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Archiv "Problem Psychoanalytische Pseudoallergie: Ein Diskussionsbeitrag zur Novellierung des Arzneimittelgesetzes" (16.06.1988)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DAS FORUM

Problem

Psychoanalytische Pseudoallergie

Ein Diskussionsbeitrag zur Novellierung

des Arzneimittelgesetzes

Seit einigen Jahren wird der Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft vermehrt über un- erwünschte Wirkungen psychothera- peutischer Verfahren berichtet. In Rückbesinnung auf die ursprüngli- che, umfassende Bedeutung des Wortes „Arznei" (mhd. arzatie:

„Heilkunst") sah sich der Gesetzge- ber daher zu folgender, zum 1. 1. 1988 in Kraft getretenen No- vellierung des AMG 1976 veranlaßt:

1. Erweiterung des Arzneimittelbe- griffs auf psychotherapeutische Ver- fahren, 2. zusätzliche Einrichtung der Zulassungs- und Aufbereitungs- kommission G gemäß § 25 Abs. 6 und 7 AMG.

Die in die Kommission G beru- fenen Sachverständigen stehen nun vor der schwierigen Aufgabe, die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit psychotherapeutischer Verfahren gemäß § 25 Abs. 2 und § 30 Abs. 1 AMG nachzuweisen. Insbesondere die Psychoanalyse birgt hinsichtlich der Anforderung des AMG eine Fülle von Problemen in sich, was im folgenden anhand der psychoanaly- tischen Pseudoallergie exemplarisch aufgezeigt werden soll.

Im Verlauf nahezu jeder psy- choanalytischen Behandlung auftau- chend, wird dieses Krankheitsbild aufgrund der ungeheuren Vielfalt seiner Symptome auch als „analyti- sches Chamäleon" bezeichnet (3).

Die Bereitschaft des Analytikers, sich der für ihn unbequemen Thera- pie dieser Erkrankung zu öffnen, korreliert hochsignifikant mit dem Prozentsatz gelungener Analysen (p < 0,001) und gilt als Kriterium für die künftig geforderte Standardi- sierung der Psychoanalyse gemäß

§ 25 Abs. 2 Nr. 3 AMG.

Wie jede Allergie entsteht auch die psychoanalytische Pseudoaller- gie aufgrund einer dominierenden

Fremdeinwirkung durch ein Anti- gen. Allergen wirksame Antigene sind hier die verbalen und nonverba- len Äußerungen des Analytikers (daher „Pseudoallergie"). Menge und Aggressivität des von außen zu- geführten Antigens einerseits, Ab- wehrlage des Organismus anderer- seits entscheiden über das Ausmaß der Erkrankung.

Charakteristischerweise wird durch das Setting der psychoanalyti- schen Behandlung die Abwehrlei- stung des Organismus systematisch geschwächt. Die psychoanalytische Pseudoallergie ist somit zumindest teilweise iatrogen, was hinsichtlich der Forderung nach Unbedenklich- keit zu beachten ist.

Ziel ist es, in der analytischen Beziehung die durch unbewußte Konflikte entstandene innere Un- freiheit neu erlebbar und bewußt zu machen als notwendige Vorausset- zung für die letztlich angestrebte Er- weiterung und Stärkung des Ichs.

Dazu dient neben der neutralen Hal- tung des Analytikers und der Grundregel der freien Assoziation das klassische Arrangement, daß der Patient auf der Couch liegt und der Analytiker unsichtbar hinter ihm sitzt (Freud ertrug es nicht, „acht Stunden oder länger von anderen angestarrt zu werden" [2].). Hier- durch wird das erwachsene Ich, das klare Bewußtsein und Selbstbewußt- sein des Patienten geschwächt, so daß sich das unbewußte Seelenleben leichter offenbaren kann. In der nun eintretenden Regression werden Er- lebnisweisen und Verhaltensmuster aus der Kindheit mit all ihren Ge- fühlen wiederbelebt und auf den Analytiker übertragen, neben Ver- trauen, Geborgenheit und Liebe auch Gefühle von Verlassenheit, Ausgeliefertsein und völliger Ohn- macht. Langsam aber sicher werden Freiheit, Kraft und Unabhängigkeit der eigenen Urteilsbildung untermi- niert.

