Kapitel 3. Folgen und Reihen
3.1
Folgen
Eine Folge ist eine durchnummerierte Zusammenfassung von reellen Zahlen. Sie wird geschrieben als
(a1, a2, a3, . . .) = (an)n∈N.
Es ist also an ∈ R. Der Index n gibt an, an welcher Stelle in der Folge die Zahl an steht.
Beispiel 3.1
1. Mit an = n2 ist a= (an) = (1,4,9,16, . . .) die Folge der Quadratzahlen in N. 2. Mit bn = n1 ist b = (bn)n∈N = (1,12,13,14, . . .) die Folge der sogenannten
Hauptbr¨uche in Q.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 285
3. Mit cn = (−1)n ist
c= (cn)n∈N = (−1,1,−1,1,−1, . . .).
4. Mit dn = 2n ist
d = (dn)n∈N = (2,4,8,16,32,64,128, . . .) die Folge der Zweierpotenzen.
5. Mit yn = − 13n
ist
y = (yn)n∈N = − 1 3, 1
9, − 1 27, 1
81, − 1
243, . . . .
6. Ist xn = (1 + n1)n, dann ist
x = (xn)n∈N = 2, 9 4, 64
27, 625 256, . . .
Einige weitere Folgenglieder sind in der folgenden Tabelle angegeben:
n 1 10 100 1000
xn 2 2.59374 2.70481 2.71692 n 10000 100000 1000000 xn 2.71814 2.71826 2.71828 7. Die sogenannte Fibonacci-Folge ist die Folge (an)n∈N mit
a1 = a2 = 1 und an = an−1+an−2 f¨ur n ≥ 3.
Die ersten Folgenglieder sind
a = (1,1,2,3,5,8,13,21,34, . . .).
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Die Zahl an heißt die n-te Fibonaccizahl.
Folgen lassen sich auch als Abbildungen auffassen.
Eine Folge ist eine Abbildung a : N −→ R mit Definitionsbereich N. F¨ur den Wert a(n) an der Stelle n schreibt man ¨ublicherweise an. Der Wert an heißt n-tes Folgenglied von a.
Die Fibonacci-Folge heißt rekursiv definiert, da man zur Berechnung eines Folgenglieds an die vorherigen Folgenglieder ben¨otigt (und Anfangswerte). Die anderen Folgen hingegen sind explizit definiert, da sich jedes an direkt aus dem Index n berechnen l¨aßt.
Man kann auch f¨ur die Fibonacci-Folge eine explizite Formel angeben. Die n-te
Fibonacci-Zahl an ist n¨amlich
an =
1+√ 5 2
n
−
1−√ 5 2
n
√5 .
Wir k¨onnen eine Folge a = (an)n∈N graphisch veranschaulichen, indem wir die Punkte mit den Koordinaten (n, an) f¨ur einige Werte von n in ein Koordinatensystem zeichnen. Wir tun dies hier f¨ur die ersten sechs Beispiele.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 289
Beispiel 3.1.1
0 100 200 300 400
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x
Beispiel 3.1.2
0.2 0.4 0.6 0.8 1
0 5 10 15 20 25 30
x
Beispiel 3.1.3
–1 –0.5 0 0.5 1
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x
Beispiel 3.1.4
0 200 400 600 800 1000
2 4 6 8 10
x
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Beispiel 3.1.6 fuer n<100
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
0 20 40 60 80 100
x
Beispiel 3.1.6 fuer n<20
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x
Eine Folge a = (an)n∈N mit an 6= 0 f¨ur alle n ∈ N heißt geometrisch, wenn der Quotient aufeinanderfolgender Glieder konstant ist, wenn es also eine Zahl q ∈ R gibt, so dass gilt
an+1
an
= q f¨ur alle n ∈ N.
Beispiel 3.2 • Die Folge aus Beispiel 3.1.4 ist geometrisch, denn dn+1
dn
= 2n+1
2n = 2 f¨ur alle n ∈N.
Ebenso ist jede Folge mit der Vorschrift dn = qn f¨ur ein festes q ∈ R geometrisch.
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• Die anderen Folgen in Beispiel 3.1 sind nicht geometrisch. So ist etwa f¨ur die Folge mit bn = n1
b3
b2 = 2
3, aber b4
b3 = 3 4.
Beispiel 3.3 Ein Anfangskapital K0 wird zum Zinssatz von p = 0.05 (also 5%) j¨ahrlich verzinst. Dann ist nach n Jahren das Kapital angewachsen auf den Wert Kn, der sich wie folgt berechnet (Zinseszinz!);
K1 = K0+pK0 = (1 + p)K0,
K2 = K1+pK1 = (1 + p)K1 = (1 +p)2K0, K3 = K2+pK2 = (1 + p)K2 = (1 +p)3K0, und allgemein
Kn = (1 + p)nK0.
Die Folge der j¨ahrlichen Kapitalmenge (Kn)n∈N ist also geometrisch, da KKn+1
n = 1 +p f¨ur alle n ∈ N.
F¨ur eine geometrische Folge mit dem konstanten Quotienten an+1
an
= q gilt an+1 = qan und daher
a2 = qa1, a3 = qa2 = q2a1, a4 = qa3 = q3a1
und allgemein an = a1qn−1 oder
an = a0qn
Mathematik I – WiSe 2004/2005 295
wobei a0 := aq1. Wir k¨onnen a0 als das nullte Folgenglied auffassen.
Eine geometrische Folge ist also vollst¨andig durch den Quotienten q und einen Anfangswert a0 (oder a1) bestimmt.
Eine Folgea = (an)n∈N heißtarithmetisch, wenn die Differenz aufeinanderfolgender Glieder konstant ist, wenn es also eine Zahl d ∈ R gibt, so dass gilt
an+1 −an = d f¨ur alle n ∈ N.
Beispiel 3.4 Die Folge a= (an)n∈N mit an = 3n−7 ist arithmetisch, denn an+1 −an = 3(n+ 1)−7− 3n−7
= 3 f¨ur alle n ∈ N.
Die ersten Folgenglieder sind −4, −1, 2, 5, 8, . . ..
Ist eine Folge a = (an)n∈N arithmetisch mit der konstanten Differenz an+1 −an = d f¨ur alle n ∈ N,
dann gilt an+1 = d+an und die einzelnen Folgenglieder ergeben sich durch a2 = d+a1,
a3 = d+a2 = d +d +a1 = 2d+a1, a4 = d+a3 = 3d +a1
und allgemein an = (n−1)d +a1 oder nd+a0
Mathematik I – WiSe 2004/2005 297
wobei a0 = a1 − d wie bei der geometrischen Folge als nulltes Folgenglied interpretiert werden kann.
