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Eiissk ka alltt

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Academic year: 2022

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ls «Eisbrecher» dienen meteorologische Beobachtungen nicht nur auf Partys, sondern auch in der Sprechstunde. «Es ist kalt!», sagen mir alle Patienten, einer nach dem anderen, wenn sie ins Sprechzimmer kommen. Meist in vorwurfsvollem Ton.

Dabei kann ich nun wirklich nichts dafür. Mir erfriert die Kamelie im Garten, und ich hätte auch lieber ein Wetter wie auf Mykonos im Juli. Manche konstatieren es sogar mit einem aggressiven Unterton, denn Kälte kühlt menschliche Aggression nicht ab, sondern heizt sie an. Sozusagen. «Kalt isch es!», bellen die rhetorisch begabten auditiven Typen meiner Patienten – bevor sie grüssen – und nur schon das Wort K-A-L-T, das sie mir an den Kopf werfen, lässt mich frösteln. Wir Warmblüter assoziieren nichts Gutes mit Kälte, denn wir investieren viel, um unsere Körpertemperatur eini- germassen konstant zu halten. Was meinen Sie, was mich die «Grosse Tankrevision» und die zweite Heizöllieferung diesen Winter wieder gekostet haben!

Dagegen sind sogar Krankenkassenprämien billig … Am liebsten würde man sich ins Bett legen, siebenschläfer- gleich einen Winterschlaf halten und sich erst wieder rühren, wenn einen die Märzen-Sonne weckt. Doch dazu hat man keine Chance. Der Winter wird wegen Lifestyle-Consultants immer mehr zur High-Activity- Time. Einladungen zu medizinischen Kongressen häu- fen sich ab September, im Oktober nötigt einen der Handel zum Ankauf von Wintersportkleidung und -ausrüstung, und dem Weihnachtsstress geht ein agendafüllender November voraus. War der Januar vor Jahren noch ein Monat der Kontemplation, den man damit verbrachte, das überreiche Weihnachtsessen zu verdauen und zu realisieren, dass man die guten Vorsätze von Silvester wieder einmal nicht umsetzen würde, so ist er jetzt zum dynamischen Powermonat mutiert. Ein neues Jahr ist angebrochen, und man hat die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sich unverzüg-

lich nach Ausschlafen des Silvesterkaters mit Schwung und Tatkraft in neue Erlebnisse und Aktivitäten zu stürzen. Und im Februar ist fröhliches Fasnachtstreiben sowieso obligatorisch.

Meine MPAs haben die «Cosmopolitan» gelesen und beschlossen, dass sie zu den neuen «Alpha-Frauen»

gehören: erfolgreich, selbstbewusst, unverhohlen ehrgei- zig. Die nehmen sich, was sie wollen, und treten den armen Männern mit Manolo-Blahnik-Stiletto-Absätzen auf die Füsse. Eiskalt. Und man darf noch nicht einmal mehr «Frigide Zicke!» denken, geschweige denn sagen, wenn einem so eine Narnia-Jadis an der Tiefkühltruhe im Supermarkt eine kalte Wortdusche verpasst, nur weil einem die Brille zwischen die Iglo-Erbsen- schachteln gefallen ist. Versuchen Sie da mal, froid- sang zu bewahren! «Cool bleiben, Papa!», mahnen meine Söhne. Die Umgebungstemperatur empfinden sie als «kalt wie im Bärenarsch» (Wenn es doch nur 32°C wären!) und ihre Mathematiklehrerin als «kalt wie eine Hundeschnauze». Vieles lässt mich keineswegs kalt.

Zum Beispiel wenn ich die Schilderungen eines lang- jährigen Patienten und HR-Chefs eines grösseren Betriebs höre. Er und weitere «Reorganisations- Targets» werden gerade in seiner Firma kaltgestellt.

Wobei das die zukünftigen Arbeitslosen mitnichten frisch erhält. Oder welch kalte Abfuhr Isabella meinem Ältesten erteilt hat, dessen frisch gebrochenes, hypo- thermes Herz trotz hibernierendem Myokard nur lang- sam heilt. Die soziale Kälte, die uns umgibt, lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Man versucht, sich mit dem Gedanken an Erderwärmung, schmelzende Gletscher und Migros-Tulpen zu trösten. Und dann ser- viert die Ehefrau abends eine leckere kalte Platte, dazu eine gut gekühlte Bowle namens «Kalte Ente». Doch man wünscht sich (oder sie) ins Land, wo der Pfeffer wächst, und zöge einen dampfenden Eintopf mit Glühwein vor, weil sie süffisant fragt: «Na,

wie viele Patienten hast du heute wieder kaltgemacht?»

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Eiissk ka alltt

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ARS MEDICI 3 ■2006

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