BUNDESÄRZTEKAMMER
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Hypoglykämien aufgrund von
Wechselwirkungen zwischen ACE-Hemmern und Insulin oder oralen Antidiabetika
Arzneimittel-Schnellinformation des Bundesgesundheitsamtes (BGA)
BEKANNTGABEN
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gibt nachfolgend eine Arzneimittel-Schnellinformation (ASI 5/94) des Bundesgesundheitsamtes wieder:
„Kenntnisse über mögliche Wechsel- wirkungen zwischen ACE-Hemmern und Insulin oder oral anzuwendenden Anti- diabetika (Biguanide, Sulfonylharnstof- fe) und ihre Folgen sind von Bedeutung, weil viele Patienten gleichzeitig eine anti- diabetische und eine antihypertensive Behandlung mit ACE-Hemmern erhal- ten. Solche Interaktionen können eine Veränderung des einen oder des anderen Therapieregimes notwendig machen.
In der Literatur wird als Ergebnis ei- ner Metaanalyse mehrerer Studien dar- gestellt, daß bei Diabetikern nach Gabe von ACE-Hemmern die Blutglukosekon- zentration absinken kann (1). Einzelfall- berichte, in denen Hypoglykämien im Zu- sammenhang mit der Gabe von ACE- Hemmern bei mit Insulin oder oralen Antidiabetika behandelten Patienten be- schrieben werden, sind publiziert wor- den. In der Regel traten die Hypoglyk- ämien nach einer erstmaligen Gabe bzw.
einer Erhöung der bisherigen Dosis von ACE-Hemmern auf (2-5).
Bei zwei Patienten, deren Diabetes bis dahin mit Glibenclamid allein ohne Hypoglykämien behandelt wurde, ent- wickelten sich wenige Stunden bzw. eini- ge Tage nach Beginn der Einnahme von Captopril bzw. Enalapril die Symptome einer Hypoglykämie, und die Blutgluko- sekonzentration war stark erniedrigt. In dem einen Fall konnnte die Blutglukose- konzentration durch Halbierung der ACE-Hemmer-Dosis normalisiert wer- den, im anderen Fall stellten sich nor- moglykämische Werte nach Absetzen von Glibenclamid ein (2).
Bei einer 49jährigen mit Glibenclamid und Metformin behandelten Diabetike- rin traten Hypoglykämiesymptome 24 Stunden nach erstmaliger Gabe von Cap- topril auf und bestanden trotz Verminde- rung der Dosis der oralen Antidiabetika drei Tage lang fort. Bei einem 59jährigen Mann, der ebenfalls mit Glibenclamid, Metformin und Captopril behandelt wur-
de, traten 48 Stunden nach Gabe von Captopril Zeichen einer Hypoglykämie mit entsprechenden Blutzuckerwerten auf, so daß die orale antidiabetische The- rapie beendet wurde (3). In beiden Fäl- len waren zuvor keine Hypoglykämien aufgetreten.
Bei einem 65jährigen Patienten, der seit 18 Jahren Insulin erhielt, traten schwere Hypoglykämien im zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn einer Behandlung mit Enalapril auf. Zu diesem Zeitpunkt spritzte er hohe Dosen Insulin, und wegen der auftretenden Hypoglyk- ämien wurde die Insulindosis schrittweise auf etwa 15 Prozent der Menge, die zu Beginn der Enalaprilanwendung appli- ziert wurde, gesenkt. Bei dieser niedrigen Insulindosis wurde der ACE-Hemmer abgesetzt, woraufhin der Nüchternblut- zucker des Patienten innerhalb von zwei Tagen auf 349 mg/dl anstieg und nach er- neuter Enalaprilgabe und unveränderter Insulindosis innerhalb von einer Woche wieder auf 137 mg/dl (zwei Stunden post- prandial) abfiel. Der Autor nimmt an, daß der ACE-Hemmer eine Abnahme des Insulinbedarfs des Patienten verur- sacht hatte (4).
