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Bewertung der Biokompatibilität von Poly(L-lactid) als Wirkstoffmatrix in Stent-Beschichtungen Abschlussarbeit Postgradualstudium Toxikologie der Universität Leipzig

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Academic year: 2022

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Bewertung der Biokompatibilität von Poly(L-lactid) als Wirkstoffmatrix in Stent-Beschichtungen

Abschlussarbeit

Postgradualstudium Toxikologie der Universität Leipzig

Dr. Herbert Thelen Berlin, 25.02.05

(2)

Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS... 2

ZUSAMMENFASSUNG ... 3

1 GRUNDLAGEN ... 6

1.1 ÄTIOLOGIE DER RESTENOSE... 6

1.2 URSACHEN DER VERSTÄRKTEN NEOINTIMABILDUNG... 6

1.3 AUFBAU UND ZIELSETZUNG... 8

2 DEGRADATION VON POLYLACTIDEN... 9

2.1 RESORBIERBARE POLYMERE... 9

2.2 MECHANISMEN DER DEGRADATION VON POLYLACTIDEN... 10

2.2.1 Modell nach Vert... 10

2.2.2 Enzymatische Spaltung... 12

2.3 EINFLUSSFAKTOREN DER DEGRADATIONSGESCHWINDIGKEIT... 12

2.3.1 Molekulargewicht... 12

2.3.2 Reinheit ... 13

2.3.3 Kristallinität ... 14

2.3.4 Verarbeitung ... 14

2.4 EIGENE ERGEBNISSE UND INTERPRETATION... 14

3 METABOLISMUS DER MILCHSÄURE ... 15

4 ALLGEMEINE TOXIZITÄT VON LACTAT... 16

4.1 ZELLKULTURUNTERSUCHUNGEN ZUR INDUKTION VON ENTZÜNDUNGSMEDIATOREN... 16

4.2 AKUT SYSTEMISCHE TOXIZIÄT... 16

4.3 SUBCHRONISCHE UND CHRONISCHE STUDIEN... 17

4.4 SYSTEMISCHE EFFEKTE DES FREIGESETZTEN L-LACTATS... 17

4.5 SENSIBILISIERUNG,IRRITATION... 17

4.6 MUTAGENITÄT,KANZEROGENITÄT... 18

5 LOKALE VERTRÄGLICHKEIT ... 18

5.1 ZELLVERTRÄGLICHKEITSUNTERSUCHUNGEN... 18

5.2 GEWEBEVERTRÄGLICHKEIT... 18

5.2.1 Gewebeverträglichkeit im dorsalen Muskelgewebe von Kaninchen ... 22

5.2.2 Ergebnisse mit PLLA-L214-beschichteten Stents in Schweinekoronarien ... 25

5.2.3 Langzeiteffekte... 29

6 HÄMOKOMPATIBILITÄT ... 32

7 AUSBLICK ... 33

8 LITERATUR ... 34

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Abkürzungsverzeichnis

316L: Chirurgischer Edelstahl

d: Tag

HE: Hämatoxylin-Eosin

KD: Kilodalton

LAD: Left anterior descending coronary artery

Mw: Molekulargewicht

P(D/L)A: Poly(D,L-lactid)

P(L/DL)A): Copolymer aus Poly(D,L-lactid) und Poly(L-lactid) PBS: Phosphate buffered solution

PDGF: Platelet derived growth factor

PDLA: Poly(D-lactid)

PGE2 Prostaglandin E2

PLLA 96: Poly(D,L-lactid) mit 96% PLLA und 4% PDLA

PLLA: Poly(L-lactid)

PLLA-L209: Poly(L-lactid) der Fa. Boehringer Ingelheim PLLA-L210: Poly(L-lactid) der Fa. Boehringer Ingelheim

PLLA-L214: Zu bewertendes Poly(L-lactid) der Fa. Boehringer Ingelheim PTCA: Perkutane transluminale Koronarangioplastie

QCA: Quantitative Koronarangiographie RCA: Right Coronary Artery

RCX: Rahmus circumflexus

SMC: Smooth muscle cell

SIC: Siliciumcarbid

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Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit wird die Eignung des resorbierbaren Polymers PLLA-L214 als Wirkstoffreservoir für Koronarstents aus toxikologischer Sicht bewertet. Die bewerteten toxi- kologischen Endpunkte berücksichtigen die Vorgaben der ISO EN 10993-1 zur Biologischen Bewertung von Medizinprodukten.

PLLA-L214 ist ein hochmolekulares Poly(L-lactid), dessen Molekulargewicht zunächst durch wiederholte hydrolytische Spaltung der Esterbindungen abgebaut wird, bis es schließlich in eine der beiden enantiomeren Formen der Milchsäure, die L-Form, zerfällt. Die korrespondie- rende Base, das L-Lactat, ist ein allgegenwärtiges Zwischenprodukt des Kohlenhydratstoff- wechsels. L-Lactat wird im Citratcyclus zu Kohlendioxidund Wasser metabolisiert.

Stellt man die Normalkonzentration des Plasmalactatwertes in ihrer Schwankungsbreite von 100-250mg/l der Beschichtungsmasse von etwa 1 mg gegenüber, zeigt sich, dass systemische Effekte gänzlich ausgeschlossen werden können, und zwar unabhängig von der Degradati- onsgeschwindigkeit. Entsprechend seiner physiologischen Rolle können allergische Reaktio- nen, mutagene oder kanzerogene Effekte des L-Lactats in diesen Konzentrationen ebenfalls ausgeschlossen werden. Der langjährige Einsatz von PLLA-Implantaten ohne Hinweise auf allergische Reaktionen, mutagene oder kanzerogene Effekte zeigt, dass die für das L-Lactat getroffene Bewertung auch auf die polymere Form der Milchsäure bzw. für dessen intermedi- äre Abbauprodukte übertragen werden kann.

Die zentrale Fragestellung bezüglich der Eignung von PLLA-L214 als Wirkstoffreservoir betrifft die lokale Wechselwirkung des Polymeren bzw. seiner Degradationprodukte in der Gefäßwand. Bei polymeren Werkstoffen zeigt sich im Vergleich zu chirurgischem Edelstahl ein erhöhtes Risiko einer materialinduzierten Entzündung, daraus resultierender verstärkter Neointimaproliferation, die wiederum über eine sukzessive Verengung des Gefäßes bis zum Verschluss des Gefäßes führen kann.

Die Eignung von PLLA-L214 wurde in zwei Studien, zunächst mit PLLA-L214- beschichteten Probekörpern im dorsalen Muskelgewebe von Kaninchen zur Untersuchung der lokalen Entzündungsreaktion, dann in einer funktionellen Studie mit PLLA-L214- beschichteten Stents in Schweinekoronarien, untersucht.

Als Ergebnisse der Kaninchenstudie zeigt sich nach 7 Tagen sich eine dem Grundkörper, SIC- beschichtetetem 316L, vergleichbare geringe Entzündung. Nach 30 Tagen Implantationszeit ist das Entzündungsgeschehen bei der Kontrolle verringert, bei PLLA-L214 gänzlich abge- klungen.

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Auf Basis dieses Ergebnisses wurden applikationsnahe Studien über 4 und 12 Wochen durch- geführt. In die Koronararterien (LAD, RCX, RCA) von mini pigs wurden nach randomisier- tem Schema 10 Stents je Gruppe (PLLA-L214-beschichtete Stents/SIC-beschichteter Stent auf Basis 316L=Kontrolle) eingebracht. Die Auswertung der Versuche ergibt:

a) Kontrollgruppe und PLLA-L214 bewirken eine vergleichbare Lumenverengung nach vier wie auch nach 12 Wochen Implantationszeit. Innerhalb des Beobachtungszeit- raums ergeben sich bei keiner Gruppe Hinweise auf eine zeitlich abhängige Verände- rung.

b) In keiner Gruppe wurden ortsständige Thrombosen festgestellt. Die Auskleidung der Gefäßlumina mit Endothel war in beiden Gruppen vergleichbar und bereits nach vier Wochen als vollständig zu bewerten.

c) Bei beiden Gruppen wird nach einem Monat eine geringe, nicht unterscheidbare Ent- zündung festgestellt. Nach drei Monaten Implantationzeit zeigt sich bei PLLA-L214 bei insgesamt geringer, mit der Kontrollgruppe vergleichbarer inflammatorischer Re- aktion eine verstärkte Präsenz von Riesenzellen sowie eine höhere Beteiligung der Media am Entzündungsgeschehen. Diese Unterschiede werden aus pathologischer Sicht als nicht relevant bewertet, zeigen keine Auswirkung auf die Neointimabildung und können daher als unkritisch betrachtet werden.

Im Untersuchungzeitraum bis zu drei Monaten lässt sich anhand der o.g. Ergebnisse eine den Standardmaterialien vergleichbare lokale Verträglichkeit bestätigen. Bezüglich des Langzeit- verhaltens des biodegradierbaren PLLA-L214 ist eine gesonderte Betrachtung erforderlich.

