Zur Geschichte der Omaijaden.
Von Theodor Nöldeke.
Als der Chalif Jazid I Dienstag den 14. Rahi' I, 64 1) (= Diens¬
tag den 10. Nov. 683) zu Chuwärin (NNO. von Damascus) gestorben
war-), folgte ihm sein Sohn Mo'äwija II. Er war von vorn herein
als Thronfolger angesehen worden; das erhellt aus dem Gedichte,
das 'Abdallah b. Hammäm asSalnll an JazTd bei seinem Regierungs¬
antritt richtete, Kämil 785; Iqd (Ausg. Cairo 1302) 2, 309; und
so war er auch förmlich zum Nachfolger bestimmt worden Tab.
2, 430. Er war noch sehr jung , wenn auch gewiss nicht erst
beinahe 13 Jahr alt Tab. 2, 432, denn dann hätte jener Dichter
3^2 Jahr früher einen noch nicht 10jährigen Knaben als Thron¬
erben bezeichnet. Andere nennen als das Alter , das er überhaupt
erreicht hat (seine kurze Regierungszeit also immer mitgerechnet) 17 Jahre Ibn Qotaiba, Ma'ärif 179; 21 Jahre») Hamza, cod. Leid.");
1) Dies Datum geben Chuwärizmi bei Elias von Nisibis (Baetligen, Frag¬
mente syrischer und arabischer Historiker) 31 [117]; Tab. 2, 427 f.; Mas'udI, Tanbih 307 u. s. w. Auf einem Ueberlieferungsfehler muss es beruhen, das»
Ibn Kelbl den 14. Rabl 6 3 genannt habe Tab. 2,428. Ja'qübi 2, 301 setzt Jazid's Tod in den Monat Safar, Mas'üdi 5,126 nennt den 14. Safar und im
Tanbih 306 den 13. Safar. De Goeje zum Tanbih a. a. 0 möchte in der
letzteren Angabe dns wahre Datum des Todes und im 14. Rabi' I vielmehr den Tag sehen , an welchem die Kunde davon die Mekka belagernden Truppen er¬
reicht habe. Die Zwischenzeit betrüge aber gerade einen Monat: den gebraucht etwa eine Karawane von Chüwäiin bis Mekka, sicher nicht eine durch Eilboten übersandte Nachricht von der Wichtigkeit. Dazu kommt, dass die Angabe de»
Wochentags, die zum Monatstag stimmt, viel eher bei dem Todesdatum zu er¬
warten ist als bei dem andern Ereigniss. Endlich scheinen mir auch die Gewährs¬
männer für das spätere Datum besser zu sein als die für das frühere. — Bei¬
läufig bemerke ich, dass Wüstenfeld's Index zu Jäqüt S. 692 den oben genannten Chuwärizml mit einem weit späteren Manne des Namens verwechselt. Jener wird bald nach der Mitte des 3. Jahrhunderts d. H. gestorben sein; er wird noch beim Jahre 252 erwähnt Tab. 3, 1647.
2) Da hatte er viel gelebt Ja'qflbi 2, 16, und da ist er auch begraben worden , was uns namentlich die Verse gleichzeitiger Dichter bezeugen Tab.
2, 488, 14; Mas. 5, 127, 1, 4.
3) Ich ignoriere die einzelnen Tage oder Monate, dio teilweise hinzugefügt
■werden.
4) Diese Angaben fehlen in Gottwaldt's Ausgabe 8. 156.
Ibn Atbir 4, 108 u. A. m. ; 22 Jahre Mas. 5, 170; 23 Jabre Ja'qübi
2, 303. Da Jazid gegen 40 Jahr alt geworden zu sein scheint
so ist auch die höchste Zahl für seinen Erstgeborenen immerhin
möglich. Und nur ganz kurze Zeit hat dieser nach seinem Antritt
noch gelebt. Bloss 20 Tage rechnet dafür Ibn Ishäq bei Ibn Qot. 179;
40 Tage ist die gewöhnliche Angabe Ibn Qot. eb. ; Ja'qübi 2, 302;
Tab. 2 , 432 ; Mas. 6 , 50. 9 , 50 ; Eutychius 2 , 362; 2 Monate nennt
Belädhorl 229 (aber wohl nach seiner angeblichen Abdankung);
2 Monate und 20 Tage Chuwärizml a. a. 0.; 3 Monate 22 Tage
Mas. 9,41; Hamza, cod. Leid.; ungefähr 4 Monate Barhebraeus
Chron. syr. 115 (HO Bedjan) und zwar 3 Monate 20 Tage nach
seiner Abdankung Barh. eh.; „kein halbes Jahr" Chronica minora saec.