Eine arithmetische Folge ist also vollst¨andig durch die Differenz d und einen Anfangswert a0 (oder a1) bestimmt.
Ahnlich wie f¨¨ ur Abbildungen wollen wir nun die Begriffe Monotonie und Beschr¨anktheit f¨ur Folgen erkl¨aren. Zus¨atzlich gibt es noch den Begriff der alternierenden Folge (machen Sie sich klar, dass die Begriffe Monotonie und Beschr¨anktheit sowohl f¨ur Folgen als auch reelle Funktionen sinnvoll sind, alternierend aber f¨ur Abbildungen auf R nicht sinnvoll definiert werden kann).
• Eine Folge a heißt konstant, falls an+1 = an f¨ur alle n ∈ N gilt.
• Eine Folge (an)n∈N heißt monoton wachsend bzw. streng monoton wachsend, falls
an+1 ≥ an bzw. an+1 > an f¨ur alle n ∈ N.
• Eine Folge (an)n∈N heißt monoton fallend bzw. streng monoton fallend, falls
an+1 ≤ an bzw. an+1 < an f¨ur alle n ∈ N.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 299
Eine Folge heißt alternierend, falls an+1 > 0 ist wenn an < 0 ist und an+1 < 0 wenn an > 0 ist. Anders gesagt: an+1an < 0 f¨ur alle n ∈ N (die Folgenglieder wechseln also in jedem Schritt das Vorzeichen).
Beispiel 3.5 • Betrachte die Folgen aus Beispiel 3.1 Die Folgen a und d mit an = n2 unddn = 2nsowie die Fibonacci-Folge sind streng monoton wachsend.
• Die Folge b mit bn = n1 ist streng monoton fallend.
• Die Folge c mit cn = (−1)n ist weder monoton wachsend noch monoton fallend. Sie ist alternierend.
• Die Folge x mit xn = (1 + n1)n ist streng monoton wachsend. Das wird zumindest durch den Graphen angedeutet und es l¨asst sich auch nachrechnen.
• Außerdem ist auch die Folge der Kapitalmengen in Beispiel 3.3 bei konstanter j¨ahrlicher Verzinsung streng monoton wachsend. Das sollte nat¨urlich auch so sein!
• Beachte, dass es auch Folgen gibt, die weder monoton wachsend noch monoton fallend noch alternierend sind. Wenn wir mit tn die Anzahl der verschiedenen Primteiler von n bezeichnen, so sieht der Graph der Folge (−1)t(n)t(n) f¨ur 1000 ≤ n ≤ 1100 so aus:
Mathematik I – WiSe 2004/2005 301
–3 –2 –1
0 1 2 3 4
1020 1040 1060 1080 1100
F¨ur die besonders wichtigen geometrischen Folgen ist das Monotonieverhalten wie folgt:
Sei a0 > 0. Die geometrische Folge a mit an = a0qn ist streng monoton wachsend, wenn q > 1 ist, streng monoton fallend, wenn q ∈(0,1) ist, und konstant, wenn q = 0 oder q = 1 ist. F¨ur q <0 ist die geometrische Folge an = a0qn alternierend.
Sei a0 < 0. Die geometrische Folge a mit an = a0qn ist streng monoton fallend, wenn q > 1 ist, streng monoton wachsend, wenn q ∈(0,1) ist, und konstant, wenn q = 0 oder q = 1 ist. F¨ur q <0 ist die geometrische Folge an = a0qn alternierend.
Beispiel 3.6 • Die Folge an = 5 12n
ist streng monoton fallend. Die ersten Folgenglieder sind
a1 = 5
2, a2 = 5
4, a3 = 5
8, a4 = 5
16, a10 = 5 1024.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 303
• F¨ur an = 5 − 12n
erhalten wir a1 = −5
2, a2 = 5
4, a4 = 5
16, a5 = − 5
32, a10 = 5 1024
Die Folge ist alternierend. Wir halten fest, dass die Folge (|an|) der Betr¨age von an monoton fallend ist.
Eine Folge (an)n∈N heißt beschr¨ankt, falls es eine Konstante M ∈R gibt, so dass
|an| ≤ M f¨ur alle n ∈ N, d. h. alle Folgenglieder liegen im Intervall [−M, M].
Beispiel 3.7 • Die Folgen a und d mit an = n2 und dn = 2n sowie die Fibonacci-Folge aus Beispiel 3.1 sind nicht beschr¨ankt.
• Die Folge b mit bn = n1 ist beschr¨ankt, denn n1 < 1 f¨ur alle n ∈N.
• Die Folge c mit cn = (−1)n ist beschr¨ankt: |(−1)n| = 1 f¨ur alle n ∈ N.
• Die Kapitalzuwachsfolge aus Beispiel 3.3 ist unbeschr¨ankt. Wenn man nur lange genug wartet, wird das Kapital beliebig groß.
• Eine geometrische Folge a mit an = a0qn ist unbeschr¨ankt, wenn |q| > 1 ist und beschr¨ankt, wenn q ∈ [−1,1] ist.
Zur Beschreibung des Verhaltens einer Folge bei wachsendem Index wird, wie schon bei Funktionen, der Begriff Konvergenz eingef¨uhrt.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 305
Zun¨achst einige anschauliche Beispiele von Konvergenz.
Beispiel 3.8 • Die Folgenglieder aus Beispiel 3.1.1, 3.1.4 und 3.1.7 werden f¨ur wachsende n immer gr¨oßer. Anders gesagt: sie gehen gegen +∞.
• Die Folgenglieder aus Beispiel 3.1.2 kommen f¨ur wachsende n immer n¨aher an die x-Achse, anders: die Werte kommen der Null immer n¨aher.
• In der Folge aus Beispiel 3.1.3 wechseln sich die Werte 1 und −1 ab. Die Folge kommt weder dem Wert 1 noch dem Wert −1 beliebig nahe, weil immer wieder der jeweils andere Wert angenommen wird.
• Die Folgenglieder aus Beispiel 3.1.5 wechseln sich mit dem Vorzeichen ab, aber wie in Beispiel 2 kommen die Werte der Null, also der x-Achse, immer n¨aher.