Die Degradation von hochmolekularen Polylactiden führt zunächst zu einem Molekularge- wichtsabbau ohne Masseverlust. Erst bei Unterschreiten eines kritischen Molekulargewichtes von etwa 10.000 – 15.000 Dalton wird ein Masseverlust beobachtet, der durch Freisetzung von Milchsäure bzw. kurzkettiger Oligomere der Milchsäure interpretiert werden kann. Als kritisch wird dieses Mw bezeichnet, da bei verstärkter Freisetzung der sauren Degradations- produkte ein Ansteigen der lokalen Entzündungsreaktion zu beobachten ist und hieraus das Risiko einer (späten) verstärkten Neointimaproliferation resultiert. In-vitro- Degradationsstudien zeigen, dass PLLA-L214 dieses kritische Mw nach etwa einem Jahr Im- plantationsdauer erreicht. In Studien von Hietala1 und Drachman2 mit Polylactiden bzw. Poly- lactid enthaltenden Copolymersystemen wird über den vollständigen Polymerabbau hinaus von den Autoren keine relevante Lumenverengung beobachtet. Eigene Abschätzungen lassen erwarten, dass die durch die PLLA-L214-Beschichtung pro Zeiteinheit freigesetzte Masse an

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sauren Degradationsprodukten einen Bruchteil der bei o.g. Studien beschriebenen Massen beträgt.

Auf Grundlage dieser Betrachtungen kann das Risiko einer relevanten Entzündung als gering eingestuft werden. Jedoch werden in Anbetracht der Diskrepanzen bezüglich der verwendeten Polymervarianten, der Tiermodelle, sowie der in diesen Studien geringen Tierzahlen zur Ab- sicherung der Langzeiteffekte weitere Studien empfohlen.

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1 Grundlagen

1.1 Ätiologie der Restenose

Der Verschluss der Koronararterien tritt vorwiegend als Folge eines arterioskleotisch verän- derten (arteriellen) Gefäßes auf. Das Krankheitsbild kann durch abnormale Anreicherung von Lipiden und Bindegewebe in der Gefäßwand charakterisiert werden. Diese Situation wird von degenerativen Veränderungen und/oder der Kalzifizierung begleitet, die von einer Stenose (Verengung) des Gefäßlumens bis zum Verschluss desselben führen können. Die perkutane transluminale Koronarangioplastie (PTCA, engl.) ist eine Methode zur nicht-invasiven Thera- pie des beschriebenen Krankheitsbilds. Hierbei plaziert man einen Ballon unter Röntgenkon- trolle am Ort der Stenose und weitet den Gefäßbereich durch Aufblasen (Dilatation) des Bal- lons auf. Die wesentlichen Nachteile der PTCA sind - als Komplikation - der akute Gefäßver- schluss sowie eine hohe Restenoserate3,4,i.

Um die oben genannten Nachteile der PTCA-Therapie zu verringern, entwickelte man Stents (Gefäßwandstützen), die mit Hilfe von Ballonkathetern an der Stenose platziert werden. Die klinischen Studien BENESTENT und STRESS3 demonstrieren, dass sich beim Einsatz von Stents gegenüber der reinen Ballondilation die akuten klinischen Komplikationen und die Restenoserate verringern. Die STRESS-Studie ergab eine In-Stent-Restenoserate von 31,6%

bei Stent implantation und 42,1% bei Ballonangioplastie; BENESTENT wies 22% für die Stentimplantation im Vergleich zu 32 % Restenose bei Ballondilatation aus.

Nach der Implantation eines Stents liegt die Hauptursache für In-Stent-Restenosen (im fol- genden als Restenose bezeichnet) in einer Verdickung der Intima, die in diesem Kontext als Neointima bezeichnet wird5.

1.2 Ursachen der verstärkten Neointimabildung

Die verstärkte Neointimabildung nach einer Stentimplantation wird auf ein komplexes Zu- sammenspiel verschiedener Faktoren zurückgeführt6:

ƒ Schädigungen des Endothels bzw. Freilegung des darunter liegenden Kollagens mit Folge der Adhärenz und Aktivierung von Thrombozyten, die ihrerseits Wachstums-

i Von einer Restenose spricht man, wenn sich der Lumendurchmesser innerhalb von sechs Monaten nach der Therapie um mehr als 50% verringert.

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faktoren (PDGF) für die glatten Muskelzellen (smooth muscle cells; SMC) freiset- zen5,7.

ƒ Schädigung tiefer liegender Zellen/Gewebe innerhalb der Gefäßwand (mechanische Verletzung infolge der Dilatation „injury“). Einerseits setzen geschädigte Zellen un- mittelbar Wachstumsfaktoren für die SMCs frei, zudem sorgen Reparaturprozesse (Entzündungen) für einen weiteren Proliferations-Stimulus6

ƒ Die plasmatische Gerinnungsaktivierung durch den Stent (Material, Hämodynamik) führt zu Fibrinablagerungen, entstehende Fibrinspaltprodukte stimulieren das Wachs- tum von SMCs6

ƒ Die deformationsbedingte Synthese von Endothelin-1 im Endothel, wie sie als Folge von arteriosklerotisch verändertem Gefäß bei Bluthochdruck oder nach der Ballondila- tation auftritt, scheint ebenfalls einen Beitrag zur SMC-Hyperplasie zu leisten.

Endothelin ist ein wichtiges co-Mitogen für die SMC-Proliferation8

ƒ Die lokale Entzündung als Folge der (chemischen) Eigenschaften des Stentmaterials liefert einen weiteren Proliferationsstimulus 6, 7,9, 10,11,12

Um der verstärkten Neointimabildung auf pharmazeutischem Wege entgegenzuwirken, wur- den in den letzten Jahren wirkstoffbeladene Stent eingesetzt. Entscheidender Vorteil dieser drug-eluting-stents (DES) ist die Möglichkeit, im Zielbereich effektive Dosen des Wirkstoffs bei geringer systemischer Belastung zu applizieren13. Die Verwendung immunsuppressiver (Rapamycin/Sirolimus)14 und/oder proliferationshemmender (Paclitaxel)15 Wirkstoffe redu- ziert das Risiko der Restenose auf weniger als 5%16.

Eine Möglichkeit, die Freisetzung des Wirkstoffes zu steuern, bietet die Beschichtung der meist aus chirurgischem Edelstahl bestehenden Stents mit einem Wirkstoff-Polymer- Gemisch. Die Auswahl bzw. Kombination der verwendeten Polymere, die Beschichtungs- technologie und ggf. Nachbehandlungen bieten gegenüber der Beschichtung mit reinem Wirkstoff ein deutlich erweitertes Spektrum zur Beeinflussung der pharmazeutischen Qualitä- ten Gehalt und Freisetzung13.

Für den Gesamterfolg des DES-Ansatzes bedarf es daher der Eignung beider Komponenten, des Wirkstoffs und der Polymermatrix17.

Diese Arbeit gilt der Bewertung des toxischen Potentials einer Polylactidmatrix unter beson- derer Beachtung ihres Einflusses auf den akuten Gefäßverschluss und die Restenose.

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1.3 Aufbau und Zielsetzung

Das Poly(L-lactid) PLLA-L214 soll auf seine Eignung als Trägersystem für eine Medikamen- tenbeschichtung bewertet werden. Eine toxikologische Risikobetrachtung dieses Dauerimp- lantats erfolgt entsprechend der durch das Medizinproduktegesetz vorgegebenen Rahmenbe- dingungen. Die zu bewertenden biologischen Endpunkte für ein Dauerimplantat im Blutkon- takt werden in der EN ISO 10993-1 „Biologische Beurteilung von Medizinprodukten“ kon- kretisiert und sind wie folgt:

• Zytotoxizität

• Sensibilisierung

• Irritation/Intrakutane Reaktivität

• Akut systemische Toxizität

• Subakute/Subchronische Toxizität/Chronische Toxizität

• Mutagenität (Karzinogenität)

• Gewebeverträglichkeit (lokale Verträglichkeit)

• Blutverträglichkeit

Da es sich bei dem zu bewertenden Werkstoff um ein biodegradierbares Material handelt, ist eine Analyse des Degradationsverhaltens erforderlich; Implantat und Abbauprodukte müssen einer toxikologischen Bewertung unterzogen werden.

Als Basis für die Diskussion potentieller toxischer Auswirkungen, vor Allem der lokalen Ge- webeverträglichkeit, werden im (folgenden) Kapitel 2 Mechanismen der Degradation und wesentliche Einflussfaktoren auf die Degradationskinetik von Polylactiden erläutert. Hieran schliesst sich in Kapitel 3 eine Beschreibung des primären Abbauprodukts von PLLA-L214, der L-Milchsäure, im Kohlenhydratstoffwechsel an. Effekte der Milchsäure auf Zellkulturen und Daten zur systemischen Wirkung von Milchsäure werden in Kapitel 4 beschrieben. Eine Bewertung des von der Beschichtung ausgehenden systemischen Risikos im Kontext mit den physiologischen Schwankungsgrenzen erfolgt in Kapitel 4 Risiken der Sensibilisierung, irrita- tiver und mutagener/kanzerogener Effekte betrachten die Kapitel 4.5 und 4.6.

