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Tiefe Venenthrombose

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Academic year: 2022

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BR I T I S H ME D I C A L JO U R N A L

Die tiefe Venenthrombose ist eine wichtige Ursache von Morbidität und Mortalität. Die Übersicht ordnet den Stellen- wert von Klinik, D-Dimer-Tests und bildgebenden Verfahren ein und befürwortet die ambulante Behandlung.

Die venöse thromboembolische Erkran- kung hat in entwickelten Ländern eine ge- schätzte jährliche Inzidenz von 1 auf 1000 Einwohner. Der Verlauf einer tiefen Ve- nenthrombose reicht von völliger Auflö- sung des Gerinnsels ohne Folgen bis zur tödlichen Lungenembolie. Zur konsekuti- ven Morbidität gehört das postthromboti- sche Syndrom mit chronischem Extremitä- tenschmerz, Hautveränderungen, Ulzera und venöser Gangrän.

Schmerzen und Schwellung der unteren Extremität kommen in der Alltagspraxis häufig vor und bieten ein weites Spek- trum von Differenzialdiagnosen (Tabelle 1).

In ihrer Übersicht im «British Medical Jour- nal» (1) erinnern Clive Tovey und Suzanne Wyatt daran, dass es keine diagnostische Abklärungsmethode der tiefen Venen- thrombose gibt, die wirklich ideal ist, also eine 100-prozentige Sensitivität und Spe- zifität bei geringen Kosten und fehlendem Risiko bietet.

Diagnostische Methoden

Klinische Diagnose

Bei der tiefen Venenthrombose der unte- ren Extremität ist die klinische Diagnose unzuverlässig. Im Einzelfall sind Beschwer- den und Symptome von geringem Wert, und auch das Homanns-Zeichen (Waden- schmerz bei Dorsalflexion des Fusses) ist wertlos.

An grösseren Patientenzahlen wurde ein klinisches Modell prospektiv validiert, das aufgrund von Anamnese und Befunden eine Abschätzung erlauben soll, ob eine geringe, intermediäre oder hohe Wahr- scheinlichkeit für die Entwicklung einer tiefen Venenthrombose vorliegt (Tabelle 2).

Dieses Modell ist in verschiedenen dia- gnostischen Algorithmen eingesetzt wor- den, um die Zahl notwendiger Tests bei Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf tiefe Venenthrombose zu verringern.

Screening-Tests

Diese Wahrscheinlichkeitsüberlegung ist jedoch kein wirklich sicheres Ruhekissen, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie von Philip S. Wells zeigte (2). Anhand des klinischen Modells kategorisierten die be- teiligten Ärzte bei 1000 ambulanten Pati- enten den Verdacht auf tiefe Venen- thrombose als entweder wahrscheinlich oder unwahrscheinlich. Die Patienten wurden dann entweder zu einer direkten Ultraschalluntersuchung (Kontrollgruppe) oder zu einem D-Dimer-Test mit folgen- dem Ultraschall randomisiert. In dieser Gruppe wurde auf eine Ultraschallunter- suchung nur dann verzichtet, wenn die klinische Wahrscheinlichkeit gering und der D-Dimer-Test negativ war.

Die Gesamtprävalenz von tiefer Venen- thrombose und Lungenembolie betrug 15,7 Prozent. Unter den Patienten, bei

denen eine tiefe Venenthrombose mit dem initialen diagnostischen Vorgehen aus- geschlossen worden war, kam es in der D-Dimer-Gruppe zu 2 bestätigten thrombo- embolischen Ereignissen (0,4%, 95%-KI 0,05–1,5%) und in der Kontrollgruppe zu 6 Ereignissen (1,4%, 95%-KI 0,5–2,9%).