• Der Graph der Folge aus Beispiel 3.1.6 deutet an, dass die Folgenglieder zwar
stets anwachsen, aber nicht beliebig groß werden, sondern sich einem Wert n¨ahern. Was ist der genaue Wert? Diesen Wert nennen wir den Grenzwert der Folge:
Mathematik I – WiSe 2004/2005 307
Grenzwert (Limes) von Folgen
Eine reelle Zahl a heißt Grenzwert oder Limes einer Folge (an)n∈N, wenn es zu jedem vorgegebenen > 0 einen von abh¨angigen Index n()∈ N gibt, so dass
|an−a| ≤ f¨ur alle n ≥ n().
Eine Folge (an)n∈N heißt konvergent wenn sie einen Grenzwert a ∈R besitzt. In diesem Fall schreiben wir:
nlim→∞an = a oder an → a f¨ur n → ∞.
Sprechweise: Limes n gegen unendlich von an ist gleich a, oder: an konvergiert
gegen a f¨ur n gegen unendlich. Ist der Grenzwert a = 0, so heißt die Folge eine Nullfolge.
Ist eine Folge nicht konvergent, so heißt sie divergent. Man sagt auch die Folge divergiert. Wir k¨onnen auch noch verschiedene Arten der Divergenz unterscheiden.
Die Folgean = n verh¨alt sich sicherlich anders als die Folge (−1)n·n oder (−1)n.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 309
Eine Folge (an)n∈N heißt bestimmt divergent gegen ∞, falls es zu jedem M ein n0 so gibt, dass
an ≥ M f¨ur alle n ≥ n0,
gilt, d.h. die Folgenglieder werden beliebig groß. Entsprechend wird bestimmte Divergenz gegen −∞ erkl¨art.
Schreibweise: lim
n→∞an = ∞, bzw. lim
n→∞an = −∞.
Achtung: Wir sagen nicht, dass die Folge gegen ∞ konvergiert. Wenn wir von Konvergenz sprechen, meinen wir stets Konvergenz gegen eine reelle Zahl, nie gegen ±∞!
Man kann sich die Konvergenz gegen a auch folgendermaßen klar machen:
Eine Folge (an)n∈N konvergiert gegen ein a ∈ R genau dann, wenn f¨ur alle > 0 nur endlich viele Folgenglieder nicht im Intervall [a−, a +] liegen; ein solches Intervall heißt auch eine -Umgebung von a.
Alternative Sprechweise: fast alle Folgenglieder (d.h. mit Ausnahme von h¨ochstens endlich vielen) liegen im Intervall [a − , a + ]. Insbesondere gibt es also nur einen Grenzwert f¨ur eine konvergierende Folge.
Beispiel 3.9 • Die Folge a mit an = n2 aus Beispiel 3.1.1 ist divergent (bestimmte Divergenz gegen ∞).
• Die Folge b mit bn = n1 ist eine Nullfolge.
• Die Folge c mit cn = (−1)n ist divergent.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 311
• Die Folge d mit dn = 2n ist bestimmt divergent gegen ∞.
• Die Folge y mit yn = − 13n
ist eine Nullfolge.
• Die Folge x mit xn = (1 + n1)n ist konvergent, ihr Grenzwert ist die Eulersche Zahl e, also
e := lim
n→∞ 1 + 1 n
n
≈ 2.7182818 Wir gehen darauf sp¨ater noch genauer ein.
• Die Fibonacci-Folge ist bestimmt divergent gegen ∞. Aus der Definition der Konvergenz folgt sofort
Jede konvergente Folge ist beschr¨ankt.
Wir wollen im n¨achsten Beispiel das Konvergenzverhalten der arithmetischen und geometrischen Folgen sowie der Folgen n1 und (−n1)n zusammenfassen.
Beispiel 3.10
an a+nd aqn (a > 0) n1 (−n1)n
(1) d ≥ 0 q ≥ 1 − −
(1a) d > 0 q > 1 − −
(2) d ≤ 0 0 ≤ q ≤ 1 + − (2a) d < 0 0 < q < 1 + − (3) d = 0 −1 ≤ q ≤ 1 + + (4) d = 0 −1 < q < 1 q = 1 + +
Limes a 0 a 0 0
Mathematik I – WiSe 2004/2005 313
Die Zeileneintr¨age bedeuten dabei folgendes:
(1): monoton steigend; (1a): streng monoton steigend (2): monoton fallend; (2a): streng monoton fallend (3): beschr¨ankt
(4): konvergent
Wir geben jeweils an, f¨ur welche Werte von a, d, q die Folgen die entsprechende Eigenschaft haben.
Ein sehr wichtiges Konvergenzkriterium ist das folgende:
Jede beschr¨ankte und monotone Folge (an)n∈N
konvergiert, d.h. es gibt ein a ∈ R, so dass
nlim→∞an = a.
Beispiel 3.11 Die Folge (n+1)3 ist monoton (fallend) und beschr¨ankt, also konvergent, und der Grenzwert ist 0. Die Folge (−1)n
2
7n ist nicht monoton (aber beschr¨ankt). Diese Folge ist auch konvergent (ihr Grenzwert ist ebenfalls 0). Es kann also durchaus nicht monotone Folgen geben, die konvergieren.
Unbeschr¨ankt kann eine konvergente Folge aber nicht sein!
Mathematik I – WiSe 2004/2005 315
Rechenregeln f¨ur Grenzwerte
Seien (an)n∈N, (bn)n∈N konvergente Folgen mit lim
n→∞an = a und
nlim→∞bn = b. Dann gilt:
1. (an ±bn)n∈N ist konvergent mit
nlim→∞(an±bn) = a±b . 2. (an ·bn)n∈N ist konvergent mit
nlim→∞(an·bn) = a·b .
3. Sei b 6= 0. Dann gibt es ein n0 ∈ N mit bn 6= 0 f¨ur alle n ≥ n0, und die Folge
an
bn
n≥n0
ist konvergent mit
nlim→∞
an
bn
= a b .
4. Sei λ ∈R. Dann ist auch die Folge (λan)n∈N konvergent mit
nlim→∞(λan) = λa .
Mathematik I – WiSe 2004/2005 317
Satz 3.1 Sei f eine auf (a, b) stetige Funktion. Ferner sei x ∈ (a, b) und xn eine Folge reeller Zahlen mit xn ∈ (a, b) f¨ur alle n.
Wenn dann lim
n→∞xn = x gilt, so ist
nlim→∞f(xn) =f(x).
Es gen¨ugt hier sogar, xn ∈ (a, b) nur f¨ur alle n > n0 f¨ur eine Zahl n0 ∈ N zu verlangen.
