssen, weil ihre investitionsentscheidun- gen die Entwicklung des einheimischen Landwirtschaftssek­

tors vernachlässigen?

Nachdem wir nun den zentralen Teil unseres Modells

beschrieben haben, ist es an der Zeit, einige Bemerkungen über die Repräsen­

tation politisch völlig verschieden struktuierter Nationen mit Hilfe dieser Modellstruktur zu machen.

Wir unterscheiden zunächst zwischen drei "Prototypen" poli­

tischer Systeme: den westlich-liberalen, den sozialistisch- kommunistischen und den sich entwickelnden Systemen. Man könnte in der letzten Kategorie noch zwischen mehr autori­

tären und mehr demokratischen Typen unterscheiden, was im übrigen auch für die zwei anderen Prototypen sinnvoll sein m a g .

Wie wird nun unsere Grundstruktur verändert oder angepaßt, damit wir die politische "Realität" in den oben erwähnten Typen von Systemen angemessen darstellen können? Eines der entscheidenden politischen Probleme in Entwicklungsländern ist, wenn wir speziell Huntington ( 1 9 6 8 ) und der Literatur über politische Entwicklung allgemein folgen, der Mangel an Funktionsfähigkeit und Legitimität politischer Institu­

tionen. Politik ist sehr oft eine Domäne autokratischer Persönlichkeiten, die staatlich sanktionierte Parteiorgani­

sationen und/oder das Militär als ihre Machbasis benützen.

Häufig regiert eine Militärjunta in den Staaten der Dritten Welt. Diese Situation kann in unserem theoretischen Bezugs­

rahmen als allgemeiner Mangel an unabhängiger Regimeunter­

stützung beschrieben werden. Die Legitimität des gesamten politischen Systems beruht sehr oft nur auf der Popularität eines Herrschenden oder einer herrschenden Gruppe. Dazu

(25)

kommt, daß diese Popularität möglicherweise nur auf der Unterstützung durch ein bestimmtes Segment (Stamm) oder durch eine Organisation (Militär) in der Gesellschaft be­

ruht .

Wenn diese Popularität schwindet und/oder die interne Macht­

verteilung zwischen Gruppen Veränderungen unterliegt, bricht die Regierung zusammen und das politische Regime wird gleich zeitig mit zerstört. Ebenso ist der Staatsverband manchmal durch ungelöste Fragen der nationalen Integration gefährdet.

Wir glauben, daß wir diese Art von politischer Struktur in unserem Bezugsrahmen verarbeiten können. Der wesentliche Un­

terschied zu anderen Modellen, z.B. einem der USA, wäre die enge Verbindung zwischen Veränderungen der Regierungspopula­

rität und den Auswirkungen auf die Regimeunterstützung. Die Unzufriedenheit mit den herrschenden Autoritäten ist gleich­

zeitig Unzufriedenheit mit den Spielregeln, da diese Systeme keine institutionalisierten Regeln für die Kontrolle und Neubildung der Regierung durch die Bevölkerung vorsehen. Bis zu einem gewissen Grade gilt das auch für sozialistische Ein-Parteien-Systeme.

Kein institutionalisierter und funktionierender Mechanismus sorgt in diesen Staaten dafür, daß massenhafte politische Unterstützung auf der Regierungsebene durch, einen Regierungs­

wechsel wiederhergestellt wird. Dieser Mechanismus ist in unserem Modell für die westlichen Demokratien von entscheidender Bedeutung, um die Unterstützung auf allen drei Ebenen des politischen Systems aufrechtzuerhalten.