Der Einsatz des D-Dimer-Tests führte zu einer signifikanten Reduktion der Ultra- schalluntersuchungen von 1,34 Tests pro Patient in der Kontrollgruppe auf 0,78 in der D-Dimer-Gruppe. In dieser Gruppe benötigten 39 Prozent der Patienten kei- nen Ultraschall. Bei klinisch unwahr- scheinlicher tiefer Venenthrombose und negativem D-Dimer-Test, so die Schluss- folgerung der Autoren, kann also auf eine

Tiefe Venenthrombose

Diagnose, Abklärung und Management

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F O R T B I L D U N G F O R M A T I O N C O N T I N U E

Ta b e l l e 1 :

M ö g l i c h e U r s a c h e n f ü r e i n e S c h w e l l u n g d e r

u n t e re n E x t re m i t ä t

venös:

tiefe Venenthrombose

oberflächliche Thrombophlebitis

postthrombotisches Syndrom

chronische venöse Insuffizienz

venöse Obstruktion andere:

Zellulitis

Baker-Zyste

Gastrocnemius-Muskelriss

Fraktur

Hämatom

akute arterielle Ischämie

Lymphödem

Hypoproteinämie (z.B. Zirrhose, nephrotisches Syndrom)

(2)

Ultraschalluntersuchung gefahrlos ver- zichtet werden.

Die Studie liefert aber unter praktischen Gesichtspunkten einen weiteren Hinweis, den der Zürcher Angiologe Werner Blätt- ler kürzlich in einer Leserzuschrift (AM 14/04, S. 714) erwähnt hat: Wenn die kli- nische Wahrscheinlichkeitsüberlegung zur Diagnose gemacht wird, beträgt das Ri- siko, eine tiefe Venenthrombose zu über- sehen, mehr als 5 Prozent (Tabelle 3).

Als Screeningtests diskutieren denn auch Clive Tovey und Suzanne Wyatt die D-Di-

mer-Tests und verschiedene Plethysmo- grafie-Methoden beim Spezialisten.

Die Plasma-D-Dimere sind spezifische ver- netzte Derivate, die entstehen, wenn Fibrin durch Plasmin abgebaut wird; entspre- chend ist ihre Konzentration bei venösem Thromboembolismus erhöht. Die D-Di- mere sind zwar auf dieses Krankheitsge- schehen sensitiv, hohe Konzentrationen sind jedoch nicht ausreichend spezifisch zur Stellung einer positiven Diagnose, da sie auch bei anderen Zuständen wie Mali- gnomerkrankung, Schwangerschaft oder

nach Operationen vorkommen können.

Insgesamt haben D-Dimer-Tests aber einen hohen negativen prädiktiven Wert und er- lauben zusammen mit der Klinik den Aus- schluss der Diagnose. Es existieren ver- schiedene Formen des D-Dimer-Tests, so ein Labortest (Dimertest®Gold EIA) oder – für die Praxis geeignet – Simplify™ und SimpliRED®. Es gibt auch Hinweise, dass nach dem Ende der Antikoagulation ein D-Dimer-Test das Risiko einer erneuten Thrombose abschätzen lässt.

Definitive Diagnose

Die definitive Diagnose einer tiefen Ve- nenthrombose erfolgt durch ein bildge- bendes Verfahren, das den Thrombus sichtbar macht.

Der Goldstandard ist dabei zwar die Phle- bografie, das Verfahren ist jedoch invasiv, technisch nicht immer durchführbar und trägt ein kleines Risiko einer allergischen Reaktion oder venösen Thrombose.

Als beste nichtinvasive Methode hat sich die Ultrasonografie etabliert, die in Ver- gleichsstudien mit der Phlebografie bei tiefer proximaler Venenthrombose eine Sensivität und Spezifität von 97 Prozent erreicht. Bei der Unterschenkelvenen- thrombose ist die Ultraschalluntersu- chung jedoch nicht zuverlässig, mahnen Clive Tovey und Suzanne Wyatt, denn hier beträgt die Sensitivität selbst bei sympto- matischer Thrombose nur 75 Prozent.

Das einfachste Ultraschallkriterium ist die Nichtkomprimierbarkeit des Gefässlu- mens unter sanftem Schallkopfdruck (Kompressions-Ultraschall).