Dieser Satz hat z.B. wegen der Stetigkeit der Wurzelfunktion folgende Konsequenz:
Ist an ≥ 0 f¨ur alle n ∈ N und lim
n→∞an = a, dann ist
nlim→∞
√an = √ a.
Wir geben gleich eine Menge an Beispielen an, wie wir die oben angegebenen Sachverhalte ausnutzen k¨onnen. Wir m¨ussen, grob gesagt, den algebraischen Ausdruck, der die Folgenglieder an definiert, in Teilausdr¨ucke zerlegen, von denen wir dann jeweils die Grenzwerte kennen. Bevor wir zu den Beispielen kommen, hier ein weiteres wichtiges Konvergenzkriterium:
Mathematik I – WiSe 2004/2005 319
Ausquetschen Seien (a0n),(a00n) konvergente Folgen mit
nlim→∞a0n = a = lim
n→∞a00n. Ist (an) eine Folge mit
a0n ≤ an ≤ a00n f¨ur alle n , dann gilt auch
nlim→∞an = a .
Als Spezialfall erhalten wir f¨ur Nullfolgen:
Sei (a0n) eine Nullfolge. Ist (an) eine Folge mit
|an| ≤ a0n f¨ur alle n , dann ist auch (an) eine Nullfolge.
Beispiel 3.12
(1) F¨ur k ∈N ist
nlim→∞
1
nk = 0.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 321
(2)
nlim→∞
3n2+ 1
n2 = lim
n→∞(3 + 1
n2) = lim
n→∞3 + lim
n→∞
1
n2 = 3.
(3) F¨ur a ∈ R mit |a| < 1 ist
nlim→∞an = 0.
(4) Sei an = √
n+ 1−√
n, n ∈ N.
Bei dieser Folge hilft ein Umformungstrick weiter:
√n+ 1−√
n = (√n+1−√√n+1+n)(√√n+1+√n) n
= √n+1n+1+−n√
n = √n+1+1 √ n
und daher ist
nlim→∞(√
n+ 1−√
n) = 0.
Warnung: Bei einem Grenzwert limn→∞
√n+ 1−√
n versuchen viele Anf¨anger etwa wie folgt zu argumentieren:
nlim→∞(√
n+ 1−√
n) = lim
n→∞
√n+ 1− lim
n→∞
√n = ∞ − ∞ = 0.
Das geht aber so nicht, weil der Grenzwert der Summe zweier Folgen nur dann die Summe der Grenzwerte dieser beiden Folgen ist, wenn die beiden Grenzwerte existieren. Das ist aber in unserem Beispiel nicht der Fall.Außerdem macht ein Ausdruck der Form “∞ − ∞” keinen Sinn! Die oben angegebene Umformung ist somit falsch!!!
Uberlegen Sie sich bitte, dass man mit so einem Argument “zeigen” k¨onnte¨ limn→∞((n+ 1)−n) = limn→∞(n+ 1) −limn→∞(n) = 0, obwohl nat¨urlich
nlim→∞(n+ 1−n) = lim
n→∞(1) = 1 gilt.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 323
Beispiel 3.13 Als einen etwas komplizierteren Grenzwert wollen wir hier zeigen
nlim→∞
√n
n = 1 Dazu ben¨otigen wir den binomischen Lehrsatz
(a+b)n = Xn
i=0
n i
aibn−i
Hier ist
n i
= n!
i!(n−i)!
(gelesen: n ¨uber i), wobei
m! = m·(m−1) ·(m−2). . .2·1
die Fakult¨at von m ist (das ist das Produkt aller nat¨urlichen Zahlen ≤ m).
Machen wir uns dies an einem Beispiel klar:
(a+b)3 = (a+b)2(a+b) = (a2+ 2ab+b2)(a+b) =
= a3+ 3a2b + 3ab2 +b3
Der binomische Lehrsatz verallgemeinert die binomischen Formeln (Spezialfall n = 2).
Wir wollen etwas ¨uber die Konvergenz von an = √n
n aussagen. Dazu definieren wir bn = an−1 und berechnen (bn+ 1)n mit Hilfe des binomischen Lehrsatzes:
n = (bn + 1)n = Xn
i=0
n i
bni1n−i = Xn
i=0
n i
bni, (3.1)
Mathematik I – WiSe 2004/2005 325
weil ja bn + 1 = √n
n. Die Gleichung (3.1) zeigt n
2
bn2 ≤ n,
weil bn ≥ 0 (beachte: an ≥ 1), also n(n −1)
2 b2n ≤ n, also bn ≤
r 2 n−1. Wegen bn ≥ 0 erhalten wir somit
0 ≤ bn ≤
r 2 n−1
und deshalb (“Ausquetschen”)
nlim→∞bn = 0, also lim
n→∞(bn+ 1) = lim
n→∞
√n
n = 1.
Wir haben bereits ein Beispiel einer Folge gesehen, die die Entwicklung eines Anfangskapitals K0 bei einer p–prozentigen Verzinsung beschreibt. Wenn x = p/100 ist, gilt f¨ur das Kapital nach m Jahren
Kn = (1 + x)mK0
nach einem Jahr also (1 +x)K0. Nun k¨onnte man es doch als fair empfinden, wenn man statt einmal j¨ahrlich p Prozent Zinsen zu bekommen, monatlich p/12
Mathematik I – WiSe 2004/2005 327
Prozent gutgeschrieben bekommt. Dann w¨are das Kapital nach einem Jahr 1 + x
12 12
K0
Bei einer t¨aglichen Verzinsung ist das schon 1 + x
365 365
K0
Vergleichen wir, wie stark sich das Kapital bei den diversen Verzinsungssmodellen und x = 0.05, d.h. bei einer p–prozentigen Verzinsung, vergr¨ossert:
1 +x
1 + x 12
12
1 + x 365
365
1.05 1.05116 1.05127
Genauere Untersuchungen zeigen:
nlim→∞
1 + 1 n
n
= e ≈ 2.71828. . .
und lim
n→∞
1 + x n
n
= ex
Die Zahl e heißt Eulersche Zahl.
Interessant ist, dass Banken bei Krediten eher eine monatliche Verzinsung w¨ahlen, bei Zinszahlungen aber eher nur j¨ahrlich abrechnen.
