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TRENDFORSCHERIN PATRICIA ABURDENE IM INTERVIEW

Im Dokument managerseminare-dossier (Seite 27-31)

Patricia Aburdene gehört zu den weltweit führenden Trendforschern. Sie berät seit über 25 Jahren internationale Unternehmen in Transformationsprozessen und hält Vor-träge bei globalen Businesskongressen. Ihre Karriere begann Aburdene 1978 bei Forbes als Wirtschaftsjournalistin. In den neunziger Jahren entwickelte sie am Radcliffe College in Cambridge, Massachusetts, neue Leadership-Modelle. In ihrem aktuellen Buch „Megatrends 2010“ (siehe Service-Kasten) beschreibt sie, warum spirituelle Werte in der Weltwirtschaft immer wichtiger werden und wie Unternehmen von diesem Wandel profitieren können. Kontakt: www.patriciaaburdene.com

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managerSeminare | Heft 124 | Juli 2008

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Preview: AIMega-Trend bewusster Kapitalismus:

Warum Unternehmen vom reinen Profitdenken weg- müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können

AISinnstiftung: Wie Unternehmen mit Mitarbeitern,

denen materielle Zufriedenheit allein nicht mehr reicht, umgehen müssen AICharakter statt Charisma:

Warum charismatische Leadership zugunsten infor-meller „Grassroots-Leadership“ an Bedeutung verliert

AIMessbare Leistungssteigerung: Wie ideelle

Verbes-serungen im Unternehmen auch harte Performance-faktoren optimieren

In Ihrem Buch „Megatrends 2010“ sprechen Sie von einem Aufstieg des bewussten Kapita-lismus. Was verstehen Sie darunter?

Patricia Aburdene: Bewusster Kapitalismus ist ein Megatrend, an dem Mitarbeiter, Kun-den, Investoren, Manager und visionäre CEOs teilhaben. Bei all diesen Akteuren ist ein tief greifender Wertewandel im Gange.

Und zwar insofern, als ethische Denkweisen und das Prinzip der Verantwortung wieder-belebt werden.

Welche Entwicklungen in der Wirtschaft sind ein Indiz für den Perspektivenwechsel?

Aburdene: Beispielsweise die Veränderun-gen in der Finanzwelt. Immer mehr Men-schen überlegen bei Investments, welche Werte ein Unternehmen vertritt. Es gibt auch in Europa bereits mehrere Hundert Investmentfonds, die Gelder nach Corpora-te-Social-Responsibility-Kriterien anlegen.

Wir sprechen hier von einem Investitions-volumen im Milliardenbereich. Parallel da-zu werden die Konsumentenmärkte immer

Wird die Wirtschaft immer wertebewusster? Patricia Aburdene ist davon überzeugt. Die US-amerikanische Trendforscherin diagnostiziert den Auf-stieg eines bewussteren, „spirituelleren“ Kapitalismus. Im Interview mit managerSeminare erläutert Aburdene, welche Chancen sie darin für Unternehmen sieht.

stärker von Werten getrieben. Die wachsen-den Umsätze bei Biolebensmitteln beispiels-weise – hier ist Deutschland gegenwärtig der weltweit größte Markt – sind ein Zeichen für ein tief greifendes Umdenken. Auch der neue Trend „Lohas“ (kurz für Lifestyles of Health and Sustainability) ist ein Indikator für den Wandel zu einem bewussten Kapi-talismus. Nachhaltige, gesunde Produkte erreichen in den Vereinigten Staaten bereits ein Marktvolumen von rund 230 Milliarden Dollar. Andere Kunden setzen sich mit ihren Kaufentscheidungen dafür ein, ein Klima sozialer Gerechtigkeit zu fördern. Erste Anzeichen des neuen bewussten Kapitalis-mus konnte man bereits vor fünf bis zehn Jahren beobachten. Ich gehe davon aus, dass sich diese Entwicklung in den nächsten zehn Jahren weiter fortsetzen wird.

Welche konkreten Werte sind aufseiten der Unternehmen kennzeichnend für einen bewussten Kapitalismus?

Aburdene: Die Art und Weise, wie sich die weltweite Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat, mit einem star-ken Fokus auf den Shareholdern unter Ver-nachlässigung aller anderen Interessengrup-pen, hat das System instabil werden lassen.

