SEKTION II: KEILSCHRIFTFORSCHUNG
SEKTIONSLEITER: W. v. SODEN, MÜNSTER
ZUM TOTENKULT IM ALTSUMERISCHEN LAGASCH^
Von Josep Bauer, Wübzburg
Dem Andenken an Professor Dr. Heinz Kronasser (1913-1968)
Lugalanda, der vorletzte Stadtfürst der I. Dynastie von Lagasch, hatte
kaum sieben Jahre regiert, als er von Uru-KA-gina, dem berühmten Refor¬
mer, abgelöst wurde. Es ist nicht zu sagen, ob dieser Regierungswechsel
friedlich oder gewaltsam erfolgte, ob Lugalanda eines natürlichen Todes
starb oder beseitigt wmde. Sicher war Uru-KA-gina ein Usurpator, denn
Urtarsirsira, der Sohn Lugalandas, folgte seinem Vater nicht im Stadt¬
fürstenamte. Ebenso deutlich sprechen aber auch folgende Tatsachen. Lu¬
galanda, der im 1. Königsjahre Uru-KA-ginas tot war, erhält von da an
neben Enentarzid Anteil am Totenkult (DP 224 XII 12'; Nik 25 II 7). Sem
Kult ist bis ins 5. Jahr Uru-KA-ginas zu verfolgen (Nik 89 I 6). Baragnam-
tara, die Frau Lugalandas, starb im 2. Jahre der Königsherrschaft Uru-KA-
ginas und erhielt ein Staatsbegräbnis, an dem nach den erhaltenen zwei
Lohnhsten (TSA 9, Fö 137) über 600 Klagepriester und Klageweiber teil¬
nahmen. Fortan erscheint auch ihr Name in den Totenopferlisten.
Gemenanse und Misaga, die Töchter Lugalandas, erhalten dmch Sagsag,
die Frau Uru-KA-ginas, eine regelmäßige, monatliche Emmerlieferung.
Diese Zuwendung wurde frühestens im 3. Jahre Uru-KA-ginas eingeführt
- wegen der lückenhaften Überlieferung ist das genaue Datum unbekannt -,
aber bis in das krisenhafte 6. Jahr weitergezahlt (s. S. 113). Wie man sieht,
nahm sich Uru-KA-gina der Waisen an, und ebenso führte er den Traditio¬
nen folgend die Sorge für die Toten der Herrscherfamilie fort, in deren Kreis
auch sein Vorgänger und dessen Ehefrau aufgenommen werden.
Der Bedeutung entsprechend, die die Verehrung der Hingeschiedenen
bei allen Völkern des Alten Orients gehabt hat, finden sich darüber auch
zahlreiche Angaben in den Verwaltungsm-kunden des vorsargonischen
Lagasch. Diese Urkunden haben die Form der Liste und folgen mit nur
geringen sachbedingten Abweichungen demselben Schema. Nach Zahl, Art
und Qualität der ausgegebenen Güter, bzw. bei Steuerlisten der eingeliefer- 1 Abkürzungen und Literatur s. bei J. Batter, Altsumerische Wirtschafts¬
texte aus Lagaseh, Dissertation Würzburg 1967. Auf diese Arbeit wird ira fol¬
genden durch die Abkürzung Diss. Bezug genommen.
Der Literatur hinzuzufügen ist: B. Douglas Van Buren, The salme in Meso¬
potamian Art and Religion, Or NS 10 (1941) 65-92.
108 Josef Bauer
ten Güter, folgen jeweils die Namen der Empfänger oder der Abgabepflich¬
tigen. Die Liste schließt meist mit der Addition der verzeichneten Waren.
Die Unterschrift vermerkt den Zweck der Lieferung oder die Art der ge¬
leisteten Abgabe, gibt oft mit einer allgemeineren Bezeichnung die Berufs¬
gruppe der Empfänger oder Einlieferer an, notiert den Ausgabe- oder Ein¬
nahmetermin, den Namen des verantwortlichen Beamten, meist auch Na¬
men der Frau des Stadtfürsten, des Stadtfürsten mit seinem Titel und endet
mit der Jahreszahl. Doch war die Angabe keines dieser Daten obligatorisch.
