Die Laryngalen im Amharischen ^
Von August Klingenheben, Hamburg
Wer an das Amharische von den andern Semitensprachen, ja selbst
vom Geez oder dessen Tochtersprachen Tigre und Tigrigna aus herantritt,
dem wird als erstes das stark abweichende Lautbild dieser Sprache auf¬
fallen. Zu einem nicht geringen Teile ist diese so befremdende Lautgestalt
des Amharischen auf die Entwicklung zurückzuführen, die die alt¬
semitischen Lar3Tigalen h, K und ' genommen haben, einschließlich der
velaren Frikativa y^, die hier das Schicksal jener ersten vier geteilt hat.
Während sich in den Schwestersprachen des Amharischen Tigre xmd
Tigrigna die vier alten semitischen Laryngalen noch im wesentlichen im-
verändert erhalten haben und nur die Velaris mit K zusammengefallen
ist, sind diese fünf Laute im Amharischen offenbar einem weitgehenden
Auflösungsprozeß erlegen.
Praetorius, der uns, ohne selbst die Sprache gehört zu haben, in der
Hauptsache auf Grund der ihm zugänglichen einheimischen Literatm
sowie auf Grund von Aufzeichmmgen europäischer Reisender eine ein¬
gehende Analyse der Sprache geschenkt hat, sagt über diese Lautert
Ȇ, rh, haben nur noch den Laut eines schwachen h, meist sind sie aber
im In- und Auslaut schon ganz aufgegeben und dementsprechend im An¬
laut zu Y\ geworden. Q hat seinen ursprünglichen Laut ebenfalls verloren
und lautet wie Yx, welches auch meist in der Schrift für Q eintritt. Im In-
und Auslaut sind imd Q ebenfalls so gut wie völlig geschwunden, aber
auch anlautendes Alf ist bereits in hohem Grade von dem Streben er¬
griffen, als Wasla und nicht als Hamza behandelt zu werden." Wenn
Brockelmann in seinem Grundriß' bemerkt :, ,Im Amharischen ist nicht
nur ' durch ' ersetzt, sondern auch % und sind mit Ä zusammengefallen",
so gibt er damit wohl seine Auffassung der eben angeführten Ansicht
Praetorius wieder. Diese formuliert, gleichfalls etwas abweichend,
Bergsträsser^ mit den Worten: ,,Die Laryngale, einschließlich %, sind
1 Vortrag auf der Tagung der Orientalisten in Mainz vom 4. bis 6. Juni
1948.
^ Franz Praetorius, Die amharische Sprache, Halle 1879, § 36a.
3 Band I, § 45 k.
* Im Interesse der Einheitlichkeit verwende ich überall, auch bei Zitaten, meine Transkription.
^ Einführung in die semitischen Sprachen, München 1928, S. 112.
Die Laryngalen im Amharischea 375
fast völlig geschwunden (nur im Anlaut als ' oder h erhalten)"i. IVIakcel
Cohen schließlich, der sich auf eigene Beobachtungen der lebenden
Sprache stützt, bemerkt in seinem Traite de langue amharique^: „Toutes
les consonnes laryngales de l'ithiopien ancien ont disparu, excepti h qui est
paHiellement conservi", und zwar wird, wie er weiter angibt, dieses h, das
unterschiedslos altes h, Ti und x vertritt, heute noch gesprochen, wenn
auch teilweise nur fakuhativ, in den gelehrten Worten, die dem Geez ent¬
nommen oder dem Geez und Amharischen gemeinsam sind. Soweit der
Buchstabe nochinder Schrift erscheint, hat er nach Maecel Cohen im
Amharischen nur graphische Bedeutung.
Stimmen diese Ansichten der europäischen Gelehrten auch in der
Grundtatsache, dem weitgehenden Schwund der alten Laryngalen und
überein, so weichen sie doch hinsichtlich des Ergebnisses dieses Laut¬
schwundes voneinander ab. Mein Versuch, diese Fragen zu klären, kann
sich hier nur auf das Prinzipielle erstrecken und muß manche Sonderent-
wicklimg von Einzelformen unberücksichtigt lassen. Ich werde dabei
möglichst von der gesprochenen Sprache ausgehen und nicht, wie das
wenigstens zum Teil bisher geschehen ist, von der mehr oder weniger
traditionellen Wiedergabe des Amharischen durch die einheimische
Schrift, in der aus etymologischen oder sonstigen, z. B. graphisch¬
ästhetischen Gründen die Buchstaben der sämtlichen fünf alten Laute
noch verwandt werden. Die Form und Aussprache des Amharischen, auf
die ich mich hier in erster Linie beziehe, ist die eines aus dem Schoadialekt-
gebiet stammenden Amharen, mit dem ich längere Zeit in Hamburg ge¬
arbeitet habe^.
Einigkeit besteht darüber, daß in der Volkssprache, d. h. der lautgesetz¬
lich entwickelten Form des Amharischen, die vier Larjmgalen und ^ des
Geez im Wortin- und -auslaut gesch\^'unden sind. Demgemäß lautet Geez
bog' ,, Schaf" im Amharischen beg, Geez sab' ,, Mensch" im Amharischen sau, uarx , .Monat" mr, ierdä' „er möge helfen" ierda, bezüx ..viel" bezu
und entsprechend bazxa ,,viel sein" bezzä. Ferner entstand so merrä
„führen" aus rrmrTiä, gebbä ,, eintreten" aus gab'a, semmä ,, hören"'aus sam'a, lake ,, schicken" aus la'aka, fäfe ,, schreiben" aus s'aJiafa, temäre , .lernen" aus tamhara, ieleU, das Impf, von lälie ,, besser sein", aus ieleheU, mär ,, Honig" aus ma'ar bzw. ma'är, rüli ,, entfernt" aus refiük, nä
» Vielleicht geht diese Formulierung auch auf die im Vorwort von Berg¬
strässer hervorgehobene ..umfangreiche Mitarbeit" E. Mittwoch's. eines
Kenners der gesprochenen Sprache, zurück.