IV — VII ed. Mommsen 2, 345 (= Mon. Germ. hist. Auctores anti¬
quissimi XI). Vgl. noch Mas'üdT, Tanbih 307; Ibn Athir 4,108.
Man sieht , die wirkliche Zahl seiner wenigen ßegierungstage war
nicht bekannt. Auch weiss man die ürsache seines Todes nicht,
s. Tab. 2,403; Mas. 5,170. Natürlich redet man unter Anderem
auch hier von Vergiftung. Vielleicht ist er an Gelbsucht-) ge¬
storben; dass er an dieser litt, wird ausdrücklich überliefert Tan¬
bih 307. Diese Nachricht, welche zugleich angibt, dass er von
Mittelgrösse und mager gewesen, sieht vertrauenswert aus.
Ich habe schon angedeutet, dass Mo'äwija II nach Einigen auf
die Herrschaft verzichtet habe, s. Belädhorl 229; Tab. 2, 468; Mas.
5,169; Barhebraeus a. a. 0. Ich möchte glauben, dass diese An¬
gabe von der Partei Marwän's'') oder seines Sohnes aufgebracht
worden sei ; diesen lag ja viel daran , festzustellen , dass mit JazTd
das Haus Mo'äwija's I als Dynastie erloschen sei. Wie wenig
darauf zu geben, was man dem kurzlebigen Monarchen in den Mund
legt sieht man am besten daraus, dass scbiitiscbe Erdichtung ihm
sogar eine rein schütische Rede halten lässt Ja'qübT 2, 303; Bar¬
hebraeus, Chron. arab. 197. Es klang den Schiiten so erbaulich,
dass der Omaijade 'AU's Recht, das Unrecht seines Grossvaters und
den Frevel seines Vaters anerkannte und .gottselig die unrecht¬
mässige Herrschaft niedergelegt habe !
Der junge Fürst hat aber wirklich regiert. Die oben citierte
lateinische Chronik, von der ich glaube nacbgew^iesen zu haben,
dass sie aus einer griechischen , noch zur Omaijadenzeit in Syrien
geschriebenen übersetzt worden ist''), sagt ausdrücklich, dass er,
1) Die Angaben schwanken zwischeu 35 und 39 Jahren, s. Tab. 2,428;
Ibn Qot. 108; Ja'qübi 2,303; Hamza, cod. Leid. ; Mas. 5,170; Ibu Athir 4,108 u. A. m.
3
2) Oder welche Krankheit sonst unter zu verstehen ist.
3) Die Schreibung Maroan in der lateinischen Chronik, Magovüu bei Theophanes weist darauf hin, dass man damals dio erste Silbe noch mit reinem a sprach.
4) A. a. 0. S. 308 f. Natürlich ist da 3G9, 1 Jazidum flir Validum zu lesen.
wie sein Vater i), ein milder Herrscher gewesen sei und allen
Provinzen ein Drittel des Tributs erlassen habe. Diese positive
Nachricht zu verwerfen haben wir keinen Anlass. Die Erleichterung
der Abgaben ist eine entschiedene Regierungshandlung. Sie bezieht
sich sicher auf die den Christen obliegenden Leistungen ; dem
Herrscher oder seinen Ratgebern mochte es zweckmässig scheinen,
auch in den Christen, welche damals noch die grosse Majorität der
Bewohner Syriens bildeten, für den wankenden Thron eine Stütze
zu suchen. Weniger Gewicht lege ich darauf, dass uns auch sein
Secretär und die Inschrift seines Siegels genannt werden TanbTh 307,
denn wenn auch Beides nothwendig auf einen wirklichen Herrscher
geht, so werden solche Angaben doch leicht schematisch zurecht
gemacht. In unserem Falle lag ja die Vermuthung nahe, dass der
Cbrist Sergün (syr. tiergonä) auch Mo'äwija's II Secretär gewesen
sei, wie er als solcher bei Jazid und bei Marwän genannt wird
Tab. 2,837; Tanbih 306. 312.