Unter dem überheferten Textmaterial finden sich folgende Urkunden¬
gruppen, die als Quellen herangezogen werden können^ :
Listen über Kleiderspenden an die Verstorbenen, ferner solche über Hals¬
ketten und andere Schmuckstücke zur Übergabe an die Toten,
Listen über Speiseopfer an eine größere Zahl von Empfängern,
kleine Speiseopferlisten mit nicht mehr als 3 Empfängern und
Listen über die ma$-da-ri-a-Ahgabe.
Letztere verzeichnen natürlich im Textteil die Namen der Abgabepflichtigen,
und erst aus der Unterschrift wird die Verwendung der Einnahmen für die
Totenopfer ersichtlich.
Während sich die eben genannten Textgruppen ausschließlich mit den
Ausgaben für den Totenkult beschäftigen, enthalten andere Texte nur ein¬
zelne Posten oder verstreute Angaben, so die Schlachtviehabbuchungen, die
aufführen, wieviel Tiere aus den Herden einzelner Tempelhirten oder des
Vorstehers der Kleinviehhürden (LAK 535) bei Opfern an die Götter und
2 1.1 Kleiderlisten: DP 73, 77, 78, Fö 163, 164.
1.2 Schmucklisten: DP 74, 76.
2 Große Speiseopferlisten: DP 57, 222, 223, 224, Fö 172, Nik 25, RTC 58.
3 Kleine Speiseopferlisten: BIN 8,356(?), DP 40, 58, Fö 120, 161, MAH
15998 (= Genava 26,68), RA 11,61, RTC 60.
4 Listen über die Verwendimg der mai-da-ri-a-Ahgabe für Totenopfer:
BIN 8,351, DP 2.5, 41, 42, 59, 212, Fö 171, 191, MAH 15855, 15997
(= Genava 26, 67, 69), Nik 159, 195, 236, RTC 59. Hier kann auch die
in ihrem Formular ungewöhnliche Urkunde DP 221 am ehesten ange¬
schlossen werden.
5 Schlachtviehabbuchungen mit Hinweisen auf den Totenkult: DP 56,
80, 218, Nik 153, 161, RTC 46, VAT 4875 (= Or 2, 41-42).
6 Götteropferlisten : s. die Zusammenstellung bei A. Deimel, Or 28, 25-70.
7 Große monatliche Abrechnungen über Gerste- und Emmerlieferungen :
s. die ZusammensteUung bei A. Deimel, Or 32, 2-41 und ergänze BIN
8, 372, 391 und CTNMC 3.
8 Einzelne Angaben machen auch die beiden kleinen Getreideheferungs-
texte Nik. 89, 134 und die Zusammenfassung von Getreideausgaben
aus dem ,Herrenbesitz' RTC 66 aus dem 4. Jahre Lugalandas.
Die Textgruppen 2-5 und 8 sollen in einer späteren Arbeit behandelt werden.
Zum Totenkult im altsumerischen Lagasch 109
Verstorbenen oder in den Küchen zur Zubereitung von Fleischspeisen inner¬
halb eines gewissen Zeitraumes geschlachtet wurden. Schließlich enthalten
auch Götteropferlisten und die großen monatlichen Abrechnungen über
Gerste- und Emmerlieferungen einige beachtenswerte Angaben.
Die Textgattung der Kleiderlisten ist insofern besonders interessant, weil
sich bisher aus dieser Zeit keine Hinweise auf das Opfern von Kleidern im
Kult der Götter gefunden haben. Nur in einem Text (BIN 8,390,16), der
sonst Weihgaben an verschiedene Gottheiten vermerkt, wird ein einzelnes
Gewand aufgeführt. Der Name des Empfängers ist weggebrochen. Es bleibt
also offen, ob es einer Gottheit oder einem Ahn zugedacht war.