2 Paris 1936, S. 36.
* S. meine Aufsätze Eine amharische Form der Wiedererkennungs-
geschichte der Placidas-Legende, Zeitschrift für Eingeborenen-Sprachen,
Bd. X, Berlin 1919/20, S. 181—208, und Amharisch des täglichen Lebens,
ebendort Bd. XI, Berlm 1920/21, S. 296—305.
376 August Klingenheben
„komme!" aus na'ä, tezäz „Befehl" aus te'fejznz usw. Dementsprechend
kann z. B. das gleiche amharische Verbum sälp. sowohl „malen" wie
„husten" als auch „(ein Messer) schleifen" bedeuten, je nachdem es auf Sa'ala, sa'ala oder saJiala zurückgeht.
Aber auch im Wortanlaut sind diese Laute des Geez im Amharischen
spurlos verschwunden. Nicht nur in Komposita wie uondem ,, Bruder"
< uald ,,Sohn" -f- 'emm ,, Mutter" = ,,Sohn der Mutter", 'äsamberi , .Walfisch" < 'ä^ä,,Fisch" + 'omödri,,Walfisch" oder 'äsrammist ,,15",
etwa < Geez 'aSrü + x^fnestü, sowie nach Präfixen oder Präpositionen
wie in let ,,der Schwester" (Dativ) < la + 'e^t, bäger ,,im Lande" < ba + hagar oder beim ,,im Traum" < 60 + ^elm, wo überall der Lautausfall
in der Regel schon in der amharischen Orthographie berücksichtigt wird,
sondern stets auch in Wortgruppen und im Satze, wo nur immer ein Wort
sich ohne Sprechpause an einen vorhergehenden Satzteil anschließt. So
spricht man z. B. m£lkäm^aj,n ,,ein schönes Auge" mit Geez 'aj,n ,,Auge"
als zweitem Bestandteil, iihen^äger , .dieses Land" (als Objekt) von Geez
hagar, iäntenjetjaiiox „ich sah deine Schwester" von Geez 'anta, 'eyt
und lallajku oder 'andjQÜu ,,ein Edelstein" von Geez 'enkVe und
ielijjnnät „des Kindes Mutter", dessen Nomen regens auf Geez 'emm
,, Mutter" zurückgeht. In diesen Fällen verrät sich nur selten einmal der
Lautausfall in der amharischen Schreibung ; gibt diese doch die Wörter in
der Regel nicht so wieder, wie sie im Kontext, sondern wie sie isoliert, in
Pausa gesprochen werden — eine Methode, die ja auch sonst vielfach
innerhalb des semitischen Sprachgebiets befolgt worden ist. Treten
solche Wörter in Pausa, d. h. werden sie isoliert gesprochen, oder macht
man vor ihnen auch nur eine Sprechpause, so schreibt man nicht nur,
sondern spricht sie auch mit anlautendem t\, d. h. mit festem Einsatz.
Man sagt also 'ante ,,du", 'et ,, Schwester", 'äger ,,Land", 'elm ,, Traum", 'aiigx ,,ich sah", 'ain ,,Auge", 'rjku ,, Edelstein" und 'nnät ,, Mutter" statt
der oben angeführten Kontextformen, ohne Rücksicht darauf, welcher
Laut im einzelnen hier ursprünglich vorlag.
Haben wir diesen Vorgang nun als Lautverschiebung, also als laut¬
gesetzliche Entwicklung all der phonetisch so verschiedenen Laute h,
und X zu ' anzusehen ? Bbockelmann tut das zweifellos, wenn er die von
ihm als Ersatz von ' durch ' und Zusammcnfall von Ti und ^ mit h auf¬
gefaßte Entwicklung der Laryngalen im Amharischen unter ,, Lautwandel
durch Veränderung der Artikulationsbasis"» aufführt.
Mir scheint das Lautgesetzliche dieses Vorganges nicht in seiner posi¬
tiven Seite, dem Auftreten von sondern nur in der negativen, dem
Schwund sämtlicher Laryngalen und x im Kontext, zu bestehen. Diesen
» Zur Terminologie der lautlichen Erscheinungen s. meine Abhandlung
„Die Laute des Ful", Berlin 1927, S. 137 ff.
Die Laryngalen im Amharischen 377
Schwund selbst halte ich auch nicht für eine eigenthche, d. h. bedingungs¬
lose Lautverschiebung, sondern für eine Assimilation dieser Konsonanten
an benachbarte Sonanten, und zwar sprechen m. E. die eigenartigen,
gerade durch die Nachbarschaft von Larjmgalen bedingten vokahschen
Lautgesetze des Geez dafür, daß diese Assimilation sich schon in dieser
Sprache selbst angebahnt hat. Ich denke mir die Entwicklung also so, daß
etwa die Lautfolge a'a oder aha usw. — die letztgenannte stellt in dieser
Form ja strenggenommen nur eine phonologisch-orientierte Schreib¬
weise für die phonetische aaa^ dar — über einem zunächst noch zwei¬
silbigen aaa zu ä assimiliert bzw. kontrahiert worden ist. Die Sonanten
bleiben bei diesem Schwund der Laryngalen in ihrer im Geez erlangten
Klangfarbe erhalten, soweit sich an ihnen nicht die für die Berührung'von
Vokalen geltenden Kontraktionsgesetze oder Lautgesetze anderer Art
auswirken.