Auf alle Fälle hat sich aber seine Regierung nur auf die
Hauptstadt und einige benachbarte Gegenden erstreckt. Das Heer
Jazid's , das Medina niedergeworfen hatte und nahe daran war,
Mekka einzunehmen und somit den Gegenchalifen 'Abdallah b. Zubair
unschädlich zu machen, dessen unerbittlicher Pührer Muslim b. 'Oqba
aber vorher gestorben war, kebrte bei der ganz unerwarteten
Nachricht von Jazid's Tode heim , ohne seinen Sohn anzuerkennen.
Bei etwas mehr Geschick wäre Ibn Zubair damals Herr des Reiches
gewesen, aber auch so gestalteten sich seine Aussichten wieder sehr
günstig. Da erstand ihm jedoch nach Mo'äwija's Tode unerwartet
ein überlegener Gegner. Marwän b. Hakam war in jener Zeit
ebenso das anerkannte Haupt des ganzen Omaijadengeschlechts-), wie
es nach 'Othmän's Ermordung Mo'äwija b. Abi Sufjän gewesen
war. Ist uns der zweite Mo'äwija schattenhaft, so steht uns Marwän
ziemlich klar vor Augen. Ich will hier kurz die Hauptmomente
seines früheren Lebens vorführen»). Er soll im Jahre 2 d. H.
geboren worden sein Ibn Qot. 179; Ihn Abi Haitham bei Mas. 5, 208;
Ibn Athir 3, 159. üngefähr wenigstens wird das richtig sein.
Genau dazu stimrat die Angabe, dass er 63 Jahre alt geworden sei
Tab. 2, 577 f.; Mas. 5,207, aber freilich mag man die eine dieser
beiden Zahlen erst aus der anderen abgeleitet haben. Andere geben
ihm 61 Jahre Tab. eh.: Ja'qübi 2, 307; Tanbih 311; Eutychius 2, 365.
1) Dies Urtheil des Christen über Jazid ist wichtig; stimmt übrigens, wenn man Alles unbefangen erwägt, zu dem, was sonst über ihn berichtet wird.
Jazid war kein exemplarischer Muslim, aber sicher auch kein • ^^"^ leicht¬
lebige, liebenswürdige Mann wurde in der Ueberlieferung vielfach zum Scheusal, weil der Tod Husain's und die Harra-Schlacht unter seiner Kegierung stattfanden.
2) ^JlXj Tab. 2, 415 beim Jahr 62.
3) Bei manchen hier berührten Ereignissen erschien es Uberflüssig, histo¬
rische Quellen zu citieren.
Gegen höhere Zahlen '). die auch für sein Lebensalter angeführt
werden , spricht , dass Marwän nicht vor dem Ende der zwanziger
Jahre hervortritt, nämlich bei einem Feldzug in Africa im Jahre 27,
28 oder 29 Belädhorl 226; Tab. 1,28182). p^nn spielte er eine
grosse Rolle als die rechte Hand seines Vetters, des Chalifen 'Othmän
in dessen letzten Jahren. Er hätte den schwachen Mann vielleicht
gerettet, wenn der seinen Ratschlägen consequent gefolgt wäre.
Bei der Katastrophe des Chahfen ward Marwän verwundet ^), und
mit Mühe den Händen der gegen ihn besonders wüthenden Auf¬
ständischen entzogen. Er hielt aber das Todten-Salät über 'Othmän.
Dann betheiligte er sich an dem Zuge gegen 'All. Er konnte ja
mit ganz anderem Rechte als Rächer 'Othmän's auftreten denn
die heuchlerischen Anführer der Expedition. In der Kameeischlacht
wurde er wieder verwundet, ünter Mo'äwija war er zweimal längere
Zeit (41 Tab. 3, 2477 oder 42 Tab. 2, 16 — Rabl' L 49 Tab. 2, 86«)
und 54 Tab. 2, 164 — Dhulqa'da 57 Tab. 2, 180 f.) Statthalter von
Medina. Er führte da ein strenges Regiment, unterdrückte nach
Kräften allerlei Liederlichkeit (Agh. 2, 171. 4, 64. 16, 61), bestrafte
Münzfälschung hart Belädhori 470 ünd sperrte manchen Beduinen
wegen Räubereien ein, s. die im Delectus carm. arab. 50 citierten
Stellen, ferner Agh. 11,45. 19,163; vgl noch Hamäsa 159 oben.