Die zwei erhaltenen Listen über Schmuck verzeichnen vor allem verschie¬
dene Ausführungen von gü-za, was wohl am ehesten als ,, Halskette" zu
verstehen ist (s. A. Deimel, Or 2,51). Diese Texte haben ihre Parallelen im
Göttorkult. Dort werden auf den Tafeln gü-za zusammen mit drei verschie¬
denen Arten von Kronen (men) aufgeführt. Kronen kommen allem An¬
schein nach nur Göttern zu (s. auch unten S. 112). Beide Arten von Gegen¬
ständen werden dort wiederum als ,,Weihgaben" (nig-a-ru-a) zusammenge¬
faßt. Diese Bezeichnung kommt in den zwei Texten aus demTotcnkult nicht
vor und war vielleicht als Bezeichnung für Opfer an Verstorbene nicht üblich.
Die Schmuck- und die Kleiderlisten haben bedeutsame Gemeinsamkei¬
ten. So kehren die Namen der vier Personen, für die in beiden Urkunden
die Geschmeide bestimmt sind, auch als Kern der Namen in allen Kleider¬
texten wieder. Im übrigen wechselt die Zahl der Empfänger bei den Klei¬
derspenden stark. Es werden bis zu neun Namen genannt, ohne daß ein
Grund für diesen Wechsel ersichtlich wäre.
Welche Personen wurden nun mit den Opfergaben bedacht ? Das Ergebnis
ist enttäuschend, wenn man aus den historischen Inschriften bekannte Per¬
sönlichkeiten erwartet. In allen sieben Texten werden me-nigin^-ta, nin-me-
zid(-da), mi-Sag^-ga und geme^-^a-ba^ genannt. Da Gemebaba schon in
DP 76 II 3 aus dem 6. Jahro Lugalandas^ erwähnt wird, kommt - wenn
überhaupt - von den beiden bekannten Frauen dieses Namens nur die äl¬
tere, die Tochter Enentarzids, in Frage. Nun heißt es verschiedentlich von
Dudu, wohl dem bekannten Priester des Ningirsu der Zeit Entemenas und
Amtsvorgänger des Enentarzid, daß er zusammen mit Ehefrau und Kind
(oder Kindern; dam dumu-nA-ta*) beopfert werde (DP 224 VI 7. XIII 20;
ä Die sicher datierten Urkunden dieser Gruppe vorteilen sich auf den Zeit¬
raum vom 6. Jahre Lugalandas bis zum 3. Jahre Uru-KA-ginas.
■*A. Deimel, Or 2,50 übersetzt diese Wendung mit „von der Frau seines
Sohnes . . . ?", bemerkt dazu aber selbst, daß das dam-dumu-na-ta heißen sollte.
Auch ist die Aufzeichnung der von Privatpersonen gestifteten Opfergaben
durch die Tempelverwaltung des ,Hau.ses der Frau' nieht wahrsoheinlioh. dam
dumu-ne-ta ist also ähnlich zu verstehen wie die mit den Suffixen -bi, -bi-da, -bi-ta gebildeten Ausdrücke. S. dazu Diss. Nr. 4 zu VIII 4.
110 Josef Baüeb
RTC 58 IV 2), und in zwei anderen Texten erhält Dudu einmal mit Ninme-
zida (DP 40 III 10-11. V 1), das andere Mal mit Misaga (Nik 153 I 2. 7)
Opfer, so daß wir vielleicht in Ninmezida die Ehefrau und in Miäaga' die
Tochter Dudus zu sehen haben.
Bei Meniginta und der dreimal erwähnten Mitm (mi-tur)'^ tappt man völlig
im Dunkeln. Viermal wird Gu-NI.DU genannt, womit wohl der Vater Ur-
nanses gemeint ist, dessen Kult besser bezeugt ist als der seines uns durch
seine Inschriften bekannteren Sohnes. Unter den nur einmal Aufgeführten
befinden sich Enentarzid und seine Ehefrau Dimtur (dim-tur).
Die Kleider- und die Schmucklisten sind darüber hinaus noch dmch den
Opfertermin verbunden. Sechs der sieben Texte nennen das Fest der Baba,
nur an diesem höchsten Fest dos lagaschitischen Staates wmde diese Art
Opfer gewährt. Der Schreiber des siebenten Textes (DP 78) hat die Angabe
des Termins als selbstverständlich weggelassen.
