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www.managerseminare.de

A Moral im Management: Phrasen mit Perspektive von Axel Gloger

A Religiosität im Management: Warum Bosse beten von Axel Gloger

A Verfehlte Kritik an der Nachwuchsgeneration:

„In Führungspositionen schaffen es nur die Angepassten“

von Holger Rust

A Fehlendes Schuldbewusstsein und falsche Scham:

„Die neue Managergeneration braucht alte Werte“

von Björn Migge

A Wettbewerbsfaktor Vertrauen: Wie Manager wieder glaubwürdig werden von Stephen M.R. Covey

A Patricia Aburdene im Interview: „Werteorientierte Führung verbessert die Performance“

das Interview führte Nadja Rosmann

A Manager auf christlichen Pfaden: Besinnung fürs Business von Sylvia Jumpertz

A Corporate Governance: Werte bewusst führen von Axel Gloger

A Spiritualität im Business: Manager auf Sinnsuche von Sylvia Jumpertz

A Zwischen Ethik und Erfolgsdruck: Wie Manager zur Moral finden von Andrea Bittelmeyer

managerSeminare-Dossier

Moral, Ethik und Werte

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managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010

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Phrasen mit Perspektive

MORAL IM MANAGEMENT

Business Schools lassen ihre Studenten einen Eid auf das

Gute schwören, Manager reden über ihre Verantwortung für das

Allgemeinwohl und das alte Leitbild des ehrbaren Kaufmanns wird

wieder hochgehalten – die Krise hat den Weg für mehr Moral im

Management bereitet. So scheint es zumindest. Was aber sind die

Wertebekenntnisse wert? Handelt es sich wieder um die üblichen

Phrasen? managerSeminare hat kritisch hingeschaut.

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Phrasen mit Perspektive

MORAL IM MANAGEMENT

Preview: ASchwur auf das Gute: Wie die Business Schools die ethische Perspektive ihrer Studenten schärfen wollen ANeues Wertebewusstsein: Warum der Führungskräftenachwuchs nicht mehr allein auf die Rendite fokussiert AKein großes Geschäft: Was die Weiterbildungswirtschaft den Unternehmen in puncto Ethik zu bieten hat ADiktat des ökonomischen Imperativs: Wie es um werteorientiertes Handeln in den Unternehmen aktuell bestellt ist ABeförderung statt Kopfnote: Wie Unternehmen Werteorientierung fördern können

C Mit dem Crash der Weltwirtschaft kam das reinigende Gewitter, das längst fällig war: Die Übertreibungen sind vorbei, die Gier ist abgestraft, die Schurken sind ent- larvt. Gaunermethoden im Management laufen nicht mehr, das ewige „noch mehr“

ist allenthalben verpönt, die ständig nur Gewinn maximierende Business-Commu-

Foto: comstock

nity ist geläutert. Die allgemeine Einsicht lautet: „So geht es nicht weiter. Der Manager von morgen muss ein Gutmensch sein.“

So strebt es zumindest die Harvard Busi- ness School an. Die Krise hat sie zum gebrannten Kind gemacht, jetzt gibt sich der Großversorger der Chefetagen mit CEO- Kandidaten moralbewusst. Absolventen der traditions- wie einflussreichen Ausbildungs- stätte treten neuerdings zum Schwur an. Ein Eid auf das Gute soll die Exzesse, an der Havardianer in der Vergangenheit an füh- render Stelle beteiligt waren, verhindern. Der Manager, so sieht es die Selbstverpflichtung vor, dient ab sofort höheren Zielen. Die gna- denlose Jagd nach dem Gewinn ist nicht mehr: „In meiner Funktion als Manager diene ich in erster Linie dem gesellschaftli- chen Gemeinwohl“ heißt der erste Satz des Gelöbnisses (der vollständige Eid findet sich

im Kasten auf S. 21). Es verpflichtet Füh- rungskräfte auf einen Weg, der langfristig den gesellschaftlichen Nutzen des Unterneh- mens steigern soll, sagt die Präambel des Schwurs. Der Absolventenjahrgang 2009 war der erste, der den Eid ablegte.

Der ehrbare Kaufmann als Leitbild

Manche deutsche Business School will der Harvard Business School nicht nachstehen:

Manager, die wie hochgezüchtete Bluthunde nur nach der höheren Rendite jagen, soll es nicht mehr geben. Diese Auffassung vertritt Professor Christopher Jahns, Präsident der European Business School (EBS): „Der ehr- bare Kaufmann ist bei uns nicht erst seit der Krise wieder ein Leitbild.“ Dieser Rhetorik folgen neuerdings Taten; die im Herbst in die Master-Studiengänge gestarteten Kom- Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerSeminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden.

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managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010

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„Wir haben eine extreme Ausrichtung auf den Kapitalmarkt – und eine nicht vollzogene Ausrichtung auf den Humanmarkt.“

Gerald Söhlemann, Partner bei der Personal- beratung Shikar Group, Frankfurt.

Kontakt: gerald.soehlemann@shikar.com militonen werden nach ihrem Examen

ebenfalls einen Eid ablegen, der sie im Beruf auf die guten Taten verpflichtet. Der Wort- laut ähnelt dem von Harvard: „Das Unter- nehmen, das ich führe, muss dem Allge- meinwohl dienen“, so soll es zum ersten Mal im Jahr 2011 aus den Kehlen der EBS- Abgänger tönen.

Damit, so scheint es, brechen endlich menschliche Zeiten im Management an.

Moral marschiert in den Arbeitsalltag der Führungskräfte. „Die Krise ist die Chance, Soll und Ist endlich zur Deckung zu brin- gen“, sagt Johannes Grassl, Deutschland- Chef der Leaders Integrity Foundation (LIF), einer Organisation, die sich des Themas Werte und Moral in der Praxis angenommen hat. „Es gibt eine wachsende Erkenntnis, dass sich die Unternehmen mehr mit Werten auseinandersetzen müssen.“ Shareholder Value hat abgedankt, Vorstandschefs, die, wie Josef Ackermann, ihre Renditeziele allzu hoch setzen und mit allzu viel Getöse pro- klamieren, werden öffentlich abgestraft.

Manager sollen wieder nach Zielen arbeiten, bei denen die Weste weiß bleibt, also, wie es auch die EBS- und Harvard-Eide verlangen, den Planeten sauber halten, die Ressourcen sparsam verwenden, die Menschenwürde achten, die Gesetze einhalten, ehrbar han- deln, der Gesellschaft etwas zurückgeben, ehrlich über alles informieren, niemanden diskriminieren und niemanden ausbeuten.

Schöne neue Welt!

Der Nachwuchs achtet auf die Werte- Umgebung

Zu jenen, die diese ehrgeizigen Anforderun- gen an das Gute im Manager umsetzen, könnte Sabrina Noack gehören. Sie absol- viert an der Handelshochschule Leipzig (HHL) ein Studium, das im Jahr 2011 mit dem Management-Master abschließen wird.

Die Angehörigen ihrer Generation können

unbelastet von den Jahren der Gier an die Arbeit gehen. Und in der Tat lässt deren Ein- stellung hoffen: „Viele Leute sind sehr wach“, sagt die 23-Jährige über ihre Mitstudenten,

„man achtet heute darauf, bei wem man sich verdingt.“ Will sagen: Nicht nur Posten und Gehalt sind wichtig, sondern auch die Werte-Umgebung, die eine Firma bietet.

„Wir haben eine gute Ausbildung. Sie macht verhandlungsstark, wir müssen uns nicht alles bieten lassen“, sagt die BWL-Studentin selbstbewusst.