So gewiss wie Mo'äwija den tüchtigen und angesehenen Mann
geschätzt hat, so scheint er doch auch einige Eifersucht gegen ihn
empfunden zu haben. Er wusste ja aus eigener Erfahrung, welche
Macht eine lange ununterbrochene Statthalterschaft ihrem Inhaber
geben konnte, und dazu kam noch, dass Marwän das Haupt des
Zweiges der 'Omaijaden war, dem 'Othmän angehörte und dem die
Blutrache für diesen, wodurch das Geschlecht Omaija's überhaupt
auf den Thron gekommen war, zunäcbst anging. So setzte er ihn
zweimal wieder ab und nahm ihm auch wieder die ihm verliehene
Domäne Fadak Mas. 5, 66. Ferner_ schürte er etwas die Rivalität
zwischen Marwän und Sa'id b. 'Asi, dem Haupt eines anderen
Zweiges des Geschlechts*) Agh. 12, 73 u. s. w. Alles dies ist
1) 71 Tab. a. a. O.; 75 Hamza cod. Leid.; 81 Tab. a. a. 0.
2) Agh. 6, 58 f. wird gar das Jahr 26 genannt.
3) Vgl. dazu noch Belädhorl 119.
4) Die da angegebene Dauer von 8 Jahren 2 Monaton führt wieder auf 41 als Anfangsjahr.
5) Omaija
Abul 'Äsi 'Äsi Harb
, — I ■ I
'Affän Hakam Said Abü SufjSn
l'l .1 I
Othman Marwän 'Asi Mo'äwija I
I I I
'Abdalmelik Sa'id Jazid
'Amr alAsdaq Mo'äwija II
Die cursiv gedruckten sind ChaUfen.
echt arahisch! Anfangs widerstrebte Marwän seinerseits der An¬
erkennung Jazid's als Thronerben Agh. 18, 71 (besonders s. Zeile 3
von unten); 16,94; Mas. 5,72, aber später trat er für sie ein, s.
z. B. 'Iqd 2,308, ünd er gab unmittelbar nach dessen Thronbe¬
steigung in Bezug auf die anderen Prätendenten guten Eat, der
leider nicht befolgt wurde Tab. 2, 217.
Dieser Mann also war kühn .genug, dem Ibn Zubair einerseits,
der Anarchie andrerseits entgegenzutreten, indem er sich selbst
zura Chalifen erklärte. Zur Seite standen ihm namentlich 'Obaidalläh, des klugen Zijäd gewaltsamer Sohn, der sich aus 'Iräq hatte flüchten
müssen, und Hassän b. Mälik, der angesehenste Führer des grossen,
die syrische Wüste erfüllenden Kelb-Stammes. Beide standen dem
Omaijadenzweige, der bis dahin regiert hatte, näher: Zijäd galt ja
als Halbbruder des ersten Mo'äwija , und Jazid's Mutter Maisün
hint Bahdal war eine Tante Hassän's '), aber sie hatten sich über¬
zeugt , dass , wenn die Herrschaft den Kindern Omaija's überhaupt
bleiben solle , nur ein erprobter Mann , kein ganz junger Mensch
wie Jazid's Sohn Chälid an die Spitze treten müsse. Als Tag, an
dem man dem Märwän huldigte , wird genannt Mittwoch der
3. Dhulqa'da 64 (= Mittwoch dem 22. Juni 684) Tab. 2, 473
(Wäqidi) 2) und Dienstag der 6. Muharram 65 (= Dienstag dem
23. August 684). Beide Daten können richtig sein, denn in diesen
wirren Zeiten, wo die einflussreichsten Männer vielfach schwankten,
welche Partei sie ergreifen sollten, werden verschiedene Acte der
Anerkennung des neuen Prätendenten vorgefallen sein. Wenn aber
Tanbih 307 und Eutychius 2, 362 schon den Ragab 64 (= Febr. März
684) als den Monat der Huldigung nennen , so beruht das auf
der Fiction, dass Marwän unmittelbar nach Mo'äwija's II Tode die
Herrschaft angetreten habe, nämlich nach der oben mit angeführten
Annahme, dass dieser 3 Monate und 22 Tage regiert habe; das
reicht von JazTd's Tod am 14. Eabi' I gerade bis in den Eagab hinein.
