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Zur Erklärung von Süre 2, Vers 191.
Von P. Schwarz.
Im letzten Hefte der Zeitschrift S. 294 nennt Herr Professor
Fischer die von ihm Bd. 65 S. 795 zur Erklärung von Süre 2,
V. 191 gegebenen Literaturnachweise sehr euphemistisch jünger als
den Koran. Die erste der als „Stütze" angeführten Stellen stammt
von Ibn 'ArabSäh, der ,am 25. August 1450" starb, die zweite aus 5
Tausend und Einer Nacht, die „unter der Mamlükenherrschaft in
Ägypten, u. zw. wahrscheinlich schon in der ersten Hälfte dieser
Periode ihre jetzige Gestalt erlangte", also jedenfalls nach 1240.
Die Abbadiden regierten von 1023—1091, der Bajän ist im 13. Jahr¬
hundert geschrieben. Zum Unglück entsprechen die beiden aus Ibn lo
Ishäk geschöpften Belege , auf die Herr Professor Fischer mit be¬
sonderem Nachdrucke hinweist, der Koranstelle nicht genau. Von
den beiden die Eigenart des koranischen Ausdruckes bestimmenden
präpositionalen Zusätzen zeigt Ibn HiSäm 574, 6 nur den ersten,
der zweite fehlt. Ibn Hisäm 92,18 steht statt der Präposition 15
das nicht völlig gleichwertige
Beeinflussung durch den Koran gibt Herr Fischer jetzt selbst
zu für die Stellen aus Ibn 'ArabSäh und MI Nacht. Für die Stelle
Bajän 2, 19, 20, auf die Dozy an der von Herrn Fischer genannten
Stelle 'verweist, ist das noch deutlicher. Nach der dort gegebenen 20
Darstellung ist Müsä ibn Nusair, der Eroberer Spaniens, nach
Damaskus zurückberufen worden und wird von dem inzwischen zum
Chalifat gelangten Sulaimän an einem heißen Sommertage in die
brennende Sonne gestellt, bis er ohnmächtig zusammenbricht. Später
unterhält er sich einmal mit Jezid ibn Muhallab über den Rück- 25
halt , den er in Spanien hatte , und versichert , daß er dort viele
tausend Hörige besitzt. Da ruft Jezid: „Du bist in Verhältnissen,
wie du sie mir schilderst, und hast doch deine Hand an das
Verderben ausgeliefert! Wärest du doch am Sitze deiner
Macht und dem Orte deiner Herrschaft geblieben und hättest dich so
mit Hilfe der Geschenke, die du mitgebracht hast, in deiner
Stellung behauptet". Die Worte sind genau die gleichen wie im
412 Schwarz, Zur Erklärung von Süre 2, Vers 191.
Koran, der Gegensatz zwischen Opfer an Gut und Gefährdung der
persönlichen Sicherheit ist beiden Stellen gemeinsam.
Die Verbindung »Juo findet sich im Bajän außerdem
2, 121, 28: a^! »Jou ^yiL ,5, 2, 48, 19: «j^aj tLftJ^L endlich
ist 2, 251, 8 in einem Verse des 'Abdalmalik ibn Sa'id die Prä¬
position ^\ durch ersetzt:
O' > *fc».o - &£ o -oE gjjS'" |»j>.Lc!li! LjjlXjLj ciJül
In der Beliebtheit des Ausdruckes »Jou ^äJt bei den west¬
lichen Schriftstellern sehe ich eine Einwirkung der koranischen
Ausdrucks weise, wie ich auch sonst den starken Einfluß des Korans
auf die Sprache der westlichen Schriftsteller beobachten konnte.
Ähnlich war vor der Ausbreitung des Zeitungswesens für abgesprengte Teile unseres Volkes das Buch der religiösen Erbauung die wichtigste
Brücke zur Literatursprache der Heimat.