Eine genauere Beurteilung des venösen Abflusses erlauben die Doppler-Sonogra- fie und die Farb-Doppler-Darstellung.

Bei Unterschenkelthrombose können die Ultraschalltechniken zunächst versagen.

In solchen Fällen kann die Ultraschallun- tersuchung nach fünf Tagen wiederholt werden. Eine weitere Möglichkeit, die jetzt durch die erwähnte Studie von Wells et al. gestützt wird, ist die Kombination mit dem D-Dimer-Test und der Verzicht auf eine erneute Ultraschalluntersuchung, wenn beide Diagnosemethoden negativ waren.

Vorläufig aus Kostengründen für einen

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Tiefe Venenthrombose

Ta b e l l e 2 :

K l i n i s c h e s M o d e l l z u r S c h ä t z u n g d e r Vo r t e s t - Wa h r s c h e i n l i c h k e i t e n e i n e r t i e f e n

Ve n e n t h r o m b o s e n a c h W e l l s

Klinisches Symptom Score

Aktives Tumorleiden (unter aktueller Therapie oder Palliativbehandlung

oder Therapie innert der letzten 6 Monate) 1

Paralyse, Parese oder kürzliche Immobilisation

(Schienung der unteren Extremitäten) 1

Kürzlich während mehr als 3 Tagen bettlägerig

oder grösserer chirurgischer Eingriff innert der letzten 4 Wochen 1 Lokalisierte Druckempfindlichkeit entlang dem tiefen Venensystem 1

Ganzes Bein geschwollen 1

Wadenschwellung > 3 cm im Vergleich zum asymptomatischen Bein

(gemessen 10 cm unter Tuberositas tibiae) 1

Eindellbares Ödem (ausgeprägter im symptomatischen Bein) 1 Vorhandensein von oberflächlichen Kollateralvenen (keine Varikosis) 1 Alternative Diagnose gleich wahrscheinlich oder wahrscheinlicher als TVT -2

Auswertung:

Punktezahl Wahrscheinlichkeit einer TVT Wahrscheinlichkeit (%)

0 oder < 0 Gering 3–10

1 oder 2 Mittel 17–33

3 oder mehr Hoch 75–85

Ta b e l l e 3 :

P r ä v a l e n z d e r T V T i n d e n k l i n i s c h e n Wa h r s c h e i n l i c h k e i t s g r u p p e n

Klinische Einschätzung Pat.-Zahl Prävalenz

TVT wahrscheinlich 495 45,7%

– davon TVT wirklich vorhanden 138 27,9%

TVT unwahrscheinlich 587 54,3%

– davon TVT dennoch vorhanden 32 5,5% (Konfidenzintervall 3,8–7,6)

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breiten Einsatz sicher nicht geeignet sind Spiral-Computertomografie und Magnet- resonanz-Darstellung (MRI).

Therapie

Traditionell bestand das initiale Manage- ment bei tiefer Venenthrombose in der Hospitalisierung und kontinuierlichen in- travenösen Therapie mit unfraktioniertem Heparin. Anschliessend erfolgte eine orale Antikoagulation mit einer Ziel-INR von 2,5 über sechs Monate, wobei die Dauer der Antikoagulation umstritten bleibt.

Heute haben die niedermolekularen Heparine (NMH) – Certoparin (Sandopa- rin®), Dalteparin (Fragmin®), Enoxaparin (Clexane®) und Nadroparin (Fraxiforte®, Fraxiparine®) – einen bedeutsamen Wan- del gebracht. Ihre Vorteile sind eine konsistentere und besser vorhersagbare Antikoagulationsantwort, eine längere Halbwertszeit mit der Möglichkeit der ein- mal täglichen subkutanen Verabreichung sowie die fehlende Notwendigkeit der Überwachung der partiellen Thrombo- plastinzeit. NMH sind hinsichtlich rezidi- vierender venöser Thromboembolien min- destens so effektiv wie unfraktioniertes Heparin und verringern statistisch signifi- kant das Risiko für massive Blutungen in der Initialtherapie und die Gesamtmorta- lität. Bei Patienten mit Kontraindikationen für orale Antikoagulanzien kann zudem die NMH-Langzeittherapie eine Alterna- tive sein. Dies ist besonders bei Thrombo- sen in der Schwangerschaft bedeutsam.