Mit grosser Tbatkraft hat Marwän dann das fast unmöglich
Scheinende vollbracht, dem Chalifat seines Hauses eine feste Basis
zu erobern. Ich gehe hier nicht auf das Einzelne ein , beleuchte
auch nicht näher, welch entscheidende Eolle die von den Kelb dem
Marwän geleistete Hülfe und überhaupt der Gegensatz der grossen
arabischen Stammgruppen in diesen Kämpfen gespielt hat. An
offenen und geheimen Gegnern fehlte es Marwän nicht. Es ist
ganz glaubwürdig, dass sogar der etwas schwachsinnige'') 'Abdallah,
1) Bahdal
Mo'äwija I — Maisün Mälik
I I
Jazid HassSn
Mo'äwija II Chälid
2) Tab. 2,477 hat als Huldigungstag einen Donnerstag.
3) Tab. 3, 204. Dieselbe schöne Geschichte wird Ibn Qot. 180 von einem andern idiotischen Prinzen, Marwän's Sohn Mo'äwija, erzählt.
Bd. LV. 45
Sohn Mo'äwija's I, lieher dem Ibn Zubair die Krone gegönnt als
seinem Vetter und in der Schlacht bei Marg Rähit gegen diesen
gekämpft habe 'Iqd 2, 321.
Marwän heirathete eine Wittwe Jazid's, die Mutter des bei
Seite gesetzten Chälid, wie man sagt, um diesen zu demüthigen.
Lieber wird man die Sache aber so auffassen, dass er durch diese
Verbindung mit der vorigen Dynastie seine eigene befestigen wollte.
Aehnliches ist beim Wechsel orientalischer Herrscherhäuser öfter
geschehen. So hat auch sein Sohn 'Abdalmelik eine Tochter Jazid's,
'Ätika geheirathet , und zwar scheint zwischen diesen Beiden ein
recht zärtliches Verhältniss bestanden zu haben, s. Agh. 2,139 f.
8, 35 (auch 'Iqd 2, 326, und öfter erzählt).
Marwän starb aber schon Sonntag den 27. Ramadän 65 (= Sonn¬
tag den 7. Mai 685) Chuwärizml a. a. 0.^) nach einer Regierung
von weniger als einem Jahre. Da sich schwer bestimmen lässt,
welcher Tag der eigentliche seiner Thronbesteigung oder seiner An¬
erkennung als Herrscher war, so liess sich keine sichere Berechnung
seiner Regierungszeit geben. Die oben genannten Tage würden auf
8 Monate 22 Tage oder aber auf 10 Monate 25 Tage führen, aber
eben diese speciellen Zahlen haben keine Quelle.'-) — Die Ursache
von Marwän's Tode ist wieder unbekannt. Die gewöhnliche Er¬
zählung, dass ihn seine eben genannte Frau Umm Chälid, um eine
ihrem Sohn und ihr selbst widerfahrene Kränkung zu rächen, selbst
oder durch ihre Mädchen erstickt oder vergiftet habe Ja'qübi 307
u. A. m.ä), ist recht unwahrscheinlich, denn in dem Falle hätte sein Sohn 'Abdalmelik, der ihm unmittelbar folgte, die Frau sicher nicht,
und auch kaum den Sohn , am Leben gelassen. Die Ausrede , er
1) Den Ramadän nennen nocb Ja'qubi 2, 307; Tab. 2, 576; den 3. Ramadän (das war ein Donnerstag) Tanbih 311; Sonntag den 1. Ramadän (= 11. April) Mas. 5,209, aher das war ein Dienstag. Nun kann bei dem rohen muslimischen Kalender zwar wohl ein Monat 1 oder selbst 2 Tage zu spät angefangen werden, nicht aber 2 Tage zu früh. Eutychius 2, 365 setzt Marwän's Tod schon in den Rabl' I, 65; das ist nach ungenauer Schätzung der Summe der Regierungszeiten Mo'äwija's II und Marwän's zu einem Jahre vom Tode Jazid's im Rabl' I 64 erschlossen.