Einige Autoren vermuten, daß die In- sulinempfindlichkeit der Diabetiker durch ACE-Hemmer erhöht wird. In ei- ner neueren Studie ist dies allerdings nicht bestätigt worden (6). Eine durch ACE-Hemmer verursachte verminderte Glukoneogenese in der Leber ist eben- falls als Ursache der Hypoglykämie ange- sehen worden; möglich ist auch ein Syn- ergismus beider Wirkungen (3).
Das Bundesgesundheitsamt macht auf die beschriebene Wechselwirkung zwi- schen ACE-Hemmern und Insulin oder Sulfonylharnstoffen und Biguaniden auf- merksam. Diese Information findet sich nicht in allen Produktinformationen der entsprechenden Arzneimittel. Da anzu- nehmen ist, daß die beschriebenen Wechselwirkungen durch alle zur Zeit verfügbaren ACE-Hemmer verursacht werden können, muß bei Beginn einer ACE-Hemmer-Therapie von Diabetikern wegen eines Bluthochdruckes oder einer Herzinsuffizienz mit dem Auftreten von
Hypoglykämien gerechnet werden. Eine Dosisanpassung (Senkung der ACE- Hemmer-Dosis oder der Dosis des Insu- lins bzw. des oralen Antidiabetikums) kann erforderlich werden. Die Patienten sollten auf die Möglichkeit des Auftre- tens einer Unterzuckerung und auf not- wendige Maßnahmen zu ihrer Beseiti- gung hingewiesen werden."
*)Die Arzneimittelkommission und das Bun- desgesundheitsamt bitten um Übermittlung von Beobachtungen über das Auftreten von Hypoglykämien bei Patienten, die gleichzeitig eine Behandlung mit Insulin, Sulfonylharn- stoffen oder Metformin einerseits und einem ACE-Hemmer andererseits erhalten. Ihre Er- fahrungen und Beobachtungen können Sie auf dem im Deutschen Arzteblatt abgedruckten Berichtsbogen oder auch formlos mitteilen.
Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft, Aachener Straße 233-237, 50931 Köln, Tel 0221/4004-520,
Fax 0221/4004-511 ❑
Literatur
1. Bergemann, R. et al., Schweiz. med. Wschr.
122 (1992) 1369
2. Arauz-Pacheco, C., J.Med. 89 (1990) 811 3. Rett, K. et al., New Engl. J. Med. 319
(1988) 1609
4. Bell, D., Diabetes Care 15 (1992) 93 5. Veyre, B. et al., La Presse M6dicale 22
(1993) 738
6. Helve, E. et al., J. Int. Med. 234 (1993) 41
Kongreß in Grado
25. August bis 2. September
28. Internationaler Seminarkongreß, veranstaltet vom Collegium Medicinae Italogermanicum unter Mitwirkung der Bundesärztekammer und der Österrei- chischen Ärztekammer
Kongreßgestaltung und Kongreßlei- tung:
Prof. Dr. Hanns-Wolf Baenkler, Er- langen; Dr. P. Erwin Odenbach, Köln;
Dr. Justina Engelbrecht, Köln Seminare:
Interdisziplinäre Problemfälle, Ner- venheilkunde, Pädiatrie, Pneumologie, Rheumatologie, Unfall-/ Handchirurgie
Praktika/Kurse:
Allergologie für die Praxis, „Arzt im Rettungsdienst" — Teil A, Autogenes Training, Balint-Gruppe, Doppler-/Du- plexsonographie, Echokardiographie, Er- gometrie, Manuelle Medizin (TI-Kurs), Sonographie-Grundkurs, Sonographie- Aufbaukurs, Sportmedizin, Tape-Kurs
Auskunft und Anmeldung:
Collegium Medicinae Italogermani- cum c/o Bundesärztekammer, Herbert- Lewin-Straße 1, D-50931 Köln, Tel 0221/
40 04-214 ❑
Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 21, 27. Mai 1994 (77) A-1551