Da die Aufstellung von Statuen in der sumerischen Religion eine so her¬
vorragende Rolle spielt, darf man annehmen, obwohl das Wort alavi in den
Totenopferlisten nicht vorkommt, daß Schmuck und Gewänder den Statuen
angelegt oder wenigstens bei ihnen niedergelegt wurden. Keiner der Texte
benennt das Kultgebäude, in dem sich diese Standbilder befanden. Nm
DP 77, eine Liste mit fünf Empfängern, vermerkt nach vier Namen (IV 1-2)
en-en-ne-ne-se, e-ta-ed ,,für die Ahnen, (die) hinausgehen" und nach dem fünften Namen (IV 7) i-ta nu-ta-ed ,,er geht nicht aus dem Tempel hinaus".
Es scheint, daß man mit den Ahnenbildcrn ähnliche Prozessionen ausführte,
wie sie für Götterbilder bekannt sind. Da das e-ki-Ml-la in einer Reihe von
Urkunden als wichtigste Kultstätte des Dudu und seiner Familie erscheint',
möchte man unter e diesen Tempel verstehen. Aber das bleibt unsicher.
Die Weihung der Gewänder konnte entweder von der Frau des Stadtfür¬
sten oder in Vertretung von einem Beamten vollzogen werden. In den vor¬
liegenden Texten werden Sag^-gä-lü-bi, ein Wäscher, zweimal und Baba'iggal,
ein Mundschenk, dreimal erwähnt. Die Möglichkeit, daß etwa der Wäscher
die Gewänder zur Reinigung erhielt, schließt wohl die klare Unterschrift
von DP 77 aus«.
Drei der fünf Kleiderlisten beenden die Aufzählung vor der Addition mit
^ Sie darf nicht mit der S. 107 und unten S. 113 erwähnten gleichnamigen Toch¬
ter Lugalandas verwechselt worden.
' Nach DP 78 IV 4 war sie die Frau eines Feldmessers.
' Z. B. in DP 224 VI 8. XI 1'; RTC 46 II 4; 58 IV 3; MAH 15997 VIII 3.
8 %a-ba^-ig-gal DP 73 VIII 4; 74 V 2; 76 V 1.
Sagt-gd-lü-bi DP 77 V 7; 78 VI 1.
DP 77 V 1-9: ezein-%a-ba^-ka, äag^-sag^, dam wru-KA-gina, lugal, lagas^^-ka-kCf,
en-en-KU.KU-ne, äagi-gd-lü-bi, aSlag-ra, e-na-sum 2. ,,Am Feste der Baba hat
es Sagsag, die Frau des Uru-KA-gina, des Königs von Lagas, für die . . . Ahnen Saggalube, dem Wäscher, gegeben. 2. (Jahr)".
Zum Totenkult im altsumerischen Lagaach III
dem Ausdruck Su-a tag^^a-am^. Zweimal stehen vor diesem Ausdruck eine
bzw. zwei Kleiderbezeichnungen, einmal folgt er unmittelbar auf den Namen
des letzten Empfängers. Welcher Verwaltungsakt damit verbunden war,
bleibt unklar. Die Listen enthalten keine Geschenke an die beiden für die
Frau des Stadtfürsten agierenden Beamten*.
Zwei weitere Quellengruppen erwähnen neben anderen Hinweisen auf die
pietätvolle Sorge für die Abgeschiedenen den Kult an Statuen ausdrücklich.
Es sind die Listen über die Speiseopfer an den hohen Götterfesten und die
großen monatlichen Abrechnungen über die regelmäßigen Gerste- und
Emmerlieferungen.
Es scheint, daß die in den Götteropferlisten genannten Statuen alle noch
zu Lebzeiten der dargestellten Persönhchkeiten von ihnen selbst in den Tem¬
peln aufgestellt worden sind. Ihre Stifter setzten, wie das für Gudea bekannt
ist, sich aber auch für Sagsag, die Prau des Uru-KA-gina, nachweisen läßt,
auch schon zu ihren Lebzeiten Rationen für ihre Bilder fest. Nach dem Hin¬
scheiden der Dargestellten wurden sie zum Mittelpunkt der Verehrung des
Toten, und wenn auch die regelmäßigen Zuwendungen mit der Zeit ausge¬
blieben sein dürften, so erhielten sie doch wenigstens an den Festen der Gott¬
heit mit Emblemen und heiligen Gegenständen im Inneren des Tempels
Anteil an den Opfergaben. So standen acht Statuen der Zella (alam-e-&ag^-
gay^ zusammen mit einem Standbild des Dynastiegründers Urnanse^^ im
Heiligtum der Nanse in Siraran und wurden an den Nanse-Festen beopfort^^.