Als Kernfragestellung wird in Kapitel 5 das Risiko lokaler Gewebsveränderungen am Appli- kationsort des Stents, der Koronararterie, in Reaktion auf PLLA-L214 bzw. dessen Abbau- produkte erörtert. Entsprechend der degradierbaren Charakters der Beschichtung erfolgt eine differenzierte Betrachtung für Kurz- und Langzeiteffekte. Eine Bewertung der Hämokompati-

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bilität des Implantats auf Grundlage der im vorhergehenden Kapitel beschriebenen Ergebnisse und eine Empfehlung zur Durchführung von Langzeitstudien schliessen diese Bewertung ab.

2 Degradation von Polylactiden

2.1 Resorbierbare Polymere

Zur Gruppe der synthetisch hergestellten resorbierbaren Polymereii zählen u.a. Polyester, Polyorthoester, Polyanhydride, Polycarbonate, Polyphosphazene, Polyaminosäuren und Polydepsipeptide. Die größte Aufmerksamkeit im Hinblick auf eine medizinische Anwendung wird dabei der Gruppe der Polyester18, insbesondere den aliphatischen Polyestern, geschenkt.

Die größte Rolle in dieser Gruppe wiederum spielen zur Zeit die Polyester der α-Hydroxycarbonsäuren in Form der Polylactide und ihrer Copolymere.

Implantate aus Polylactiden werden überwiegend in der Osteosynthese19,20,21,22,23,24

und als Nahtmaterialien25,26,27 eingesetzt. Als weitere Anwendungsgebiete werden Hohlfasern zur Nervengeneration28, Urether-29,30 . und Koronarstents1,7,9,31 erschlossen. Eine besondere Be- deutung kommt dem Einsatzgebiet als Wirkstoffträger32,33,34 zu. Die Wirkstoffe können dabei in die Polymermatrix eingebettet oder mikroverkapselt sein.

Das in dieser Arbeit zu bewertende PLLA-L214 ist ein Poly(L-lactid), dessen Molekularge- wicht in vivo zunächst durch wiederholte hydrolytische Spaltung der Esterbindungen verrin- gert wird, bis es schließlich in eine der beiden enantiomeren Formen der Milchsäure HO-CH- (CH3)-COOH, die L-Form, zerfällt.

ii Die Begriffe (bio)degradierbar und (bio)absorbierbar bzw. (bio)resorbierbar werden in der Literatur oft synonym verwen- det. Für klinische Anwendungen ist es wichtig, zwischen den beiden ersten Begriffen zu unterscheiden. So werden als (bio)degradierbar solche Polymere bezeichnet, die in-vivo zersetzt werden, deren Zersetzungsprodukte jedoch über einen längeren Zeitraum am Ort der Implantation zurückbleiben. (Bio)absorbierbare Polymere hingegen werden unter physiologi- schen Bedingungen zu nichttoxischen Abbauprodukten zerlegt, die dann aus dem Körper eliminiert oder metabolisiert wer- den. „Absorbierbar“ und „resorbierbar“ sind beliebig austauschbar. Da der Begriff "resorbierbar" von der großen Mehrheit der Autoren verwendet wird, wird er auch für die in der vorliegenden Abhandlung behandelten Polymere verwendet.

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H3C

O

CO2- C

CO2(H) H3C

HO H C

CH3 C H

C O

O C H

CH3 C

O O

n

Hydrolyse anerober Abbau von Glucose

Lactatdehydrogenase

Citronensäurecyclus H2O + CO2

1 2

3

4 5

Abbildung 1: L-Milchsäure 3 als Hydrolyseproduct von Polylactiden 1, oder (physiologisch) aus dem ane- roben Abbau von Glucose 2, wird unter LDH-Katalyse zu Pyruvat 4 oxidiert und im Citronensäurecyclus zu Wasser und Kohlendioxid 5 abgebaut.

L-Lactat wird im Citratcyclus unter Energiegewinn zu Kohlendioxid und Wasser umgewan- delt. Die Degradationsgeschwindigkeit von PLLA ist der bestimmende Faktor für die Freiset- zung des letztendlichen Abbauprodukts, der Milchsäure, deren toxisches Potential in Kapitel 3 (vgl. S.15) diskutiert wird.

2.2 Mechanismen der Degradation von Polylactiden 2.2.1 Modell nach Vert

Die Hydrolyse der Esterbindungen gilt als wesentlicher Abbaumechanismus der Polyhydro- xycarbonsäuren7,35 Vert unterscheidet dabei zwischen der Degradationsgeschwindigkeit im Inneren (Bulk) und an der Oberfläche eines Polymerblocks35.

Nach Diffusion von Wasser in das hydrophobe Polylactid führt die Hydrolyse der Esterbin- dungen zur Bildung von freien Säuregruppen. Im Bulk ist der Abtransport von sauren Oligo- meren und von Milchsäure behindert. Hieraus ergibt sich eine pH-Verschiebung, die ihrerseits

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eine katalytische Wirkung auf den Abbau der Polymeren im Bulk ausübt. Als Gesamteffekt wird daher von Vert ein beschleunigter Abbau des Polymers im Bulk36 postuliert. Da amorphe Polymere wiederum schneller als kristalline abgebaut werden (vgl. Kap. 2.3.3), entstehen beim Abbau teilkristalliner Polymere löchrig durchsetzte Strukturen, bei vollständig amor- phen Polymeren zeigen sich die durch Vert beschriebenen Effekte35.

Degradationsstudien von Mainil-Varlat37, in der zwei amorphe Copolymere P(L/D)A und P(L/DL)A) sowie das teilkristalline Homopolymer PLLA rasterelektronenmikroskopisch un- tersucht werden, zeigen den Einfluss der Kristallinität auf das Abbauverhalten. Abbildung 2 zeigt das amorphe Copolymer P(L/D)A; große Löcher sind im Bulk erkennbar. Aufnahmen des teilkristallinen PLLA in Abbildung 3 lassen auch nach 12 Monaten nur poröse Löcher erkennen.

Abbildung 2: Beschleunigter Abbau im Bulk von amorphen Polymeren, P(L/D)A

Abbildung 3: Poröse Struktur bei teilkristallinen Polymeren, PLLA

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2.2.2 Enzymatische Spaltung

Der Einfluss des enzymatischen Abbaus im Rahmen der Gesamtdegradation wird kontrovers diskutiert. Williams38 beobachtete eine Beschleunigung der in-vitro-Hydrolyse von Polylacti- den bei Zusatz spezifischer Enzyme wie Pronase, Proteinase K und Bromelain. Hydrolytische Enzyme mit Esteraseaktivität sowie lysosomale Enzyme aus Entzündungszellen haben nach Williams38 ebenfalls Einfluss auf den Abbau der Polylactide.

Schaakenraad39 hingegen findet für den Abbau von P(D/L)A-co-glycin) in vivo eine niedrige- re Degradationsrate als in vitro. Dies bestätigen Studien von Pitt et al.40 die diesen Umstand sowohl für P(D/L)A als auch für poly-Σ-(caprolacton) beschreiben. Eine mögliche Erklärung sieht Schaakenraad in der fibrösen Kapselbildung um das Implantat.

Matsusue et al.41 beschreibt für PLLA in Abhängigkeit vom Implantationsort einen schnelle- ren Abbau in der Reihenfolge: Medullarhöhle > Subcutis > in vitro.

In einer Arbeit von Leenslag et al.42 wird geschlußfolgert, dass es für hochmolekulare Poly- mere keine Unterschiede in der Abbaurate zwischen in vivo und in vitro gibt. Die Autoren schließen ebenso wie Bergsma43 in der Diskussion der Studie von Suuronen et al.44 einen ad- ditiven Effekt durch Enzyme aus.

Insgesamt wird für hochmolekulare PLLA wie das PLLA-L214 in vivo eine zu in-vitro- Studien vergleichbare Abbaugeschwindigkeit angenommen.

2.3 Einflussfaktoren der Degradationsgeschwindigkeit 2.3.1 Molekulargewicht

Die Degradation von PLLA führt zu einer Verringerung des mittleren Molekulargewichts bei gleichzeitiger Verbreiterung der Molekulargewichtsverteilung18 (vgl. Abbildung 4: hier gilt Mw A > Mw B > Mw C > Mw D). Erst nach Unterschreiten eines Molekulargewichts von etwa 10.000 – 20.000 setzt ein messbarer Masseverlust ein.

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0 10 20 30 40 50 60 70 80

Molekulargewicht

Intensität

A B C D

Abbildung 4: Einfluss der Degradation auf Molekulargewicht und Molekulargewichtsverteilung

Je höher das Ausgangsmolekulargewicht ist, desto mehr Zeit ist bis zum vollständigen Abbau der Polymere erforderlich. Die Spaltung der Polymerketten führt vor allem bei hochmolekula- ren Verbindungen (>200.000) zunächst zu einem Abbau des Molekulargewichts ohne merkli- chen Masseverluste45 So beobachteten Hooper et al.46 erst bei Unterschreitung eines Mw von 20.000 Dalton einen messbaren Masseverlust. Gogolewski et al.18 kommen zu vergleichbaren Ergebnissen.