Die unterschiedlichen Modelle k¨onnen sich nach mehreren Jahren schon bemerkbar machen, wenn auch nicht sehr dramatisch. Wir k¨onnen die Exponentialfunktion ex oder, wenn es um das Wachstum in m Jahren geht, die Funktion emx = (ex)m
Mathematik I – WiSe 2004/2005 329
als eineGrenzfunktion interpretieren, die das Wachstum bei einerkontinuierlichen oder stetigen Verzinsung beschreibt. Wir setzen wieder x = 0.05:
(1 +x)m 1 + 12x12m
emx m = 1 1.05 1.0512 1.0513 m = 2 1.1025 1.1049 1.1052 m = 5 1.2763 1.2834 1.2840 m = 10 1.6289 1.6470 1.6487 m = 20 2.6533 2.7126 2.7183 m = 30 4.3219 4.4677 4.4817 Abschreibungen
Folgen treten in der ¨Okonomie auch beim Thema Abschreibungen auf. Wichtig sind hier die folgenden drei Gr¨oßen:
A: Anschaffungsaufwendungen
R: Restwert am Ende der Nutzungsdauer T: Nutzungsdauer (in Jahren)
an Abschreibungsbetrag im n-ten Jahr, n = 1, . . . , T Wir unterscheiden drei Typen von Abschreibungen:
Lineare Abschreibung
Arithmetisch-degressive Abschreibung Geometrisch-degressive Abschreibung
Beginnen wir mit der linearen Abschreibung. In diesem Fall wird in jedem Jahr derselbe Betrag a abgeschrieben, wir erhalten also
a= A−R T .
Mathematik I – WiSe 2004/2005 331
Die Abschreibungsbetr¨age sind also konstant.
Bei derarithmetisch-degressiven Abschreibungbilden diean eine arithmetische Folge, d.h.
an = a1−(n−1)d
Wenn hier A, R und T bekannt sind, kann nicht unmittelbar auf a1 und d geschlossen werden. Man kann die Abschreibung aber genau bestimmen, wenn der letzte Abschreibungsbetrag genau d sein soll, also aT = d. Dann gilt n¨amlich
d = A−R
1
2T(T + 1).
Der Grund f¨ur diese Formel ist folgender: Im ersten Jahr wird T d abgeschrieben, dann (T − 1)d, dann (T − 2)d usw, bis im T-ten Jahr d abgeschrieben wird.
Insgesamt gilt dann
A −R= XT i=1
(i·d) =d· XT
i=1
i.
Man kann zeigen
XT i=1
i = T(T + 1) 2 , woraus die Formel f¨ur d folgt.
Bei der geometrisch-degressiven Abschreibung bilden die Abschreibungsbetr¨age an eine geometrische Reihe, bezogen auf A also
an = Apn
f¨ur ein 0 < p < 1. Der Prozentsatz 100p heißt der Abschreibungsprozentsatz:
In jedem Jahr werden p Prozent des Anschaffungswertes abgeschrieben. Setzen
Mathematik I – WiSe 2004/2005 333
wir q = 1− p, so ist der Buchwert nach einem Jahr A −Ap = Aq, nach zwei Jahren Aq2 und nach T Jahren AqT, also
R= A(1−p)T. Man kann diese Formel auch nach p aufl¨osen:
p = 1− T rR
A.
Beachten Sie: 0 < p < 1, deshalb entspricht p gerade einem Prozentsatz von 100p Prozent.
3.2
Reihen
Aus Folgen lassen sich durch Aufaddieren weitere Folgen konstruieren. Das sind die sogenannten Reihen, sie spielen in der Finanzmathematik eine wichtige Rolle.
Die entsprechenden Beispiele werden im n¨achsten Abschnitt behandelt.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 335
Sei (an)n∈N eine Folge.
Wir definieren die n-te Partialsumme (oder: Teilsumme) der Folge (an)n∈N durch Aufaddieren der ersten n Folgenglieder, also
sn = a1+a2+· · ·+an = Xn k=1
ak f¨ur alle n ∈N.
Die Folge (sn)n∈N der Partialsummen heißt eine (unendliche) Reihe und wird auch als Pn
k=1
ak
n∈N geschrieben.
Die Bezeichnungn-te Partialsumme bezieht sich auf die Anzahl der aufsummierten Folgenglieder. Beachten Sie, dass zur Darstellung der n-ten Partialsumme mit dem Summenzeichen ein zweiter Laufindex, hier k, ben¨otigt wird.
Bei Reihen treten also immer zwei verschiedene Folgen auf: die Folge (an)n∈N
der einzelnen Glieder und die Folge (sn)n∈N der Partialsummen, das ist dann die Reihe.
Beispiel 3.14
1. Sei an = n1. Dann ist sn = 1 1 + 1
2 +. . .+ 1 n =
Xn k=1
1
k etwa s3 = 1
1 + 1 2 + 1
3 = 11 6 , s10 = 1
1 + 1
2 +. . .+ 1
10 = 7381
2520 ≈ 2,93, s100 ≈ 5,19 s10000 ≈ 9,79.
Die Reihe (sn)n∈N heißt harmonische Reihe.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 337
2. Ist an = 21n, dann ist s3 = 1
2 + 1 4 + 1
8 = 7
8 = 0,875 s10 = 1023
1024 ≈ 0,999
s100 ≈ 0,99999999999999999999999999999921114
3. Sei an = n. Dann ist
s2 = 3, s10 = 1 + 2 +. . .+ 10 = 55, s100 = 5050.
4. Sei an = (−1)nn1. Dann ist
s3 = −1 + 12 − 13 = −56, s10 = −25201627 ≈ −0,6456, s5000 ≈ −0,6930, s10000 ≈ −0,6931.
In diesem Fall heißt die Folge (sn)n∈N alternierende harmonische Reihe.
5. Ist an = (−1)n, dann ist die Folge der Partialsummen gegeben durch s1 = −1, s2 = −1 + 1 = 0, s3 = −1 + 1 + (−1) =−1, s4 = 0
und allgemein s2n = 0 und s2n−1 = −1 f¨ur alle n ∈ N.
Die Graphen der Folgen in Beispiel 3.14.1, 2 und 4 sehen folgendermaßen aus.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 339
Beispiel 14.1: Harmonische Reihe
1 2 3 4 5 6
0 100 200 x 300 400 500
Beispiel 14.2
0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1
0 10 20 30x 40 50 60
Beispiel 14.4: Alternierende harmonische Reihe
–1 –0.9 –0.8 –0.7 –0.6 –0.5
0 20 40 x 60 80 100
Ist (an)n∈N eine geometrische Folge, so heißt Pn
k=1
ak
n∈N geometrische Reihe.