Ein weiterer Unterschied zwischen entwickelten- und Ent­

wicklungsländern ist die nationale Sozialstruktur, von der die Themen der Politik und die Gruppenbildung innerhalb des Nationalstaats bestimmt werden. Ökonomen, die sich auf Ent­

wicklungsländer spezialisiert haben, betonen immer wieder die dualistische Struktur dieser Systeme, indem sie auf die

(26)

im m ensen U n t e r s c h i e d e z w is c h e n dem U rb a n e n u n d dem a g r a r i ­ s c h e n S e k t o r h i n w e i s e n . E s h a n d e l t s i c h d a b e i n i c h t n u r um U n t e r s c h i e d e i n d e r P r o d u k t i o n s w e i s e , s o n d e r n a u c h i n d e n L e b e n s b e d in g u n g e n , L e b e n s s t i l e n , Norm en u n d W e r te n , s o w ie im Ausmaß a n s e l e k t i v e r B e r ü c k s i c h t i g u n g d u r c h d i e R e g i e ­ r u n g e n . D as s o l l n i c h t h e i ß e n , d a ß d i e s e U n t e r s c h i e d e i n d e n e n t w i c k e l t e n L ä n d e r n v ö l l i g v e rs c h w u n d e n s i n d . S i e h a ­ b e n n u r w e s e n t l i c h w e n i g e r B e d e u tu n g , u n d i n e i n i g e n L ä n ­ d e r n d e s N o r d - W e s te n s a r b e i t e n n u r n o c h e tw a 4% d e r B e v ö l ­ k e r u n g im l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n S e k t o r . W i c h t i g e r s i n d d o r t h e u t e a n d e r e D im e n s io n e n . Tn d e n m e i s t e n E n t w i c k l u n g s l ä n d e r n u n t e r s c h e i d e t s i c h j e d o c h d i e ö k o n o m i­

s c h e , s o z i a l e u n d m an ch m al a u c h d i e p o l i t i s c h e S i t u a t i o n im A g r a r s e k t o r d e u t l i c h vom u r b a n e n S e k t o r . U n te r a n d e re m f ü h r t d a s zu d e n b e k a n n t e n h o h e n M i g r a t i o n s r a t e n vom. L and z u r S t a d t . A u f g r u n d d e s s e n h a b e n w i r f ü r d i e s e L ä n d e r d i'e Z u f r i e d e n h e i t u n d d i e d a r a u s e n t s t e h e n d e p o l i t i s c h e U n t e r ­ s t ü t z u n g f ü r d i e a g r a r i s c h e u n d d i e u r b a n e B e v ö lk e r u n g s e ­ p a r a t m o d e l l i e r t . D ie m o d e l l i e r t e n R e g ie r u n g e n d i e s e r L ä n ­ d e r k ö n n e n d a d u r c h zu H a u s h a l t s e n t s c h e i d u n g e n g e l a n g e n , d i e e x p l i z i t d i e u n t e r s c h i e d l i c h e n p o l i t i s c h e n U n t e r s t ü t ­ z u n g s r a t e n im u r b a n e n u n d a g r a r i s c h e n S e k t o r b e r ü c k s i c h t i ­ g e n .

D ie M o d e lle f ü r s o z i a l i s t i s c h e o d e r k o m m u n is tis c h e S y s te m e u n t e r s c h e i d e n s i c h vom w e s t l i c h - l i b e r a l e n M o d e ll d u r c h n i e d r i g e r e A u s g a n g s w e r te f ü r d i e R e g i e r u n g s - u n d R e g im e u n t e r ­

s t ü t z u n g , d i e d u r c h e i n e n h ö h e r e n G ra d an R e g i e r u n g s r e p r e s ­ s i o n e n k o m p e n s i e r t w e r d e n . D a r ü b e r h i n a u s h a b e n w i r e i n mo­

d i f i z i e r t e s B ü n d e l v o n I n d i k a t o r e n f ü r R e g i e r u n g s l e i s t u n g e n a u s g e w ä h l t , d a s d i e Z u f r i e d e n h e i t d e r B ü r g e r m i t ö k o n o m i­

s c h e n u n d s o z i a l e n B e d in g u n g e n e r f a s s e n s o l l . W ahlen s p i e ­ l e n i n d i e s e n S y s te m e n n i c h t d i e R o l l e , R e g i e r u n g s u n t e r ­ s t ü t z u n g w i e d e r h e r z u s t e l l e n . D ag eg en i s t d e r I n t r a - E l i t e n - W e ttb e w e rb i n n e r h a l b d e r P a r t e i h i e r a r c h i e i n d e n S o z i a l i s t !