Ein Bild der verstorbenen Baragnamtara, der Frau des Lugalanda, und
eine Statue der Sag§ag, die im 2. Jahre des Uru-KA-gina natürlich noch
lebte, befanden sich nach DP 54 VI 3.5 (UK 2) wohl im Tempel der Baba in
der Heiligen Stadt. Mit den Gaben an die beiden Statuen schließt dort die
Aufzählung der Opfer des 1. Festtages. Unmittelbar davor sind Opforgaben
für das ib-id-eden-na vermerkt, dessen Lage in oder bei der Heiligen Stadt
dm-ch Fö 5 gesichert ist. Der Festtermin ist in DP 54 XIII 1-2 mit Sicher¬
heit zu [ezem-kisaiyia, \ezeni\-^[ba-ba^-k]a-ka ,,am Vorhoffest des Baba-
Festes" zu ergänzen.
Ein weiterer Text (DP 55) erwähnt Opfer an einem nicht genannten und
sonst unbekannten Fest der in Gu'aba beheimateten Göttin Nin-MAR.KI.
In ihrem Tempel in Gu'aba standen Bildwerke der Ninhilisuga, der Frau
» Su-a tagt-a-amg DP 78 V 4; Fö 163 V 1; 164 VI 1. Die Darlegungen m Diss.
Nr. 167 zu V 1, Nr. 33 zu IV 1 und Nr. 163 zu IV 4 sind in dieser Weise zu be¬
richtigen.
1» S. DP 53 IX 14; Nik 23 XI 6'; TSA 1 IX 11.
" Die Anfertigung seiner Statue berichtet Urnanse vielleicht in CIRPL
3 Um. 25 III 2-3: l[u]gal ur-^lnanSe], mu-tud.
1* Im 4. Jahre Lugalandas kam noch ein Bildwerk der Nan§e, der Muttor
Lugalandas, hinzu (Nik 23 XI 3').
112 Josef Bauer
des Entemena, des Entemena selbst und eines sonst unbekannten Irkug-
nuna (V 3-5).
Naoh DP 66 VI 7-8 erhält am Feste ,Malzessen des Ningirsu' ein Bild¬
werk des Lugalanda mit Namen ^nin-gir-su gir-nun-Se nu-[k]M „Sorgt sich
Ningirsu nicht um Girnun?" oder „Ningirsu braucht sich nicht um Girnun
zu sorgen" Opfergaben. Hier könnte es sich aber auch um ein im Auftrage
Lugalandas angefertigtes Bild des Gottes Ningirsu handeln.
Nach A. Deimel, Or 28,60, der auf DP 69, einer Woihgabenhste für Nin-
MAR.KI, fußt, gab es auch eine Stele der Sagsag {na-rü-a, sag^-Sagykam II
4-5). Doch ist im Text SagySag^kam durch einen Zeilenstrich von rm-rü-a
getrennt und steht parallel zu en-gil-sa-kam in III 4. Das soll besagen, daß
die zuerst genannten üppigeren Weüigeschenkc aus dem Besitz der Sagsag
stammen, die folgenden geringeren aus dem Besitz der Engilsa. Für die
Stele wird nun die Weihung einer Krone verzeichnet. Ist die oben S. 109
mitgeteilte Beobachtung richtig, daß nur Göttern Kronen zukamen, kann
die Stele schon damals nur als vergöttlicht und nicht als Darstellung eines
Menschen angeschen worden sein, obwohl das Gottesdeterminativ fehlt.
Außer der Stele nennt der Text noch ^nin-MAR.KI, e-tür und ^igi-ama-hk.
Nach A. Falkenstein, AnOr 30,107, bestand dieser Kult der Nin-MAR.KI
mit Igi'ama-se und der vergöttlichten Stele (dort mit Determinativ ge¬
schrieben) in Gu'aba noch in der Ur Ill-Zeit.