Ist (an)n∈N eine arithmetische Folge, so heißt Pn
k=1
ak
n∈N arithmetische Reihe.
Da bei geometrischen bzw. arithmetischen Folgen alle Folgenglieder bereits durch
Mathematik I – WiSe 2004/2005 341
a1 und den Quotienten q bzw. die Differenz d vollst¨andig festgelegt sind, lassen sich auch die Partialsummen allein aus a1 und q bzw. d berechnen.
1. Sei (an) eine arithmetische Folge mit an+1 = an+d. Dann ist
sn = Xn k=1
ak = n·
a1+ (n−1)·d 2
.
2. Ist (an) eine geometrische Folge mit an+1
an
= q, so ist
sn = Xn k=1
ak =
na1 falls q = 1, a11−qn
1−q falls q 6= 1.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 343
Beispiel 3.15
1. Die Folge an = 21n ist geometrisch. Daher bilden die zugeh¨origen Partialsummen eine geometrische Reihe und lassen sich berechnen durch
sn = 1
2 · 1−(1/2)n
1−1/2 = 2n−1 2n , siehe etwa s10 in Beispiel 3.14.2.
2. Die Folge an = n aus Beispiel 3.14.3 ist arithmetisch mit d = 1 und a1 = 1.
Folglich ist die Folge (sn)n∈N der Partialsummen eine arithmetische Reihe und die Summen lassen sich berechnen durch
sn = n
1 + n−1 2
= n(n+ 1) 2 .
3. F¨ur die geometrische Folge an = 5·3n ergeben sich die Partialsummen sn = 15· 3n−1
2 , etwa s10 = 442.860.
4. Ist an = 3
4n+1, dann ist mit Hilfe der Rechenregeln f¨ur Summen aus Abschnitt 1.2
sn = Xn k=1
3 4k+1 =
Xn k=1
3 4
1 4
k
= 3 4
Xn k=1
1 4
k
= 3 4 · 1
4 · 1−(14)n 1− 14 = 3
16 · 4(1−(14)n)
4−1 = 1−(14)n 4
Mathematik I – WiSe 2004/2005 345
Zum Beispiel ist s5 = 1−(414)5 = 10234096 ≈ 0,2498.
Da Reihen nur eine spezielle Form von Folgen sind, lassen sich die Begriffe aus dem letzten Abschnitt ¨ubertragen.
Eine Reihe (sn)n∈N mit sn =
Xn k=1
ak
heißt (streng) monoton steigend oder fallend bzw. beschr¨ankt, falls die Folge (sn)n∈N diese Eigenschaften hat.
Beispiel 3.16
• Die harmonische Reihe Xn
k=1
1 k
n∈N ist streng monoton steigend, da in jedem Schritt eine positive Zahl addiert wird.
• Allgemein ist jede Reihe Xn
k=1
ak
n∈N streng monoton steigend (bzw. fallend), wenn an > 0 (bzw. an < 0) f¨ur alle n ∈ N ist.
• F¨ur alle a, q > 0 ist die geometrische Reihe Xn
k=1
aqk
streng monoton steigend.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 347
• F¨ur a > 0 und q < 0 ist die geometrische Reihe Xn
k=1
aqk
weder streng monoton steigend noch fallend, denn es wird abwechselnd eine positive Zahl addiert oder subtrahiert. So ist etwa f¨ur q = −12
s1 = −0,5, s2 = −0,25, s3 = −0,375, s4 = −0,3125, s5 = −0,34375.
Auch der Grenzwertbegriff l¨asst sich ¨ubertragen.
Eine Reihe (sn)n∈N mit sn =
Xn k=1
ak
heißtkonvergent (bzw.divergent), wenn sie als Fol- ge konvergiert (bzw. divergiert). Ist sie konvergent, so schreiben wir f¨ur den Grenzwert
nlim→∞sn = lim
n→∞
Xn k=1
ak = X∞ k=1
ak .
Beachten Sie, dass das Symbol P∞
k=1
ak den Grenzwert der Reihe (und nicht die Reihe selbst) bezeichnet, sofern er existiert.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 349
Entsprechend wird die bestimmte Divergenz f¨ur Folgen auf Reihen ¨ubertragen.
Beispiel 3.17
1. Harmonische Reihe:
Die zur Folge (k1)k∈N geh¨orende Reihe (Pn k=1 1
k)n∈N ist divergent, also X∞
k=1
1
k = ∞ .
2. Dezimalzahlen:
Eine Zahl r = r0, r1r2r3· · · mit r0 ∈ N0 und rn ∈ {0, . . . ,9} f¨ur n ≥ 1 hat den Wert
r = r0+r1
1
10 +r2
1
100 +. . . = X∞ k=0
rk ·10−k
Sie ist also gerade der Grenzwert der zur Folge (rk · 10−k)k∈N0 geh¨orenden Reihe (Pn
k=0rk ·10−k)n∈N0. Dass diese Reihe tats¨achlich immer konvergiert, wird sp¨ater in Beispiel 3.23.2 noch mal begr¨undet.
3. Die zur Folge (k21+k)k∈Ngeh¨orende Reihe(Pn k=1
1
k2+k)n∈Nkonvergiert gegen1,
also X∞
k=1
1
k2+k = 1 , denn k21+k = k1 − k+11 und daher
Xn k=1
1 k2+k =
Xn k=1
1 k −
Xn k=1
1
k + 1 = 1− 1 n+ 1
und somit X∞
k=1
1
k2+k = 1.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 351
Analog zeigt man die Konvergenz der Reihe Xn
k=2
1 k2−k
n∈N
indem man k21
−k = k−11 − 1k benutzt.
Es gibt eine sehr einfache notwendige Bedingung f¨ur die Konvergenz einer Folge.
Satz 3.2 Ist die Reihe (Pn
k=1ak)n∈N konvergent,
dann gilt lim
n→∞an = 0.
Achtung: die Umkehrung gilt nicht!
Erinnern Sie sich aus Abschnitt 1.3, dass eine Implikation A B ¨aquivalent zu B A ist. Daher l¨aßt sich obige Aussage auch formulieren als
Ist (an)n∈N keine Nullfolge, dann konvergiert die Reihe (Pn
k=1ak)n∈N nicht.
Beispiel 3.18
1. Die Folge (an)n∈N mit an = 3n+56n−1 ist keine Nullfolge, daher ist die zugeh¨orige Reihe nicht konvergent.
2. Die Folge (an)n∈N mit an = n1 ist eine Nullfolge, aber die zugeh¨orige Reihe ist nicht konvergent. Das ist gerade die harmonische Reihe.