In den Vereinigten Staaten, genauso wie in Europa, illustrieren immer mehr Studien, dass ein an Stakeholdern orientiertes Modell von Wirtschaft sehr viel profitabler ist als das alte Shareholder-Modell. Daher ist der wichtigste Wert für Unternehmen eine holistische, ganzheitliche Perspektive. Wer nur an den Profit denkt, agiert sehr einseitig,

und das führt – über kurz oder lang – zu Ungleichgewichten, die das Business negativ tangieren können. Es gibt bereits viele Vor-bilder, von denen man lernen kann. Eine gute Quelle für entsprechende Ansätze ist die Liste „Sustainable Business 20“, die seit sechs Jahren erscheint. Hier finden sich jedes Jahr zahlreiche europäische Unternehmen, die für nachhaltige Geschäftspraktiken ste-hen. 2007 beispielsweise wurde die Schmack Biogas AG für ihr Engagement im Bereich der erneuerbaren Energien ausgezeichnet.

2005 gehörten die Umweltbank, Henkel und die SolarWorld AG zu den deutschen Preis-trägern.

Auch ein bewusst agierender CEO möch-te natürlich Gewinne erwirtschafmöch-ten, aber er tut es auf andere Weise als der Main-stream. Es geht ihm um das Gesamtbild. Sein Ziel lautet, ein gesundes, ganzheitlich agie-rendes Unternehmen aufzubauen. Dazu gehört auch, wieder in längeren Zeiträumen zu denken und sich nicht alleine von Quar-talszahlen antreiben zu lassen, sondern von einem Prinzip der längerfristigen Profitabi-lität. Finanzielle Fülle ist die natürliche Folge einer solchen Zielsetzung bzw. einer Kon-stellation, in der sowohl die Interessen der Investoren als auch die der Lieferanten, der Kunden und der Mitarbeiter berücksichtigt werden.

Bleiben wir bei den Mitarbeitern: In Ihrem Buch schreiben Sie, dass ein persönliches Bedürfnis nach Spiritualität – im Privatleben wie in der Geschäftswelt – eine kritische Masse erreicht hat. Welche Erwartungen entstehen dadurch gegenüber der eigenen Arbeit? A

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Service

Literaturtipps:

A Patricia Aburdene: Megatrends 2010 – The Rise of Conscious Capitalism. Seven New Trends, That Will Transform How You Work, Live and Invest. Hampton Roads Publishing, Charlottesville 2007, ca. 12,99 Euro (deutsche Übersetzung im Herbst 2008 bei J. Kamphausen, Bielefeld).

Die Trendforscherin beschreibt, wie spirituelle Perspektiven das Business erobern und Unternehmen diese Entwicklung im Rahmen der Organisationsentwicklung nutzen können. Zahlreiche Fallbeispiele und State-ments von amerikanischen HR-Managern.

A Stephen R. Covey: The Speed of Trust. The One Thing That Changes Everything. Free Press, New York 2008, ca. 9,95 Euro.

Der amerikanische Unternehmensberater zeigt, wie Unternehmen durch eine Kultur des Vertrauens ihre Effektivität und Anpassungsfähigkeit an die Marktherausforderungen steigern können. Mit zahlreichen Pra-xisbeispielen aus Coveys Beratungspraxis.

A Paul H. Ray, Sherry Ruth Anderson: The Cultural Creatives: How 50 Million People Are Chan-ging the World. Three Rivers Press, New York 2001, ca. 11,45 Euro.

Der amerikanische Soziologe skizziert auf Basis verschiedener Langzeitstudien einen weltweiten soziokul-turellen Wandel, der die Werteprioritäten der westlichen Welt nachhaltig verändert. Das Buch erklärt die gesellschaftlichen Grundlagen für neue Paradigmen wie Corporate Social Responsibility und die wachsen-de Werteorientierung in wachsen-den Konsummärkten.

A Lance Secretan: Ganz oder gar nicht! Die sechs Prinzipien bewusster Führung und die Kunst, Unternehmen vom Sand im Getriebe zu befreien. J. Kamphausen, Bielefeld 2007, 24,80 Euro.

Der kanadische Unternehmensberater propagiert eine „Higher Ground Leadership“, die auf Mut, Authenti-zität und Wahrhaftigkeit setzt. Er zeigt, wie Unternehmen erfolgreich sind, wenn sie sich nicht nur einer einseitigen Profitmaximierung verschreiben, sondern in einen lebendigen Austauschprozess mit ihren Stakeholdern eintreten.