Gelangt aber ein solcher Sonant aus dem Kontext in den ,,pausalen
Anlaut", d. h. wird er nach einer Sprechpause artikuliert, so treten die
Silbenbaugesetze des Amharischen in Kraft, nach denen keine Silbe
mit einem Sonanten anlautet. Ist kein anderer Konsonant als Silben¬
anlaut vorhanden, so kann das Amharische als solchen nur den festen
Einsatz, den in diesem Fall durchaus gesprochenen Konsonanten Y\, ver¬
wenden. Vielleicht hat diese Auffassung des Vorgangs auch Peae'xorius
vorgeschwebt, wenn er meint, h, R und x seien im In- und Auslaut meist
schon aufgegeben und ,, dementsprechend" im Anlaut zu ' geworden,
wenn auch die Logik einer solchen Folgerung, in dieser Form wenigstens,
nicht unmittelbar einleuchtet.
Das Auftreten dieses ' ist übrigens keineswegs davon abhängig, daß an
seiner Stelle einmal eine ursprünghche Laryngalis oder y gestanden hat.
Gewiß trifft das bei den bisher angeführten Beispielen zu, nicht aber z. B.
in Fähen wie bei dem Imperativ 'fjka ,, berühre!" statt neka, wo der Nasal
erst nach Ausfall seines Vokals unmittelbar vor den folgenden Konso¬
nanten getreten war und dann im Kontext, z. B. in Wortgruppen wie
mefäfun._'^ka , ,berühre das Buch !", silbische Funktion angenommen hatte.
Im freien Anlaut mußte auch hier dann nach den Shbengesetzen ' ein¬
treten.
Dem eben besprochenen sind gleichzuachten Fälle wie 'ergeb ,, Taube"
statt regeb mit nichtradikalem \ für die eine Wortfolge wie idnjerg^f)
»jene Taube" (Objektskasus)^ eine Zwischenstufe darstellt, bei der
zwischen n und r der beiden Wörter der Jlittelzungenvokal e als Gleitlaut
getreten und der ursprünglich auf r folgende unbetonte kurze Vokal aus¬
gefallen war. Auch werm der 1. Radikal eines Wortes durch einen Vokal
» Y ist das Zeichen der Stimmlosigkeit.
^ S. Eine amharische Form der Placidas-Legende, S. 199.
378 August Klingenheben
von dem folgenden Konsonanten getrennt bleibt, kann ein im Kontext
vor ihm entstehender Sproßvokal irrtümlich als Wortbestandteil auf¬
gefaßt und im absoluten Anlaut mit ' versehen werden. Das geschieht
nicht nur häufig bei r wie in 'eras ,,Kopf" statt des etymologisch allein berechtigten räs, 'erüU ,,fern" statt rük von der Geez Wurzel rHU, 'eredda
statt redda ,, helfen" usw., sondern auch bei andern Konsonanten, z. B.
'esent neben sent ,,wie viel V, 'eset neben set ,,rrau". Auch ein Perfekt wie 'esä neben Sä ,, wollen" gehört wohl hierher. Bedeutung für die Formen¬
lehre hat dieser Vorgang dadurch erlangt, daß auf diese Weise das Präfix
der 1. Person Pluralis des Imperfekts, das im Geez we- lautete, im Am¬
harischen — mit sekundärer Gemination — zu 'nnß- geworden ist». Um¬
gekehrt kann aber auch ein etymologisch berechtigtes e im Wortanlaut
von der Sprache als bloßer, nur im Kontext entstandener und berechtig¬
ter Sproßvokal gewertet und infolgedessen im freien Anlaut aufgegeben
werden. Daher spricht man z. B. die Ableitung von der Geez Wurzel
primae laryngalis 'rli 'eräUüt ,, nackt" mit zweifelsohne etymologisch be¬
rechtigter Silbe 'e- in der Regel nur räliut und bildet von dieser Form dann
das neue dreiradikalige starke Verbum reUUote. So ist u. a. auch die Form
let ,,Tag" aus 'elet (statt Geez 'elat, von der Wurzel uH) entstanden.
Selbst die auffällige Tatsache, daß das Amharische von der Geez
Wurzel bhl ,, sagen" mit dem Perfekt 'äle des Grundstammes ein Verbum
nicht nur mediae, sondern auch primae laryngalis herleitet, findet m. E.
