• Keine Ergebnisse gefunden

„Viele Führungskräfte beginnen sich stärker für ihre eigenen religiösen

Im Dokument managerseminare-dossier (Seite 33-37)

Wurzeln zu interessieren, wenn sie erleben, dass ausländische Geschäfts-partner religiös stark verwurzelt sind und daraus Kraft schöpfen.“

Peer-Detlev Schladebusch, Pastor im Kirchenkreis Burgdorf bei Hannover, Führungskräfte-Coach und Beauftragter des Projekts

„Spiritual Consulting – Seelsorge für Führungskräfte“ der Landeskirche Hannover. Kontakt: PeerSchladebusch@t-online.de welt – Manager wie Peter Schnell, ehemals

Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn in Baden-Württemberg. Schnell hatte sich im Sommer 2008 auf medienwirksame Weise in den Ruhestand verabschiedet. Er beschritt den Jakobsweg in einer Hardcore-Version: 2.600 Kilometer in 96 Tagen legte Schnell von seinem Büro in Stuttgart nach Santiago de Compostela zurück. Den Grund für den Gewaltmarsch, bei dem er acht Kilo Gewicht verlor und zwei Paar Schuhe kaputt lief, verriet er in einem Interview der West-deutschen Allgemeinen Zeitung: „Ich hatte einen Bammel vor dem Fall in die Bedeu-tungslosigkeit“, sagte der Neu-Pensionär.

Das Pilgern, so Schnell, habe ihm sehr gehol-fen, mit seiner neuen Lebenssituation klar- zukommen.

Nachdenken jenseits des atemlosen Trubels der Welt

Auch jene Berufskollegen Schnells, die noch weit vom Ruhestand entfernt, dafür aber dem täglichen Leistungsdruck umso stärker unterworfen sind, zieht es neuerdings auf die Pfade des Herrn. So etwa den Schweizer Tierarzt Dr. Peter Sommerauer, der in lei-tender Position in der Lebensmittelüberwa-chung des Kantons St. Gallen tätig ist. Som-merauer machte sich – angeregt durch ein Buch des spirituellen Autors Paulo Coelho – erstmals vor sechs Jahren auf den Jakobs-weg. Dabei habe er ein Gefühl der Befreiung, aber auch Bewusstheit gespürt, erinnert sich der Inspekteur: „Das Gehen ermöglichte mir, meine innere Stimme zu hören und meine Gedanken in erstaunlicher Klarheit wahrzunehmen.“

Seit dieser ersten Pilgererfahrung ist Sommerauer wieder und wieder auf dem Jakobsweg unterwegs. Und zwar längst nicht mehr allein, sondern mit einer Gruppe von

Gleichgesinnten. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda – zunächst im Bekanntenkreis, später darüber hinaus – wurde der Tierarzt zum Pilgerführer für Manager aus verschie-denen Branchen. Seine geleiteten Touren ergänzt er mittlerweile um Seminarabschnit-te, in denen er mit seinen Mitwanderern gemeinsam an Fragen weiterarbeitet, die jeder für sich während des Wanderns reflek-tiert: „Wo stehe ich gerade? Wo will ich hin?

Was passiert mit mir, während ich auf dem Weg bin?“

Mit pastoraler Begleitung durchs Weserbergland

Was Sommerauer als begeisterter Laie macht, tun die Pastoren und Manager-Bera-ter Peer-Detlev Schladebusch und Ralf Reu-ter von Berufs wegen: Sie gehen regelmäßig mit einer bunt gemischten Gruppe von Füh-rungskräften oder auch mit geschlossenen Firmengruppen auf Pilgertour. Allerdings nicht auf dem Jakobsweg, sondern auf einer alten Route zwischen zwei Klöstern in Nie-dersachsen und Thüringen. Schladebusch und Reuter sind Pastoren der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover und teilen sich seit 2004 unter deren Dach eine Stelle als „Spiritual Consultants“.