Aburdene: Den Mitarbeitern reicht materi-elle Zufriedenheit allein in der Regel nicht mehr aus. Die Menschen wollen, dass ihr Leben und ihre Arbeit einen Sinn haben. Es ist daher die Aufgabe der Führungskräfte und der Personalentwicklung, eine Verbin-dung zu schaffen zwischen dem, was das Unternehmen will und tut, und dem Bedürf-nis der Mitarbeiter, eine erfüllende Aufgabe zu übernehmen. Wenn das gelingt, entsteht wahre Motivation.

Nun merken zwar immer mehr Top-Manager, dass Ziele wie maximaler Gewinn um jeden Preis nicht mehr opportun sind, und verord-nen sich und ihren Mitarbeitern, Verantwor-tung zu übernehmen. Aber diese Anforderung bleibt eine Leerformel, wenn nicht klar ist, was das für jeden Einzelnen im beruflichen Alltag wirklich bedeutet. Wie kommt man von einer guten Idee zu einer sinnvollen Praxis im Unternehmen?

Aburdene: Sie müssen sich vor allem fragen:

Wo liegt die wirkliche Bedeutung des Unter-nehmens? Hierbei geht es um spirituelle Werte im besten Sinne wie Liebe, Mitgefühl, Gerechtigkeit. Gibt es Best Practices oder Rituale, die diese Werte verkörpern?

Medi-tation übrigens ist ein Ritual, das sich sehr befruchtend auf das Arbeitsleben auswirken kann. Es steigert neben der Kreativität und Innovationsfähigkeit auch die Fähigkeit, sich nicht dazu hinreißen zu lassen, Ent-scheidungen unter Druck zu treffen, ohne dabei die Konsequenzen im Blick zu haben.

Meditation kann helfen, wohlbedachter zu reagieren, Entscheidungen zu treffen, die mit dem eigenen Wertesystem kongruent laufen. Denn nur wer innerlich mit sich im Reinen ist, kann gute Lösungen finden.

Werte lassen sich generell besser durch Er-fahrungen als durch Worte vermitteln. Ein gutes Beispiel ist das Bio-See-Hotel Zeulen-roda in Thüringen, das im vergangenen Jahr mit dem International Spirit at Work Award ausgezeichnet wurde. Geschäftsführer Ste-phan Bode hat beim Teambuilding auf das Prinzip Liebe gesetzt – mit der Folge, dass sich die Mitarbeiter tatsächlich als Teil einer Familie fühlen. Das erfordert einen gewissen Aufwand im Bereich Training und Weiter-bildung, aber das Ergebnis ist eine Führung, die von gegenseitigem Vertrauen lebt. Und wenn man sieht, wie leidenschaftlich Ste-phan Bode bei der Sache ist, dann wird einem klar, dass Werte genau dann eine Be-deutung gewinnen, wenn man sie vorlebt.

Bei so einer Vorbildfunktion denkt man schnell an den typischen charismatischen Chef. Doch schreiben Sie in Ihrem Buch, dass gerade der immer mehr an Bedeutung verliert und dass demgegenüber die informelle Füh-rung immer wichtiger wird. Sie nennen das den „Triumph des Charakters über das Cha-risma“. Ist das nicht ein Widerspruch zu dem, was Sie eben gesagt haben?

Aburdene: Eigentlich ist Charisma ja ein spirituelles Konzept, denn es beinhaltet Weisheit und Erkenntnis. Ich benutze den Begriff aber hier aus einer eher säkularen Perspektive, bei der die äußere Ausstrahlung im Vordergrund steht. Immer mehr Unter-nehmen verabschieden sich von dem Glau-ben, dass eine Hierarchie mit einem charis-matischen Kopf an der Spitze eine adäquate Führungsperspektive darstellt, und dies aus einem ganz simplen Grund: Solche Systeme reagieren viel zu langsam. Bis sich in einem so bürokratisch strukturierten System etwas bewegt, haben die kleinen, wendigen Wett-bewerber in ihren Garagen den Markt bereits umgekrempelt. Selbst sehr große Unternehmen haben inzwischen begriffen, dass sie ihre Hierarchien flacher gestalten und stärker auf das Prinzip der informellen Führung setzen müssen.

Was genau zeichnet denn die informelle Füh-rung aus?

Aburdene: Während sich formelle Führung auf Machtpositionen in Hierarchien beruft, wächst informelle Autorität aus Respekt und persönlichem Einfluss. Sie wird einem nicht verliehen, sondern man verdient sie sich. Sie ist sehr kraftvoll, denn Grassroots-Leader, wie ich sie gerne nenne, fühlen sich nicht einer Machtrolle verpflichtet, sondern neh-men sich die Freiheit, sich auf Theneh-men zu konzentrieren, die ihnen besonders liegen.