seine Erklärung in dem Silbenanlautgesetz. Ein aus *iebeliel lautgesetzlich entstandenes *iebel wurde über *ie,uel mit Ausfall des intervokalischen
unsilbischen u zum heutigen amharischen Imperfekt iep. Ein hierzu nach
dem Schema der Verba mediae laryngalis, also etwa nach der Proportion
iefef-.täfe von ,, schreiben", gebildetes Perfekt *äle mußte nach dem Silben¬
anlautgesetz im absoluten Anlaut' als ,,erstenRadikal" erhalten. Ent¬
sprechend sind auch Nebenformen wie das von mir im Satzanfang statt
des üblichen Demonstrativpronomens MÄe ,, dieser" gehörte 'ihe^ zu er¬
klären. Als Kontextzwischenform notierte ich z. B. taimtjihe für taiiüt
ühe ,,laßt ihn, dieser .. ."*. Die Nebenformen 'e- und 'rnm- der etymolo-
» Das häufige Auftreten dieser Sproßsilbe gerade vor r hat veranlaßt, die
Ursache in der besonderen phonetischen Natur des r zu suchen; u. a. hat
man in diesem Zusammenhang auf den Spiritus asper des griechischen ^
verwiesen. Im gleichen Sinne führt Bbockelmann a. a. O. § 82 g ß die Ent¬
wicklung einer solchen Silbe vor r auf den „Einsatz des Stimmtones" bei
diesem Laut zurück. Nach dem oben Ausgeführten erscheinen solche An¬
nahmen unnötig.
2 Vgl. Bbockelmann a. a. O. § 265b y Anm. 2.
^ s. Eine amharische Form der Placidas-Legende, S. 199; über das Vor¬
kommen dieser Form in der Literatur ebendort S. 204.
* Eine amharische Form der Placidas-Legende S. 199.
Die Laryngalen im Amharischen 379
gisch allein berechtigten relativischen Präformative ie- und iemm- ver¬
danken in entsprechender Weise ihre Entstehung der Verbindung mit
Präpositionen. Da in relativischen Verbalformen, die von einer Präposi¬
tion» abhängen, das relativische je- sowohl im Perfekt wie im Imperfekt
ausfällt, konnten aus Ausdrücken wie bemefta gize < öe -f iemeffa -f gize
„zur Zeit, in der er kam" = „als er kam" oder bemmimeM)bet kan „an
dem Tage, an dem er kommt" < öe + iemmimetabbet + Uan die relati¬
vischen Formen selbst nach Analogie von Fällen wie beger „mit dem Fuß"
von 'eger „Fuß" oder bembilti „mh der Flöte" von 'rpbiüi „Flöte" als
'emetta und 'mmimeta abstrahiert werden.
Die Herauslösung aus dem Kontext kann in der Nachbarschaft von
Palatal- und Velarvokalen ferner zur Entstehung eines unsilbischen i
oder u führen, und zwar auch anstelle einer ursprünglichen Laryngahs.
Das Imperfekt ie^ejez, teeyez usw. der Geez Wurzel 'x^ „nehmen''' ist
lautgesetzlich im Amharischen zu iez, tez usw. geworden. Daß der erste
Radikal { des dazugehörigen amharischen Perfekts iäze, wie Praetoeitts
meint, ,,zur Stärkung der doppeh schwachen Wurzel dem Imperfekt-
präformativ entlehnt ist"^, hahe ich nicht für zutreffend. Vielmehr
scheint mir der Ursprung dieses i in dem im Amharischen häufig im Sinne
unserer Präposition ,,mit" gebrauchten Gerundium' gesucht werden zu
müssen, dessen Geezform 'ey}'^ lautete. Nach Schwund von ' und y im
Kontext ergaben sich Formen wie 'antdn^izö ,,dich genommen habend"
= „mit dir"* oder nach Vokal 'eM iizö „mit Gepäck" mh i als Gleitlaut
vor dem Palatalvokal. Indem man nun diesen Gleitlaut als BestandteU
des Gerundiums selbst mißverstand, faßte man die Form gemäß dem
schon im Geez üblichen Wechsel von il und ie als iezö auf und bildete zu
ilu- wieder nach dem Paradigma der Verba mediae laryngalis wie tefö von
fäfe ,, schreiben" ein Perfekt iäze. Erst von diesem jungen Perfekt aus
sind dann weiter zu den schon erwähnten lautgesetzlich entwickelten
» Da die Präposition in diesen Fällen in Verbindung mit dom Relativ¬
pronomen einen Satz einleitet, kann man sie virtuell und funktionell als
Konjunktion auffassen.
^ a. a. O. § 40a; in Betracht würden natürlich nur die dritten Personen
Singularis und Pluralis iez und iczü kommen. — Mabcel Cohen meint a.a.O.
S. 246 ähnlich wie Pbaetobius: „ce verbe a perdu deux laryngales; en
revanche il s'y est introduit im 2/-initial", ohne freilich anzugeben, woher
es dieses genommen hat. Bbockelmann sucht Grundriß I § 89 h 8 }' in iäze
folgendermaßen zu erklären: „Im Amhar. ist von zwei aufeinander folgen¬
den' das erste zu i dissimiliert in *'axaza > *'a'aza > iäza, fas.sen'". Aber
da Geez x< selbst nach der anfangs zitierten eigenen Angabe Bbockel-
MANNS, lautgesetzlich niemals im Amharischen zu ' geworden ist, so konnten
in dieser Form auch niemals zwei ' aufeinander folgen.
" Vgl. Mabcel Cohen, a. a. O. S. 185.
* Eine amharische Form der Placidas-Legende S. 185.
380 August Klingenhebbn
Imperfekformen iez, tez usw. die neuen, jüngeren Nebenformen ieiez,
teiez usw. mit radikalem i hergeleitet worden». In der gleichen Weise ist
meines Erachtens der Anlaut von uöf bzw. uof ,, Vogel" gegenüber Geez
'öf mit altem etymologischem ' zunächst als hiatusverhütender Gleitlaut,
etwa in Wortgruppen wie iemedä uöf ,, der Vogel der Ebene" oder ieberehä
uöf ,,der Vogel der Steppe", entstanden und dann als erster Radikal des
Wortes mißverstanden worden^.