s e h e n L ä n d e r n e i n w e s e n t l i c h e s M erkm al d e r P o l i t i k . E r s p i e l t e i n e R o l l e im K o n f l i k t um d i e P r i o r i t ä t e n b e i d e r

(27)

25

Aufstellung des 5-Jahres-Plans und dabei, wie das National einkommen für verschiedene Zwecke aufgeteilt werden soll.

Luterbacher u.a. (1 979) nehmen an, daß ein Kon­

flikt zwischen Falken und Tauben besteht, der dazu führt, daß die Autoritäten zu manchen Zeiten mehr Betonung auf Investitionen im industriellen und militärischen Bereich legen und zu anderen Zeiten mehr die Bereitstellung von Massenverbrauchsgütern und Sozialausgaben fördern. Pro­

teste der Bevölkerung und das Auswechseln von Funktionä­

ren sind ein Beispiel für einen derartigen Wechsel der Politik. Dieses Charakteristikum sozialistischer Staaten versuchen sowohl das mit dem politischen Modell gekoppel­

te makro-ökonomische Modell für Planwirtschaften als auch das Regierungsbudgetmodell einzubeziehen. Im Budget-Modell

ist die Höhe der Unterstützung, die die Regierungen von den Massen bekommen, eines der Entscheidungskriterien. Der Entscheidungsspielraum ist natürlich höher als in anderen Systemtypen und eine weitverbreitete Unzufriedenheit unter den Massen kann bis zu einem kritischen Punkt vernachläs­

sigt werden. Gegenüber der Bürokratie und dem Militär gibt es diesen Entscheidungsspielraum wahrscheinlich weit we­

niger.

Die Beziehung zwischen Regierungs- und Regimeunterstützung ist für diese Staaten eine schwierige Frage. Gibt es irgend­

eine Legitimität für das sozialistische Ein-Parteien-Sys- tem und seine politischen Verfahrensregeln, die unabhängig ist von der Popularität einer amtierenden Regierung, die z.B. eine relativ erfolgreiche Wirtschaftspolitik betreibt:

Die Ereignisse in der Tschechoslowakei und neuerdings in Polen zeigen, daß die Opposition gegen eine bestimmte kom­

munistische Führung schnell in Opposition gegen das Regime umschlägt. Auf der anderen Seite ;können erfolgreiche Politik und persönliches Charisma zusätzliche Unterstüt­

zung für einige Parteiführer hervorrufen und damit das sozialistische Ein-Parteien-System als Herrschaftsinstru­

ment stabilisieren. Dieser Mechanismus sozialistischer

(28)

Systeme ist in unserem Modell über politische Unterstüt­

zung und Opposition repräsentiert.

Nach dieser zugegebenermaßen synoptischen Beschreibung des Modells geht der nächste Abschnitt auf die funktionalen Beziehungen zwischen den Indikatoren zur Messung politi­

scher Leistungen und der Zufriedenheit bzw. Unterstützung durch die Bevölkerung ein.