Auf diesen Nährboden fallen nun die spärlichen Äußerungen des Analytikers verbaler und nonverba- ler Art. Einem ausgetrockneten Schwamm gleich saugt der Patient sie in sich auf, vergrößert auch.

scheinbar Belangloses ins Unend- liche, mißt jedem Wort das Gewicht

einer ewigen Wahrheit, eines Urteils über den eigenen Seelenzustand bei, so als spräche der Analytiker ständig ex cathedra. Nicht nur Zutreffendes und Hilfreiches, sondern auch Schädliches und Unverdauliches wird sich einverleibt, passiert ohne nennenswerte Kontrolle alle Ab- wehrschranken, verletzt Immunität und Integrität des Organismus, infil- triert das ganze Sein des Patienten.

Die in der Embryonalzeit phy- siologisch auftretende Unfähigkeit, sich gegen Fremdeinwirkungen ab- zugrenzen, führt im späteren Leben auch im seelischen Bereich zur All- ergie, im Extrem sogar zur Zerstö- rung in Anaphylaxie und Autoag- gression.

Während Reaktionen vom So- forttyp bereits im Verlauf der Be- handlung auftreten, manifestiert sich der Spättyp oft erst Jahre nach Beendigung der Analyse, so daß der kausale Zusammenhang nicht mehr ohne weiteres evident ist. Das Spek- trum des klinischen Erscheinungsbil- des umfaßt eine Vielfalt von Sym- ptomen und reicht von banalen In- fekten bis hin zu scheinbar zufälligen Unfällen, Depressionen, psychoti- schen Reaktionen und Suiziden.

Die kausale Therapie zumindest der psychoanalytischen Pseudoaller- gie vom Soforttyp ist möglich und kann durchaus zur progressio ad in- tegrum führen. Die Schwierigkeit liegt in der Paradoxie, daß der be- reits stark abwehrgeschwächte Pa- tient in der Regel alleine die Dia- gnose stellen muß. Conditio sine qua non ist ein Rest an kritischem Ur- teilsvermögen, an Sicherheit und Vertrauen in die eigenen Empfin- dungen. Der Patient darf sich nicht grundsätzlich damit zufrieden ge- ben, daß eine Frage nicht als Frage aufgenommen und beantwortet, sondern als Gegenfrage an ihn zu- rückgegeben wird oder am berühm- ten psychoanalytischen „Hm" ab- perlt. Entscheidend ist, daß die Aus- einandersetzung mit dem Analytiker während der Therapiestunden er- folgt, in einer Atmosphäre gegensei- tigen Vertrauens, offen, ehrlich und selbstkritisch, birgt doch das Prinzip von Schweigen, Gegenfrage und Deutung primär Heilungskraft in sich. Nur so hat der Patient über- A-1796 (28) Dt. Ärztebl. 85, Heft 24, 16. Juni 1988

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBERICHT

Kinderhilfsprogramm des Weltärztebundes läuft an

haupt eine Chance, der prinzipiell unwiderlegbaren Behauptung zu be- gegnen, er leiste Widerstand, er agiere oder gar er sei inanalysabel.

Die therapeutische Breite ist gering.

Aus dieser knappen Darstellung ist bereits ersichtlich, daß die Thera- pie einer Gratwanderung gleicht, die hohe Anforderungen nicht nur an den Patienten, sondern auch an den Analytiker stellt.

Das Ideal der objektiven Me- thode, der Abstinenz und Anonymi- tät dient einerseits sowohl dem the- rapeutischen Prozeß als auch dem verständlichen Selbstschutz des Analytikers; es entstammt anderer- seits jedoch dem Paradigma der na- turwissenschaftlich-technischen Me- dizin der Jahrhundertwende und muß heute zumindest in Frage ge- stellt werden. Freud selbst war weni- ger dogmatisch als viele seiner Ad- epten (1).

Kehren wir zum Ausgangspunkt zurück und fassen zusammen: Am Beispiel der psychoanalytischen Pseudoallergie wurde aufgezeigt, daß allein der Nachweis der Unbe- denklichkeit psychotherapeutischer Verfahren gemäß § 25 Abs. 2 Nr. 5 und § 30 Abs. 1 AMG die Sachver- ständigen der Kommission G vor große Probleme stellt, herrschte bis- her doch weitgehend therapeuti- scher Freistil innerhalb dieser hete- rogenen Gruppe.

Erinnert sei daran, daß das AMG primär dazu dient, das im Grundgesetz verankerte Recht auf Selbstbestimmung des Patienten zu schützen, insbesondere das Recht auf die Unantastbarkeit der Men- schenwürde (Art. 1, Abs. 1 GG), das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2, Abs. 1 GG), das Recht auf Leben und das Recht auf körperliche Unversehrt- heit (Art. 2, Abs. 2 GG).