Der oben besprochene auf dem Silbenanlautgesetz des Amharischen
beruhende konsonantische feste Einsatz kann natmgemäß nur im abso¬
luten Anlaut auftreten. Die Volkssprache kennt aber, zum mindesten
dialektisch, auch einen lautgesetzlich entwickelten festen Einsatz, der in
seiner Funktion als Konsonant nicht an die Stellung im Wortanlaut ge¬
bunden ist. Zimächst kann, hauptsächlich im Dialektgebiet von Schoa,
Ji zu ' werden, und zwar ohne Rücksicht auf die Stellung dieses Lautes im
Worte. Dieser durchaus noch fakultative Lautübergang tritt einerseits
als unbedingte Lautverschiebung auf, wie in dem von mir gehörten Bei¬
spiel be'efu ,, gründlich" mit intervokahschem ' statt des schriftgemäßen
beUetu, oder dissimilatorische Tendenzen bedingen den Lautübergang. So
hörte ich die 3. Person Plurahs des Gerundiums von leliellelie ,, beschmie¬
ren" als le'lekau (statt lelileliau) mit ' im Auslaut der ersten Silbe.
Ferner entsteht in der Volkssprache wortinlautendes ' bei der Assi¬
milation eines Kehlverschlußlautes an eine folgende Explosiva ohne
Kehl Verschluß. Das Ergebnis dieser totalen regressiven Assimilation ist
eine geminierte Explosiva ohne Kehlverschluß, aber der in dem assi¬
milierten Konsonanten steckende Kehlverschluß selbst geht hierbei laut¬
lich nicht verloren, sondern erscheint als selbständiger Konsonant ' vor
der Geminata. Die dadurch entstehende übergroße, dreigliedrige Kon-
» Mabcel Cohen scheint a. a. O. S. 247 die ältere, lautgesetzlich ent¬
wickelte Form des Imperfekts als Verkürzung der erweiterten, sekundär
nach Analogie des jungen Perfekts gebildeten aufzufassen, ebenso wie er
ebendort S. 53 in dem lautgesetzlich entwickelten, älteren Nomen agentis
des i-Stammes täi „Bürge" gegenüber dem nach dem jungen Perfekt des
Grundstammes ißze neugebildeten tajfli „disparation d'une semi-voyelle"
und Elision des Präfixvokals sieht, während Pbaetobius a. a. O. § 40a in
lebäi ,, Diebsfänger" beilSENBEBG mit Recht das alte, lautgesetzliche Nomen
agentis 'ä& des Grundstammes statt des heutigen jäi erkennt. Die von
Pbaetobius an der gleichen Stelle nach Ludolf zitierte ,, ältere Form
P'^H" statt wird man wohl nur als Versuch einer etymologisierenden
Schreibung des gelehrten Gewährsmannes Ludolfs auffassen dürfen.
^ Für weniger wahrscheinlich halte ich es, daß der auch in der einheimi¬
schen Schreibung durch <D wiedergegebene unsilbische Vokal dieses Wortes
seinen Ursprung der Diphthongisierung des ursprünglichen ö zu wo ver¬
dankt, zumal diese keineswegs ausnahmslos über das Sprachgebiet ver¬
breitet ist.
382 August Klingenheben
bleibt k als vorletzter Radikal nach Analogie der Perfekta, in denen es ja
stets geminiert ist und daher explosiv gesprochen wird, auch in Formen
mit nicht geminiertem k in der Schrift unverändert. In der gesprochenen
Sprache wirkt sich das Lautgesetz trotz des Bewußtseins des etymolo¬
gischen Zusammenhangs in solchen Fällen allerdings doch häufig aus,
zum mindesten dialektisch. So hörte ich von tekkele ,, pflanzen" das Im¬
perfekt als ieteheläl oder die nominale Ableitung als 'atähelt ,, Garten", femer z. B. von mekkere ,, raten" das Nomen agentis als mehäri ,, Berater"
mit h, wo die traditionelle Orthographie in der Regel k schreibt. Um¬
gekehrt werden z. B. die im Geez mit k anlautenden Suffixe des Perfekts
und die entsprechenden Possessivsuffixe des Nomens mit dem Endergeb¬
nis der Lautentwicklung, also h, geschrieben, obwohl hier, wie die oben
angeführten Beispiele zeigen, je nach der lautlichen Umgebung bald k,
bald X nach bald Ä gesprochen wird». Ebenso schreibt man das offenbar im
Kontext nach Vokal aus Geez kvellü entstandene hullu „ganz, jeder" stets
mit h, nach einem Konsonanten habe ich aber auch hier, z. B. in Wort¬
folgen wie iän kullu ,, alles jenes" (Objektskasus), k gehört. Auch von
hede ,, gehen" hörte ich z. B. das Kausativum als 'askede mit lautgesetz¬
lichem k, wo die offizielle Orthographie nach dem Grundstamm h
schreibt. Im allgemeinen kommt nur bei Trübung des etymologischen
Bewußtseins die Phonetik in der Schrift zu ihrem Recht, so etwa wenn
man das geradezu schon zur Partikel erstarrte iähel ,,wie, gleich",
eigentlich das Imperfekt von 'akkele ,, gleich sein", auch in der Schrift mit Ä wiedergibt.