In-vitro-Untersuchungen an PLLA L209 von Boehringer Ingelheim zeigen im Zeitraum von 90 Wochen eine Verringerung des Mw von 440.200 auf 17.400 Dalton ohne Gewichtsverlust der Prüflinge. Diese Beobachtungen decken sich mit dem Umstand, dass zu Beginn der De- gradation nur relativ lange Polymerkettenbruchstücke entstehen und erst bei Abbau auf Oli- gomere unter drei bis vier Wiederholungseinheiten eine merkliche Wasserlöslichkeit gegeben ist47.

2.3.2 Reinheit

Entsprechend der Ergebnisse von Zhang48 katalysieren Verunreinigungen, die von Monome- ren/Oligomeren (etwa 1%) herrühren, initial die Degradation in hohem Maße. Dies steht in Übereinstimmung mit der von Vert35 beschriebenen Autokatalyse. Schwach et al.49 folgern aus einer Studie zum Einfluss unterschiedlicher Katalysatoren, dass Zinn-polymerisierte P(D/L)A schneller abbauen als Zink-polymerisierte P(DL)A.

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2.3.3 Kristallinität

Untersuchungen von Surronen et al. zeigen, dass der Abbau bei teilkristallinen Polymeren zunächst in der amorphen Region beginnt44 und dort schneller als in den kristallinen Berei- chen fortschreitet. Kristalline Polymere bleiben über einen wesentlich längeren Zeitraum sta- bil als amorphe50. Solche Polymere, die aufgrund ihrer Struktur kristallin auftreten können, jedoch infolge der Verarbeitung zunächst amorph oder teilkristallin vorliegen, können wäh- rend der Implantation oder in vitro nachkristallisieren. Suuronen et al.44 beschreiben in einer In-vivo-Studie über fünf Jahre den Molekulargewichtsabbau von PLLA. Nach Verarbeitung und Gamma-Sterilisation betrug das Molekulargewicht 49.800 Dalton bei 53% Kristallinität.

Nach einem Jahr Implantation sank das Molekulargewicht auf 18.100 und nach 1,5 Jahren auf 6.300 Dalton. Nach zwei Jahren erreichte das MW 3.300 Dalton bei einer Kristallinität von 74%. Dieses Molekulargewicht blieb über den weiteren Untersuchungzeitraum von 3 Jahren erhalten. Ob die Zunahme der Kristallinität aus der Nachkristallisation zuvor amorpher Seg- mente resultiert oder ob sie durch schnelleren Abbau der amorphen gegenüber den kristallinen Segmenten zustande kommt, ist der Studie nicht zu entnehmen.

2.3.4 Verarbeitung

Verarbeitung und Sterilisation üben einen starken Einfluss auf die Reduktion des Molekular- gewichts aus51.Mainil-Varlet et al.52 beobachteten ausgehend von einem Mw von 430.000 Dalton einen Abfall auf 55.500 Dalton nach dem Spritzgießen. Die EO-Sterilisation führte zu einer nur geringen Molekulargewichtsreduktion, was durch Untersuchungen von Pistner50 bestätigt wird. Die Strahlensterilisation hingegen reduziert das Ausgangsmolekulargewicht um den Faktor 10 nach Cordewener et al.51. In den Studien von Mainil-Varlet et al.52 sinkt das Molekulargewicht von 295.000/237.000 auf 60.600/58.500 Dalton, bei Suuronen et al.44 fällt es von initial 720.000 nach Extrusion und gamma-Sterilisation auf 49.000 Dalton. Pistner50 beschreibt für amorphes PLLA einen Molekulargewichtsverlust durch Spritzgießen und Frä- sen von 1.754.000 Dalton auf 510.000 Dalton, wobei die mechanische Verarbeitung des Ma- terials nur einen unwesentlichen Anteil am Verlust des Molekulargewichtes ausmacht.

2.4 Eigene Ergebnisse und Interpretation

PLLA-L214 weist als Granulat ein Molekulargewicht von etwa 750.000 Dalton auf. Nach Stentbeschichtung und Sterilisation verringert sich das Mw auf etwa 75.000 Dalton53. Degra- dationsstudien unter Bedingungen einer beschleunigten Alterung zeigen für sterilisierte (Mw:

75.000 Dalton) und nicht sterilisierte (Mw: 750.000 Dalton) Proben von PLLA-L214, sowie

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für PLLA-L210 (Mw: 300.000 Dalton) eine vergleichbare Geschwindigkeit des Molmasse- nabbaus53. Das Unterschreiten eines Mw von 10.000 führt unabhängig vom Ausgangsmoleku- largewicht zum messbaren Masseverlust. Dieses Ergebnis steht in guter Übereinstimmung mit der Literatur18,46.

Bei In-vitro-Echtzeit-Degradationsstudien an PLLA-L209, (Mw: 440.000) vergehen etwa 60 Wochen, bis ein Molekulargewichtsabbau von 100.000 auf 17.000 Dalton stattgefunden hat53. Die Poly-L-lactide PLLA-L209, PLLA-L210 und PLLA-L214iii unterscheiden sich lediglich im Ausgangsmolekulargewicht. Für PLLA-L210 wurden 41% Kristallinität angegeben54. Un- ter der Vorrausetzung einer vergleichbaren Geschwindigkeit des Molmassenabbaus in der Reihe der Poly-L-lactide PLLA-L209, PLLA-L210 und PLLA-L214 wird daher für PLLA- L214 mit dem Beginn der stark resorptiven Phase nach etwa 1 Jahr Implantationszeit gerech- net. Der vollständige Abbau kann entsprechend der Ergebnisse von Suronen44 dann noch mehrere Jahre erfordern (vgl. Kap. 2.3.3).

Diese Annahmen müssen durch In-vitro-Degradationsstudien zur Überprüfung des Molmas- senabbaus/Massenverlustes (PLLA-beschichtete Stents, Wirkstoff/PLLA-beschichtete Stents, 37°C, physiologische Kochsalzlsg.) unterstützt werden.

3 Metabolismus der Milchsäure

Der hydrolytische Abbau von PLLA führt zu Milchsäure, die auf enzymatischem Wege zu Kohlendioxid und Wasser umgewandelt wird.

L-Lactat ist ein allgegenwärtiges Zwischenprodukt des Kohlenhydratstoffwechsel. Die L- Lactatkonzentration in verschiedenen Geweben variiert stark55. L-Lactat ensteht beim anero- ben Abbau von Glucose und kann im Citratzyklus unter Energiegewinn zu Kohlenstoffdioxid und Wasser abgebaut werden. Hierzu wird L-Lactat zunächst zu Pyruvat oxidiert, diese Reak- tion wird durch Lactatdehydrogenase katalysiert. Im Menschen beträgt die Halbwertszeit zum Abbau von L-Lactat im Blut 15 Minuten56. Zu einer physiologischen L-Lactat-Anreicherung beim Menschen kommt es bei zunehmender Muskelaktivität. Bei starker Muskelaktivität kann ein Blutlactatwert von 100mg/100ml (11mMol/l) erreicht werden; normal sind 10- 25mg/100ml (1,1-2,7mMol/l)57.

iii Produkte der Fa. Boehringer Ingelheim

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4 Allgemeine Toxizität von Lactat

4.1 Zellkulturuntersuchungen zur Induktion von Entzündungsmediatoren In einer In-vitro-Studie von Dawes und Rushton58 wurden die Lactatdehydrogenaseaktivität sowie die PGE2-Produktion in Fibroblasten und Makrophagen in Abhängigkeit der Zugabe von Milchsäure gemessen. PGE2 (Prostaglandin E2) ist ein Entzündungsmediator, der im Rahmen der inflammatorischen Reaktion verstärkt von beiden Zelltypen sezerniert wird. So- wohl die Fibroblasten als auch die Makrophagen reagierten ab 5mg Milchsäure/ml Zellkul- turmedium mit erhöhter PGE2-Aktivität. Die erhöhte PGE2-Produktion wird von den Autoren als eine Ursache für die von Rozema und anderen59,60 beobachteten Spätreaktionen gedeutet.

Da die untersuchten Lösungen auf neutralen pH-Wert eingestellt wurden, sind die beobachte- ten Effekte unabhängig von den sauren Eigenschaften der Milchsäure zu sehen.

Da die in dieser Arbeit untersuchte Stentbeschichtung etwa 1 mg PLLA-L214 enthält, ist ent- sprechend obigem Experiment selbst bei vollständiger Hydrolyse der gesamten Beschichtung keine Hochregulation der o.g. Entzündungsmediatoren zu erwarten.

4.2 Akut systemische Toxiziät

Lactat weist eine geringe akute Toxizität auf. So bewegen sich die LD50-Werte61,62 bei ver- schiedenen Nagern je nach Applikationsart und Tierspezies zwischen 500 und 4875 mg/kg (vgl. Tabelle 1). Als die eigentliche Ursache toxischer Effekte der Milchsäure wird die pH- Wert-Verschiebung betrachtet51,63,64. Intravenöse Infusionen von Milchsäure (absolut 1,1 Mol) in Konzentrationen die zu ausgeprägter Azidose führten (d.h. pH Wert 6,95), führten zur be- schleunigter Blutgerinnung bei Schafföten63.