Mit dem Wertebewusstsein des Manage- mentnachwuchses kommt auf die Unterneh- men eine anspruchsvolle Agenda zu, denn aufs Geldverdienen werden diese nicht ver- zichten können: „Wir werden Ethik und Rendite gleichzeitig verwirklichen“, formu- liert Integritäts-Förderer Grassl seinen Blick in die Managerwelt von morgen. Um bereits jetzt Führungskräfte auf diese Vorgabe vor- zubereiten, lädt die LIF zu einer dreieinhalb- tägigen Weiterbildung mit dem verhei- ßungsvollen Titel „Wohlfühltage für Mana- ger“. In kleinem Kreis sollen Firmenchefs aus dem Hamsterrad des Führungsalltags her- austreten, ihre Nöte und Zwänge ablegen und, wie Grassl es formuliert, „zu ihrem Original zurückfinden, einfach ihr Ich leben.“ Kurzum: Sie lernen, dass es im Unternehmen nicht nur um Rendite geht, sondern auch um Verantwortung, Zufrie- denheit und Glück für alle Beteiligten.

Die EBS geht in puncto ethische Auf- klärung fürs Business noch einen Schritt weiter. Präsident Jahns jedenfalls erweckt den Eindruck, als solle das E im Namens- kürzel der Managerschule auch für „Ethik“

stehen – sein Projekt der Reprogrammie- rung der Organisation läuft bereits. „Unse- re Philosophie-Professoren arbeiten derzeit an einem Konzept“, lässt der agile Professor verlauten, die Ethik-Themen sollen in alle Lehrveranstaltungen eingeflochten werden.

Mit breiter Brust stellt sich der EBS-Chef

in die Öffentlichkeit: „Damit werden wir weltweit die erste Hochschule sein, die diese Prinzipien auch in ihrem Curriculum aktiv umsetzt.“

Neue Angebote – aber kein großes Geschäft

In die Trainingslandschaft ist das Thema ebenfalls vorgedrungen. So nennt die Weiter- bildungsdatenbank www.seminarmarkt.de einige Dutzend Angebote aus dem Bereich Moral, Ethik und Werte. Zum Beispiel das Zweitagesseminar der Integrata AG „Unter- nehmensethik als Wettbewerbsvorteil – macht Ethik Sinn“, das 2010 mehrfach wie- derholt wird. Offenbar hat die Krise Angebote hervorgebracht, für die während des Booms keiner Zeit hatte.

Doch damit kein Missverständnis ent- steht: Anbieter, die sich mit eigenständigen Angeboten auf den neuen Moral-Trend stür- zen, sind eher Ausnahme als Regel. Von einer Massenbewegung am Markt kann keine Rede sein. Denn das große Geschäft lässt sich mit Ethik, Moral und Werten als Weiterbil- dungsthema (noch) nicht machen.

Die Aktivitäten zweier Dickschiffe des Weiterbildungsmarktes machen dies be- sonders deutlich: Das Malik Management Zentrum St. Gallen und die ZfU Business School richten sich mit einer großen Zahl hochwertiger Seminare an die Chef-Klasse – aber unter den angebotenen Themen fin- det sich nichts, was den Werte-Hunger der Zielgruppe stillen könnte. Kurse zu Moral und Ethik sind im Programm nicht ausge- wiesen. Beide verdienen ihr Geld mit den Brot- und Butterthemen strategischer Füh- rung: Finanzen des Unternehmens managen, Marktanteile gewinnen, Verkäufer zum Erfolg führen … eben dieselben Themen, die sie auch vor der Krise im Angebot hat- ten.

Selbst die Spieler, die auf Moral, Ethik und Werte als Kernkompetenz rekurrieren, nutzen keineswegs den Rückenwind des Moral-Trends für ihr Angebot. Sie treten den an Werten interessierten Managern der Post- Krisen-Ökonomie mit fast leeren Händen gegenüber – eigentlich ein Armutszeugnis:

Ende Oktober 2009 meldet das Deutsche Netzwerk Wirtschaftsethik (DNWE) über- haupt keine Veranstaltungen für die Zukunft, bei der Konkurrenzorganisation Ethikver- band e.V. sieht das Angebot ähnlich mau aus.

Eine einzige Veranstaltung gab es Anfang November, das Symposium „Die Welt des Vermögens“, danach nichts mehr, keine Vor- träge, keine Seminare. Damit haben die bei- den Verbände eine große Chance verpasst – im Getümmel der Krise hätten sie sich als

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Diesen Eid schworen die Absolventen der Harvard Business School im Jahr 2009 – und 1.200 weitere MBA-Absolventen aus aller Welt:

A Ich werde stets mit größter Rechtschaffenheit handeln und in meiner Arbeitsweise ethischen Prinzipien treu bleiben.

A Ich werde die Interessen meiner Aktionäre, Mitarbeiter, Kun- den und des Unternehmensumfeldes sichern.

A Ich werde mein Unternehmen nach bestem Gewissen führen und mich vor Entscheidungen und Verhalten hüten, die lediglich meinen eigenen egoistischen Zielen dienlich sind, aber dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern Schaden zufügen.

A Ich werde alle Gesetze und Verträge einhalten, die mein per- sönliches Verhalten und das meines Unternehmens betreffen.

A Ich übernehme volle Verantwortung für meine Handlungen und präsentiere Unternehmensleistungen und Unternehmensri- siken akkurat und wahrheitsgerecht.

A Ich werde mich selbst beruflich weiterentwickeln und auch die berufliche Entwicklung mir unterstellter Manager fördern, damit meine Profession weiter wächst.

A Ich werde danach streben, weltweiten nachhaltigen ökonomi- schen, sozialen und ökologischen Wohlstand zu schaffen.

A Ich erkenne meine Rechenschaftspflicht gegenüber anderen MBA-Absolventen an, nach diesem Eid zu handeln und erkenne ihre Verantwortung mir gegenüber an, selbiges zu tun.

Das Gelöbnis der Manager von morgen

Hilfsposten für all jene aufstellen können, die im Management mehr wollen als noch höhere Renditezah- len zu produzieren.

Die Moral bleibt meistens auf der Strecke

Aber die Praxis in den Unternehmen lässt für solche Ambitionen offenbar keinen Raum. Moral ist zwar wie- der ein Thema, aber – so scheint es zumindest – eher für Fachartikel des Personalleiters und Sonntagsreden des Vorstandes als für den Business-Alltag. Im Alltag regieren immer noch die alten Vorgaben, Gewinn und Marktanteil sind alles. „Es gibt eine Diskrepanz zwi- schen dem Geforderten und dem, was gelebt wird“, sagt Integritätscoach Johannes Grassl. Zwar hätten die meis- ten Unternehmen tolle Wertekataloge. „Aber sie werden nicht umgesetzt“, kritisiert der Berater aus Blaibach.

Dieselbe Erfahrung hat auch HHL-Studentin Sabri- na Noack in ihren Praxisphasen gemacht. „Die Standards stehen auf dem Papier, aber keiner setzt sie um.“ In den Unternehmen gehe es sehr oft nur um Performance, für kurzfristige operative Erfolge werde alles getan, die Moral bleibe dabei meist auf der Strecke.

Besonders in Krisenzeiten sei der Rückgriff auf die archaischen Werte augenfällig: „Führungskräfte wollen Gewinn machen, Arbeitnehmer wollen ihren Job behal- ten“, beschreibt Noack zugespitzt die verbreitete Denk- weise in den Firmen. Solange diese Ur-Ziele nicht

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„Es müssen mehr Incentives für werteorientiertes

Verhalten gesetzt werden.“

Dr. Jürgen Weibler, Professor für Betriebswirtschaft, Personalführung und Organisation an der Fernuniver- sität Hagen. Kontakt: wiwi.weibler@fernuni-hagen.de erreicht seien, finde moralisches Verhalten

keinen Platz. Erst einmal müsse im Überle- benskampf gesiegt werden – mit allen Mit- teln, von professioneller Täuschung bis zu gezielt unfreundlichem Verhalten. Übertre- te ein Mitarbeiter die Regeln, würden die Chefs oft wegschauen, solange nur das gewünschte Ziel erreicht werde.