Thrombolytika können zwar zu einer ra- scheren Auflösung des Thrombus und Symptomreduktion und zu einer besseren Erhaltung der venösen Klappen führen, das Risiko von Blutungskomplikationen ist je- doch dreifach erhöht, weshalb Thromboly- tika heute kaum noch eingesetzt werden.

Fondaparinux (Arixtra®) ist ein syntheti- sches Pentasaccharid, das den aktivierten Faktor X hemmt. Die Substanz ist zur Pro-

phylaxe venöser thromboembolischer Er- eignisse im Rahmen orthopädischer Ein- griffe zugelassen. Der potenzielle Einsatz zur Behandlung tiefer Venenthrombosen ist noch nicht abschliessend evaluiert.

Speziellen Situationen ist der Einsatz eines Vena-cava-inferior-Filters vorbehalten, etwa bei Lungenembolismus mit Kontraindika- tion für die Antikoagulation oder bei rezi- divierenden Lungenembolien trotz adä- quater Antikoagulation.

Gut abgestützt ist hingegen die Empfeh- lung, dass Patientinnen und Patienten mit tiefer Venenthrombose Kompressions- strümpfe tragen sollen. In einer Studie mit 194 Fällen einer erstmaligen proximalen Thrombose konnte durch genau angepas- ste Kompressionsstrümpfe das Risiko für ein postthrombotisches Syndrom halbiert werden.

Ambulante Therapie

Durch die NMH ist heute eine ambulante Behandlung tiefer Venenthrombosen möglich. Inzwischen haben viele Studien dieses Vorgehen mit der initialen Hospita- lisation verglichen. Zwar waren die meis- ten Untersuchungen unkontrolliert, ihre etwas eingeschränkte Evidenz zeigt je- doch, dass die Behandlung zu Hause kos- teneffektiv ist, von den Patienten vorge- zogen wird und nicht zu mehr Komplikationen führt als die Spitalbe- handlung.

Das genaue Muster von Screening- und diagnostischen Tests hängt von den lokalen Gegebenheiten ab. Weitere Untersuchun- gen, um der Thrombose zugrunde lie- gende Ursachen oder Prädispositionen auf- zudecken, sind sinnvoll. Insbesondere sind bei Personen über 45 Jahre Krebserkran- kungen und Immobilisierung führende Ur- sachen für eine tiefe Venenthrombose, bei jüngeren eine Thrombophilie.

1. Clive Tovey, Suzanne Wyatt (Prince Charles Hospital, Merthyr Tydfil, Glam- organ/UK): Diagnosis, investigation, and management of deep vein thrombosis.

Brit Med J 2003; 326: 1180–1184.

2. Philip S. Wells (Departments of Medi- cine, Radiology, and Emergency Medicine, Ottawa Hospital, University of Ottawa, Ottawa/CAN) et al.: Evaluation of d-dimer in the diagnosis of suspected deep-vein thrombosis. N Engl J Med 2003; 349:

1227–1235.

Halid Bas

Interessenkonflikte: Der Autor CT deklariert Zu- wendungen der Firma Pharmacia, die Fragmin® herstellt.

M M M

M e e e e r r r r k k k k -- --

p u n k t e p u n k t e

Die klinische Diagnose ist bei der tiefen Venenthrombose

unzuverlässig.

Screening-Abklärungen umfas- sen D-Dimer-Tests und Plethys- mografie-Verfahren

Die definitive Diagnose erfolgt normalerweise durch Ultraschall oder Phlebografie.

Die Initialbehandlung besteht aus unfraktioniertem oder – heute bevorzugt – niedermole- kularem Heparin, gefolgt von oraler Antikoagulation.

Die ambulante Behandlung der tiefen Venenthrombose gilt als sicher.

Tiefe Venenthrombose

Referenzen

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