Verbindung Spezies Applikationsweg LD50 [mg/kg]

D,L-Lactat Ratte p.o., s.c. 3730

D,L-Lactat Ratte i.p. 2000

D,L-Lactat Maus p.o., s.c. 4875

D,L-Lactat Meerschweinchen p.o. 1810

D,L-Lactat Hase p.o. 500

p.o. – per oral, s.c. – subcutan, i.p. – intra peritoneal

Tabelle 1: Akut systemische Toxizität von D,L-Lactat61,62

Der Mensch toleriert eine orale Gabe Milchsäure bis zu 1500mg/kg Körpergewicht55. Kli- nisch äußert sich die Milchsäurevergiftung durch steigende Erregung, Dyspnoe und Tachy- kardie. Verschiedene Autoren weisen auf eine Korrelation von hohen Plasmakonzentrationen

(18)

von D,L-Lactat und Angst bzw. Panikzuständen hin24,25,65.Der Mechanismus des Angstsyn- droms ist nicht vollständig geklärt. Möglichweiser sind Sekundäreffekte wie Kalziumionen- bindung zum Lactat, absinkender Kohlenstoffdioxid-Partialdruck oder β-adenerge Stimulati- on hierfür verantwortlich24.

4.3 Subchronische und chronische Studien

Zu diesem Bereich waren keine belastbaren Daten zugänglich. Entsprechend der Recherchen von Summer66 haben subchronische/chronische Applikationen von Lactiden zu keinen kumu- lativen Effekten geführt.

4.4 Systemische Effekte des freigesetzten L-Lactats

Zur Diskussion des systemisch toxischen Potentials der aus dem Implantat freigesetzten Milchsäure wird in einem konservativen Ansatz von der auf 10 Stents enthaltenen Beschich- tungsmenge, also 10 mg PLLA, ausgegangen. Als Verteilungsvolumen wird ein Blutvolumen von fünf Litern bzw. 20 Liter Extrazellulärraum zugrunde gelegt. In einem worst-case- Szenario wird von einer akuten vollständigen Freisetzung der Beschichtungmenge in Milch- säure ausgegangen (vgl Tabelle 2).

Normalbereich Bei starker Muskelaktivität *Akute Freisetzung von 10mg Milchsäure/ Liter Blut [mg/l] 100-250 (1,1-2,7 mMol/l) 1000 (11mmol/l) 102-252 Milchsäure im Extrazellulär-

raum [mg/l]

100-250 1000 100,5-250,5

Tabelle 2: *Konzentrationserhöhung von Milchsäure in Blut und Extrazellulärraum durch Freisetzung von 10 mg PLLA

Diese Betrachtungen zeigen, dass es auch unter dem Szenario einer 10-fachen Überhöhung der tatsächlichen Beschichtungsmenge und einer akuten vollständigen Freisetzung zu keiner toxikologisch relevanten Erhöhung der Konzentrationen im Blut/Extrazellulärraum kommt.

Systemisch wirksame akute, subakute oder chronische toxische Effekte als Folge der Implan- tation von 10 mg PLLA sind daher ausgeschlossen.

4.5 Sensibilisierung, Irritation

L-Lactat ist ein allgegenwärtiges Zwischenprodukt des Kohlenhydratstoffwechsel. Allergi- sche Reaktionen auf das monomere Abbauprodukt des polymeren Implantats können daher ausgeschlossen werden. Implantate aus PLLA werden seit mehr als 10 Jahren für unterschied- liche Applikationen, siehe Abschnitt 2.1, ohne Hinweis auf sensibilisierende Eigenschaften verwendet.

(19)

Konzentrierte Milchsäure bewirkt eine Irritation der Haut bzw. Schleimhaut, dieser Effekt wird auf die lokale pH-Wert-Verschiebung zurückgeführt. Anhand der in Kap. 5.2 beschrie- benen Ergebnisse zur Gewebeverträglichkeit von PLLA-L214 können relevante irritative Ef- fekte durch die Beschichtung mit PLLA-L214 ausgeschlossen werden.

4.6 Mutagenität, Kanzerogenität

Es existieren keine verläßlichen Hinweise auf genotoxische und karzinogene Effekte der Lactate. Die klastogene Wirkung von D,L-Lactatsäure in kultivierten Hamsterzellen wird auf den unphysiologischen pH-Wert zurückgeführt64.

5 Lokale Verträglichkeit

5.1 Zellverträglichkeitsuntersuchungen

Bei eigenen Untersuchungen an PLLA-L214-Extrakten zeigte sich kein Einfluss auf das Pro- liferationsverhalten einer L929-Fibroblastenkultur. Die Extrakte werden unter standardisierten Bedingungen (ISO 10993-5, 24h Extraktion, Zellkulturmedium, 37°C) gewonnen. Polylactide höheren Molekulargewichts und hoher Reinheit (Restgehalt an Monomeren, kurzkettigen Oli- gomeren) zeigen bei In-vitro-Studien keine toxischen Effekte. Dies steht in Übereinstimmung mit Ergebnissen von Cordewener et al.51 und Park et al.67.

5.2 Gewebeverträglichkeit

Die Implantation von Fremdkörpern führt zu einer lokalen Entzündungsreaktion im das Imp- lantat umgebenden Gewebe. Verlauf und Intensität der Entzündungsreaktion werden durch den Implantationsort, die Materialeigenschaften des Fremdkörpers und die (chirur- gisch/mechanisch bedingte) Verletzung und als Folge der Implantation geprägt. Studien von Kornowski et al.5 in Schweinekoronarien belegen eine positive Korrelation zwischen a) der Entzündung und der physischen Verletzung (injury score; vgl. Abbildung 5), b) dem injury score und der Neointimadicke, c) der Entzündung und der Neointimadicke.

Virmani68 beschreibt nach der Implantation von Stents aus chirurgischem Edelstahliv in Schweinekoronarien folgende Veränderungen auf zellulärer Ebene:

iv Standardmaterial für Stents

(20)

ƒ 1. bis 3. Tag: Plättchen und Fibrinablagerungen bedecken die Streben des Stents (Struts), in den luminal adhärenten Thromben finden sich vereinzelt neutrophile Gra- nulozyten

ƒ bis etwa zum 7. Tag: Von der Gefäßwand her entwickeln sich zwischen den Streben sich organisierende Thromben, die glatte Muskelzellen (SMC), Makrophagen, verein- zelte Lymphozyten und Erythrozyten enthalten; die Oberflächenendothelialisierung beträgt rund 70%.

ƒ nach 14 Tagen: Auf den Struts sind noch Fibrin sowie einige chronische Entzün- dungszellen erkennbar; die Neointima enthält wenige SMC in einer proteoglykanrei- chen Matrix.

ƒ nach 28 Tagen: auf den Struts befindet sich selten Fibrin sowie wenige Makrophagen und Riesenzellen. Die Neointima enthält eine größere Anzahl SMCs, Proteoglykane und Typ III-Kollagen

Laut Virmani wächst die Neointima zwischen dem 7. und 14. Tag am schnellsten. Ihre maxi- male Stärke wird nach einem Monat erreicht. Über die folgenden drei bis sechs Monate rei- chert sich die Extracellularmatrix mit Kollagen Typ I an, parallel schrumpft die Neointima auf 90 bis 80 % des Wertes nach 28 Tagen.

Die Zellproliferation(sgeschwindigkeit) glatter Muskelzellen erreicht nach Virmani ihren Hö- hepunkt nach 7 Tagen, nach 14 Tagen ist ihre Geschwindigkeit halbiert und kehrt nach einem Monat auf die Basisproliferation zurück.

Dies gilt zunächst nur für weitgehend inerte Materialien4 wie z.B. chirurgischen Edelstahl, 316L. Die von Virmani beschriebenen Entzündungs- und Reparaturprozesse und deren zeitli- cher Verlauf können in erster Näherung auf das mechanische Trauma bei der Stentimplantati- on zurückgeführt werden5.

Aus der durch den Eingriff (und den Stent) provozierten Entzündung resultiert also eine ver- stärkte Neointimabildung und somit eine Verringerung des freien Lumens. Dieser Effekt tritt umso stärker auf, je schwerwiegender die physische Verletzung (injury score; vgl. Abbildung 5) ist5,6 ,69.

(21)

Injury Score 1: ruptured IEL

Injury Score 2: ruptured EEL Injury Score 0: no deformation

I. S. 3: ruptured EEL+ struts in adventitia

0= no injury

1= break in the internal elastic membrane (elastica interna) 2= perforation of the media

3= perforation of the external elastic membrane

Abbildung 5: Klassifizierung der mechanischen Verletzung „ injury score“ entsprechend der Vorgaben von Schwartz5,69

Sowohl die aus einer Stentbeschichtung sukzessiv freigesetzten Polymerbestandteile als auch die Oberflächenbeschaffenheit der Beschichtung können die Entzündung zeitlich verlängern und/oder intensivieren. Hieraus kann eine Verringerung und im Extremfall ein Verschluss des freien Lumens resultieren9,10.