Noch einen letzten Weg gibt es, auf dem Laryngale in die amharische
Volkssprache eindringen. Nur auf ihn trifft, wenn auch cum grano sails,
die eingangs zitierte Angabe Brockelmanns zu, daß im Amharischen '
durch ' und K und y durch h ersetzt würden. Dieser Ersatz — denn um
einen solchen handelt es sich zweifellos — erstreckt sieh aber keineswegs,
wie Bergsträsser meint, nur auf den Anlaut, d. h. wohl auf den Wortan¬
laut. Diese letzte Quelle von Laryngalen im Amharischen bilden Wörter
fremden Ursprungs, und zwar sowohl solche aus eigentlichen Fremd¬
sprachen, als namentlich auch solche der rehgiösen, literarischen oder auch
höfisch-offiziellen Sphäre aus dem Geez, die mots savants, die gelehrten
Wörter, denen Marcel Cohen wenigstens fakultative Erhaltung der alten h,
K und X als h zuschreibt. Solche Wörter aus dem Geez sind etwa heg ,, Ge¬
setz", hezb ,,Volk", hes'än ,,Knabe"2, 'ehüdlet ,, Sonntag" und 'ezgeher (< ^egzi'abeJier) ,,Gott" mit ursprünglichem K, mehätep ,, Ausweis, Paß"
» Allerdings gibt es zweifellos Gebiete, in denen dieses aus k entstandene x
überall, obne Rücksicht auf die lautliche Umgebung, zu h geworden sein wird.
^ Daher auch mit s' statt des lautgesetzlichen ( der schoanischen Volks-
spache.
Die Laryngalen im Amharischen; 381
sonantengruppe wird dann nach den Silbengesetzen des Amharischen
durch Einschub eines Sproßvokals gesprengt, der in Assimilation an
seine stimmlose Umgebung ohne Stimmton, also e gesprochen wird». So
ergibt sich das Gerundium me'efto < md -f tö von dem ursprünglichen
Verbum tertiae laryngahs meffö ,, kommen", entsprechend u&mö von
uottä ,, herauskommen" und 'au'efiö von dessen Kausativum ' 'aMofia
,, herausbringen". Ferner se'^tiö von dem ursprünglichen Verbum tertiae
u sette „geben" und ebenso 6e'g</ö < beli + tö von beliUä „genügen". In
der gleichen Weise assimiliert sich z. B. li als dritter Radikal eines Ver¬
bums einem k der perfektischen Subjektssuffixe. So hörte ich 'auud'ekku \
„ich %vußte" < 'auuoU + ku, desgleichen mit dem Objektssuffix der 3. '
m.sgl., das nach einem u als t auftritt, 'auuo'^kküt „ich habe ihn gekannt"
und dieselbe Form negiert 'alauuo'ekkütem'
Außer * sind im Amharischen auf lautgesetzlichem Wege aber auch die
frikativen Laute h und % neu entstanden, und zwar aus altem k. Durch
progressive partielle Assimilation von nicht geminiertem k an einen vor¬
hergehenden silbischen Vokal entsteht ebenso wie in den beiden andern
Tochtersprachen des Geez, Tigre und Tigrigna, auch im Amharischen die
velare Frikativa %■ Hier bleibt sie in dieser Form aber nur im Silbenaus¬
laut erhalten. Intervokalisch geht die Assimilation an die umgebenden
Laute hier noch weiter, und so entsteht — entsprechend der stimmlosen
Natur des Ursprungslautes k bzw. y — ein stimmloser unshbischer Vokal,
den wir, was ja phonetisch und phonologisch durchaus berechtigt ist, als
einheitlichen Laut, als die laryngale Frikativa h auffassen.
So lautet, nm um einige wenige Beispiele zu geben, das ahe Suffix -ka
der 2. m.sgl.Perf. des Geez k in 'Olk ,,du sagtest", aber y in settey ,,du gabst" und h in settehaii ,,du gabst ihm". Das Suffix der 1. Person -kü
unterscheidet sich entsprechend z. B. in sebberku „ich zerbrach", sem-
mäux oder semmoy (mit Metathesis des velaren Konsonanten und seines
Vokals) ,,ich habe gehört" und semmähüt ,,ich habe es gehört". Vgl. ferner
sebrex ,, indem du zerbrachst", aber sebrehäl bzw. sebrehäl ,,du hast zer¬
brochen", sebräcux ,, indem ihr zerbracht", aber sebräcühäl „ihr habt zer¬
brochen", betex „dein Haus", aber betehen dasselbe als Objektskasus.
Soweit ein etymologischer Zusammenhang zwischen Formen der glei¬
chen Wurzel empfunden wird, gleicht die Sprache sowohl in Aussprache
wie in Schrift aus. Häufig gebrauchte Verba wie höne ,,sein" von der
Greez Wurzel kun oder hede ,, gehen" von der Wurzel kid, deren Anlaut
nach vokalischem Präfix wie z. B. im Imperfekt iehedäl ,,er geht" oder
im Kontext nach Vokal zu h wird, behalten diese frikative Form ihres
ersten Radikals in jeder Stellung, auch im absoluten Anlaut. Andrerseits
» Die Stimmlosiglceit dieses Sproßvolcals ist von mir in meinem Aufsatz
Eine amharische Form der Placidas-Legende, S. 207, übersehen worden.