Ibn Ishäk stammte aus Medina. Der Einfluß, den der Koran
und Muhammed's Ausdrucksweise im gewöhnlichen Leben auf die
Gemeinde von Medina ausgeübt haben, ist m. W. bisher von keinem
ernsten Forscher bestritten worden, er beschränkt sich ganz gewiß
nicht auf Äußerlichkeiten wie Grußformeln und Namensänderungen.
Bis jetzt bleibt die von mir aus der Hamäsa beigebrachte Stelle
die älteste genaue Entsprechung zu dem koranischen Ausdruck; wie
genau, zeigt TA 10, 246, 24; 25, wo dem 8J>.aj |_jiac! beim Menschen
als durchaus gleichwertig heim Tiere gegenüber gestellt
wird, das letztere wohlgemerkt in prosaischer Erläuterung, un¬
beeinflußt durch metrischen Zwangt).
Eine zweite das Verständnis des koranischen Ausdruckes wirk¬
lich fördernde und ziemlich genaue Parallele finde ich bei einem
christlichen Dichter des ersten Jahrhunderts nach Muhammed.
Aljtal sagt:
«- -C.E O~ O 3 , CiJ.
«jÜLj*jU tlXj JjiftÄ-l«-»y * Q-JO
,und sei nicht gleich einem den Tod suchenden, der eine Hand
dargereicht hat dem Verderben" (A^^al ed. §altänl 286, 2).
Zu den für die Vorstellung vom Handabhauen von mir gegebenen
1) „Übertragung des Verfügungsrecbtes' babe ich mit klaren Worten als eigentlichen Sinn des arabischen Ausdruckes bezeichnet (S. 137, Z. 20). Das ist aber nach meinem Empfinden ein für die Wiedergabe eines poetischen Textes ungeeigneter Ausdruck. Die von Herm Fischer (S. 295, Z. 13) beanstandete Übersetzung „zum Geschenk geben" gründet sich auf die vom arabischen Kommentator TibrTzI gewählte Umschreibung durch >_a^^ , das nach Lane be¬
deutet: Jie gave him a thing, properly as a free gift, disinterestedly, and not for any compensation'^ , also mit deutschem „Schenken" zusammenfällt.
Schwarz, Zur Erklärung von Süre 2, Vers 191. 413
dichterischen Belegen möchte ich noch auf Näbiga ed. Ahlwardt
19, 16 verweisen, wo es als Sühne für treuloses Verhalten erscheint.
Herr Fischer vermutet in seiner zweiten Abhandlung zur Koran¬
stelle (S. 294 dieses Bandes), daß ich Vers und Einzelausdruck mit
einander verwechselt habe; er leitet das Recht, den Vers vag 5
formuliert zu nennen aus dem Fehlen jeder konkreten Beziehung
und aus der verschiedenartigen Deutung bei den Exegeten ab. Ich
sprach deutlich (S. 136, 6) vom Verse, ich halte ihn für durch¬
aus präzis im Ausdruck wie im Gedanken. Das Schicksal ver¬
schiedenartiger Deutung teilt er mit vielen andern, das Pehlen lo
einer direkten zeitlichen Beziehung folgt aus dem Charakter des
Korans als einer für dauernde Geltung bestimmten Offenbarungs¬
schrift. Die Unterstellung, daß ich die koranische Ausdrucksweise
als muhammedanische Neuprägung betrachte, bedarf keiner Wider¬
legung. Mein erster Beitrag zur Erklärung der Stelle beschäftigt is
sich ja gerade damit, die Ausdrucksform als vorislamisch zu er¬
weisen durch das Vorkommen bei einem alten Dichter. Die Aus¬
deutung meiner Worte zur Koranstelle (S. 137, Z. 20), die Herr
Fischer (S. 295, Z. 24) vornimmt, scheitert an dem einen Worte
.nur' (S. 137, Z. 37). Eückschließend würde er zu der Ungeheuer- 20
lichkeit geführt worden sein, daß nach meiner Auffassung auch bei
der Stute des Rukäd der Kopf zum Abhauen bestimmt war. Die
Erfahrungstatsache , daß eine Warnung an Eindringlichkeit gewinnt
durch das Mitklingen ernster Untertöne, habe ich bei allen Lesern
der Zeitschrift als bekannt voraussetzen zu können geglaubt. Wer den 25
plastischen Gedanken des Korans mit seiner poetischen Personifikation
durch den Begriff des .ewigen Verderbens' ersetzt, geht mit mir zum
gleichen Ziele, aber auf anderem Wege. Auch in der Beurteilung der
Belegstellen folgt Herr Fischer anderen Grundsätzen als ich: er
bevorzugt die Menge, mir erscheint die Beweiskraft wichtiger. In so
der Arbeit über .Tag und Nacht" hat er für den Nachweis, daß
im Sinne der Zusammenfassung von Tag und Nacht gebraucht
werde, 18 Zeilen Belege drucken lassen. Die Namen der Wochen¬
tage, einfache Datumangaben, Ausdrücke wie Todestag, Gerichtstag,
Auferstehungstag, Kampftag sollen das erweisen. In Wahrheit gibt 35
keine dieser Stellen und Verbindungen einen zwingenden Beweis.
