• Keine Ergebnisse gefunden

FORUM-10-2016-Patientenorientierung-Post-Polio-Syndrom

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "FORUM-10-2016-Patientenorientierung-Post-Polio-Syndrom"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

PATIENTENORIENTIERUNG 18

K VB FORUM 10/2016

Z

war ist der Zugang zur Kon- ferenzetage im fünften Stock der KVB barrierefrei, trotz- dem mussten für die körperlich teils schwerbehinderten Teilnehmer einige sonst übliche Veranstaltungs- abläufe angepasst werden. Dass dies alles reibungslos funktionier- te, ist dem KVB-Team Patienten- orientierung und dem des Konfe- renzmanagements zu verdanken, die sich der besonderen Heraus- forderung dieses Tages gerne ge- stellt haben und mit einer erfolg- reichen Veranstaltung – insgesamt waren 195 Teilnehmer der Einla- dung gefolgt – belohnt wurden.

Nach der Begrüßung durch den Lei- ter der Patientenorientierung Mi- chael Stahn übernahm Ulrike Ost- ner vom Bayerischen Rundfunk in gewohnt routinierter Manier die Moderation der von 10 bis 15 Uhr angesetzten Veranstaltung. Gleich zu Anfang machte sie auf die schrift-

Anlässlich des fünften Bayerischen Poliotags fand am 3. September in der KVB in München eine Selbsthilfeveranstaltung für Post-Polio-Betroffene, deren Ange- hörige und interessierte Ärzte sowie Psychotherapeuten statt. Bereits im Vor- feld hatte das Team der Patientenorientierung der KVB in Kooperation mit dem BV Polio e. V. Landesverband Bayern und der Polio Regionalgruppe 85 München organisatorisch ganze Arbeit geleistet, galt es doch, den Bedürfnissen von 60 Rollstuhlfahrern und deren körperlichen Einschränkungen gerecht zu werden.

POST-POLIO-SYNDROM

lich übermittelten Grußworte von Schirmherr Hermann Imhoff, MdL, aufmerksam, der die dramatischen Hintergründe der Post-Polio auf den Punkt brachte: „Die Heraus- forderungen, die sich durch die Spätfolgen einer Kinderlähmung, dem sogenannten Post-Polio-Syn- drom, ergeben, sind für Patienten, ihre Angehörigen und ihr weiteres Umfeld sehr komplex. Bei Betroffe- nen können auch Jahrzehnte nach überstandener Krankheit neue Läh- mungen und Schmerzen auftreten.

Der fünfte Bayerische Poliotag er- möglicht es Betroffenen, Angehö- rigen, Ärzten und Therapeuten, sich über Charakteristika dieses Syn- droms sowie über den Umgang mit den Folgen auszutauschen. Als Pa- tienten- und Pflegebeauftragter der Bayerischen Staatsregierung halte ich es für wichtig, dass Betroffene hier selbst zu Wort kommen.“

Herausforderungen des Post-Polio-Syndroms

Anschließend übergab Ostner das Wort an Dr. med. Peter Brauer, Wis- senschaftliches Mitglied im Ärztli- chen Beirat der Polio-Selbsthilfe e. V., Hamburg. Brauer, selbst an Post-Polio erkrankt, widmete sei- nen Vortrag den besonderen Her- ausforderungen dieses Syndroms, gab jedoch zuvor einen kurzen me- dizinischen Abriss des Krankheits-

bildes. So hinterlasse jede Kinder- lähmungsinfektion bleibende Schä- den in Gehirn und Rückenmark, deren Folgen äußerlich nicht im- mer sichtbar seien, weil bis zu 50 Prozent des Nervenzellverlustes durch die verbleibenden Nerven- zellen ausgeglichen würden. „Die noch vorhandenen Nervenzellen und Muskeln erbringen teilweise das bis zu Zehnfache an Leistung.“