Es folgt nun sofort:
Die arithmetische Reihe zu der Folge mit an+1 = an+d konvergiert nur f¨ur a1 = d = 0.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 353
Die Beschreibung des Konvergenzverhaltens geometrischer Reihen ist etwas aufw¨andiger.
Grenzwert geometrischer Reihen:
Sei (an)n∈N eine geometrische Folge mit aan+1n = q ∈R und a1 6= 0.
1. Ist |q| < 1, dann konvergiert die geometrische Reihe (Pn
k=1ak)n∈N, und es gilt
X∞ k=1
ak= lim
n→∞
Xn k=1
ak= lim
n→∞a1
1−qn
1−q = a1
1−q .
2. F¨ur |q| ≥ 1 ist die geometrische Reihe divergent.
Beachten Sie, dass hier an = a1·qn−1 gilt. Setzen wir a1 = 1, so erhalten wir X∞
k=1
qk−1 = X∞ k=0
qk =
1
1−q f¨ur |q| < 1
∞ f¨ur q ≥ 1
Beachten Sie bitte den kleinen Unterschied, wenn die Summation mit k = 1 beginnt:
X∞ k=1
qk =
( q
1−q f¨ur |q| < 1
∞ f¨ur q ≥ 1 Beispiel 3.19 Sei an = 27n
und sn = Pn
k=1ak. Dann ist
nlim→∞sn = X∞ k=0
ak = X∞ k=0
2 7
k
= 1
1− 27 = 7
5 = 1,4.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 355
Die Konvergenz ist “sehr schnell”. Es ist zum Beispiel s10 ≈ 1,3999986, s16 ≈ 1,399999999.
Durch einige Umformungen l¨asst sich auch Konvergenzverhalten und Grenzwert
der Reihe X∞
k=0
2k −3 7k+1
bestimmen. Diese Reihe ist nicht geometrisch, setzt sich aber aus geometrischen Reihen zusammen. Setze sn = Pn
k=0 2k−3
7k+1. Dann ist nach den Rechenregeln f¨ur Summen (Abschnitt 1.2)
sn = Xn k=0
2k
7k+1 − 3 7k+1
= Xn k=0
1 7
2 7
k
− Xn k=0
3 7
1 7
k
= 1 7
Xn k=0
2 7
k
− 3 7
Xn k=0
1 7
k
.
Also folgt nach den Grenzwertformeln f¨ur die geometrische Reihe sowie nach den Rechenregeln f¨ur Grenzwerte von Folgen (Abschnitt 3.1)
nlim→∞sn = 1 7
X∞ k=0
2 7
k
− 3 7
X∞ k=0
1 7
k
= 1 7 · 7
5 − 3 7 · 1
1− 17 = 1 5 − 1
2 = −0,3.
F¨ur Reihen gibt es — im Gegensatz zu Folgen — einige einfache Kriterien f¨ur Konvergenz. Sie besagen allerdings nur, ob eine gegebene Reihe konvergiert, geben aber nicht den zugeh¨origen Grenzwert an. Ein hinreichendes Kriterium f¨ur spezielle Reihen ist das
Mathematik I – WiSe 2004/2005 357
Leibnizsches Konvergenzkriterium f¨ur alternie- rende Reihen:
Sei (an)n∈N eine monoton fallende Folge nicht- negativer Zahlen mit lim
n→∞an = 0. Dann ist die alternierende Reihe
Xn k=1
(−1)kak
!
n∈N
konvergent.
Es ist wichtig, dass an > 0 f¨ur alle n ∈ N.
Beispiel 3.20 Die alternierende harmonische Reihe Xn
k=1
(−1)k k
n∈N
konvergiert.
Ohne den genauen Grenzwert zu kennen, zeigen die in Beispiel 3.144 ausgerechneten Partialsummen, dass die Konvergenz der alternierenden harmonischen Reihe “sehr langsam” ist. Die Partialsummen s5000 und s10000 unterscheiden sich noch in der 4. Dezimalstelle. Vergleichen Sie dies auch mit der Konvergenz der geometrischen Reihe in Beispiel 3.19
Mathematik I – WiSe 2004/2005 359
Quotientenkriterium I Sei (Pn
k=1ak)n∈N eine Reihe, und es gebe ein k0 ∈ N mit ak 6= 0 f¨ur alle k ≥ k0. Gibt es ein c∈ (0,1) mit
ak+1
ak
≤ c f¨ur alle k ≥ k0,
dann konvergiert die Reihe (Pn
k=1ak)n∈N.
Quotientenkriterium II Gibt es eine Zahl c >1 mit
ak+1
ak
≥ c f¨ur alle k ≥ k0,
dann ist die Reihe (Pn
k=1ak)n∈N divergent.
Wenn weder Quotientenkriterium I noch II erf¨ullt sind, ist auf den ersten Blick keine Aussage ¨uber das Konvergenzverhalten der Reihe m¨oglich.
Als Folgerung erhalten wir:
Mathematik I – WiSe 2004/2005 361
Ist die Folge der Quotienten Qk :=
ak+1
ak
k∈N
konvergent, dann gilt:
ist lim
k→∞Qk < 1, so konvergiert die Reihe
Xn k=1
ak
n∈N
ist lim
k→∞Qk > 1, so divergiert die Reihe
Xn k=1
ak
n∈N
ist lim
k→∞Qk = 1, so ist keine Aussage m¨oglich.
Beispiel 3.21
1. Die Reihe (sn)n∈N mit sn = Xn k=1
k3−2k
3k ist konvergent, denn es ist ak =
k3−2k
3k > 0 f¨ur alle k > 1 und
ak+1
ak
=
(k + 1)3−2(k + 1)
3k+1 · 3k k3−2k
=
3k(k3+ 3k2+ 3k + 1−2k −2) 3k+1(k3−2k)
=
k3+ 3k2+k −1 3(k3 −2k)
k→∞
−→ 1 3. Also ist f¨ur gen¨ugend großes k der Quotient ak+1
ak
stets kleiner als 1 und die Reihe konvergiert.
Mathematik I – WiSe 2004/2005 363
2. Die Reihe (sn)n∈N mit sn = Xn k=1
3k
k2 konvergiert nicht, denn ak = 3kk2 > 0 f¨ur alle k ∈ N und
ak+1 ak
= 3k+1
(k + 1)2 · k2
3k = 3k2 k2+ 2k + 1
k→∞
−→ 3
Also ist f¨ur gen¨ugend großes k der Quotient echt gr¨oßer als 1.