Literatur

(1) Freud, S.: Gesammelte Werke, Bd. 8. 376, Imago, London 1943; (2) Freud, S.: Gesammel- te Werke, Bd. 14. 108, Imago, London 1948; (3) Grzimek, B. (Hrsg.): Kriechtiere. Grzimeks Tierleben, Bd. 6. 229-245, Kindler, Zürich 1971

Anschrift der Verfasserin

Dr. med. Ulrike Straeter Hensenstraße 172

4400 Münster

In Thailand und Indonesien sind die ersten Schritte unternommen, worden, das Programm zur Be- kämpfung der Kindersterblichkeit in Gang zu bringen, das der Weltärzte- bund (WMA), die American Medi- cal Association und die US-amerika- nische Entwicklungsbehörde vor zwei Jahren beschlossen haben. Ziel ist, in möglichst vielen Einzelprojek- ten mit der entscheidenden Mitwir- kung der am Ort praktizierenden Ärzte (häufig in privater Niederlas- sung) beispielhaft zu zeigen, wie die Kindersterblichkeit gesenkt werden kann. Dabei sind acht Aufgaben vorgegeben: Durchimpfung der Säuglinge und Kleinkinder gegen sechs Krankheiten; Bekämpfung der Säuglings-Diarrhöe mit der Oralen Rehydrations Therapie, Impfung al- ler Schwangeren gegen Tetanus; Fa- milienplanung mit dem Ziel eines Geburtenabstandes von mindestens zwei Jahren; mindestens vier bis sechs Monate Stillen mit kontrollier- tem Übergang zu der späteren.

Kleinkind-Ernährung; Schwanger- schafts-Vorsorgeuntersuchungen;

Entbindungen mit Hilfe von ausge- bildetem Personal; das Erreichen ei- nes Geburtsgewichts von mindestens 2500 Gramm.

In Indonesien begann die Arbeit

Inzwischen stehen in Thailand und in Indonesien die organisatori- schen Strukturen. Die Ärzteorgani- sationen beider Länder — Mitglieder im Weltärztebund — haben zunächst einige Ärzte zur Einweisung und Fortbildung in die USA geschickt.

Jetzt werden jeweils im Lande Ein- zelvorhaben auf örtlicher Ebene ge- prüft; in Indonesien sind inzwischen für sechs Projekte die Mittel bewil- ligt worden. An ihnen nehmen je- weils zwischen 25 und 60 niederge- lassene Ärzte teil; in einem Fall ist eine private medizinische Fakultät der Träger. Hier werden Studenten

in die Arbeit einbezogen; insbeson- dere sollen sie, nach entsprechender eigener Unterweisung, Gemein- deschwestern, Sanitäter und freiwil- lige Hilfskräfte in den Dörfern in diese Arbeit einführen. Und sie sol- len vor Ort den Erfolg „von Haus zu Haus" überprüfen und bewerten. In einem weiteren Projekt sollen die 25

Ärzte eines Bezirks zunächst ge- meinsam in einem Dorf eine mit ört- lichen Kräften besetzte Gesund- heitsstation für Mutter und Kind einrichten und das Personal ausbil- den. Diese Station soll dann als Mo- dell für die anderen Dörfer dienen;

jeder der Ärzte wird ein Dorf und die Station betreuen. Ein anderes bewilligtes Programm betrifft die In- sel Lombok, die östliche Nachbarin- sel von Bali — sie hat mit 187/1000 die höchste Säuglingssterblichkeit in ganz Indonesien. Jeder der 50 Ärzte dieser Insel erhält ein Dorf zur Be- treuung zugewiesen. — In Thailand befinden sich fünf Projekte noch im Prüfungsstadium. Initiatoren, Geld- geber und Mitarbeiter des „WMA Infant Health Program" sehen diese Unternehmungen als Pilot-Projekte, die zu möglichst vielfacher Nachah- mung führen sollen. Hier sollte ein Name genannt werden: Mrs. Patri- cia Hutar, die Auslandsreferentin der American Medical Association, hat die ganze Organisation neben ih- rer Haupttätigkeit in Chicago auf die Beine gestellt — auch in Indonesien und Thailand. bt Engagiert

für Kinder der Dritten Welt:

Patricia Hutar

Foto:

W. Neusch

Dt. Ärztebl. 85, Heft 24, 16. Juni 1988 (31) A-1797

Referenzen

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