3. Indikatoren für politische Leistungen: Eine Beschrei­

bung ihrer Beziehung zu politischer Unterstützung

Unter Sozialwissenschaftlern ist es fast schon ein Gemein­

platz, daß moderne Gesellschaften und ihre politischen Strukturen immer komplexer werden. Diese Entwicklung kann man mit einer Vielzahl von Hvpothesen und mehr oder weniger

’ 13)

integrierten Theorien erklären. Das Hauptargument ist je­

doch, daß ökonomische und soziale Aktivitäten in einer m o ­ dernen Gesellschaft in zunehmendem Maße davon bestimmt werden, was die Soziologen "Arbeitsteilung" nennen. Im Prozeß der sozialen Differenzierung üben Menschen immer speziellere Funktionen aus und passen sich einer zunehmen­

den Vielzahl sozialer Rollen an. Diese Entwicklung hat zur Folge, daß sich das Spektrum der Interessen ausweitet und zu Problemen der Organisation von Interessen und insbeson­

dere der Interessenaggregation führt. Letztere ist sowohl auf individueller wie auch gesellschaftlicher Ebene proble­

matisch. Auf der individuellen Ebene rufen sogenannte

"cross-pressure"-Situationen aufgrund konfligierender Rol­

len und Funktionen relative Deprivation oder Apathie her­

vor. Für die politischen Entscheidungsträger wird es auf gesellschaftlicher Ebene zunehmend schwieriger, die Inter­

essen und Wünsche verschiedener Segmente, Fraktionen und Gruppen in der Bevölkerung auf einen Nenner zu bringen.

Jede Entscheidung, die auf Kompromissen beruht, bringt

(29)

27

Kosten mit sich (Verhandlungskosten) und führt unausweich­

lich dazu, daß bestimmte Gruppen und ihre Interessen nega­

tiv betroffen sind (externe Kosten). In solchen Situatio­

nen können Regierungen nicht der einfachen Regel folgen, immer zugunsten der größeren Gruppen zu entscheiden, weil sie auch von kleinen Gruppen, die ganz spezielle Funktio­

nen kontrollieren, unter massiven Druck gesetzt werden können. Auch radikale Gruppen, die um der politischen Pub­

lizität willen gewalttätig werden, können Entscheidungs­

träger zwingen, Ressourcen neu zu verteilen.

N im m t m a n a l l e d i e s e P r o b l e m e z u s a m m e n , d a n n i s t e s s e h r s c h w i e r i g , v o n e i n e m " a l l g e m e i n e n W i l l e n " o d e r i r g e n d e i n e r ü b e r w ä l t i g e n d e n M e h r h e i t z u s p r e c h e n , d i e b e s t i m m t e Z i e l e o d e r G ü t e r b e v o r z u g t . I n d e n l e t z t e n z e h n J a h r e n w u r d e n zum B e i s p i e l l e b h a f t e D e b a t t e n ü b e r d a s ö k o n o m i s c h e W a c h s ­ tu m u n d d e n M a t e r i a l i s m u s i n d e r W e l t a n s c h a u u n g a l l g e m e i n g e f ü h r t . A u s U m f r a g e n w i s s e n w i r ', d a ß b e s t i m m t e , i n d e r R e g e l w o h l h a b e n d e r e T e i l e d e r B e v ö l k e r u n g , w e n i g e r a n V e r ­ b e s s e r u n g e n im ö k o n o m i s c h e n - o d e r E i n k o m m e n s b e r e i c h i n t e r ­ e s s i e r t s i n d u n d s t a t t d e s s e n A k t i v i t ä t e n b e v o r z u g e n , d i e

1 4) mit der nicht-materiellen Lebensqualität zu tun haben.

Die Frage des internationalen Friedens ist ein anderes Bei­

spiel. Man kann mit Sicherheit annehmen, daß eine überwäl­

tigende Mehrheit in den modernen Gesellschaften für den Frieden ist. Allerdings ist eben diese Mehrheit im Hin­

blick darauf.gespalten, wie dieses Ziel erreicht werden kann, unter welchen Umständen das geschehen soll und zu welchem Ausmaß es unterstützt werden sollte.

Diese kurzen Beispiele zeigen deutlich, daß der Begriff eines allgemeinen Zufriedenheitsniveaus in der Bevölke­

rung in Hinblick auf bestimmte Themen recht weitreichende Annahmen über die Homogenität von Interessen erfordert.