So betrug in einer 28Tage-Studie von de Scheerder10 das freie Lumen bei polyphosphazene- beschichteten Stents 0,7 mm gegenüber 1,9 mm bei der Kontrolle (316L). Die Lumenveren- gung ging histologisch mit einer lymphohistiozytäre Entzündungsreaktion einher, hingegen wurde bei der Kontrolle lediglich eine leichte Mesenchymzellproliferation in dichtem Kolla- gennetz beschrieben.

Van der Giessen et al.9 untersuchten den Effekt mehrerer nicht abbaubarer Polymere, die als Dauerimplantate bereits in anderen Medizinprodukten langjährige Verwendung fanden. Im Vergleich zum unbeschichteten Metall verursachten die mit Polyetherurethan, Silikon und Polyethylenterephthalat beschichteten Stents nach 28 Tagen Implantationsdauer alle eine deutlich intensivierte Neointimabildung. Dieses Ergebnis ist in Anbetracht der vorherigen Verwendung zunächst überraschend, unterstreicht jedoch die Eigenschaft des mechanisch verletzten Gefäßgewebes auf zusätzliche chemische Reize empfindlich zu reagieren. Offen bleibt bei solchen Forschungsansätzen, ob die Natur des Polymeren oder die Verarbeitung zum (negativen) Ergebnis führt.

Lincoff et al.9,7 studierten den Effekt bioresorbierbarer Polymere auf die Neointimabildung.

Streifen des jeweiligen Polymers wurden hierbei auf die Stege von Tantalstents aufgebracht und nach 28 Tagen Implantation in Schweine histologisch ausgewertet (vgl. Abbildung 6).

(22)

0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00 1,20 1,40 1,60 1,80

PGLA POE PHBV PCL

Neointima [µm]

Polymere Tantal

Abbildung 6: Neointimadicke bei div. Polymeren im Vergleich zu Tantal

Alle verwendeten Polymere (PGLA–Poly(D,L-lactid/glycolide, copolymer 85% lactide/15%

glycolide; POE–Polyorthoester; PHBV-Poly(hydroxybutyrate/hydroxyvalerate(copolymer 22%valerate); PCL-Polycaprolactone) zeigen im Vergleich zum Tantal eine stärkere Stimula- tion der Neointimabildung. Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse an Polymeren mit Tantal scheint jedoch aufgrund der Beschichtungstechnik (Streifenbreite ungleich Strutbreite) zwei- felhaft. Unter den untersuchten Polymeren wird das beste Ergebnis mit dem Copolymeren auf Polylactid/Glycolid-Basis erzielt.

1997 berichteten Lincoff et al.32 über die Effekte einer PLLA/Dexamethasone-Beschichtung auf Tantalbasis. Bei PLLA mit niedrigem Molekulargewicht von 80 KD (Kilodalton) zeigen sich in ihrer Untersuchung in Schweinekoronarien nach 28 Tagen massive Entzündungen und Neointimabildung bis zum Totalverschluss des Gefässes. Beschichtungen mit PLLA eines Mw von 320 KD weisen nach Lincoff weder akute noch chronische Entzündungszeichen auf.

Die Neointimabildung des reinen hochmolekularen PLLA (Kontrolle) ist vergleichbar zu der des unbeschichteten Metallstents. Als Erklärung hierfür wird die verlangsamte Degradation des hochmolekularen PLLA mit entsprechend reduzierter Milchsäurefreisetzung diskutiert.

Die Ergebnisse von Alt et al.70 stellen die geschilderte Problematik des niedermolekularen Polylactid (PLLA) bei einem Mw von 80 KD in Frage. Die Autoren beschichteten Stents mit einer 10µm starken Schicht PLLA mit einem Mw von 30 KD und einer Wirkstoffkombination von Hirudin/Ioprost. Im Vergleich zum unbeschichteten Metallstent ergab sich nach vier Wo-

(23)

chen eine Lumenerweiterung in Schweinekoronarien und keine Anzeichen einer verstärkten inflammatorischen Reaktion. Alt et al.70 verweisen diesbezüglich auf unveröffentlichte Er- gebnisse von van der Giessen, der bei einer Studie über den Zeitraum von drei Monaten mit dem gleichen Polymer (30kD) ebenfalls keine verstärkte Entzündung beobachtete. Auch Hie- tala et al.1,71 verwendeten PLLA 96 mit einem Ausgangsmolekulargewicht von 30.000 Dalton und kamen zu einer positiven Bewertung der lokalen Entzündungsreaktion.

Wie in Kapitel 2.3.1 beschrieben, kommt es erst beim Unterschreiten eines Molekularge- wichts von 10-20.000 zur messbaren Freisetzung von Degradationsprodukten. Die Ergebnisse von Lincoff32 können also nicht vorrangig auf die angegebenen unterschiedlichen Kettenlän- gen der Polymere (Mw 80.000 versus 320.000) zurückgeführt werden.

Da die oben genannten Studien je nach Quelle/Hersteller der Polymere sowie deren Zusam- mensetzung und Verarbeitung teilweise zu kontroversen Ergebnissen führen, das Risiko einer Entzündungsverstärkung und Lumeneinengung jedoch zweifelsohne besteht, ist eine positive Risikoabschätzung allein auf Basis einer Literaturauswertung nicht möglich. Es sind weitere Studien erforderlich.

Die Eignung von PLLA-L214 wurde zweiphasig, zunächst in einem einfachen Implantati- onsmodell zur Untersuchung der Gewebeverträglichkeit (Enzündung), dann in einer funktio- nellen Studie mit PLLA-L214-beschichteteten Stents in Schweinekoronarien, untersucht.

5.2.1 Gewebeverträglichkeit im dorsalen Muskelgewebe von Kaninchen

PLLA-L214-beschichtete Stifte der Abmessung 10*1*0,2mm wurden in das dorsale Muskel- gewebe von Kaninchen für 7 bzw. 30 Tage eingebracht. Als Referenzen dienten klinisch ver- wendetes Stentmaterial (SiC-beschichtetes 316L=Kontrolle), PLLA-L210 (geringeres Mw als L214) sowie eine PDLA-Variante (R208), die bei früheren Versuchen in Schweinekoronarien eine verstärkte Neointimabildung provozierte72. Nach der Tötung der Tiere wurden die Imp- lantate mit einer ausreichenden Menge umgebenden Gewebes entnommen, entwässert und in Harz eingebettet und Schnitte quer zur Längsachse der Implantatkörper angefertigt. Zur pa- thohistologischen Untersuchung wurden die Schnitte mit Hämatoxylin-Eosin (HE) bzw. Tolu- idinblau gefärbt.

Abbildung 7 zeigt ein typisches Schnittbild zur Bewertung von Entzündung, bzw. der Ermitt- lung der Kapseldicke.

(24)

Abbildung 7: Repräsentativer Schnitt zur Ermittlung der Kapseldicke

Die pathohistologische Analyse beeinhaltete die morphometrische Bestimmung der Kapseldi- cke sowie eine semiquantitative Bewertung der Präsens und Dichte entzündungsrelevanter Zellspezies (Riesenzellen, Granulozyten, Lymphozyten, Plasmazellen) in Form einer Katego- risierung von 0-4 (0: non, 1: minimal, 2: minor, 3: moderate, 4: major).

Der Einfluss der Proben (Polymere versus Kontrolle) auf die Entzündung zu den Zeitpunkten 7 und 30 Tagen nach Implantation wird in Abbildung 8 dargestellt. Die beobachtete Entzündung an den Einzelschnitten bewegt sich zwischen der Bewertung „non“ und

„minimal“ und ist damit nach 7 und nach 30 Tagen insgesamt gering ausgeprägt. Die Ergebnisse von PLLA-L214 und PLLA-L210 sind nicht unterscheidbar, nach 7 Tagen ist die Entzündung vergleichbar zur Kontrolle, nach 30 Tagen wird bei diesen beiden Polylactiden keine Entzündung mehr konstatiert. PDLA R208 weist in diesem Vergleich nach 7 und 30 d eine im Vergleich zu den anderen Materialien stärkere, im Rahmen des Bewertungsschemas aber immer noch geringe („minimal“) Entzündung auf. Bei allen Proben wird zu dem längeren Implantationszeitraum eine Abschwächung der Entzündung beobachtet, da die durch das Implantationstrauma verursachten Reparaturprozesse abklingen.

(25)

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2

7 days 30 days PLLA L214

7 days 30 days PLLA L210

7 days 30 days PDLA R208

inflammation score Kontrolle 7d

Material 7d Kontrolle 30 d Material 30 d

Abbildung 8: Inflammation

Die bei der Entzündung beschriebenen Unterschiede spiegeln sich ebenfalls bei der Kapseldi- cke (Infiltrat aus Entzündungs- und proliferierenden Bindegewebszellen) wieder (vgl.

Abbildung 9). Nach 7 und 30 Tagen werden für die Negativkontrolle rund 40 µm Kapseldicke ermittelt. R208 führt zu einer deutlich stärkeren Kapsel von etwa 60µm Dicke. PLLA-L214 und PLLA-L210 zeigen eine im Vergleich zur Negativkontrolle geringer ausgeprägte Kapsel- stärke mit Tendenz zur Abnahme zu 30 Tagen Implantation.