Als Seelsorger und Managerberater in Personalunion bieten die beiden über das Pilgern hinaus ein ähnliches Dienstleitungs-spektrum wie andere Berater auch – vom Einzelcoaching bis zum Seminar. Freilich vor dem Hintergrund christlicher Werte, die die Pastoren unaufdringlich auch jenen nahe bringen wollen, die Gott und Kirche nicht besonders nahe stehen. Allerdings beobach-tet Schladebusch bei Managern in jüngster Zeit eine zunehmende Offenheit gegenüber christlichen Inhalten. Eine mögliche Erklä-rung: „Viele Führungskräfte beginnen sich

66 | development development | 67

managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008

66 | development development | 67

stärker für ihre eigenen religiösen Wurzeln zu interes-sieren, wenn sie erleben, dass ausländische Geschäfts-partner stark in ihrer Religion verwurzelt sind und daraus Kraft schöpfen.“

Auch laut einer Studie des Heidelberger Meinungs-forschungsinstituts Sinus Sociovision aus dem Jahr 2006 (siehe Service-Kasten S. 71), stehen christliche Werte bei Managern hoch im Kurs, höher sogar als beim Durchschnittsbürger. Doch dieselbe Studie zeigt auch:

Für Manager sind auch Verantwortungsbewusstsein, Pflichtbewusstsein, Disziplin und Fleiß um ein Vielfa-ches wichtiger als für den Durchschnittsbürger. Erfolg-reich zu sein für die Firma – das gilt als höchstes Gut.

Resultat ist oft eine psychisch belastende Diskrepanz zwischen persönlichen Werten und tatsächlichem Tun.

Und eine extreme Leistungsethik, die vielen früher oder später zu schaffen macht, weil sie sie ausbrennt.

Pastor Schladebusch: „Die Seele geht zu Fuß“

Was die Teilnehmer der von Schladebusch und Reuter geführten Pilgertouren denn auch eint, ist ihr Bedürfnis nach innerer Einkehr, seelischer Inventur und neuen Kraftquellen – egal ob sie ehrenamtlicher Kirchenvor-stand oder Atheist sind. Schladebusch betrachtet das Pilgern als ideales Instrument für dauergestresste oder gar ausgebrannte Manager. „Wie kaum etwas anderes führt das Gehen zur Entschleunigung“, erklärt der Theo-loge. Zu Fuß kommt man nur langsam voran. Nicht zuletzt in dieser, auf den ersten Blick höchst simplen Erkenntnis liegt eine befreiende Erfahrung für Füh-rungskräfte, die ständig auf Zack sind – und bei aller Mobilität psychisch nicht mehr Schritt halten können.

Denn, so Schladebusch: „Die Seele geht zu Fuß.“

Auf der Pilgertour können Körper, Geist und Seele Schritt miteinander halten. Die Pilgernden entwickeln ein neues Gespür für Zeit und daraus die Fähigkeit zu Gelassenheit und Achtsamkeit. „Das langsame Gehen hat etwas Meditatives. Man kann seine Sinne öffnen und – nach außen wie nach innen – vieles wahrnehmen, was einem in der Hast des Alltags verborgen bleibt“, weiß Schladebusch. Das Wandern sei zudem eine eingängige Metapher für das Leben selbst: „Auch im Leben geht es darum, sich einen Weg zu erschließen. Auch das Leben ist nichts Statisches“, sagt der Pastor. Beim Pilgern schrei-tet man auf ein Ziel zu und hat die nötige Muße, sich währenddessen mit den eigenen Lebenszielen und Wer-ten auseinanderzusetzen. „Was trägt mich? Wohin gehe ich? Was ist mein Ziel? Wie kann ich überleben in den hohen Ansprüchen meines Berufs?“

Nicht nur das bloße Gehen hilft, Antworten zu finden.

Die Pastoren wählen von der insgesamt 300 Kilometer langen Pilgerroute, die sich vom ehemaligen Zisterzi-enserkloster Volkenroda zum Tochterkloster in Loccum erstreckt, immer auch bewusst ein Teilstück aus, das ausreichend Stoff zum Nachdenken liefert. Nicht umsonst kommt das Wort Pilgern von „per ager“, was bedeutet: „quer durch den Acker“. Die Wanderer begeg-nen auf ihrer Tour denn auch Schönem wie Hässlichem.