Im Rahmen eines Weltmodell«Projektes sind wir allerdings

(30)

d a r a u f v o r b e r e i t e t u n d d u r c h u n s e r A g g r e g a t i o n s n i v e a u a u c h g e z w u n g e n , s o l c h e h e r o i s c h e n A nnahm en b i s zu e in e m g e w i s ­

s e n G ra d e z u m a c h e n . W ir w e rd e n L e i s t u n g e n d e s p o l i t i s c h e n ö k o n o m is c h e n u n d s o z i a l e n S y s te m s m i t a u s g e w ä h l t e n D im en­

s i o n e n m o d e l l i e r e n , v o n d e n e n w i r a n n e h m e n , d a ß s i e f ü r d i e B e v ö lk e r u n g a l s g a n z e s o d e r z u m i n d e s t f ü r g r o ß e T e i l e d a v o n ,' v o n e i n i g e r B e d e u tu n g s i n d . D ie A u sw ah l d e r I n d i k a ­ t o r e n b a s i e r t w e i tg e h e n d a u f i n t e r n a t i o n a l e n ( u n d / o d e r n a ­ t i o n a l e n ) U m fra g e n , i n d e n e n B ü r g e r g e f r a g t w u r d e n , w e lc h e F a k t o r e n am m e i s t e n zu i h r e r p e r s ö n l i c h e n Z u f r i e d e n h e i t b e i t r a g e n .

D i e A n t w o r t e n a u s d e n U m f r a g e n k ö n n e n i n d e r f o l g e n d e n W ei s e n a c h W ü n s c h e n o d e r E r w a r t u n g e n g r u p p i e r t w e r d e n :

1) W ü n s c h e u n d E r w a r t u n g e n b e z ü g l i c h ö k o n o m i s c h e r I n d i k a t o r e n ,

2) b e z ü g l i c h i n t e r n e r p o l i t i s c h e r B e d i n g u n g e n , 3 ) b e z ü g l i c h i n t e r n a t i o n a l e r p o l i t i s c h e r K o n s t e l ­

l a t i o n e n ,

4) b e z ü g l i c h i n t e r n a t i o n a l e r w i r t s c h a f t l i c h e r B e ­ z i e h u n g e n , u n d s c h l i e ß l i c h

5) b e z ü g l i c h s o z i a l e r F r a g e n .

I n n e r h a l b j e d e r K a t e g o r i e k a n n man D im e n s io n e n i d e n t i f i z i e r e n , d i e d u r c h e i n e n o d e r m e h r e r e I n d i k a t o r e n o p e r a t i o n a -

l i s i e r t w e r d e n .

Warum s i n d w i r ü b e r z e u g t , d a ß s o l c h e i n a g g r e g i e r t e r An­

s a t z z u r M essu n g v o n Z u f r i e d e n h e i t s i n n v o l l i s t , o b w o h l d i e I n t e r e s s e n u n d P e r s p e k t i v e n i n d e r B e v ö lk e r u n g e i n e s N a t i o n a l s t a a t e s so s t a r k f r a k t i o n a l i s i e r t s i n d ?

T e i l w e i s e k a n n man d i e s e F r a g e b e a n t w o r t e n , wenn man s i c h d e n A g g r e g a t i o n s p r o z e ß n ä h e r a n s i e h t u n d d i e S t r a t e g i e e r J

l ä u t e r t , d i e z u r B e re c h n u n g d e r Z u f r i e d e n h e i t s w e r t e f ü h r t . F a n g e n w i r m i t e in e m B e i s p i e l a n : Wenn w i r u n t e r s t e l l e n , d a ß d e r G e s u n d h e i t s s t a n d e i n e r N a t i o n (g e m e s s e n d u r c h d i e L e b e n s e r w a r t u n g b e i d e r G e b u r t ) , i n b e z u g a u f d i e E i n -

(31)