0,00 10,00 20,00 30,00 40,00 50,00 60,00 70,00

PLLA L214 PLLA L210 PDLA R208

Kapseldicke [µm]

control 7d 7 days control 30d 30 days

Abbildung 9: Kapseldicke (Infiltrat aus Entzündungs- und proliferierenden Bindegewebszellen)

Fazit dieser Untersuchungen ist ein vergleichbar gutes Ergebnis für die beiden Poly(-L- lactide), die eine deutlich geringere Entzündung als PDLA und tendenziell auch eine geringe- re Entzündung als das Standardmaterial aufweisen.

(26)

Aufgrund des höheren Sicherheitsabstands zum „kritischen Molekulargewicht“ wird die lang- kettigere Variante PLLA-L214 für funktionelle Studien in Schweinekoronarien verwendet.

5.2.2 Ergebnisse mit PLLA-L214-beschichteten Stents in Schweinekoronarien PLLA-L214-beschichtete Stents (PLLA-L214) wurden in die Schweinekoronarien von mini pigs implantiert und nach vier bzw. zwölf Wochen entnommen. Als Referenz diente hierbei der Lekton®(Stent der Firma Biotronik; SIC-beschichteter Stent auf Basis 316L). In die Ko- ronararterien (LAD, RCX, RCA) wurden nach randomisiertem Schema 10 Stents je Gruppe eingebracht.

Zielpunkte der Studie waren die Ermittlung der Durchlässigkeit der gestenteten Gefäße, Aus- maß (und Qualität) der inflammatorischen Reaktion, Thrombogenität, Qualität der Neo- Endothelialisierung und induzierte neointimale Proliferation.

Die Ermittlung der Durchlässigkeit im Implantat- und Referenzbereich erfolgte mittels Quan- titativer Koronarangiographie (QCA) vor der Tötung der Tiere. Zur Illustration ist in Abbildung 10 das Schnittbild einer gestenteten Schweinekoronarie abgebildet. Bei der QCA wird durch Vergleich des Lumendurchmessers innerhalb des Stents mit dem Gefäßdurchmes- ser neben dem Implantat (Referenzdurchmesser) die Verengung durch das Implantat ermittelt.

Das Ergebnis dieser Analyse kann z.B. als Durchmesserstenose dargestellt werden. Je kleiner der Lumendurchmesser d, desto größer ist der Ausdruck für die Durchmesserstenose % D.

(27)

Abbildung 10: Querschnitt durch Schweinekoronarie mit implantierten Stent

% 100

% − ×

= ref d

D ref Ref: Referenzdurchmesser

D: Durchmesserstenose

d: Lumendurchmesser (im Implantat) Ergebnisse

In Abbildung 11 sind der Einfluss von Kontrollgruppe und PLLA-L214 auf die Durchmes- serstenose aufgetragen. Beide Gruppen provozieren eine im Rahmen der Streuung ununter- scheidbare Durchmesserstenose nach vier und nach zwölf Wochen Implantationsdauer. Inner- halb des Beobachtungszeitraums ergeben sich bei keiner Gruppe Hinweise auf eine zeitlich abhängige Veränderung. Bezüglich der Durchlässigkeit sind Kontroll- und Untersuchungs- gruppe also vergleichbar.

(28)

0 10 20 30 40 50 60 70 80

SIC L214

% Durchmesserstenose

4 Wochen 12 Wochen

Abbildung 11: Durchmesserstenosen nach vier und zwölf Wochen

Für die histopathologische Analyse wurden die die Stents enthaltenden Gefäßabschnitte dem Herzen entnommen, fixiert, in Kunstharz eingebettet und gefärbt. Es wurden fünf Stents an jeweils drei Schnittebenen - proximal, mittig, distal - , also insgesamt 15 Proben, je Untersu- chungsgruppe und Zeitraum untersucht.

Ergebnisse:

• Neo-Endothelialisierung und Thrombogenität:

Die Auskleidung der Gefäßlumina mit Endothel war in beiden Gruppen nach vier und zwölf Wochen als vollständig zu bewerten. Diese Ergebnisse, die sich mit Beobachtungen von Virmani decken68, können als Indizien einer den Standardmaterialien vergleichbaren Blutverträglichkeit der PLLA-Beschichtung interpretiert werden. Das Fehlen ortsständiger Thrombosen im Untersuchungsbereich ergänzt diese Interpretation.

• Inflammatorische Reaktion:

Die Intensität der Entzündung wurde durch Einordnung in vier Kategorien (keine-geringe- mässige-starke Entzündung) gewichtet. Zusätzlich wurde das Auftreten von Fremdkörper- riesenzellen und Nekrosen dokumentiert. Bei den Schnitten wurde hinsichtlich der Lokali- sation der Entzündung in der Gefäßwand (Intima-Media-Adventitia) unterschieden.

Tabelle 3 stellt die Ergebnisse im Überblick dar.

(29)

Grad der Entzün-

dung

SiC – 4 Wochen PLLA – 4 Wochen SiC – 12 Wochen PLLA–12 Wochen

N % N % N % N %

Intima

keine 0 0 0 0 0 0 0 0

Gering 15 100 15 100 13 1) 87 14 93

Mässig 0 0 0 0 11 7 0 0

Stark 0 0 0 0 0 0 1 7

FK2) 0 0 0 0 1 7 6 40

Nekrosen 0 0 0 0 0 0 0 0

Beteiligung der Media

6 40 12 80

Beteiligung der Adventitia

4 27 4 27

1) Eine Probe konnte aufgrund von Schnittartefakten nicht ausgewertet werden. 2) Fremdkörperrie- senzellen.

Tabelle 3: Histopathologische Auswertung zur Entzündung

Nach vier Wochen wurde unabhängig vom Material bei allen Schnitten eine geringe Entzün- dung innerhalb der Intima festgestellt, Media und Adventitia waren nicht betroffen, Nekrosen und Fremdkörperriesenzellen wurden nicht beobachtet. In Übereinstimmung mit den Ergeb- nissen zur Gewebereaktion im Kaninchen in Kapitel 5.2.1 ist nach vier Wochen die Entzün- dungsreaktion des L214 dem inerten SiC vergleichbar.

Auch nach 12 Wochen konnte bezüglich der Entzündungsintensität in der Intima nicht zwi- schen den beiden Materialien unterschieden werden. In beiden Gruppen tritt jeweils ein Schnitt mit intensiverer Entzündung auf, diese Ergebnisse werden jedoch aufgrund der Singu- larität ihres Auftretens als Ausreisser gewertet. In beiden Gruppen werden die für die Fremd- körperreaktion typischen Riesenzellen beobachtet, bei L214 ist eine etwa vierfach höhere Prä- senz dieser Zellen im Vergleich mit SiC zu beobachten. Diese Erhöhung spielt bei der Ge- samtbewertung der Entzündungsintensität eine vernachlässigbare Rolle; die Mayorität der Entzündungsintensitäten in der Intima wird in beiden Gruppe als vergleichbar gering einge- stuft. Auffällig sind jedoch die bei beiden Gruppen erstmalig auftretenden Entzündungen in Media und Adventitia, die bei PLLA-L214 stärker als in der Kontrollgruppe sind.

Zeitgleich ist der Anteil der Verletzungen (destruiert, frakturiert, rupturiert) der Elastica inter- na gegenüber den 4-Wochenergebnissen erhöht. Zur Verdeutlichung des Schädigungsbild vgl.

Abbildung 12. Bei den 12-Wochenergebnissen ist mit der Verletzung der Lamina interna fast

(30)

immer eine Entzündung der Media/Adventitia verbunden; wohingegen nach 4 Wochen Ver- letzungen der Lamina interna deutlich seltener von Entzündungen in Media/Adventitia beglei- tet werden.

Abbildung 12: Beispiele für geringe / starke Schädigung der Gefäßstruktur (injury score). Im linken Bild leichte Kompression der lamina interna, im rechten Bild dringen Strutsegmente bis in die Media vor.

Die beobachteten Effekte können als ein sich zeitlich entwickelndes Phänomen interpretiert werden, die Stentstreben üben nach der Implantation einen beständigen Druck gegen das Ge- webe aus; die Stentstreben wandern dabei durch die aufeinanderfolgenden Gefäßsegmente Elastica interna/Media/Elastica externa. Die (mechanische) Schädigung der Gefäßkomparti- mentstruktur führt somit wahrscheinlich zur Entzündung im Bereich der Media. Ähnliche Effekte wurden von Hofma73 et al. in Hausschweinen beobachtet. Nach 1, 4 und 12 Wochen stieg der injury score (vgl.Abbildung 5) in ihren Versuchen von 0,9 über 1,5 auf 1,7 bzw. für ein zweites untersuchtes Stentdesign von 0,7 über 1,0 auf 1,2. Parallel wuchs die Stärke der Neointima von rund 60µm (1Woche) auf 200 (12Wochen, Palmaz-Schatz) bzw. 300 µm (12 Wochen Wiktor Stent).