An den beiden mehrtägigen Festen zu Ehren der Göttin Nanse, dem Fest
,Gersteessen-' und dem Fest ,Malzessen der Nanse', besuchte die Frau des
Stadtfürsten in großer Prozession von Girsu aus die Kultstätten in Lagasch
und Siraran und brachte dabei auch am ki-a-nag von Lagasch und am
ki-a-nag von Siraran Opfer dar. Auch an zwei anderen allein in Siraran be¬
gangenen Festen opferte die Frau des Stadtfürsten an der Libationsstätte
dieser Stadt^*. Nicht erwähnt wird, ob an diesen beiden Kultstätten nur
eine berühmte Persönlichkeit, eine bestimmte Gruppe oder alle Verstorbe¬
nen der Stadt verehrt wurden. Da aber einmal in DP 53 II 10-11 (LA 3) an
Stelle von ki-a-nag lagas^i(-sal-a) ki-a-nag-lugal, lagas'^^-a, also ,, Libations¬
stätte des Königs" oder „der Könige in Lagas" steht, kann die letzte An¬
nahme für diese Libationsstätte ausgeschlossen werden. Die an einem
ki-a-nag dargebrachten Opfer sind nach Art und Menge etwa dieselben wie
für eine niedrigere Gottheit.
Nur durch zwei Götteropferlisten und eine Notiz in einer Schlachtvieh¬
abbuchung bekannt ist der Kult des me-kul-db^''i-ta^*, der zusammen mit
dem vergöttlichten Gilgamesch zum Fest des Vorhofes des Baba-Festes
am Gilgamesch-Ufer Opfer erhält. Der Name des me-kul-ahj'^-ta ,,die ,gött-
" Belegstellen s. bei A. Deimel, Or 28,60.
" S. DP 54 XI 4; 218 IV 2"; Fö 74 X 8.
Zum Totenkult;im altsumerischen Lagasch 113
liehen Kräfte' (kommen) aus Kulab''^^ und die Verehrungsstätte deuten
auf eine Verbindung zu Gilgamesch und Uruk hin, mehr läßt sich zu dieser
Gestalt nicht sagen.
Bei der Dmchsicht der großen Listen über die regelmäßigen, monatlichen
Gersten- und Emmerausgaben fallen einige Posten ins Auge. Der Priester
Dudu wird mit einer Gerstelieferung in Höhe von ^j^ 1/24 ,Haupt'-Gur
bedacht. Diese Zahlung können wir von der ältesten erhaltenen Liste dieser
Art aus dem 4. Jahre Enentarzids^* bis zum 3. Monat des 1. Königsjahres
des Uru-KA-gina (STH 1,32 V 10-12) verfolgen. Sie erscheint nicht mehr
in der nächsten erhaltenen Abrechnung vom 4. Monat des 2. Jahres des
Uru-KA-gina (DP 158). Da Dudu, der Priester, sicher der aus den lüstori-
schen Inschriften bekannte Zeitgenosse Entemenas ist, dessen Nachfolger
im Priesteramte des Ningirsu schon zu Ende der Regienmgszeit des En¬
temena Enentarzid war, kann es sich nur um Autwendungen für den Toten¬
kult handeln. Sein Kult bestand nach A. Falkenstein, NG 2,230 zu 196,24
noch in neusumerischer Zeit.
Weiter gehören hierher die Gerste- und Emmerausgaben für Bier und
Brot für das ki-a-nag. Sie sind zum ersten Mal sicher in einem Text aus dem
12. Monat des Jahres des Lugalanda, als dieser noch nicht inthronisiert war
(Nik 62 II 5-III 3), zu belegen. Auch diese Zahlimg wird unter Uru-KA-gina
eingestellt. Sie wird zuletzt im 2. Monat des Ensijahres des Uru-KA-gina
gebucht (Fö 9 IV 11-V 4) und schon in der nächsten Monatsabrechnung
(DP 152 [ÜKe 1,3]) nicht mehr geführt.