3. F¨ur die Reihe (sn)n∈N mit sn = Xn k=1
1
k2 ist keine Aussage m¨oglich, denn
ak+1
ak
= 1
(k + 1)2 · k2
1 = k2 k2+ 2k + 1
k→∞
−→ 1.
Ubrigens konvergiert diese Reihe, und zwar gegen¨ π62.
Besonders wichtig ist das folgende Beispiel.
Beispiel 3.22 Die Reihe Xn
k=0
xk k!
n∈N
konvergiert f¨ur jedes festex ∈R nach dem Quotientenkriterium, denn mitak = xk!k
ist
ak+1
ak
= |x|k+1 ·k!
|x|k ·(k + 1)! = |x| k + 1. Also ist f¨ur k ≥ 2· |x|
ak+1
ak
≤ |x|
2|x|+ 1 < |x| 2|x| = 1
2
Somit ist mit c = 12 das Quotientenkriterium erf¨ullt, und die Reihe konvergiert.
Der Grenzwert der Reihe Pn k=0 xk
k!
n∈N stimmt mit dem fr¨uher definierten Wert
Mathematik I – WiSe 2004/2005 365
ex bzw. exp(x) ¨uberein, es gilt also ex= lim
n→∞
1 + x n
n
= X∞ k=0
xk
k! = 1 +x+ x2
2! + x3
3! +· · · . Insbesondere ist f¨ur x = 1
e= lim
n→∞
1 + 1 n
n
= X∞ k=0
1
k!= 1 + 1 + 1 2 + 1
6 + 1
24 +· · · .
Beachten Sie wieder, dass die Summation hier mit dem Index k = 0 beginnt. F¨ur die Frage nach der Konvergenz der Reihe ist das unerheblich, es ist aber wichtig, wenn man konkret den Grenzwert ausrechnen will, vgl. auch Seite 355.
F¨ur kleine Werte von x — wie sie z.B. in der Zinsrechnung auftreten — liefert die Reihendarstellung von ex bessere N¨aherungswerte f¨ur die Exponentialfunktion
als die Folge
1 + x n
n
. Das zeigen etwa folgende N¨aherungswerte von e ≈ 2,718281828 indem man x = 1 einsetzt:
n (1 + n1)n Pn k=0 1
k!
1 2 2
2 2,25 2,5
3 ≈ 2,370 ≈ 2,667 4 ≈ 2,441 ≈ 2,708 5 ≈ 2,488 ≈ 2,717 10 ≈ 2,594 ≈ 2,718281801
Ein sehr praktisches Hilfsmittel zur Bestimmung des Konvergenzverhaltens einer Reihe ist noch
Mathematik I – WiSe 2004/2005 367
Majoranten-Kriterium:
Sei (an)n∈N eine gegebene Folge. Außerdem sei (Pn
k=1bk)n∈N
eine konvergente Reihe, und es gebe ein n0 ∈N mit
|an| ≤ bn f¨ur alle n ≥ n0. Dann konvergiert auch die Reihe
(Pn
k=1ak)n∈N.
Beispiel 3.23
1. Die zur Folge (n12)n∈N geh¨orende Reihe (Pn k=1 1
k2)n∈N konvergiert, denn 1
k2 ≤ 1
k2−k f¨ur alle k ≥ 2 und die Reihe (Pn
k=2 1
k2−k)n∈N konvergiert nach Beispiel 3.17.3.
2. Die Reihe f¨ur Dezimalzahlen r = r0+r1
1
10 +r2
1
100 +. . . = X∞ k=0
rk ·10−k,
wobei rk ∈ {0, . . . ,9} f¨ur k ∈ N, konvergiert, da rk ·10−k ≤ 9· 10−k f¨ur alle k ∈ N und X∞
k=0
9·10−k = 9 X∞ k=0
1 10
k
= 9
1− 101 = 10
Mathematik I – WiSe 2004/2005 369
aufgrund der Formel f¨ur den Grenzwert einer geometrischen Reihe.
3.3
Grundbegriffe der Finanzmathematik
Im weiteren werden die folgenden Bezeichnungen benutzt:
K0 Anfangskapital
p Zinsfuß pro Zeiteinheit (in %) d = 100p Zinssatz pro Zeiteinheit
q = 1 +d Aufzinsungsfaktor
n Anzahl der Zeiteinheiten (i.a. Jahre) Zn Zinsen nachnZeiteinheiten
Kn Kapital nachnZeiteinheiten
Mathematik I – WiSe 2004/2005 371
Zinsrechnung
(A) Die lineare (einfache) Verzinsung, bei der innerhalb eines Kapital¨uberlassungszeitraumes kein Zinszuschlagtermin (oder Zinsverrechnungstermin) liegt, wird durch eine arithmetische Folge beschrieben.
Beispiel 3.24 Zum Zinssatz d = 0,06 = 6% p.a. wird das Kapital K0 = 100.000 ( ¤ oder Maltesische Lira) f¨ur einen Zeitraum von 6 Jahren ausgeliehen. Damit ergibt sich K0 = 100.000,
K1 = K0·(1 +d), Z1 = K0·d, K2 = K0·(1 + 2·d), Z2 = K0·2·d, K3 = K0·(1 + 3·d), Z3 = K0·3·d,
... ...
Nach 6 Jahren belaufen sich die Zinsen auf
Z6 = K0·6·d = 36.000
und das (End)-Kapital betr¨agt
K6 = K0·(1 + 6·d) = 136.000.
Lineare Verzinsung:
Bei der linearen Verzinsung zum Zinssatz d ergeben sich die folgenden expliziten Formeln f¨ur das Kapital und die Zinsen nach n Jahren:
Kn = K0·(1 +n·d) und Zn = K0·n·d.
Beispiel 3.25 Welches AnfangskapitalK0muss bei einfacher Verzinsung angelegt werden, wenn nach 7 Jahren ein Kapital von 100.000 ¤ vorhanden sein soll und der Zinssatz 0,05 bzw. 0,06 betr¨agt?
Mathematik I – WiSe 2004/2005 373
Im ersten Fall muss die Gleichung
K7 = 100.000 = K0(1 + 7·0,05) = K0 ·1,35
nach K0 aufgel¨ost werden. Das ergibt ein ben¨otigtes Anfangskapital von K0 = 100000
1,35 ≈ 74.074 ¤. Im zweiten Fall ergibt sich analog
K0 = 100000
1,42 ≈ 70.422 ¤.