Der ökonomische Imperativ bestimmt den Alltag

Die Forschung bestätigt diese Sichtweise.

Prof. Jürgen Weibler, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaft, Personalführung und Organisation an der Fernuniversität Hagen, untersuchte das Thema in seiner Studie „Werthaltungen junger Führungs- kräfte“. Sein Fazit: „Der Alltag wird durch den ökonomischen Imperativ bestimmt.“

Die strenge Rationalität im Denken und Handeln sei zwar günstig für den wirtschaft- lichen Erfolg – verhindere aber, dass andere Ziele erreicht werden. „Die Manager dienen der Erwartung: so viel Gewinn wie mög- lich“, konstatiert der Hochschullehrer.

Dazu passt das Ergebnis einer Umfrage der Wertekommission unter mehr als 500 Führungskräften zwischen 26 und 40 Jahren:

„Mehr als zwei Drittel der jungen Führungs- kräfte erleben keine werteorientierte Füh- rung durch das Top-Management“, lassen die Autoren Mathias Bucksteeg und Kai Hat- tendorf, beide Vorstandsmitglieder der Wer- tekommission, als eines ihrer zentralen Ergeb- nisse verlauten. Mitschuldig an dieser fatalen Lage ist die Unternehmenskommunikation.

Dass die interne und externe PR für einen Transport von Werten sorgt, konnten nur 34 Prozent der Befragten bestätigen.

Einige Detailzahlen liefern einen tiefen Blick in die gequälte Seele des Managers:

Durch den Druck des Alltags wird er gezwun- gen, moralische Werte wie Rechtschaffen- heit, Fairness und menschliches Maß an der Firmentüre abzugeben. Werteorientiertes Verhalten wird blockiert durch:

A das „Verhalten des Chefs“ (38 Prozent) A „deutliche Profitorientierung“ (36 Pro- zent)

A „drohenden oder befürchteten Perso- nalabbau“ (30 Prozent)

A „Differenzen zwischen den eigenen Wer- ten und den offiziellen Zielen des Unterneh- mens“ (29 Prozent)

Es hat sich also seit den Tagen von Bertolt Brecht nichts geändert. „Wie ihr es immer dreht und immer schiebt – erst kommt das Fressen, dann die Moral“, lässt Brecht den Gaunerchef Mackie Messer auf die Frage antworten, wovon der Mensch lebe. Dieses Zitat stammt aus dem Jahr 1928, als Brechts

„Dreigroschenoper“ zum ersten Mal aufge- führt wurde; die Grundmotive im Werk des großen Schriftstellers sind die, die auch heute noch gelten: der immer heftigere Kon- kurrenzkampf und die zunehmende Härte im menschlichen Umgang.

„Vorstände reden seit 30 Jahren über werteorientiertes Management. Eingelöst wurde kaum etwas“, stellt Gerald Söhle- mann, Partner bei der Personalberatung Shikar Group, Frankfurt, fest. Er kann es beurteilen, weil er auf eine jahrzehntelange Karriere zurückblickt. In den 1980er Jahren war er bereits an verantwortlicher Stelle bei der Commerzbank aktiv – Söhlemann gilt als einer der Pioniere des Personalmarke- tings.

Wachstumswellen verhindern Einzug von Wertefragen

Sämtliche seiner Antworten auf die Frage nach den Umsetzungschancen von Moral klingen verhalten. Er hat über die Jahre be- obachtet, dass immer neue Wellen starken Wachstums den Einzug von Wertefragen in den Business-Alltag verhindern. „Wir müs- sen jetzt das Geschäft machen. Für Werte haben wir keine Zeit“, so lautete in seinen Augen während der Anspannungs- und Euphoriephasen die verbreitete Ausrede.

Erst trieb die Wiedervereinigung die Mana- ger über Jahre zu immer neuen, verlocken- den Renditechancen, und als dieser Boom auslief, folgte der nächste unter der Über- schrift „Globalisierung“ – und dann kam der New-Economy-Boom. „Die Strategie laute- te jedes Mal: Geld verdienen“, sagt Söhle- mann, andere Themen seien dabei auf der Strecke geblieben.

Seine Diagnose hat der Personalberater längst gestellt. „Wir haben eine extreme Aus- richtung auf den Kapitalmarkt – und eine nicht vollzogene Ausrichtung auf den Humanmarkt.“ Der Schmerz, den die Krise

hinterlassen hat, schwindet, die Akteure sähen wenig Veranlassung, ihr Verhalten wirklich zu ändern. Jeder hoffe, dass Gras über die Verfehlungen wachse, um dann weiterzumachen wie bislang. Söhlemanns Ausblick ist wenig optimistisch: „Werte sind nicht verboten, solange sie den Umsatz nicht schmälern.“

So viel Werte wie gerade nötig

Eine wirkliche Wende scheint also erst ein- mal nicht in Sicht. In den nächsten Monaten werden viele Unternehmen zum Business as usual zurückkehren, Motto: So viel Rendite wie möglich, so viel Werte wie gerade nötig, um nicht als unverantwortlich dazustehen.

„Wenn‘s grad mal passt, kann man auf Werte und Moral verweisen“, meint HHL- Studentin Noack lakonisch. Zum Beispiel darauf, dass der milliardenschwere Konzern gerade 50.000 Euro für ein SOS-Kinderdorf gespendet hat, was dann als großer Fort- schritt propagiert wird.

Dennoch gibt es Hoffnung für eine bes- sere, wertebewusste Praxis. Wenn einmal genügend Nachwuchskräfte mit Noacks Haltung die Ränge in den Führungsetagen erklommen haben, könnte es zum ersten Mal eine kritische Masse für eine Re-Orien- tierung geben. Ob diese wirklich erreicht wird, hängt freilich auch davon ab, ob der Weg hin zu mehr Ethikorientierung, den einige Business Schools eingeschlagen haben, Schule machen wird. „Der Beitrag der Uni- versitäten ist wichtig“, schreibt Sabrina Noack in ihrem von der HHL preisgekrön- ten Aufsatz „Important Impediments for Effective and Responsible Leadership“. Viel hängt davon ab, ob und inwieweit die Pro- fessoren den BWL-Studenten nicht nur Management-Techniken beibringen, son- dern auch, wie man ein Geschäft erfolg- reich und nach ethischen Gesichtspunkten führt.

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Literaturtipps

A Norbert Walter: Marktwirtschaft, Ethik und Moral. Wie Werte das Vertrauen in die Ökonomie stärken. Berlin University Press, Berlin 2009, 19,90 Euro.

Der Chef-Volkswirt der Deutschen Bank liefert mit seinem Buch ein Plädoyer für Freiheit, die mit Verantwortung verknüpft ist. Gesellschaft und Unternehmen können nur überleben, so seine These, wenn sie die Freiheit achten, aber auch die Prinzipien Familie, privates Eigentum und Aufrichtigkeit ernst nehmen. Überdies zeigt er auf, dass Eigenliebe zwar ein starker Antrieb für Leistung ist – sie aber auch zu Egozentrismus und Rücksichtslosigkeit entarten kann.

A Katharina Weinberger: Kopfzahl-Paranoia. Von der Selbstzerstörung der Konzer- ne. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009, 14,90 Euro.