Nicht in unseren Zusammenhang gehören die Ausgaben für die beiden
Töchter des Lugalanda, Gemenanse und Misaga, und zwar weder die recht
großen Mengen an Emmer und Gerste zur Herstellimg von Stark- und Dun¬
kelbier etwa in RTC 51 III 16-V 5 (LA 5,8), die ihnen zu Lebzeiten ihres
Vaters zuflössen, noch die wesentlich geringeren Zahlungen unter Uru-KA-
gina^'. Es sind ^j^ ,Haupt'-Gur Emmer für Brot. Dmch eine Lücke in der
Kette der Texte erst vom 5. Monat des 5. Jahres des Uru-KA-gina (STH 1,
35 V 12-14) ab zu verfolgen, wnd sie noch in VAT 4641 (= Or 32,39-40)
VII vom 6. Monat des 6. Jahres desselben Herrschers aufgeführt**.
" S. Diss. Nr. 155 zu X 8.
i« Nik 67 VI l'-2': [»/i V24 ^e. sd-dug^], sanga [du-du].
" Da der Hofstaat der beiden Töchter z. B. noch im 5. Jahre des Lugalanda
ausgelöhnt wurde (RTC 53 [LA 5,8]), sind die Zahlungen unter Lugalanda
sicher als Unterhalt für seine Kinder anzusehen, und gerade das Abschaffen
monatlicher Lieferungen an die Verstorbenen, das unter Uru-KA-gina zu be¬
obachten ist (s. S. 114), sprieht dafür, daß die Zahlungen Lebenden gegolten
haben.
1* Ein letzter Text ähnhcher Art (DP 150) liegt über den 7. Monat des 6.
Jahres vor; er verbucht jedoch nur die (?ers<enausgaben. Eine Abrechnung über
die Emmerlieferungen desselben Monats scheint sich nicht erhalten zu haben.
.:iäm,&,.
114 Josef Baxter
Auch nicht in den Zusammenhang des Totenkultes gehören die monat¬
lichen Zahlungen der Sagsag für ihre Statue. Es wird sich dabei um das
schon oben S. III erwähnte Bildnis handeln; denn beide Texte, die Götter-
opferliste DP 54 und der erste Lieferungstext, der diese Zuweisung verbucht,
Nik 64 V 2-5 (UK 2,11), stammen sicher nicht zufällig aus dem 2. Jahre
Uru-KA-ginas. Diese Zuwendung wird mit Ablauf des 5. Jahres eingestellt
(TSA 35 V 5-9 [UK 5,13]). Sie ist in Nik 57 (UK 6,1) nicht mehr zu finden.
Da Girsu das Verwaltungszentrum des Staates Lagasch gewesen ist, darf
man vermuten, daß das erwähnte ki-a-nag, die ungenannte Kultstätte des
Dudu und der Standort des Bildes der Sagsag in der bei oder in Girsu gele¬
genen Heiligen Stadt zu suchen sind. Als Standort des Bildnisses der SagSag
konnte schon oben S. III der Babatempel der Heiligen Stadt wahrschein¬
hch gemacht werden. Man kann weiter vermuten, daß die Lieferungen für
den Priester Dudu seiner wichtigsten Kultstätte, dem e-ki-Sdl-la (s. S. 110),
zugute kamen, dessen Lage bei der Heiligen Stadt ebenfalls sicher ist-**.
Von den aus dieser Zeit bekannten Libationsstätten aber kann nm das
ki-a-nag des Enentarzid in der Heiligen Stadt gelegen haben^'.
Die großen Getreidelieferungslisten lassen erkennen, daß der Reformer
Uru-KA-gina die den Tempeletat stark belastenden monatlichen Zuwendun¬
gen für Enentarzid und Dudu strich, doch verfielen weder diese beiden noch
etwa sein unmittelbarer Vorgänger Lugalanda einer damnatio memoriae.
Denn die großen Totenopferlisten bezeugen Opfer für sie an den Festtagen
bis in das 3. Jahr Uru-KA-ginas. Für Enentarzid und Lugalanda liegt sogar
noch eine Notiz für das 5. Jahr dieses Königs vor (Nik 89 I 5-6); spätere
Nachrichten sind nicht erhalten. Der Kult Dudus dauerte, wie erwähnt,
bis in die neusumerische Zeit an, und das Andenken Urnanies trug eine
große Nanäehymne bis in die altbabylonische Zeit weiter^*.