Nach durchschnittlich 35 Jahren erkranken etwa 80 Prozent aller Fälle mit Lähmungsfolgen am Post- Polio-Syndrom, einer eigenständi- gen schwerwiegenden chronischen Erkrankung. Sie ist das Resultat eines fortschreitenden Untergangs vorgeschädigter und gesunder Ner- venzellen infolge chronischer Über- lastung. Da es sich um einen Struk- turschaden im Nervensystem han- delt, ist die Erkrankung nicht heil- bar. Die Symptome sind unter an- derem neuerliche Schwächen und Lähmungen des Nerv-Muskel-Sys- tems, ungewohnte schwere Er- schöpfungszustände, Atemregula- tionsstörungen, Herz-Kreislauf-Re- gulationsstörungen, Muskel- und/

oder Gelenkschmerzen etc. „Das bedeutet für die Betroffenen eine zunehmende Funktionseinbuße mit weitreichendem Leistungsver- lust und einer erheblichen Einschrän- kung der Lebensqualität,“ so der Mediziner. Als schwierige Heraus- forderungen nannte er die Versor- Mit 195 Teilneh-

mern, darunter 60 Rollstuhlfah-

rern, war der Große Saal der KVB-Konferenz- etage voll be- setzt.

(2)

19 PATIENTENORIENTIERUNG

K VB FORUM 10/2016

gung der Patienten mit Heil- und Hilfsmitteln, die oft unzureichend sei, sowie eine Anerkennung nach dem Schwerbehindertengesetz.

Auch die Verfahren zu Berufsunfä- higkeit und Rentenbegehren müss- ten beschleunigt und verbessert werden. „Eine rechtzeitige Entlas- tung befördert ein selbstbestimm- tes Leben sowie eine gesellschaft- liche Teilhabe und zögert eine un- abwendbare Pflegebedürftigkeit hinaus.“ Die größte Kritik richtete Brauer gegen ungeeignete Behand- lungsmaßnahmen, die zum Teil schwerwiegende Verschlechterun- gen der Erkrankung mit sich bräch- ten. „Ein wesentliches Therapieziel muss immer eine weitgehende Zu- standserhaltung unter Verlangsa- mung des Fortschreitens des Post- Polio-Syndroms sein,“ so der Appell des Hamburger Arztes.

Psychologische Aspekte Brauer stand den Anwesenden nach seinem Vortrag für weitergehende Fragen zur Verfügung. Nach der Mittagspause übernahm dann Ca- rola Hiedl, Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin aus Kassel zum Thema „Psychologische Aspekte des Post-Polio-Syndroms“ das Wort.

Auch sie ist selbst betroffen und mittlerweile auf den Rollstuhl ange- wiesen. Hiedl beschrieb zunächst die Entwicklungsstufen eines „Polio- Lebens“: von der Phase des gesun- den Lebens, über die Erkrankung durch die Infektion mit dem Polio-

Virus, bis hin zum Auftreten des Post-Polio-Syndroms, dem Leben als Behinderter und der Phase des Altseins und Abschiednehmens.

Natürlich, so die Psychologin, müs- se die Diagnose immer als Trauma begriffen werden, das viele Betrof- fene in eine innere Starre, Panik und Isolation, andere dagegen in Hyper- aktivität verfallen lasse. Patienten müssten daher rechtzeitig psycho- logisch und psychotherapeutisch begleitet werden, damit sie auch mit ihren krankheitsbedingten kör- perlichen Einschränkungen ihre

„klassischen“ Lebensaufgaben (Be- rufsausübung, Partnerschaft, Kin- dererziehung, Entwicklung des see- lischen Selbstbildes, wenn sich der Körper verändert) bewältigen könn- ten. Als heilsame Maßnahmen empfahl Hiedl, offen über Schwie- rigkeiten, Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte zu reden, in Einzelfäl- len eine gezielte Traumatherapie in Anspruch zu nehmen und die ei- gene Erlebnisintensität zu schulen, um sich auch an den kleinen Din- gen des Lebens erfreuen zu können.

Hilfsmittel

Den dritten Vortrag der Veranstal- tung bestritt Dagmar Eikenkötter, Hilfsmittelexpertin im Integrations- zentrum für Cerebralparesen in München. Die Physio- und Bobath- therapeutin informierte unter an- derem über die rechtlichen Grund- lagen der Hilfsmittelversorgung und zeigte Alternativen auf, mit

Getrud Meister, Vorsitzende des BV Polio e. V.