Für Werte-Pessimisten ist das Buch ein Fest. Die Autorin beschreibt aus eigener Erfahrung haarklein, wie die Gier-Systeme in den Konzernen funktionieren, warum immer nur Rendite belohnt wird, wie die Sucht der CEOs nach permanentem Wandel jedes berufliche Heimat- gefühl zerstört und dass es am Ende nur auf die Abrechnung ankommt: genug Gewinn gemacht – oder nicht? Nach der Lektüre bleiben Zweifel, ob sich das System jemals für eine Werteorientierung öffnen kann.

A Klemens Kalverkamp: Miteinander ernten. Das Erfolgsgeheimnis des German Management. Wiley-VCH, Weinheim 2009, 24,90 Euro.

Es gibt sie noch, die bodenständigen, rechtschaffenen Manager, die gute Arbeit abliefern und mit Leadership noch ihre Mitarbeiter hinter sich bringen wollen. Klemens Kalverkamp ist Geschäftsführer eines Hidden Champion – er zeigt, wie man mit Kenntnis der Sache, Ver- trauen zu den Menschen und Verständnis für die Belange der Mitarbeiter einen Weltmarkt- führer erfolgreich führen kann.

Service

Werteorientiertes Verhalten belohnen

Dazu gehört auch, die richtigen Anreize zu schaffen. Bisher hängt die Beurteilung der Performance und damit auch die Beförde- rung eines Managers fast ausschließlich davon ab, wie viel Umsatz und Gewinn er erwirtschaftet hat. Wer die besten Zahlen liefert, bekommt das dickste Lob. Das ist zu einseitig, meint Hochschullehrer Weibler:

„Es müssen mehr Incentives für werteori- entiertes Verhalten gesetzt werden.“ The- men wie die Förderung von Nachwuchs oder die positive Bewertung durch Kunden und Lieferanten sollten in die Bewertungen eingehen – und zwar nicht, wie heute, als Kopfnote ohne Folgen für die Versetzung, sondern mit denselben handfesten Sankti- onen, wie sie bereits mit Umsatz- und Ren- ditezielen verknüpft sind. Nur wer auch bei den weichen Faktoren punktet, wird beför- dert und bekommt den Sechszylinder-Mer- cedes als Dienstwagen.

Auch die Weiterbildungswirtschaft ist in der Pflicht. Leadership-Experte Johannes Grassl sieht eine große Aufgabe auf Trainer, Seminaranbieter und deren Auftraggeber aus den PE-Ressorts zukommen. „Der Kampf- platz ist nicht mehr die Fach- und Metho- denkompetenz“, sagt der Trainer, „hier sind

die meisten Führungskräfte sehr gut aufgestellt.“ In Zukunft gehe es darum, per Weiterbildung das persönliche Wertefundament zu festigen. „Die Verbindung zu den menschlichen Grundbedürfnis- sen nicht verlieren, die emotio- nale Intelligenz stärken, Vertrau- en bei allen Stakeholdern schaffen können“, beschreibt der LIF- Deutschlandchef die Agenda.

Solche ehrgeizigen Ziele las- sen sich freilich nicht von heute auf morgen umsetzen. Bis die ersten Unternehmen neben Bi- lanz und Gewinn- und Verlust- rechnung auch eine ernst zu nehmende Wertebilanz in ihrem Jahresabschluss veröffentlichen, wird noch einige Zeit vergehen.

Denn auch der mit so vielen Hoffnungen konfrontierte Nach- wuchs passt sich nur langsam an die neuen Realitäten an. Ein Indiz: Den neuen Ethik-Schwur unterschrieb dieses Jahr nur jeder zweite Absolvent der Har- vard Business School.

Axel Gloger C

Gelebte Werte von

heute

sind der

Erfolg

von morgen.

GUT GETAN: WENN ES UM

WERTEORIENTIERUNG GEHT.

Wir schärfen Ziele.

Wir stärken Haltung.

Wir beleben Wandel.

Wir machen deutlich.

Wir erkennen, handeln und bewegen.

LOGIE

T R I L O G I E . D E

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Pastoren als Managementberater, Gebetskreise in Unternehmen, Führungskräfteseminare mit christlichen Inhalten … – Religion hält Einzug in die Business-Welt. Befeuert wird dieser Trend durch die Krise, begründet hat diese ihn aber nicht. Was steckt hinter dem Bedürfnis nach christlichen Lehren im Arbeitsleben? Und wie wirkt sich der göttliche Atem auf den Weiterbildungsmarkt aus?

managerSeminare hat nachgeforscht.

Warum Bosse beten

RELIGIOSITÄT IM MANAGEMENT

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Warum Bosse beten

RELIGIOSITÄT IM MANAGEMENT

Preview: AIMoralische Zwickmühlen: Warum Mana- ger in der christlichen Lehre nach Antworten suchen

AIBeistand auf Anfrage: Wie US-Agenturen Geistliche

an Firmen vermitteln AIBiblische Kurzseminare und Gebetskreise: Christliche Angebote in deutschen Unternehmen AIGlaube statt Fachkompetenz? Was die Kritiker des Religionstrends sagen AIChristliche Topseller: Welche religiös geprägten Weiterbildungs- angebote warum so stark nachgefragt werden AIDie Sinnfrage beantworten: Welche Lehren die Weiterbil- dungsindustrie aus dem Glaubenstrend ziehen kann

C Auf göttlichen Beistand waren die Veran- stalter des Kongresses für christliche Füh- rungskräfte bislang nicht angewiesen: Seit dem ersten Anlass im Jahr 1996, der damals bereits 1.000 Teilnehmer lockte, kletterten die Buchungen immer weiter nach oben.

Dieses Jahr waren es bereits 3.800 Besucher, die in Düsseldorf über Religiösität im Management diskutierten.

Die Erfolgsgeschichte des Kongresses ist Indiz für einen Trend, der mehr und mehr an Fahrt aufnimmt: Christlich sein gewinnt wieder an Wert. Das Gottlieb Duttweiler Institut spricht bereits von der „Rückkehr der Religion“. Kürzlich legte die renommier- te Denkfabrik vom Zürichsee eine Studie gleichen Titels vor. Der christliche Geist scheint verlorenes Terrain zurückzugewin- nen, so deren Fazit. Auch viele Manager und Führungskräfte suchen mittlerweile Halt bei Gott. Im Frankfurter Westend etwa strömen jeden Dienstagmittag Krawatten- und Kos- tümträger zum „Bankergebet“ in die St.

Antonius Kirche – und mancher Geistliche führt gar ein zweites Berufsleben als Manage- ment-Coach oder Business-Speaker.

Zum Beispiel Anselm Grün. Der Bene- diktinermönch steht im Jahr öfter auf der Bühne als Udo Jürgens, dessen Tourneen 120 bis 140 Gastspiele umfassen. Heute bei der Sparkasse Erlangen, morgen beim Bayeri- schen Bauernverband, dann bei den Wirt- schaftsjunioren Forchheim – unermüdlich referiert der Gottesmann über „Spirtuelles Führen“ und „Management nach christli-

Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerSeminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden.

Service

Literaturtipps

A Anselm Grün: Leben und Beruf. Eine spiri- tuelle Herausforderung. Deutscher Taschen- buch Verlag, München 2009, 8,90 Euro.

Der Benediktinermönch gibt Denkanstöße, wie Spiritualität bei der Bewältigung von Führungs- aufgaben unterstützen kann und sich Religion als Energiequelle für die Arbeit nutzen lässt.

A Ulrich Schmitz und Eduard Zwierlein:

Management und Spiritualität. Ein Erfah- rungs- und Arbeitsbuch. Echter, Würzburg 2009, 19,80 Euro.