" S. Diss. Nr. 14 zu IV 1.
" Die Ausführungen in Diss. Nr. 41 zu III 9 sind so zu berichtigen. Zu den
dort aufgeführten Libationsstätten ist ein ki-a-nag in URUxKÄR''^ (DP 212,
RTC 59) nachzutragen.
21 S. SLTNi 67 luid Dupl. Z. 35-39, in Übersetzung bei A. Falkenstein, AnOr 30,44.
ZUR DATIERUNG GUDEAS VON LAGAg
Von Herbert Saueen, Heidelberg
Die Einordnung der II. Dynastie von Lagas* und damit des Stadtfürsten
Gudea in den historischen Ablauf des ausgehenden 3. vorchristlichen Jahr¬
tausends wurde in den letzten Jahren wiederholt versucht. Seit der um¬
fassenden Darstellung E. Sollbergers über die Chronologie der Könige von
Ur, AfO 17 (1954-56), 10^8, hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß die
Famihe Urbabas vor Beginn der Herrschaft der III. Dynastie von Ur in
Lagaä regierte, s. etwa C. Gadd, CAH I 19, 44-46; A. Falkenstein, AnOr
XXX/1, 1-16; D. 0. Edzabd in: Fischer Weltgesch. II/l, 116-164;
H. Schmökel, HdO II/3, 52-63. Abweichend davon vertrat W. von Sodbn,
Propyl. Weltgesch. I 554 die Datierung Gudeas in die Zeit Urnammus und
der beiden ersten Jahrzehnte Sulgis. A. Paebot, Sumer 199, hält die sichere
historische Einordnung für ungeklärt.
1. Eine kleine Wirtschaftsurkunde, das Etikett eines Tontafelbehält¬
nisses, trägt m. E. wesentlich zur Klärung dieses Problems bei. Die pisan-
dub-ba-Taiel ITT III 6045 nennt:
1. die Götter, denen geopfert wmde, 2. den Anlaß, aus dem die Opfer stattfanden,
3. die Tempel, für die die Opfer bestimmt waren (?),
4. die Opfer Spenderinnen. Der Text lautet: pisan-dub-ba^ sd-du^-^-dingir- re-ne ^nan&e ^Sul-gi ''wm-MAB.Ki-wi-[grjjg-]sa3 ^xsii-dul^-la-dingir-re-ne Sä
1 S. zu dieser Bezeichnung A. FALKENSTErN, AnOr XXX/1, 6; D. O. Edzard,
Fischer Weltgesch. II/l, 117.
2 S. zu den pisan-dub-ba-Te-Kten A. Ungnad, ZA NF 4 (1929), 78; R. T.
Hallock, AS VII 66 zu Z 269; T. Fish, MCS 1 (1951), 20-26; N. Schneider,
Or NS 9 (1940), 1-16 und A. Falkenstein, NG III 151. Die Lesung Sux-dub-ba
wurde von B. Landsberger, JCS 9 (1955), 125^2 für die Berufsbezeichnung des
,, Rechnungsführers" nachgewiesen. S. aueh E. Sollberger JCS 19 (1965), 27, 1 Sä-dub-ba; ders. TCS I 172 und 161.
3 Zur Ergänzung s. A. Falkenstein, ZA NF 24 (1967), 9; ders. AnOr XXX/1,
153 mit Anm. 8-10.
* Die Stelle ist epigraphiseh schwierig. N. Schneider, KWU 855 liest Su•dul^■la
„Joch". S. Gudea Stat F III 12; Zyl. B XV 10 Su^-dulJ^-la, dazu A. Falken¬
stein, AnOr XXVIII 10. Das erste Zeichen weist jedoch zu Beginn einen senk¬
rechten Keil auf imd ist wohl eher äi: zu lesen. So wird man kaum tüg „Kleid"
einsetzen dürfen, obwohl dulf, das mit dul, katämu, ,, bedecken" wechselt, häufig
von Kleidern ausgesagt wird, s. A. Falkenstein, AnOr XXIX 107; AHw