Ihr Auge ruht ebenso auf anmutigen Landschaften wie

managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008

68 | development development | 69

68 | development development | 69

auf tristen Industriebrachen. Zudem steuern Schladebusch und Reuter für stille Andachts- und Meditationsmomente mit ihnen Kir-chen und Klöster am Wegesrand an. Und auf dem Weg lassen sie die Wanderer über ausgewählte Gleichnisse aus der Bibel nach-sinnen.

Die Mühsal gehört zum Pilgern wie die Meditation

Zur Meditation gesellt sich die Mühsal. Das ungewohnte Gehen einer längeren Strecke von täglich ca. 15 bis 18 Kilometern, über Berge und durch Täler, mit Übernachtun-gen in einfachen Unterkünften verlangt den Pilgern einiges ab. „Schmerzen, Blasen an den Füßen, Hunger, Durst, schlechtes Wetter, aber auch die Auseinandersetzung mit den manchmal sehr unterschiedlichen Überzeugungen der Mitpilger stellen echte Herausforderungen dar“, weiß der Pastor.

Doch auch diese Schwierigkeiten seien ein guter Spiegel des Lebens, das schließlich auch mit Herausforderungen aufwartet, die es zu bewältigen gilt. Gerade von der Mei-nungsvielfalt profitiere eine Pilgergruppe seiner Erfahrung nach sehr, betont

Schlade-busch. Es sei faszinierend, zu sehen, wie die Wanderer bei aller Unterschiedlichkeit über Werte und Überzeugungen ins Gespräch kämen, diskutierten, sich aber auch gegen-seitig unterstützten.

Das Sich-Führen-Lassen, die Zugehörig-keit zu einer Gruppe, führt dem Pastor zufol-ge zu einer für Führungskräfte ebenfalls sehr heilsamen Erkenntnis: dass die eigene iso-lierte Leistung stets unzureichend ist. „Und dass es eben nicht nur um Leistung geht.

Nicht nur darum, zu funktionieren. Son-dern, dass man als Mensch zählt – mit all seinen Wünschen, Träumen und Ängsten“, so der Theologe.

Promi-Patres entfachten das Interesse für Werte in der Wirtschaft

Das 2004 gestartete Spiritual Consulting ist als Angebot einer evangelischen Landeskir-che deutschlandweit bislang einzigartig.

Allein auf weiter Theologenflur stehen die beiden Pilger-Pastoren freilich nicht, wenn es darum geht, das Kerngeschäft der Kirchen – die Sorge um das Seelenheil der Menschen – gezielt auf Manager anzuwenden. Nicht zuletzt Katholiken wie die Ex-Ordensbrüder

Rupert Lay und Anselm Bilgri und der Benediktiner-Mönch Dr. Anselm Grün von der Abtei Münsterschwarzach haben als prominente Referenten und Buchautoren dazu beigetragen, das Interesse an christlichen Werten in Führungskreisen zu fördern.

Die Ordensgemeinschaften verzeichnen seit Jahren einen nicht abreißenden Zustrom von Menschen, die sich in stiller Kontemplation in Klöster zu-rückziehen, temporär am Leben der Mönche teilhaben oder Seminarofferten wahrnehmen – von Meditationskursen bis zur Wellness-Massage. „Es gibt mitt-lerweile gut 300 solcher Ange-bote deutscher Frauen- und Männerorden“, sagt Arnulf Sal-men, Pressesprecher der Orden.

Wie viele Manager unter den Klostergästen sind, lässt sich zwar nicht genau beziffern. Doch dass der Rückzug hinter Ordens-mauern gerade auch bei

Mana-68 | development development | 69

managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008

68 | development development | 69

„Führungskräfte haben oft das Gefühl, gelebt zu werden, statt selbst zu leben.“

Anselm Grün, Cellerar des Benediktinerklosters Münsterschwarzach, Buchautor und Führungskräfte-Ratgeber. Kontakt: www.anselm-gruen.de

gern gefragt ist, belegen die klös-terlichen Angebote, die sich dezidiert an diese Zielgruppe richten und regelmäßig ausge-bucht sind.