Wie kann es gelingen, Spiritualität so in ein Unter- nehmen zu integrieren, dass die Mitarbeiter ihre Arbeit als sinnvoll empfinden? Antworten aus der Perspektive eines Franziskanermönchs und eines Unternehmensberaters.

A Sylvia Jumpertz: Besinnung fürs Busi- ness. Manager auf christlichen Pfaden.

managerSeminare 129, Dezember 2008, S. 64- 71, www.managerSeminare.de/MS129AR03 Schweigen in klösterlicher Abgeschiedenheit oder wandern auf alten Pilgerpfaden – viele Retreats für gestresste Manager setzen heute auf christli- che Akzente. managerSeminare hat sich Angebo- te angeschaut, mit denen Führungskräfte zu inne- rer Einkehr gelangen und neue Kraft schöpfen können.

chen Werten“. Ähnlich emsig und nicht minder populär ist Anselm Bilgri. Das Maga- zin „Stern“ hat den ehemaligen Cellerar des Klosters Andechs, der Unternehmen berät, in TV-Talkshows auftritt und Vorträge zu Themen wie „Die Benediktsregel als Richt- schnur werteorientierter Unternehmensfüh- rung“ hält, jüngst gar „Manager-Messias“

getauft.

Auswege aus moralischen Zwickmühlen Ein Grund, warum christliche Meinungen in der Management-Welt aktuell derart gefragt sind: „Viele Führungskräfte haben in den vergangenen Jahren erkannt, dass sie noch eine zusätzliche Kraft brauchen, um in ihrer Rolle weiter bestehen zu können“, ist Pastor Peer-Detlev Schladebusch über- zeugt. Bei der Hannoverschen Landeskirche hat der studierte Betriebswirt und Theologe eine Aufgabe gefunden, in der er seine dop- pelte Qualifikation zur Geltung bringen kann. Er kümmert sich unter anderem um Menschen, die im Job in moralischen Zwick- mühlen feststecken: Was soll ein Vertriebs- manager tun, der unter dem Druck der Quartalsvorgaben Produkte verkaufen muss, von denen er weiß, dass sie nichts taugen?

Wie soll sich ein Manager verhalten, der – wenn er den Anforderungen seines Postens gerecht werden will – seine Familie vernach- lässigen muss? Was kann ein Vorgesetzter tun, der nach Anweisung von oben einige seiner bewährten Mitarbeiter entlassen soll?

„In solchen Situationen wird irgendwer immer unter der Entscheidung leiden, ganz gleich, wie sie ausgeht“, konstatiert Schlade- busch. Vor allem nachts oder am Sonntag melden sich nach Erfahrung des Business- Seelsorgers dann die schlechten Gefühle aus dem Büro wieder, bringen die Manager ins Grübeln und führen nicht selten zu jenen typischen Lebensfragen, für die eben insbe- sondere die Religion Antworten bereithält:

„Was bedeutet Gerechtigkeit?“, „Wem muss meine Loyalität gehören?“ Oder sogar zur

Frage aller Fragen: „Was ist der Sinn des Lebens?“

Angesichts der Härte der Krise kommen viele Menschen mit ihrem Doppelleben nicht mehr zurecht. Es reicht ihnen nicht, nur im Kreis der Familien bekennender Christ zu sein und im Büro nur die Rolle des immer funktionsbereiten Managers zu spie- len, wie der Verleger Norman Rentrop fest- stellt: „Die Menschen wollen ungespalten leben. Das Vaterunser hat seinen Platz nicht nur am Sonntag in der Kirche.“ Der ganze

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Alltag solle im Einklang mit dem christlichen Glauben stehen, formuliert der überzeugte Christ und Mäzen des Fernsehsenders Bibel TV die Haltung vieler Gläubiger.

US-Agenturen vermitteln Geistliche an Firmen

Wohin die Reise gehen könnte, zeigt ein Blick in die USA. Hier ist die Christianisie- rung der Arbeitswelt schon seit vielen Jahren im Gange. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielt das Unternehmen Corporate Chaplains aus Wake Forest in North Caroli- na. 1996 trat der Betrieb mit einer neuen Dienstleistung an: der Vermittlung von Geist- lichen an Firmenkunden. „Jeder Soldat kann sich von einem Geistlichen betreuen lassen, wenn er weit weg von Familie, Gemeinde und Kirche ist. Warum soll dasselbe nicht auch für Beschäftigte in Unternehmen möglich sein?“, erklärt Dr. Dan Truitt, Vice President International, die Geschäftsidee seiner Orga- nisation. „Schließlich geben die Mitarbeiter ihre spirituellen Bedürfnisse nicht morgens an der Firmentür ab.“ Also sei es nur konse- quent, dass auch der geistliche Beistand mit ins Büro kommt.

Das vollzieht sich mittlerweile im großen Stil. Inzwischen sind über 100.000 Mitar- beiter USA-weit der Fürsorge der Geistlichen von Corporate Chaplains anvertraut. Der zweite große Anbieter auf dem US-Markt, Marketplace Chaplains in Dallas, Texas, be- treut landesweit sogar 500.000 Mitarbeiter.

Die Nachfrage nach christlichem Bei- stand in den US-Firmen entwickelt sich derart rasant, dass bereits ein Engpass an Theologen entstanden ist. Aus diesem Grund ist Corporate Chaplains dazu übergegangen, selbst geistigen Nachwuchs auszubilden. Im Trainingsprogramm lernen Laien, die sich in besonderem Maße zum Christentum hin- gezogen fühlen, wie sie zum Beispiel einem Beschäftigten Trost spenden können, der gerade seinen Vater verloren hat, wie sie

einem Mitarbeiter Mut vermitteln, der um seinen Job fürchtet, oder auch wie sie jenen beistehen können, die von einer Massenent- lassung verschont wurden und die nun das schlechte Gewissen plagt. „Unsere Geistli- chen bringen ein Stück christlicher Nächs- tenliebe in die von Konkurrenz geprägte Arbeitswelt“, sagt Truitt.

Diese Dienstleistung hat inzwischen auch Nachfrager außerhalb der USA. Die Geist- lichen-Vermittler arbeiten mittlerweile auch in Kanada und Mexiko. 2008 haben sie sogar den Sprung über den großen Teich geschafft.

Von Corporate Chaplains vermittelte Geist- liche betreuen seit 2008 Beschäftigte in ganz Großbritannien und Irland.

Der Theologe kommt jeden Freitag In Deutschland gibt es zwar noch keine Geistlichen-Vermittler. Aber auch hierzu- lande überschreiten Gottesmänner immer häufiger die Türschwellen zu Bürohäusern und Betrieben. Bei der Suchy Messtechnik im sächsischen Lichtenau etwa kommt der Theologe jeden Freitag. In einem 20-minü- tigem Kurzseminar bespricht er mit den 15 Beschäftigten Themen, die das Leben zwi- schen Familie und Beruf betreffen. „Kon- flikte besser bewältigen. Älter werden. Die

Sichtweisen der verschiedenen Religionen“, zählt Firmeninhaber Frank Suchy einige der Fragen auf, die in jüngster Zeit auf der Agen- da standen.

Suchy ist Überzeugungsmensch. Noch zu DDR-Zeiten wandte er sich dem christlichen Glauben zu und trug – obwohl die sozialis- tische Diktatur das nicht gerne sah – die Botschaft Jesu Christi weiter. Das tut er immer noch. Zum Beispiel in seiner Rolle als ehrenamtlicher Vorsitzender der Christen in der Wirtschaft (CiW). Dieser Verein hat es sich zum Ziel gemacht, biblische Prinzi- pien und Werte in den Unternehmen zu fördern. Der Zusammenschluss der Gläubi- gen umfasst 1.100 Mitglieder in 42 regiona- len Gruppen. Hinzu kommen mehr als 30 Firmenmitglieder – vor allem kleine und einige mittelständische Unternehmen.