Landesverban- des Bayern, ge- meinsam mit ih- ren Kollegen Hans Joachim Wöbbeking, Wal- traud Joa, Susan- ne Müller und Ludwig Bauer bei der Feierstunde anlässlich des zehnjährigen Ver- bandsbestehens (von links).

denen eine Behinderung ausgegli- chen beziehungsweise einer dro- henden Behinderung vorgebeugt werden kann. Eikenkötter stellte auch die Zuständigkeit der verschie- denen Kostenträger vor, erinnerte an das Wirtschaftlichkeitsgebot der Versorgung und an die Verord- nungsgrundsätze im Rahmen der Hilfsmittelrichtlinie und widmete sich am Schluss den grundsätzli- chen Problemen des Versorgungs- prozesses: So würden die Bedürf- nisse der Betroffenen oft nicht ge- nügend berücksichtigt, der Medizi- nische Dienst der Krankenkassen entscheide meist nach Aktenlage, den Betroffenen würden ungeeig- nete Hilfsmittel zur Verfügung ge- stellt, grundsätzlich seien die Ent- scheidungswege zu lang und die Zu- ständigkeiten sehr oft unklar.

Nach dem Aufzeigen dieser Miss- stände war es nicht verwunderlich, dass in der anschließenden Dis- kussionsrunde mit der Hilfsmittel- expertin viele Fragen aufkamen.

Das Ende des offiziellen Teils der Veranstaltung um 15 Uhr war so- mit schnell erreicht. Im Anschluss an die Vorträge dankte Mitveran- stalterin Gertrud Meister vom BV Polio e. V. Landesverband Bayern allen Unterstützern und präsen- tierte eine Collage aus Anlass des zehnjährigen Verbandsbestehens.

Musikalisch untermalt wurde die Feierstunde vom Saxophonisten Stefan Tiefenbacher und dem Pia- nisten Walter Weh. Für Heiterkeit sorgte trotz der schweren inhaltli- chen Kost des Tages der Kabaret- tist Holger Kiesel alias Robert Rol- linger vom Bayerischen Rundfunk.

Beim Abschied gegen 17 Uhr war von den Teilnehmern mehr als ein- mal zu hören, dass Veranstaltun- gen dieser Art enorm wichtig und der Zusammenhalt der einzelnen Selbsthilfegruppen von großer Be- deutung seien.

Marion Munke (KVB)

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Bereits 1995 hatten sich in Erlangen Patienten, Angehörige und Ärzte zusammengefunden, um sich über die seltene Krebserkrankung der Neuroendokrinen Tumoren auszutauschen..

Die Selbsthilfegruppe „Deutsche GBS Initiative e. V.“ hat es sich unter anderem zum Ziel gesetzt, Betroffene und deren Angehörige bei der Bewältigung des Guillain-Barré

In der Organisation „Mor- bus Fabry Selbsthilfe“ (MFSH) wollen sich Betroffene nicht nur über ihre Be- schwerden, Lebensängste und Unsicherheiten austauschen, sondern die Krank-

Wer vor allem in den abendlichen oder nächtlichen Ruhe- und Entspannungs- phasen regelmäßig von einem Ziehen, Jucken, Reißen oder Kribbeln in den Beinen geplagt wird, könnte

Hier können sich Betrof- fene und Angehörige zunächst über ADHS informieren und Selbsthilfe- gruppen vor Ort erfragen?. Außer- dem können sie eine telefonische Beratung in

Hier leitet Michael Stahn das Team Patientenorientierung und erzählt uns im Interview, wie die KVB sich bei der Entwicklung entsprechender Projekte landes- und bundesweit für

Diese wird von den 31 regionalen Einrichtungen des Vereins Selbsthilfekontaktstellen Bayern e. V., der gleichzeitig Träger der landesweiten Einrichtung SeKo Bayern ist,

Wenn Sie sich als niedergelassener Arzt oder Psychotherapeut für eine Zusammenarbeit mit dem SHZ oder der Selbsthilfe interessieren, neh- men Sie gerne Kontakt mit uns auf. In