Vom Interesse des deutschen Managerstandes an geistlichem Beistand zeugen auch die Briefe, die den Benediktinerpater Dr.

Anselm Grün bergeweise errei-chen. Grün, Cellerar der Abtei Münsterschwarzach, ist einer der Granden unter den christli-chen Wirtschaftsweisen. Er gibt seit 15 Jahren Kurse für Manager, hat sich als Buchautor einen Namen gemacht und ist ein gefragter Kongressredner. „Die Briefeschreiber schildern oft, dass sie unter dem Führungsver-ständnis in ihren Unternehmen leiden“, berichtet Grün. Solida-rität und Menschlichkeit spiel-ten den Klagen zufolge häufig keine Rolle. Werte jenseits finan-zieller Werte fänden sich allen-falls in den Leitlinien. Stattdes-sen seien Angst und Druck an der Tagesordnung. Druck, den Manager ausüben, dem sie sich auch selbst unterwerfen. Grün weiß, wozu das führen kann:

„Führungskräfte haben häufig das Gefühl, gelebt zu werden, statt selbst zu leben“, so der Pater.

Wer jedoch ein Getriebener sei, könne auch andere nur vor sich hertreiben, ist Grüns Über-zeugung: „Führungskräfte nei-gen oft dazu, Leistung aus den Menschen herauszupressen, statt Leben in ihnen zu wecken.“ Um in Mitarbeitern Leben und damit Leistungslust zu wecken, müss-ten sich die Manager selbst

wie-der als Mensch wahrnehmen, mit all ihren menschlichen Gefühlen, Sehnsüchten und Bedürfnissen. Weil dies besonders gut gelingt, wenn die Führungskräfte auf Dis-tanz zur Alltagstretmühle gehen, setzt auch Grün auf die Kraft, die im Rückzug liegt.

Anselm Grün lässt Führungskräfte schweigen

Der Rückzugsort ist in diesem Fall das Haus Benedikt, das Würzburger Gästehaus der Abtei Münsterschwarzach, das Anselm Grün gemeinsam mit dem Managerberater und Coach Dr. Friedrich Assländer leitet. Das Zentrum veranstaltet unter anderem mehr-tägige Retreats für Führungskräfte, die sich in ihrer Struktur ans mönchische Leben anlehnen: Der Tag beginnt früh, ist klar durchstrukturiert in Zeiten gemeinsamer Zusammenarbeit an Themen wie Konflikt-management und Kommunikation, aber auch in Zeiten der Meditation und des Schweigens. „Gerade das Schweigen fällt einigen Führungskräften sehr schwer“, weiß Grün, der auch mit Psychologen zusam-menarbeitet, weil das Zurückgeworfensein auf das Selbst manchen an seine psychischen Grenzen bringen kann. Generell dauere es eine Weile, bis sich die Führungskräfte mit dem Schweigen wohlfühlten. „Aber irgend-wann kommt der Punkt, an dem sie merken, dass sie sich wieder selbst spüren und an innere Quellen gelangen können, von denen sie gar nicht mehr gewusst haben, dass sie existieren“, beobachtet der Geistliche.

Leitet Anselm Grün nur ab und an per-sönlich Kurse für Manager, so hat Andreas Breer – geistlicher Name: Pater Tobias – den Einsatz für Manager-Seelen zu seiner Haupt-aufgabe gemacht. In der Duisburger Prä-monstratenser Abtei Hamborn leitet der Mönch und Kloster-Kämmerer die gemein-nützige Beratungs-GmbH „Kompetenz-Cen-ter Mensch“ und ist dort für 23 Mitarbei„Kompetenz-Cen-ter

managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008

70 | development development | 71

70 | development development | 71

Im Dokument managerseminare-dossier (Seite 33-37)