Aber auch in der Konzernwirtschaft hat der Glaube im Arbeitsalltag inzwischen sei- nen Platz gefunden, etwa in Form von Gebetskreisen, die in den Büros abgehalten werden. Ein Beispiel für diese Praxis liefert die größte Bank des Landes: „Einmal wöchentlich treffen wir uns zum gemeinsa- men Gebet“, berichtet Hansjörg Nymphius von der Deutschen Bank, der gemeinsam mit seinem Kollegen Uwe Juli diese Aktivität koordiniert. Bereits 2004 fanden sich die ersten gläubigen Mitarbeiter zusammen.

„Wir wollen die Christen im Unternehmen miteinander bekannt machen“, sagt Nym- phius. Bei schwierigen Fragen könne man dann den Kontakt zu einem Mitchristen suchen. Die Mitgliederzahl des Gebetskrei- ses ist inzwischen auf 80 angewachsen – für eine Organisation, die eine Graswurzel-Exis- tenz ohne jede offizielle Propaganda führt, ist das viel.

Die Besinnung auf die Religion, die der- zeit in der Unternehmenswelt vielerorts zu beobachten ist, ist auch der Weiterbildungs- industrie nicht entgangen. Längst sind es nicht mehr nur einzelne Lichtgestalten wie Grün oder Bilgri, die Führungskräften

„Bei vielen Führungskräften hat sich das Bewusstsein verstärkt, dass sie noch eine zusätzliche Kraft brauchen, um in ihrer Rolle weiter bestehen zu können.“

Pastor Peer-Detlev Schladebusch, Firmen-Seelsorger bei der Hannoverschen Landeskirche. Kontakt:

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„Je stärker der Kapitalismus einseitig auf Rendite setzt, desto mehr suchen die Men- schen nach Würde, Sinn und Anerkennung.“

Dr. Hans Thomas, Direktor des Lindenthal-Instituts, Köln. Kontakt: h.thomas@lindenthal-institut.de

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christliche Lehren offerieren. Seminare, die Management mit biblischen Inhalten ver- knüpfen, sind inzwischen zu einem gefrag- ten Nischenangebot des Weiterbildungs- marktes geworden.

Management-Lehren werden mit christlichen Inhalten verwoben

Einer der Spieler auf diesem Markt ist die Akademie christlicher Führungskräfte (AcF) in Gummersbach. Sie wurde schon im Jahr 1999 gegründet, also Jahre bevor sich der Trend, Management und Religion zu verwe- ben, abzeichnete. „Wir sehen Führung als Dienst an“, erläutert Dr. Volker Kessler, Geschäftsführer der AcF, das Credo seiner Organisation – damit sieht er seine Arbeit im Einklang mit einem christlichen Grund- satz, der in der Bibel zum Beispiel im Kapi- tel Matthäus 20,26 formuliert ist.

Flaggschiff im Portfolio der Akademie ist der in Kooperation mit der University of South Africa angebotene Master-Studien- gang „Christian Leadership“. Christlich-the- ologische Grundlagen werden von den Refe- renten, die ausnahmslos aktive Kirchenmit- glieder sind, ebenso behandelt wie moderne Management-Methoden. Das christliche Konzept geht auf: „Das Angebot wird sehr gut angenommen“, sagt Kessler.

Auf die Verknüpfung von Business-Lehre und Religion setzt auch die MBA-Schule IESE in Barcelona. Das im Jahr 1958 gegrün- dete Institut steht unter der geistigen Leitung des Opus Dei (übersetzt: Werk Gottes), einer wertkonservativen Bewegung innerhalb der katholischen Kirche, die nicht vollkommen unumstritten ist. Der Erfolg der Schule frei- lich spricht für sich. In den Ranglisten der besten Business-Schools weltweit, die etwa von „Financial Times“, „Business Week“ und

„Economist“ verbreitet werden, taucht die IESE regelmäßig in den Top Ten auf. Zwar

kostet der zweijährige MBA-Kurs 64.900 Euro, was im Branchenvergleich ein hoher Preis ist, dennoch sind die Kurse gefragt. „Wir können uns über einen Mangel an Bewerbern nicht beklagen“, sagt Dorothee von Canstein, Sprecherin der Schule. Eines der Erfolgsge- heimnisse der Schule ist in ihren Augen der konsequente Werte-Bezug: „Ethik ist bei uns nicht in einem Ethik-Kurs isoliert, sondern durchzieht das ganze Programm. Werte wie Menschlichkeit, Verantwortung und Respekt prägten die ganze Lehre.“

Nicht überall freilich kommt der Rekurs auf Gott gut an. Philipp Möller zum Beispiel beobachtet den Vormarsch des Glaubens in die Büros mit einigem Missmut: „Die Ver- knüpfung von Management mit christlichen Inhalten ist schwer problematisch. Eine Füh- rungskraft sollte sich durch Fachkompetenz legitimieren, nicht durch eine Beziehung zu Gott, die keiner nachweisen kann.“ Möller ist Mitveranstalter einer Kampagne gegen den Religionstrend. Im Frühjahr charterte der Berliner zusammen mit einigen Mitstrei- tern einen roten Doppeldeckerbus und beklebte ihn mit einer auffälligen Reklame- Banderole, Aufdruck: „Es gibt keinen Gott – Ein erfülltes Leben braucht keinen Glau- ben“. Der Propagandabus tourte durch 18 deutsche Städte.

Möller ging es mit dieser Aktion auch darum, jenen etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen, die das große „C“ vor allem aus Marketing-Kalkül nutzen. „Bei bestimmten Menschen wird eine Sache offensichtlich aufgewertet, wenn man sie religionisiert“, meint der Sprecher der Nichtglaubenden.

Das machten sich manche Weiterbildungs- anbieter zunutze, die plötzlich ein christli- ches Label auf Angebote pappen – ob nun was Christliches drin ist oder nicht.

Die meisten Angebote freilich werden von Initiatoren ins Leben gerufen, die einer Mis- sion folgen. Unternehmer, Manager und

Trainer, die das große „C“ in ihre Agenda aufgenommen haben, verfolgen ein größeres Ziel als nur Rendite, Gewinn und Marktan- teil. Sie wollen, dass sich Arbeit wieder lohnt – und zwar nicht nur im materiellen Sinne.

„Wenn Arbeit nur Geld bringt, ist auf Dauer niemand wirklich zufrieden“, sagt Dr. Hans Thomas, Direktor des auf Forschungsfragen zu Ethik, Werten und Glauben spezialisierten Lindenthal-Instituts in Köln. „Je stärker der Kapitalismus einseitig auf Rendite setzt, desto mehr suchen die Menschen nach Würde, Sinn und Anerkennung.“ Der Glau- be sei ein Weg, sich der totalitären, viele anderen Bereiche des Lebens erdrückenden Arbeits- und Geldkultur zu entziehen.