2) Gewöhnlich nennt man 9 Monate; so scbon der alte Syrer bei Land, Anecd. syr. 1,40; femer Tab. 2,578; Eutychius 2,365; Theophanes zum Jahre 6175. 9 Monate und einige Tage hat Mas. 5, 207; 9 Monate und 27 Tage Tab. 2, 578; Hamza, cod. Leid.; 8 Monate und 5 Tage Mas. 6,50. 9,60;
8 Monate Mas. 5, 207; 7 Monate und einige Tage Barhebraeus, Chron. arab. 198.
Nur 4 Monate Barhebraens, Chron. syr. 116 (Bedjan 110 f.). Die von Ibn Qot. 179 genannten 10 Monate haben vermuthlich, vom 3. Dhulqa'da als Huldigungstag an gerechnet (s. oben S. 687), auf den 3. Ramadän als Todestag gefuhrt; solche Behandlung ungefShrer Zeitangaben als ganz genauer kommt ja in chronologischen Rechnungen nur zu häufig vor. Endlich giebt Pseudo-Dionyaius Teim. (Chabot)
10 dem Marwän eine Regierung von einem Jahr; das lässt sich zwar nach cbronographischem Braach sehr wohl rechtfertigen, aber es kann gar nicht als genaue Zahl gelten.
3) Angespielt wird auf die Ennordung in Ahlwardt's Belädhorl 236; mit , d. b. als „angeblich" bat sie Ibn Qot. 180.
habe das gethan, damit es nicht ruchbai- werde, dass sein Vater
von einem Weibe umgebracht worden sei Agh. 16, 90 u. A. m.,
scheint mir recht schwach. Andere lassen Marwän denn auch an
der Pest oder sonst einer Krankheit sterben Mas. 5. 507.
Immerhin zeigt jene Geschichte, wie stark man die Rivalität
zwischen den beiden Zweigen der Omaijaden schätzte. Wäre 'Abdal¬
melik nicht ein ungewöhnlich tüchtiger Pürst gewesen , so hätten
ihm die Abkömmlinge Mo'äwija's vielleicht noch ernstliche Schwierig¬
keiten gemacht. Aber er konnte es wagen, Chälid ruhig an seinem
Hofe zu lassen und ihm zu gestatten , sich recht ungeniert zu
äussern, s. z. B. Kämil 189 f. = Agh. 16, 91. Chälid war ein
Schöngeist, trieb Alchemiei) und hätte schwerlich einen kräftigen Herrscher abgegeben oder gar, wie 'Abdalmelik, die Riesenaufgabe gelöst, die Einheit des Reiches wiederherzustellen. Allerdings sprach
Chälid es offen aus, dass 'Abdalmelik ein Usurpator und seinem
Hause das Chalifat widerrechtlich entzogen worden sei ; s. die Verse
Kämil 196, 17; 'Iqd 3, 148, 16. Er versuchte auch seine Stellung,
speciell unter den Omaijaden , durch seine Verheiratung mit einer
Tochter des oben genannten Sa'ld b. 'Asi zu heben, wurde freilich
gezwungen , diese wieder zu entlassen Kämil 196. Und gar nicht
unwahrscheinlich ist die Angabe, dass er eben die dem Propheten
in den Mund gelegte Prophezeiung erfunden habe, wonach einst der
Sufjänl, d. h. ein von Abü Sufjän, dem Urgrossvater Chälid's, ab¬
stammender Mann zur Herrschaft kommen werde Agh. 16, 88; der
Verfasser verwirft diese Nachricht freilich entrüstet , da er diese
Prophezeiung — deren Uneehtheit für uns natürlich ausser Zweifel
steht — als ein gut verbürgtes Prophetenwort ansieht. Ebenso
wie jene Prophezeiung zu Gunsten des Hauses Abu Sufjän's ist
übrigens auch für Marwän ein Ausspruch Muhammed's erdichtet
worden, der ihm das Chalifat zuspricht Agh. 12, 74, 76. Ernstliche Schwierigkeiten hat Chälid dem Chalifen nicht gemacht, so dass dieser keine Veranlassung hatte, gegen ibn mit Gewalt und List vorzugehen
wie gegen 'Amr alAsdaq , den Sohn jenes Sa'id , der wirklich ver¬
suchte , als Haupt eines dritten Zweiges der Omaijaden die Herr¬
schaft zu erlangen.