Die Laryngalen im Amharisclien 383
(< rmyätam von Geez xataim, „siegeln") mit altem se'öi oder se'ä«
„Stunde", se'eZ „Bild", das ja in erster Linie kirchlich-religiösen Zwecken
dient, sowie se'eZse' äi „Maler" (< Geez/»«ö^ : IP^^) mit ursprüng¬
lichem
Natürlich hat die Volkssprache kein Bewußtsein von der ursprüng¬
lichen lautlichen Natur bzw. der wirklichen Etymologie dieser Laryngalen
ihr fremden Ursprungs. So bildet man in Schoa, da dort — abgesehen
von dem besonderen Fall der Assimilation eines radikalen ( oder U an ein
Endvmgs-< oder -k — ein im Wortinlaut lautgesetzlich entstandenes ' nur
auf U zurückgehen kann, zum Nomen agentis s^äi ,, Maler" eine neue,
lautlich mit dem Verbum ,, aufhängen" identische Perfektform selilide.
,, malen" statt und neben der lautgesetzlichen Form safe (< Geez W^ala).
Desgleichen wertet die Volkssprache das altem h, Ti und y entsprechende h
der gelehrten Wörter genau so wie das in ihr lautgesetzlich aus k ent¬
standene imd gibt es unter den gleichen Bedingungen wie dieses durch k,
h oder % wieder. Demgemäß sagt man zwar beMiät ,, Klugheit" (< Geez
bdxal) sowie im Plural des dazugehörigen Adjektivs bekhöc „kluge", aber
iin Singular, in dem der Hauchlaut in den Wortauslaut tritt, bdex^.
Ebenso behandelt die Volkssprache den Hauchlaut des der religiösen
Sphäre entstammenden Geez Verbaladjektivs reyrux „gnädig"^ im
Silbenauslaut wie den auf k zurückgehenden und spricht — mit Vokal-
assimhation — ruxrux^. Andrerseits erscheint z. B. das x der Geez Wmzel
dyn, das in volkstümlichen Formen wie däne „genesen" und medänit
,, Amulett, Medizin" lautgesetzlich geschwunden ist und in dem Adjektiv
der höfischen Sprache dehena ,, gesund, wohl" in intervokalischer Stehung
als h gesprochen wird, in dem religiösen Terminus metkäniialem ,, Hei¬
land" < Geez madxane. ^älam „Retter der Welt" nachdem Konsonanten
als k*. Ebenso nimmt, entsprechend der Entwicklung von altem k imAm-
1 In dem zur gleichen Geez Wurzel hlx gehörenden Verbum bellä „ver¬
stehen", nicht zu verwechseln mit dem gleichlautenden, auf Geez baVa
zurückgehenden bellä „essen", ist das alte ■/, lautgesetzlich geschwunden.
^ von raxrexa, amharisch lautgesetzlich rärrä , .barmherzig sein".
' Daß dieses Adjektivum. ebenso wie der Singular belex, den Hauchlaut
nunmehr wieder in seiner ursprünglichen Form aufweist, bedeutet natür¬
lich nicht, daß dieser sich hier unverändert bis heute gehalten hätte.
Guidi gibt übrigens in seinem Vocabolario dieses Adjektivum in der
volkstümlich, d. h. lautgesetzlich entwickelten Aussprache rurru ..sanft"
wieder. Die Grenze zwischen der gelehrten, d.h. sorgfältigen Au.ssprache
der literarischen Wörter und der volkstümlichen ist naturgemäß fließend;
zweifellos gibt es hier auch dialektische Unterschiede. Natürlich kann auch
das gleiche Wort, eventuell mit differenzierter Bedeutung, in der lite¬
rarischen wie in der volkstümlichen Form im gleichen Dialekt nebenein¬
ander vorkommen.
* Daß es in den obigen Beispielen gerade Nomina sind, die die alten
381 August Klingenhebbn
harischen, in dem zum Geez Verbum iiahaba „geben" gehörenden Geez
Nomen habt „Gabe" das wortanlautende h in der volkstümlichen Aus¬
sprache käpt „Reichtum" und seiner Ableitung käptäm „reich" die Form
k an. Hier verrät also nur noch der erhaltene a-Laut die ursprüngliche
Laryngalis und unterscheidet so das Wort von dem auf Geez kabt zurück¬
gehenden kept „Vieh".
Auch ^arabischer Fremdwörter wird im Einklang mit jenem ja durch¬
aus noch lebendigen amharischen Lautgesetz als Variante von k empfun¬
den, das demgemäß, soweit nicht andere Ursachen einwirken, für jenes
unter den gleichen Bedingungen eintritt, wie sie für den Wechsel von
amharischem k und x gelten. So erscheint arabisches ^im Amharischen
als k einerseits im Wortanlaut, wie in kesära , .Verlust < arab. SjLi,
andrerseits in Geminationen, wie in dem auf arab. ^_^J ,, billig" zurück¬
gehenden Perfekt rekkese ,, billig sein" und Adjektiv rekkäS ,, billig".
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die alten vier ursemitischen
Laryngalen und x aus der amharischen Volkssprache lautgesetzlich rest¬
los verschwunden sind. Erst auf dem Boden inneramharischer Entwick¬
lung entstanden dann neu die drei Lautformen h und y, teils auf Grund
des amharischen Silbenanlautgesetzes, teils durch lautgesetzliche Ent¬
wicklung, und zwar einerseits aus Kehlverschlußlauten, andrerseits aus
altem k. Mit diesen ihr organisch im Laufe ihrer Geschichte erwachsenen
lautlichen Mitteln gibt die Sprache dann auch, unter Anwendung der ihr
eigenen Gesetze, die Laute dieses phonetischen Bereichs anderer Sprachen,
einschließlich des Geez, wieder.
