• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Nun kurt mal schön!" (15.10.1986)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Nun kurt mal schön!" (15.10.1986)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Der „Fall Bogenhausen" DER KOMMENTAR

tergeben, der den Auskunftgebern keine Nachteile einträgt und ande- rerseits die Verlockung aus- schließt, Unterwasserschüsse ge- gen Mißliebige abzufeuern.

Die Kommission für Bogenhausen mit Sachverständigen aus unter- schiedlichen Krankenhäusern und Kliniken wird in diesen Wochen zusammengerufen. Ihre Aufgabe ist laut amtlicher Formulierung, die erhobenen Vorwürfe „zu un- tersuchen, aufzuklären und aus medizinischer Sicht abschließend zu bewerten mit dem Ziel, der Stadt konkrete Vorschläge zu un- terbreiten, ob und welche Maß- nahmen zu ergreifen sind". Ge- mäß Gemeindeordnung kann die Kommission — im Gegensatz zu Untersuchungsausschüssen der Parlamente in Bund und Ländern

— nur mit solchen Rechten und Be- fugnissen ausgestattet werden, über die die Stadt als Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzter selbst verfügt. Diese allerdings sollen

„voll ausgeschöpft werden".

Kein Mitarbeiter kann gezwungen werden ...

Daß die Landeshauptstadt Mün- chen jetzt selbst betont, kein Mit- arbeiter könne gezwungen wer- den, Angaben zu machen, die ihn selbst belasten, daß die Wahrneh- mung der Dienstaufsicht nicht von der Beachtung gesetzlicher Vor- schriften entbinde, daß also die ärztliche Schweigepflicht und der Schutz von Patientendaten zu be- achten sind, zeigt, daß der Perso- nalrat von Bogenhausen verstan- den worden ist.

Es wäre zu wünschen, daß der

„Fall Bogenhausen" nicht nur dort ernsthaft zur Kenntnis ge- nommen wird, wo die Arbeitgeber von Krankenhauspersonal mit ähnlichen Direktbefragungen lieb- äugeln wie in München, sondern auch dort, wo sie den gleichen Weg schon beschritten haben.

Zum Beispiel in Hamburg.

Kurt Gelsner

Nun kurt mal schön!

D

em Himmel sei's gedankt: Die Zahl der Kuranträge steigt wieder. Damit weicht die Angst um die seit 1982 immer stär- ker gefährdete Gesundheit unse- rer bundesdeutschen Mitbürger.

Hatten sie doch aus Sorge um den Arbeitsplatz mehr und mehr auf die so segensreichen Heilbehand- lungen in den zahlreichen deut- schen Bädern verzichtet. Schlim- mes stand deshalb zu befürchten.

Mußten damit nicht chronische Leiden verschleppt und sogar ver- schlimmert werden, von der stei- genden Zahl Arbeitsunfähiger und Frührentner ganz zu schweigen.

Diese Gefahren sind nun gebannt, denn die Kuren werden wieder nachgefragt und dürfen ihre spezi- fisch deutsche Heilwirkung entfal- ten. Ist das nicht schön?

Und die Kurorte blühen auch wie- der auf. Die Sanatorien, Kurklini- ken und die mit allem medizini- schen Ambiente ausgerüsteten Rehabilitationseinrichtungen ha- ben die Betten wieder voll, sie sind aus den schrecklichen roten Zah- len heraus. Ist das nicht noch viel schöner?

Da es sich dabei vor allem um Ein- richtungen der Rentenversiche- rungsträger, der von Geldnot doch so geplagten Bundes- und Lan- desversicherungsanstalten han- delt, stellt sich hier ein außerge- wöhnlicher sozialpolitischer Er- folg dar, den man (propagandi- stisch) gar nicht hoch genug ver- anschlagen kann. Schließlich trifft es doch die gesamte Arbeitneh- merschaft, wenn die vielen teu- eren (wenn auch medizinisch weit- gehend überflüssigen) Einrichtun- gen nur noch teilweise ihre hun- derttausende Betten füllen könn-

ten und somit erkennbar nutzlos vor sich hin gammeln, werden sie doch durch Zwangsbeiträge zur sozialen Absicherung unterhalten.