Weiterbildung muss die Sinnfrage beantworten

Was Hans Thomas auf der Grundlage seiner Forschungen testiert, hat Gregor Schönborn in der Praxis erfahren: „Die von ständigen Restrukturierungen und vom Konjunktur- Crash gepeinigten Manager haben die Nase voll von Weiterbildung, die Führungsleis- tung wie einen Automotor auf immer noch mehr PS hochfrisiert“, sagt der Inhaber von Deep White, einer auf Wertemanagement spezialisierten Unternehmensberatung in Bonn. Aus den Gesprächen mit seinen Kun- den weiß er, was sich Manager derzeit mehr denn je wünschen: „Verankerung, dauerhaft gültige Antworten und die Versorgung mit Sinn sind gefragt.“

Was können Weiterbildungsanbieter und Trainer von dieser Botschaft lernen? Der Bezug zu Werten sollte mehr sein als eine Folklore-Einlage, deren Wirkung vorüber ist, sobald sich der Vorhang nach Ende der Vorstellung schließt. Die Kunden und Teil- nehmer von morgen kommen aus einer krisengeschüttelten Welt, sie wollen Antwor- ten auf ihre Lebensfragen. Dazu können

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Weiterbildungsanbieter wichtige Beiträge leisten:

A In Coachings darf es nicht nur um den kürzesten Weg zum Erfolg gehen oder um das effiziente Erlernen einer neuen Management-Technik. Auch der Umgang mit Niederlagen und Lebensfragen, die über den Büro-Alltag hinausgehen, muss behandelt werden.

A In Weiterbildungen dürfen Werte-Themen nicht auf den Kaminabend am letzten Tag ab- geschoben werden, sondern sie sollten das gesamte Programm durchziehen. Teilnehmer von Weiterbildungen fühlen sich dann angesprochen, wenn der

Veranstalter sie nicht nur als Erfüllungsge- hilfen von Renditezielen ansieht, sondern als sinnsuchende Menschen.

A Weiterbildungen müssen wetterfeste Lösungen bieten, die auch dann noch Gül- tigkeit besitzen, wenn Menschen in ihrer berufliche Existenz erschüttert wurden oder gar ihren Job verloren haben.

Diese Ratschläge machen es noch einmal deutlich: Die christliche Botschaft, die derzeit in der Weiterbildungs- und Management- Welt Einzug hält, zeugt vor allem vom Ruf nach mehr Lebenssinn im Geschäftsalltag.

Dieser Impuls kommt in der auslaufenden Krise gerade zur rechten Zeit. Die Weiterbil- dungswirtschaft sollte ihn nicht ignorieren.

Axel Gloger C

Sechs Thesen zur Zukunft der Religion

Die Zürcher Publizistin Esther Gisberger leitete im Jahr 2008 ein Gespräch über den Boom des Glaubens. Teilnehmer waren der Soziologe Peter Gross, der Religionswissenschaftler Reiner Anselm und David Bosshart vom Gottlieb Duttweiler Institut (GDI), einem Think-Tank in Rüschlikon am Zürichsee. Sechs Thesen bilden die Quintessenz der Diskussion.

1. Es ist nicht mehr peinlich, über Religion zu sprechen und sie zu leben.

Viele Führungskräfte stehen offen dazu, dass sie zu spirituell-religiösen Seminaren ins Klos- ter gehen. Politiker bemühen religiöse Motive in ihren Reden. Das Buch von Hape Kerkeling über das Beschreiten des Jakobsweges wurde zu einem Bestseller. Heute kann ein Jugend- licher ohne Scham sagen, dass er zum Weltjugendtag nach Köln pilgert.

2. Der Wunsch nach Wiederverzauberung kommt der Religion zugute.

Viele Menschen beten regelmäßig, ohne dass sie dafür eine Kirche aufsuchen. Das zeigt, dass die rationale Welt nicht alle Bedürfnisse des Menschen abdeckt. Die Orientierungslo- sigkeit in der Wissensgesellschaft führt zu der Suche nach einem neuen Lebenssinn.

3. Auch heute macht die Religion das Leben erst erträglich.

Diskontinuitäten und Krisen gehören zum Alltag in der vernetzten Tempo-Gesellschaft. Ohne Religion im Sinne von Lebensbewältigungspraxis wird das Leben mühsam. Auch die Folgen der Multioptionsgesellschaft machen viele Menschen seelisch heimatlos. Mithin besinnt man sich auf die eigene Substanz zurück, religiöser Glaube ist ein wichtiges Hilfsmittel dafür.

4. Religion findet mehrheitlich im öffentlichen Raum statt.

Religionsausübung ist in der Mediengesellschaft keine Privatsache mehr. Glaube wird öffent- lich und veröffentlicht – YouTube, Flickr und Facebook sei Dank. Damit folgt Religion dem Megatrend des Öffentlichen: In einer exhibitionistischen Gesellschaft wird der private Raum mehr und mehr zurück gedrängt.

5. Die großen Religionen bieten Heimat in einer globalisierten Welt.

Religiöser Pluralismus ist eine gesellschaftliche Tatsache geworden. Ungebundene Men- schen wählen ihren Glauben nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit aus. Die traditionel- len Religionen haben den Vorzug, dass sie stark verankerte Wurzeln bieten.

6. Religion wird zum Verkaufsschlager.

Das überdimensionierte Kreuz am Hals der Popsängerin Madonna, Jesus mit Dornenkrone auf dem Slip: Religiöse Motive auf Accessoires werden heute nicht mehr als Provokation empfunden. Nach dem Bio-Label entdeckt das Marketing nun das Religions-Label. Religion ist die Erwartung, dass man ein ethisch-moralisch aufgeladenes Label nicht nur besser, sondern auch teuerer verkaufen kann.

Quelle: Norbert Bolz et al: „Die Rückkehr der Religion. Warum Glauben Hochkonjunktur hat“, GDI-Studie Nr. 31, Rüsch- likon, Schweiz, 2008.

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„Wir trauen dem Geweihten wieder etwas zu“

THEOLOGIN IM INTERVIEW

Lange Zeit galt sie hierzulande fast schon als Auslaufmodell, jetzt erobert die Religion ihren Platz in der Gesellschaft zurück. Über die Gründe für diese Entwicklung und deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt sprach managerSeminare mit der Theologieprofessorin Dr. Susanne Sandherr.

Die Vermittler von Firmen-Geistlichen aus den USA haben ihre ersten Standorte in Eu- ropa geschaffen. Wie kommt es, dass die Ver- einigten Staaten uns vorführen, wie die Rück- kehr zur Religion funktioniert?

Prof. Dr. Susanne Sandherr: Die transat- lantische Pipeline ist intakt. Das zeigen uns viele Beispiele. Wir haben Coca-Cola impor- tiert, auch Marlboro, das Hollywood-Kino und, in den Siebzigerjahren beginnend, die Schnellimbisskette McDonald‘s. Jetzt ist es eben die öffentlich ausgeübte Religion, die aus Amerika zu uns gelangt.

Hat die Religion in den USA eine bessere Bühne?

Sandherr: Gewiss. In den Vereinigten Staa- ten gibt es eine viel größere Religionsfreund- lichkeit als in Europa. Zudem ist es auf der anderen Seite des Atlantiks ganz normal, Religiosität auch öffentlich zur Schau zu stellen. Gottesdienste, das Gebet, der Glau- be, all das ist Teil des öffentlichen, auch medial gezeigten Lebens.

Aber warum erreicht uns der Religionstrend erst jetzt?

Sandherr: Lange Zeit schien es so, als spiele Religion in unserem Alltag keine Rolle mehr.

Die moderne, aufgeklärte Gesellschaft hatte keinen Platz mehr für Religion. Der Philo- soph Hans Joas sagte, dass Modernisierung keineswegs mit Säkularisierung einhergehen muss. Heute sehen wir, dass Joas‘ These rich- tig ist – der Glaube ist im Begriff, den Alltag zurückzuerobern. Religion ist eine starke spirituelle Ressource. Das zeigt uns die isla- mische Welt, aber eben zunehmend auch das alte Europa ...

Und deswegen gibt es jetzt Gebetskreise in der Hauptverwaltung einer Großbank und einen Kongress christlicher Führungskräfte, der aus allen Nähten platzt ...

Sandherr: Das sind sichtbare Ergebnisse einer länger andauernden Entwicklung.