Wenn, wie ich oben vermutete, scbon die Abdankung Mo'äwija's II
eine Fiktion zu Gunsten Marwän's und seines Hauses ist, so haben
wir allem Anschein nach auch in der officiellen Ignorierung jenes
kurzlebigen Chalifen eine bewusste Absicht zu sehen. Dass Theo¬
phanes und Pseudo-Dionysius Teim. Mo'äwija II nicht aufführen,
fällt allerdings nicht schwer ins Gewicht: dem Ausland war er
kaum bekannt geworden, und bis nach der Gegend von Amid, wo
jener Chronist scbrieb, hat sich seine Herrschaft nie ausgedehnt.
Auch auf seine Weglassung in der syrischen Liste in Wright's
Eecension von Land's Anecdota syr. 1 (Journal of Saered Liter.
1) S. über ihn Agfa. 16, 88.
4 I 45«
and Bibl. Record. 1863 April) S. 11 des Separatabdruckes ist nicht
viel zu geben, da sie auch Marwän nicht nennt, sondern zwischen
Jazid und 'Abdalmalik einfach ein Jahr der Anarchie ansetzt. Aber
wenn auch die alte, gut omaijadische Liste Land, Anecd. syr. 1, 40
Mo'äwija's II Namen unterdrückt , so hat das mehr zu bedeuten.
Und vollends klar ist seine officielle Nichtzäblung in den Versen
einiger Dichter, die an Marwäniden gerichtet sind. Der Dichter
A'Sä von den RabT'a i), nach Andern Kuthaijir, zählt einem Prinzen
des Hauses gegenüber nach Abü Bekr , 'Omar und 'Othmän als
vierten Chalifen Mo'äwija, als fünften Jazid, als sechsten Marwän,
als siebten 'Abdalmelik auf, ignoriert also 'All und Mo'äwija II
Gähiz, Bajän 2, 74; Agh. 10, 1592), und Kuthaijir bezeichnet so
in einem andern Verse auf künstliche Weise») 'Abdalmelik als
siebten Chalifen*). Perntr feiert Kumait^) den Hi§äm als zehnten
omaijadischen Chalifen Agh. 15, 115, 8; er rechnet natürlich
'Othmän, Mo'äwija I, Jazid I, Marwän I, 'Abdalmelik, Walid I,
Sulaimän , 'Omar II , Jazid II , HiSäm , schliesst also gleichfalls
Mo'äwija II aus. Diese Rechnung wird denn weiter auch in einem
zu Gunsten der 'Abbäsiden erdichteten Ausspruch Muhammed's be¬
folgt, wonach 2 Abkömmlinge Harb's (Mo'äwija I und JazTd) und
10 Abul 'Äsi's herrschen sollen Baihaqi, Mahäsin (Schwally) 25;
bier werden von den Omaijaden Mo'äwija II und Ibrähim nicht
mitgezählt. Als eine besonders arge Geschichtsfälschung zur Legi¬
timierung Marwän's und zum Ausschluss Mo'äwija's II sehe ich dann
noch die Erzählung an , dass Mo'äwija I selbst den Marwän zum
Nachfolger seines Sohnes Jazid bestimmt habe Mas. 5, 73, 1.
Erst 132 (749 50), als die Herrschaft der Marwäniden unter
den Schlägen der 'Abbäsiden zusammenbrach, versuchte ein Ab¬
kömmling Jazid's, den Thron seiner Väter wieder aufzurichten, indem
er sich für den verheissenen Sufjänl ausgab; er hielt sich einige
Zeit in gewissen Gegenden Syriens, unterstützt von den Kelb, dem
Stamme seiner Ahnfrau Maisun Tab. 3, 53 ff. Dann trat wieder in
den Jahren 195—197 (810 ff.) während des Bürgei-krieges zwischen
Amin und Ma'mün ein Sufjänl in Syrien auf; auch ihn unter¬
stützten die Kelb, aber der alte Zwiespalt der syrischen Araber ■
Stämme war noch so arg wie vor 130 Jahren: die Qais erhoben
gegen jenen einen Marwäniden. Natürlich konnte sich keiner von
ihnen auf die Dauer halten, s. Tab. 3, 830 und viel vollständiger
Ibn Athir 6, 172 f Und noch 294 (906'7) trat ein solcher Sufjänl
in Syrien auf, ward aber gefangen nach Baghdäd geführt; man
1) Lies im Bajiln Xjiaj^ ^^^Jü j^-«^! für ÜJtAJj ^^^^mJ^S , 2) Die Paginazahl ist falsch II. statt 1.1 .