Insgesamt kann nach zwölf Wochen Implantationzeit von vergleichbarer Wirkung der beiden Gruppen ausgegangen werden. Bei PLLA-L214 zeigt sich bei insgesamt geringer, mit der Kontrollgruppe vergleichbarer, inflammatorischer Reaktion zwar eine verstärkte Präsenz von Riesenzellen sowie eine höhere Beteiligung der Media am Entzündungsgeschehen. Diese ge- ringen Unterschiede wirken sich aber nicht auf die Neointimabildung aus und können daher als vernachlässigbar betrachtet werden.

5.2.3 Langzeiteffekte

In den Kapiteln 5.2.1 und 5.2.2 wurde bereits gezeigt, dass PLLA-L214 im Untersuchungs- zeitraum von bis zu drei Monaten zu einer inerten Materialien vergleichbaren Entzündungsre-

(31)

aktion führt. Einige Autoren23,43,46,74,75

weisen auf die Problematik des möglichen „late res- ponse“, d.h. einer späten verstärkten Entzündungsreaktion bei hochmolekularen Polylactiden hin. Entsprechend der Vorstellungen von Pistner (vgl. Tabelle 4) und anderen46,50 lassen sich parallel zur Degradation mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Stadien differenter Gewebsre- aktionen unterscheiden.

Die Reaktion des Gewebes auf das jeweilige Material wird in der Einheilungsphase durch bioverfügbare Inhaltsstoffe wie Monomere, Lösungsmittelrückstände etc. stark beeinflusst. Es schließt sich eine Latenzzeit mit reduzierter akuter entzündlicher Reaktion im direkten Über- gang in eine schwach resorptive Phase an. Mit eintretendem Masseverlust beginnt die stark resorptive Phase und somit eine Verstärkung der entzündlichen Reaktion.

Stadium Gewebereaktion Biodegradation

1 Einheilungs phase

Fremdkörperreaktion im Bereich der Oberfläche Bildung einer fibroblastenreichen Bindegewebs-

kapsel

Verringerung des Mw, kein Masseverlust,

2a Latenzzeit Verschmälerung der Bindegewebskapsel und Umwandlung zu einem faserreichen Bindegewe-

be

Verringerung des Mw, kein messbarer Massever- lust,

2b Schwach re- sorptive Phase

Chronisch resorptive Entzündung. Milde bis moderate Entzündung mit Histiozyten, Lymphozy-

ten und Fremdkörperriesenzellen

Verringerung des Mw, kein messbarer Massever- lust

3 stark resorpti- ve Phase

Intensive resorptive Entzündung. Ausgeprägte Entzündung mit Histiozyten, Lymphozyten und Fremdkörperriesenzellen, PLLA-Partikel werden

phagozytiert.

Verringerung des Mw bis zum Verlust der me- chanischen Integrität, nachweislicher Massever-

lust, verstärkter Freisetzung von Oligomeren, Milchsäure,

4 Rückbildungs- phase

Vollständige Rückbildung der resorptiven Entzün- dung. Bildung eines Narbenareals im Bereich des

Implantats, kristalline Segmente werden von Makrophagen/Fremdkörperriesenzellen verdaut

Langsam degradierende kristalline Segmente

Tabelle 4: Einfluss der Biodegradation auf die Gewebereaktion

Der Übergang von einer chronisch resorptiven milden Entzündung zur intensiven resorptiven Entzündung findet mit in der Phase der Biodegradation statt, bei der es zu einem Massever- lust des Polymeren und damit zu einer verstärkten Milchsäurefreisetzung kommt.

Dieser Zusammenhang wird durch die experimentellen Ergebnisse von Hooper46 verdeutlicht.

PLLA mit den Abmaßen 15*1,5mm wurden in die Rückenmuskeln von Ratten implantiert.

Nach 30 Tagen beträgt die Kapseldicke (Infiltrat aus Entzündungs- und proliferierenden Bin-

(32)

degewebszellen) etwa 50 µm. Nach Durchlaufen der Latenzphase und Verringerung der Kap- seldicke auf 20 µm nimmt die Kapseldicke parallel zum einsetzenden Masseverlust wieder auf 50 µm zu. Die Kapseldicke steigt jedoch nicht über den Wert zur Zeit der Einheilungspha- se.

*Zeit nach Implantati- on [d]

Mw relativ zu Aus- gangs-Mw

[%]

*Masseverlust [%]

Kapseldicke [µm]

Molekulargewicht [Dalton]

30 75 < 5 49,7 60.000

200 50 < 5 20,4 40.000

350 30 5 40,0 24.000

570 15 20 50,5 12.000

1030 (berechnet) 5 - - 4.000 (berechnet)

*abgeschätzt nach Abbildungen Hoopers 46

Tabelle 5: Korrelation zwischen Implantationszeit, Mw, Masseverlust und Kapseldicke

Relevant für die lokale entzündliche Reaktion ist die pro Zeiteinheit und Oberfläche freige- setzte Menge saurer Abbauprodukte.

Zur Einschätzung des von PLLA-L214 ausgehenden Risikos werden die im Folgenden be- schriebenen tierexperimentellen Ergebnisse herangezogen.

Drachman et al.2 vergleichen die durch einen Metallstent (Kontrolle) mit einem beschichteten Stent (20µm starke Polymerbeschichtung) entstandene Neointimabildung über 7, 28, 56 und 180 Tagen. Beim Polymer handelt es sich um ein schnellresorbierbares Copolymer aus PLLA und ε-Caprolacton, das nach Angaben der Autoren im Untersuchungszeitraum von zwei Mo- naten vollständig abgebaut wird. Im Vergleich zur Kontrolle zeigte die polymerbeschichtete Variante nach 28 Tagen eine etwas ausgeprägtere reversible Lumenverengung. Nach 56 Ta- gen weisen beide Gruppen vergleichbare Lumen auf.

Hietala et al.1,71 implantierten PLLA 96 self-expanding stents mit einem Mw von 30.000 Dal- ton71 in die infrarenale Aorta von Kaninchen. Sie beobachteten die Gewebsreaktion bis zum vollständigen Abbau des 0,2 mm starken Stentmaterials über 34 Monate. Sie beschreiben eine milde inflammatorische Reaktion bis zu 6 Monaten nach der Implantation. Nach etwa einem Jahr begann die Hydrolyse der Stents, in 2 von 6 Stents begleitet von einer leichten Fremd- körperreaktion und leicht verstärkter Proliferation der glatten Muskelzellen. Nach zwei Jahren finden sie keine Anzeichen einer Entzündung, die Proliferation der glatten Muskelzellen ist verringert. Sie beobachteten keine Verengung des Gefäßlumens.

(33)

In Tabelle 6 werden Ergebnisse von Drachman und Hietalav hinsichtlich der pro Tag freige- setzten Menge an Degradationsprodukten ausgewertet und PLLA-L214 gegenübergestellt.

Die für PLLA-L214 getroffenen Annahmen basieren auf In-vitro Degradationsversuchen (vgl.

Seite 14), sowie den von Hietala1, Suroonen44 und Hooper46beschriebenen Ergebnissen.

Drachman2 Hietala1 (Beginn des Abbaus nach einem Jahr, Abbauzeit

etwa ein Jahr

L214

Resorptionszeit [d] 56 365 > 365

Gesamte Abbaumasse [mg] 1 20 1

Abbaumasse pro Tag [µg/d] 17 54 3

Tabelle 6: Kinetik der Freisetzung von Lactiden/Glycoliden

Die Gegenüberstellung zeigt, dass in den Vergleichsstudien im Vergleich zur PLLA-L214- Beschichtung ein Vielfaches an Degradationsprodukten pro Zeiteinheit freigesetzt wird. In diesen Studien wurden keine irreversiblen entzündungsbedingten Lumenverengungen beo- bachtet. Auf Basis dieser Daten können entzündungsbedingte Lumenverengungen auch für die PLLA-L214-Beschichtung als unwahrscheinlich angesehen werden.

Klinische Erfahrungen mit Polylactidstents im Koronarbereich sind bislang nur von Tamai bekannt geworden.

Tamai et al.31 publizierten im Jahr 2000 Halbjahresergebnisse der Implantation von PLLA- Koronarstents (Igaki-Tamai-Stent, 0,17 mm Strutstärke, 183kDa) in 15 Patienten. Sie be- schrieben 16% Restenose 6 Monate nach Implantation. Inzwischen wurde mehr als 60 Patien- ten der IT-Stent implantiert. Die Restenoserate lag nach 12 Monaten unter 20%. Auswertbare klinische Daten bezüglich. des „late-response“ sind für den IT-Stent nicht publiziert.

6 Hämokompatibilität

Die Blutverträglichkeit von Implantaten wird durch deren Geometrie und durch die physiko- chemischen Eigenschaften der Materialien bzw. Materialoberflächen bestimmt.

v Vereinfachungen: kein Einfluss des Stentdesigns,während der Resorptionsphase erfolgt ein linearer Masseabbau Massenabschätzungen: 20µg Schichtdicke PLLA-L214 entsprechen 1mg

Daraus abgeleitet: die von Drachman beschriebene Beschichtungsdicke von 20µm entspricht 1mg Beschichtungsmasse, die Stents von Hietala sind mit 0,2mm Strutstärke zehnmal so dick wie die Stentbeschichtungen, es wird ein Doppelspiral- Design verwendet.

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