Der Einfluss des Gedankenguts von 1968 schwindet. Diese Jahreszahl war das Sym- bol der bedingungslosen Moderne in allen

Bereichen der Gesellschaft. 1968 brachte uns das Versprechen der Gestaltbarkeit.

Alles ist machbar, gestaltbar und rational erklärbar. Die Kirche hatte in dieser Denk- weise keinen Platz mehr, sie galt als dumpf- autoritäre, gestrige Institution. Aber das neue Jahrtausend hat hier einen Sinnes- wandel gebracht. Heute ist es wieder sozial akzeptiert, sich der Religion zuzuwenden.

Auch im Büro muss niemand mehr seinen Glauben verheimlichen.

Offensichtlich auch nicht die Top-Manager.

Der Unternehmer Ludwig Georg Braun war bis 2009 Präsident des Spitzenverbandes DIHK. Bei seinem Amtsantritt 2001 verwies er deutlich auf seinen christlichen Glauben.

Sandherr: Vor 30 Jahren wäre so etwas noch nicht möglich gewesen. Dass sich eine Führungskraft in einer herausgehobenen Position offen zum Glauben bekennt, ist ein Zeichen der Postmoderne. Ihr Kenn- zeichen sind die Beliebigkeit, Medien und Internet zeigen uns jeden Tag: Alles ist möglich. In diesem Umfeld können es die

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Menschen wieder wagen, sich offen zur Religion zu bekennen.

Es erregt keinen Anstoß mehr.

Steckt noch mehr dahinter?

Sandherr: Hinzu kommt ein großer Bedarf nach Sinnstif- tung, Lebensweisung, Orientie- rung. Diesbezüglich haben die Menschen zum Religiösen offen- bar mehr Vertrauen als zum Ratschlag eines Psychologen oder der Wertebroschüre einer Firma. Der archaische Bezug darf wieder eine Rolle spielen:

Wir trauen dem Geweihten wie- der etwas zu, auch in einem scheinbar so auf Rationalität ausgelegten Gebilde wie dem Unternehmen.

Nun sind die Manager ja durch- aus findig. Sie nutzen alles, was hilft, bessere Geschäfte zu machen.

Ist „christlich“ vielleicht nur ein

Prof. Dr. Susanne Sandherr lehrt Katholische Theologie an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München. Kontakt: susanne.sandherr@ksfh.de

hilfreiches Etikett, das an ein Produkt ebenso geklebt werden kann wie an eine Unterneh- menskultur oder eine Coaching-Dienstleis- tung?

Sandherr: Die Verlockung ist da. Der Bezug auf christliche Werte wäre dann nur das Schmierfett für eine gut laufende Gewinn- maschine. Religion wäre hier nichts weiter als ein Dopingmittel, das die Motivation verbessert – und vielleicht besser funktio- niert als die alten, die im Lauf der Zeit wir- kungslos geworden sind ...

Also Religion light als neue Folklore für die Arbeitswelt …

Sandherr: Nein, so wird es nicht gehen!

Religion ist eben nicht das schöne Ritual, das es erlaubt, sich am nächsten Tag fitter zu fühlen. Das christlich-jüdische Grundver- ständnis reicht weiter, es verlangt mehr, denn biblisch kommt der Glaube stets als prophetische Intervention ins Spiel. Das bedeutet: aufstehen für Recht und Gerech- tigkeit.

Das Interview führte Axel Gloger C

Foto: Wolfram Stadler

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Speakers Corner: „In Führungspositionen schaffen es nur die Angepassten“

Holger Rust zur verfehlten Kritik an der Nachwuchsgeneration

C Klagen über den Führungsnachwuchs bestimmen seit langer Zeit den personal- wirtschaftlichen Diskurs, und sie sind in der Wirtschaftskrise noch lauter geworden.

Headhunter, Personalvorstände und Ver- bandsrepräsentanten kritisieren – besorgt um die Innovationsfähigkeit der Unterneh- men – mit wachsender Heftigkeit, dass ihnen auf Rekrutierungsmessen Typen mit höchst einseitig mathematisch-formalisti- scher Ausrichtung begegnen. Uniformierte und karrieristische Gestalten, die sich opportunistisch an Normen und Gehabe der älteren Vorgängergeneration angepasst haben. Es bestehe, so die Klagen, ein schmerzliches Defizit an innovativen, kom- munikativen und visionären Geistern.

Diese Diagnose ist irritierend – und unge- recht. Denn: Die Bereitschaft vieler junger Studenten und Berufseinsteiger, die an sie gestellten Forderungen zu erfüllen, ist durch- aus vorhanden. Nur: Die jungen Menschen spüren, dass sie, trotz guter Vorsätze, in den Unternehmen nicht so können wie sie eigentlich wollen. Und zwar deshalb, weil sie in den Unternehmen auf Führungskräfte der alten Garde stoßen, die weit davon entfernt sind, offen, inspirierend, kooperativ und

ermutigend zu sein, die mit ihrem eigenen Führungsstil also gerade verhindern, dass sich der (angeblich von allen gewünschte) neue Führungsstil entfalten kann.

Für dieses Phänomen gibt es handfeste Belege. Seit knapp zehn Jahren führen wir am Institut für Soziologie der Universität Hannover im Rahmen meines Forschungs- schwerpunkts eine Langzeitstudie durch, in der Studierende und Young Professionals immer wieder zu zwei Themenbereichen befragt werden. Erstens sollen die jungen Menschen Auskunft darüber geben, wie sie sich den idealen CEO der Zukunft vorstellen, wie sie im Vergleich dazu die amtierenden Führungskräfte einschätzen und ob sie mei- nen, die erwünschten Merkmale selbst zu besitzen. Zweitens werden die Befragten mit moralischen Dilemmata-Situationen kon- frontiert. Sie sollen angeben, wie sie sich selbst in einer ethisch verzwickten Situation verhalten würden und wie sich – ihrer Ein- schätzung zufolge – wohl die amtierende Führungsriege in der Situation verhält.

Resultat: Als wesentliche Eigenschaften der idealen Führungskraft werden mit deut- lichem Abstand mitarbeiterorientierte Sozi- alkompetenzen genannt, nämlich Inspirati-

onsfähigkeit, Ermutigung, Lern- und Kommunikationsbereitschaft. Die Selbstein- schätzung der Befragten dokumentiert: Die jungen Menschen sehen sich insgesamt in der Lage, die Anforderungen zu erfüllen. Die amtierende Managerklasse kommt dagegen im Vergleich zum Wunschbild schlecht weg.

Vor allem, wenn es um Mitarbeiterorientie- rung geht, stellen die Jungen den Alten ein schlechtes Zeugnis aus. Bei der Einschätzung der moralischen Dilemmata-Situationen meinen sie beispielsweise, dass sich amtie- rende Manager oft für einen Weg entschei- den, der auf Kosten der Mitarbeiter geht.

Wichtig ist: Die Studenten und Berufs- starter, die wir über all die Jahre befragt haben, waren stets solche mit ausgeprägten Führungsambitionen, sie waren karriere- orientiert und unternehmensnah. Die Ergeb- nisse spiegeln also nicht etwa die Mentalität einer Gruppe von wirtschaftsfernen Kriti- kern aus dem akademischen Elfenbeinturm, sondern tatsächlich die Ansichten und Absichten der nächsten Führungsgenerati- on. Daher ist es erschreckend, dass diese Ansichten und Absichten kaum Wirkungen in der realen Wirtschaftskultur zu hinterlas- sen scheinen. Denn die von uns vor rund Was meinen Sie zum Thema „Nachwuchsgeneration“? Diskutieren Sie mit unter www.managerSeminare.de/SpeakersCorner.

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