Damit sind freilich noch keineswegs alle Fragen auf diesem Gebiet
restlos gelöst. Unerklärt bleibt z. B. noch, weshalb das Verbum c'oha
,, rufen" des Amharischen, das doch vermutlich auf Geez y^OhO zurück¬
geht, h als letzten Radikal aufweist. Auffällig ist z.B. auch die amharische
Entsprechung ' für intervokalisches arabisches ^in der von mir gehörten
Form re'ösa ,, Frist, Urlaub", der doch ohne Zweifel das arabische Sub¬
stantivum zu Grunde liegt. Die Lösung solcher und ähnlicher
Einzelprobleme wird der weiteren Forschung vorbehalten bleiben müssen.
Laryngalen noch in irgendeiner Form erhalten haben, während die Verba
sieh durchweg lautgesetzlich-volkstümlich entwickelten, kann natürlich
nicht etwa als ein Beweis für die Behauptung angesehen werden, die
Marcel Cohen in seinem Vortrag ,, Exemples de liaison entre des conditions
phonötiques et des categories morphologiques dans les langues semitiques
6thiopiennes" auf dem XX. internationalen Orientalistenkongreß in Brüssel
1938 aufgestellt hat, daß nämlich das Amharische seine Lautgesetze nach
den Wortarten differenziere, so daß diese sich z. B. bei den Nomina anders
auswirkten als bei den Verben.
Bücherbesprechungen
Karl Bünger, Quellen zur Rechtsgeschichte der Tang-Zeit. Peiping 1946,
XV +311 S. = Monumenta Serica, Monograph IX.
Die Geschichte des chinesischen Rechtes gehörte bis vor kurzem noch
zu den am wenigsten erforschten Gebieten der ostasiatischen Kultur. Da¬
bei hatte schon im Jahre 1810 ein Chinakenner wie G. Th. Staunton' eine
für jene Zeit durchaus anerkennenswerte Übersetzung des damals geltenden
Strafrechts der Mandschu-Dynasti ( Ta-Ts'ing lü-li -^c # ) veröffent¬
licht. Was aber somst die abendländische Sinologie im Laufe des 19. Jahr¬
hunderts auf diesem Gebiet hervorgebracht hat, ist unbedeutend und
meistens aus zweiter Hand geschöpft; eine Ausnahme bildet hier höchstens
die Abhandlung von J. H. Plath „Gesetz und Recht im alten China nach
chinesischen Quellen" (München 1865). Dabei liegt, wie schon ein flüch¬
tiger Blick in die von Pelliot zusammengestellte Bibliographie'' des
chinesischen Rechtes zeigt, ein ungemein ausgedehntes Quellenmaterial
vor. Aber erst gegen Ende der Mandschu-Dynastie haben einheimische
Gelehrte wie Schen Kia-pen ^ (1840—1913) u. a. das Studium der
chinesischen Rechtsgeschichte in Angriff genommen. Bei diesen Arbeiten
handelt es sich jeiloch weniger um systematische Untersuchungen als ura
die Sammlung und Aufbereitung des Materials: so unterzog sich z. B.
TscH'fiNG ScHU-TÄ ^ tvf ^ der Aufgabe, für einzelne Dynastien, soweit
die entsprechenden Annalen keine Rechtskapitel enthalten, alle Stellen
juristischen Inhalts aus der einschlägigen Literatur zusammenzutragen
(Schangliai 19.34, 2 Bde.). Daß auch japanische Gelehrte — es sei hier nur
NiiDA NoBORU genannt — an der Erschließung der chinesischen Rechts¬
geschichte mitgearbeitet haben, ist schon durch die Bedeutung, welche das
Gesetzbuch und andere staatliche Normen der T'ang-Zeit für die Gesetz¬
gebung Japans besitzen, ohne weiteres bedingt. Schließlich hat der Auf¬
schwung der abendländischen Sinologie in den letzten Jahrzehnten dazu
geführt, daß auch von dieser Seite die so lange vernachlässigte Erforschung
der chinesischen Rechtsgeschichte aufgenommen wurde. Das Haupt¬
gewicht dieser Studien liegt dabei weniger in den großen zusammenfassen¬
den Werken^ als in gewissen Einzeluntorsuchungen: ist doch heute infolge
1 In Wirklichkeit hat Staunton nur die lü flS, die Grundgesetze, nicht
aber die li die späteren Ausführungsbestimmungen dazu, übersetzt.
^ s. Bull, de l'ficole Franc. d'Extr.-Or. IX (1909) S. 123 — 152.
^ Welch krasse Unkenntnis über gewisse Grundtatsachen der chinesi¬
schen Rechtsgeschichte .selbst bei einem Fachmann wie E. Alabaster, dem
Verfasser der noch kürzlich (T'oung Pao Bd. XXXVIII, 1948, S. 341) als
"excellent book" gerühmten "Notes and Commentaries on Chinese Law
and cognate topics" (London 1899), vor einigen Jahrzehnten noch bestand,
mag man aus einer Bemerkung wie der folgenden ersehen (a. a. O. S. XLI) :
"It is very questionable whether a Code in the proper sense existed before
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