3) Siehe die Erläuterung Agh. 10, 159 oben.
4) Der Anstoss , den die Weglassung 'All's bei diesem, im Heizen stark schiitisch gesinnten, Dichter bot, wird durch eine gezwungene Deutung beseitigt.
6) Wieder ein seiner wahren Gesinnung nach schiitiscber Dichter.
4 I
hielt in für wahnsinnig Ibn Athir 7, 383'). Immerhin sieht man
daraus, wie zähe das Andenken an die Omaijaden in Syrien haftete.
1) Auf die stellen über diese 3 Sufjäni's bin ich durch Snouck Hurgronje's Aufsatz „Der Mahdi" (Seperatabdruck aus der Ker. Coloniale Internationale) S. 11 Anm. geführt worden; ihn selbst hatte Wellhausen auf sie aufmerksam gemacht. — Dass die SuQSnI-Prophezeiung ursprünglich das Interesse der Ab¬
kömmlinge Abü Sufjän's vertrat, ist unzweifelhaft. Noch in dem Buche, über dessen Inhalt TanbTh 337 kurz berichtet, ward die Sufjäni-Weissagung, wie es scheint, zu Gunsten des ganzen Omaijadenhauses, in Wirklichkeit aber für die damals mächtig in Spanien herrschenden Marwäniden verwerthet. Interessant ist, dass auch hier noch das Eintreten der jemenischen Stämme Syriens für die Omayaden prophezeit wird. — Secundär ist die später zur Herrschaft gelangte Anschauung, die den Sufjänl zwar auch erwartet, aber als einen zu bekämpfen¬
den Feind; s. darüber und über Verwandtes Snouck Hurgronje a. a. 0.
Hillit und Milllt (zu S. 523).
Von Eberhard Nestle.
,Nur von den ersten Bewohnem des öahannam, ^illit und
Milllt , oder wie sie bei Ta'labi heissen 6 i b 1 i t und T i m 1 11 ,
konnte ich anderwärts keine Erwähnung finden"
schreibt Josef Horovitz a. a. 0. in dem Aufsatz über Bulüqjä und
erwähnt in einer Anmerkung, dass Burton X, 130 hier zoroastrischen
Vorstellungen auf der Spur zu sein glaube. In anderem Zusammen¬
hang (S. 525) führt er an, dass Burton eine ganze Anzahl von
ursprünglich zoroastrischen Vorstellungen in der Erzählung nach¬
weisen wolle, die ihm mehrfach recht zweifelhaft seien. Mir ist
Burton nicht zur Hand, aber über Hillit und Milllt hat er recht.
Diese sind ja nichts anderes als IJarut und Marut (Qoran 2, 96);
und dass Harut und Marut nichts anderes als das persische Khordad
und Mordad, das zendische Haurvatät «universitas* und Ameretät
,immortalitas" sei, hat Lagarde als Paulus Boetticher schon in
seiner Erstlingsschrift Horae aramaicae (Berolini 1847, S. 9) gezeigt,
wie es scheint als erster. Wenigstens schreibt er dort: Jam Harut
et Marut, quod ipsis nominibus adeo manifesto evincitur, ut a
nemine adhuc hanc sententiam prolatam esse vehementer mirer,
Harut et Marut , inquam , sunt Persarum Khordad et Mordad , qui
zendice Haurvatät „universitas" et Ameretät ,inmortalitas* audiunt.
Was er weiter dort über ihre Gleichsetzung mit Satum und
Mars bei Diodor vermutet, kann übergangen werden. Dagegen ist
noch auf seine „Gesammelte Abhandlungen* (1866, S. 15) zu
verweisen.