Ungehörig wäre es allerdings da- nach zu fragen, wer denn eigent- lich damit abgesichert wird.

Doch ernsthaft: Es ist eine bedrük- kende Erkenntnis, daß das System der sozialen Sicherung trotz der zunehmenden Knappheit der Res- sourcen von überflüssigen Lei- stungsangeboten noch immer nicht befreit wird. Das Kurwesen hat für die Gesunderhaltung oder Linderung der Leiden keine die hier laufend gemachten Ausgaben rechtfertigende Bedeutung. Als ty- pisches Produkt der deutschen Sozialgeschichte ist der sehr ge- ringe medizinische Wert stets ver- schleiert worden.

In Zeiten des wirtschaftlichen Überflusses konnten wir uns in der Bundesrepublik auch unvernünfti- gen Luxus leisten. Da es nun an- ders läuft und wir uns im Gesund- heitswesen gesundschrumpfen müssen, darf vor „heiligen Kühen"

mit dem Einsparen nicht haltge- macht werden. Der überflüssige Bauch, nicht aber die Muskeln müssen beim Abspecken ver- schwinden!

Angemessene, wenn auch sparsa- me, stets aber dem Stand der me- dizinisch begründeten Möglich- keiten entsprechende Krankenbe- treuung im Wohnbereich durch niedergelassene Ärzte und in gut ausgestatteten (um überflüssige Betten erleichterten) Akut-Kran- kenhäusern ist zehnmal wichtiger für die Bevölkerung als die „Heil-"

oder „Reha-Behandlungen" in den schönen deutschen Kurorten mit Luft, Sonne und Wasser. Diese könnten und sollten den Millio- nen bundesdeutscher Urlauber schmackhaft gemacht werden, die

— medizinisch ganz unvernünftig — ihre Ferienzeit an mediterranen Stränden „auf der Dörre" verbrin- gen.

Prof. Dr. med. Ulrich Kanzow, Bonn Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 42 vom 15. Oktober 1986 (31) 2847

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Wenn morgen Inklusion/örtliche Teilhabeplanung optimal laufen würde, woran würden Sie das..

Sicher haben die Zerstörungen des Iran-Irak-Kriegs (1980 bis 1988) dazu beigetragen, dass die Entwicklung des Energiesektors in den Anfangsjahren der Islamischen Republik

Bie- ten Kuren echte, medizinisch beleg- bare Reha-Chancen, dann müßten sie auch in diesen Fällen wahrge- nommen werden (und die Kassen wünschen das dann auch, da sie dies nicht

Als Vertreter einer der wenigen noch existierenden Lehrstühle für Balneologie (in Verbindung mit einem Lehrstuhl für Physikalische Medizin und Rheumatologie) muß ich

Selbst wenn für zurückliegende Jahre festgestellt wird, daß eine Erhöhung der "Arztdichte" ceteris paribus zu einem Anstieg der Pro- Kopf-Inanspruchnahme

Mai 1945 wörtlich über die alli- ierten Luftangriffe gegen die deutsche Bevölkerung an: „Ich bitte nicht zu vergessen: Wenn all die furchtbaren Leiden, die durch die Fliegerangriffe

Wahlsieger Perschau (CDU) hat Format bewiesen, als er im Interesse derRegierbarkeit der Stadt ein Zusammengehen der beiden Großen nicht ausschloß; ob ein solcher Akt der

M eine Familie hält nichts davon, ei- nander übermä- ßig zu schonen. Wir ziehen uns gern mal mit unseren Macken und Marotten auf. Zu meinen gehört, dass ich eine Leidenschaft