Dabei bot schon der Bericht über die alten Kämpfe zwischen Bekr
und Wail (Hamäsa ed. Freytag S. 254, 1. Z., Büläk 2, 36, 5) einen
in der gegensätzlichen Nebeneinanderstellung der beiden Worte für
Tag unwiderleglich klaren Beweis: 40
v;^ ^ >^ ^
Zeitachrift der D. M. G. Bd. LXVI. 28
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Die Zahlensprüche in Talmud und Midrasch.
Von Aug. Wünsche.
(Schluß zu Band 65, S. 421.) Pforte der Sechs.
Sechs Dinge tat der König Hiskia, in dreien stimmte man ihm
bei, und in dreien stimmte man ihm nicht bei. Er schleifte die
Gebeine seines Vaters auf einer Bahre von Stricken , und man
stimmte ihm bei ; er zertrümmerte die eherne Schlange , und man
stimmte ihm bei ; er verbarg das Buch der Heilungen , und man
stimmte ihm bei. In dreien stimmte man ihm nicht bei: Er zer¬
stückle die Türen des Tempels und schickte sie dem König von
Assur, und man stimmte ihm nicht bei; er verstopfte das Wasser
des oberen Gichon, und man stimmte ihm nicht bei; er machte
den Monat Nisan im Nisan (d. i. : nachdem daß dieser Monat schon
begonnen) zu einem Schaltmonat i), und man stimmte ihm nicht bei.
(Berach. lOb, vgl. Pesach. 56 a.)
Sechs Dinge sind eine Schande für einen Schüler der Weisen
(Gelehrten): Er soll nicht parfümiert auf die Straße hinausgehen,
er soll nicht allein in der Nacht ausgehen; er soll nicht mit ge¬
flickten Schuhen ausgehen ; er darf sich nicht mit einem Weibe
auf der Straße unterhalten; er darf nicht in der Gesellschaft der
Unwissenden zu Tische liegen ; er darf nicht zuletzt ins Lehrhaus
kommen. Manche fügen noch hinzu: Er darf nicht große Schritte
machen und mit aufgerichteter Statur einhergehen.
(Berach. 43 b.)
Sechs .Dinge sind vom Aspargos (Spargeltrank, AonuQayog) ge¬
sagt: Man trinkt ihn nur, wenn er frisch (ti) und voll ist; man
empfängt ihn mit der Rechten und trinkt ihn mit der Linken; man
spricht nicht darauf und setzt nicht ab ^) ; man läßt ihn (den Becher)
nur ah den zurückgehen , der ihn gegeben , und speit darauf aus ;
und man unterstützt ihn nur durch seine Art (Gattung) 8).
(Berach. 51») 1) Das Schaltjahr muß noch während des Monats Adar festgesetzt werden.
2) Man hält nicht inne iin Trinken.
3) Man läßt den, der ihn getrunken, nur von der Frucht essen, aus der der Trank bereitet ist.