29

heitlichkeit der Wünsche und Erwartungen von Leuten eine der weniger problematischen Dimensionen ist, können wir hypothetisch folgende funktionale Beziehung aufstellen:

Bewertung der Leistung

30 4 0 5 0 60 7 0 8 0 L e b e n s e r w a r t u n g

Die horizontale Achse stellt den Bereich der durchschnitt­

lichen Lebenserwartung bei der Geburt (LE) dar. Auf der vertikalen Achse wird der entsprechende Wert für die Ein­

schätzung der Performanz bei einem gegebenen Wert für LE und einem Grenznutzen der Lebenserwartung abgetragen. Die­

se spezielle Art der Beziehung bedeutet, daß die Bevölke­

rung nur mit geringerer Zunahme der Zufriedenheit reagiert, wenn die durchschnittliche Lebenserwartung über 75 Jahre ansteigt, d.h. eine objektive Verbesserung hätte keinen großen Einfluß auf den Bewertungsfaktor. Das bedeutet auch, daß dieser Indikator für den Lebenserwartungsb'ereich zwi­

schen 40 und 70 Jahren besonders sensibel ist. Die Skalen­

werte für den Bewertungsfaktor von 0 bis 100 sollten nicht so interpretiert werden, daß ein Wert von 100 totale Zu­

friedenheit eines jeden Individuums in der Gesellschaft bedeutet. Es heißt vielmehr, daß eine nationale Regierung

(32)

mit einem Programm, das die durchschnittliche Lebenserwar­

tung von 77 auf 79 Jahre erhöhen würde, nicht.viel mehr Zufriedenheit bewirken könnte. Damit findet eine Verbesserung der Systemleistung durch entscheidende Fort­

schritte für nur wenige kleine Gruppen im Modell keine explizite Berücksichtigung. Da eine größere Gruppe oder Klasse, die unter sehr schlechten gesundheitlichen Bedin­

gungen lebt, das durchschnittliche Niveau auch beträcht­

lich beeinflussen würde, sollten wir diesen Mangel auf uns nehmen. Derartige Probleme rühren eindeutig von der Tat­

sache her, daß die Bevölkerung nicht in "relevante" Grup­

pen, Schichten oder Segmente disaggregiert wurde. Die Fra­

ge ist allerdings, ob eine Disaggregation überhaupt für alle Issues und Dimensionen anwendbar und sinnvoll wäre.

Für einige ökonomische Indikatoren wäre vielleicht eine Aufteilung in Kapitalisten (Unternehmer) und Arbeiter von Bedeutung, für andere könnte die Unterscheidung in einen urbanen und einen landwirtschaftlichen Sektor nütz- licher sein. ' Deshalb erweitern wir eher die Zahl der Erwartungen und Themen, die wir für die Bevölkerung als wichtig erachten, als eine Disaggregation der Bevölkerung vorzunehmen. Wir hoffen, daß wir mit dieser Strategie ei­

nen großen Teil der vorhandenen Wünsche und Erwartungen abdecken, obwohl sie nicht von jedem einzelnen geteilt werden. Der genaue Zufriedenheitsstand kann offensichtlich über die Zeit hinweg mit den Leistungsindikatoren empirisch nicht eingeschätzt werden. Auf der anderen Seite können wir mit Sicherheit annehmen, daß signifikante' Veränderungen in den Bedingungen, die durch unsere ausgewählten Variablen operationalisiert sind, den Stand der durchschnittlichen Zufriedenheit positiv oder negativ beeinflussen werden.

Wir haben hier eher einen breiten, als einen in die Tiefe gehenden Ansatz gewählt, um die Komplexität und Verhal­

tensinkonsistenz einer Population„darzustellen. D.h., wir setzen voraus, daß sich allgemeine Zufriedenheit aus Be­

wertungen aus zahlreichen Leistungsdimensionen zusammen- * setzt und daß diese besser erfaßt werden können, wenn man

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