Informelle Führung hat zudem viel mit moralischer Kompetenz zu tun. Grassroots-Leader leben Werte in ihrem direkten Ein-flussbereich vor. Um solche Personen herum entstehen Teams, die besonders motiviert sind, denn die Zusammenarbeit beruht auf einem geteilten Wertesystem. Im Rahmen der Personalentwicklung sollte man genau analysieren, wer die informellen Führer im Unternehmen sind.

Was für eine Art Change-Management ist notwendig, um solche Strukturen heran-wachsen zu lassen, und um die Weichen so zu stellen, dass Mitarbeiter wirklich erken-nen, was es bedeutet, verantwortlich zu han-deln?

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Aburdene: Das geht nur mit Vertrauen. Es geht in erster Linie darum, Machtstrukturen zu verändern, und die Menschen, die die Arbeit machen, in die Lage zu ver-setzen, eigene Entscheidungen zu treffen. Ein gutes Bei-spiel dafür ist die amerikanische Bio-Lebensmittel-Kette Whole Foods, die nicht nur nachhaltige Produkte anbie-tet, sondern auch bei den Management-Praktiken zu den Vorreitern gehört, indem sie ihre Mitarbeiter auf Basis sich selbst führender Teams stark in Entschei-dungsprozesse einbindet. Es ist diese konsistente Hal-tung, die sowohl die Angebots- als auch die Führungs-strategie eines Unternehmens umfasst, die kennzeich-nend ist für einen bewussten Kapitalismus. Natürlich ist es nicht leicht, Kontrolle aufzugeben. Aber wenn man es tut, gewinnt man sehr viel, denn je mehr Eigenver-antwortung die Mitarbeiter haben, umso geringer sind die Reibungsverluste. Zeit und finanzielle Budgets kön-nen dann wesentlich effizienter genutzt werden. Stephen Covey bringt es auf eine sehr einfache Formel: Mit dem Vertrauen wächst die Geschwindigkeit im Unterneh-men, und die Kosten gehen runter. UnternehUnterneh-men, in denen kein Vertrauen herrscht, sind nicht nur langsa-mer, sondern haben aufgrund der Reibungsverluste, die mit dem Prinzip der Kontrolle verbunden sind, auch höhere Kosten. Eine Studie der amerikanischen Bera-tungsgesellschaft Watson Wyatt zeigt beispielsweise, dass Unternehmen mit hoher Vertrauensbasis eine fast drei Mal so hohe Performance aufweisen wie diejenigen, die von einer Kultur des Misstrauens geprägt sind.

Die Bemühungen, immaterielle Aspekte unter Perfor-mancegesichtspunkten zu erfassen, stecken noch in den Kinderschuhen. Das bringt viele Top-Manager in eine Zwickmühle, da sich der Wert unternehmerischer Verant-wortung kaum direkt messen lässt. Wie können Führungs-kräfte mit diesem Zwiespalt umgehen?

Aburdene: Es gehört zum Business, dass man Ergebnis-se erzielen muss und dass dieErgebnis-se gemesErgebnis-sen werden. Mit dieser Tatsache sollte man Frieden schließen. Es ist nichts falsch daran, nach Schwachstellen zu suchen oder Dinge objektiv überprüfbar zu machen. Meiner Mei-nung nach brauchen wir auch nicht unbedingt Metho-den, um die Wirkung ideeller Verbesserungen in Kenn-zahlen nachzuvollziehen. Es reicht völlig aus, wenn man die Unternehmensperformance mit herkömmlichen Tools misst, denn, und da bin ich sicher: Wenn man sich zu einer werteorientierten und nachhaltigen Unterneh-mensführung entschließt, werden sich die gängigen Performanceindikatoren automatisch verbessern. Bei American Express gab es einmal ein spannendes Projekt, bei dem ein Berater mit einer Gruppe Brokern ein Jahr lang zum Thema Vergebung gearbeitet hat. Es wurde diskutiert, es gab Einzelcoachings, und am Ende des Jahres war die Performance der Abteilung um 60 Pro-zent gestiegen. Das Geheimnis: Wenn man in der Lage ist, zu vergeben, hat man den Kopf frei, um produktiv zu arbeiten. Oder, wie es der Weisheitslehrer Eckhart Tolle ausdrückt, man ist ganz im Jetzt.

Das Interview führte Nadja Rosmann. C

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