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A3330 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003
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ach einem Zeitintervall von acht Jahren wurde jetzt erstmals wieder ein neues Prinzip für die Thera- pie der HIV-Infektion ver- wirklicht. Der Wirkstoff En- fuvirtide verhindert als Fusi- onshemmer das Andocken des HI-Virus an die Haf- tungsstelle der Zielzelle, die Fusion der Zellmembranen und damit die Einschleusung der viralen RNA in menschli- che Wirtszellen.Das seminsynthetische Pep- tid Enfuvirtide (Fuzeon®) wurde als spezifischer Inhibi- tor entwickelt, nachdem die Haftungsstelle an der Ziel- zelle (gp 41) identifiziert war.
Der Fusionshemmer hat da- mit – im Vergleich zu den Re- verse-Transkriptase-Inhibito- ren und den Protease-Inhi- bitoren – einen wesentlich früheren Ansatzpunkt im Zyklus der HIV-Replikation.
Mit diesem Wirkprofil gewann Fuzeon den Inno- vationspreis der Pharmazeu- tischen Zeitung (PZ), der seit 1995 jährlich an Pharmaher- steller verliehen wird. „Zum vierten Mal wird die Hoff- mann-La Roche AG mit dem Innovationspreis ausgezeich- net, nun für das HIV-Medi-
kament Enfuvirtide“, betonte PZ-Chefredakteur Prof. Hart- mut Morck. Von diesem Wirkstoff profitieren auch HIV-Infizierte mit Multiresi- stenz gegenüber Protease- Inhibitoren sowie nukleosi- dischen und nichtnukleosidi- schen Reverse-Transkriptase- Inhibitoren.
Das neue Medikament ist ein relativ großes Peptid, dessen Herstellung mehr als 100 Produktionsschritte um- fasst. Es besteht aus 36 Ami- nosäuren und muss zwei- mal täglich subkutan appli- ziert werden. Bei langjährig – im Durchschnitt sieben Jahre – vorbehandelten Patienten (Viruslast > 5 log 10 Kopien/
ml, CD4-Zellzahl < 100/µl) wurde die Viruslast signifi- kant stärker gesenkt, und die Zahl der CD4-Zellen stieg deutlich stärker als im Ver- gleichsarm der Phase-III-Stu- dien. Hier erhielten die Pati-
enten ein optimiertes, indi- vidualisiertes Therapieregime über 48 Wochen.
Nach elf Monaten zeigten die Patienten, die zusätzlich zum optimierten antiretrovi- ralen Regime Enfuvirtide er- hielten, eine mittlere Reduk- tion der Viruslast um 1,48 log 10 Kopien/ml im Vergleich zur Kontrollgruppe mit einer Verringerung von 0,63 log 10 Kopien/ml, berichtete Dr.
Stefan Esser (Essen). Der Unterschied in der virolo- gischen Ansprechrate war hochsignifikant, wie auch der Vergleich der Patienten, bei denen die Viruslast unter die Nachweisgrenze von 400 Ko- pien/ml gesenkt werden konn- te: Während in der Gruppe ohne Enfuvirtide zwölf Pro- zent dieses Therapieziel er- reichten, zeigten die Patien- ten mit der Kombinations- behandlung mit Enfuvirtide mit 30,4 Prozent eine mehr als
doppelt so hohe Ansprech- rate. Hochsignifikant war auch der Unterschied im im- munologischen Ansprechen:
Nach den 48 Behandlungswo- chen hatte die Zahl der CD4- Zellen in der Enfuvirtide- Gruppe um 91/µl zugenom- men, in der Gruppe ohne En- fuvirtide nur um 45/µl.
Die Experten werten den neuen Fusionshemmer als wichtiges Medikament für Pa- tienten mit fortgeschrittener HIV-Infektion, die ohne eine Substanz mit neuem Wirkme- chanismus keine wirksame Kombinationstherapie erhal- ten können. Zu einer Eradi- kation der Viren werde es je- doch auch hier nicht kommen;
es müsse nach einiger Zeit auch mit Resistenzen gegen Enfuvirtide gerechnet wer- den. Diese könnten mögli- cherweise mit einem noch in Entwicklung befindlichen Fu- sionshemmer überwunden werden. Dr. Renate Leinmüller Siegfried Hoc
Fusionshemmer
Neue Wirkstoffklasse für die HIV-Infektion
Einführungspressekonferenz „Fuzeon®: Der erste Fusionshemmer“ in Frank- furt/Main und Pressekonferenz „Verlei- hung des PZ-Innovationspreises 2003“
anlässlich der Exopharm in Köln, Veran- stalter: Hoffmann-La Roche AG Unternehmen
Die Therapie einer akuten Migräne mit und ohne Aura wird seit 2002 durch den Wirkstoff Eletriptan erwei- tert. Das Triptan zeichnet sich durch eine verbesserte Phar- makodynamik und -kinetik aus. Nach den Ergebnissen einer placebokontrollierten Studie an fast 2 000 Patien- ten lindert dieser selektive 5-HT1B/1D-Rezeptor-Ago- nist in den Dosierungen 40 und 80 mg die Kopfschmer- zen innerhalb von zwei Stun- den schneller und stärker als 100 mg Sumatriptan (67 ver- sus 59 Prozent). Vergleichs- studien mit Zolmitriptan und
Naratriptan – jeweils in einer Dosierung von 2,5 mg – kom- men zu einem ähnlichen Ergebnis.
Die Auswertung von 54 klinischen, placebokontrol- lierten Studien mit verschie- denen Triptanen ergab, dass Eletriptan (Relpax®) in den Dosierungen 40 und 80 mg die Kopfschmerzen nach zwei Stunden ebenso bessern kann wie 10 mg Rizatriptan;
bei dem Parameter „an- haltende Kopfschmerzfrei- heit“ über 24 Stunden ist der Wirkstoff anderen Triptanen überlegen. Wie Prof. Hans- Christoph Diener (Univer-
sitätsklinik Essen) unter- strich, haben sich unter Ele- triptan nach zwei Stunden die Kopfschmerzen bei etwa zwei Drittel der Patienten deutlich gebessert, fast ein Drittel der Migräniker ist völlig schmerzfrei. Gleichzei- tig schwächen sich die Be- gleitsymptome einer Migrä- ne – Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit – ab, wobei die Wirkung mit der Dosis linear korreliert.
Bei 24 bis 40 Prozent der Patienten kehren unter Trip- tanen die Kopfschmerzen nach zwei Stunden wieder zurück. Eine Metaanalyse aus sechs doppelblinden Studien mit 5 339 Patienten zeigte, dass unter Eletriptan 20 mg erneute Migräneat- tacken nach anfänglichem Ansprechen bei 28 Prozent
der Patienten, unter 40 mg bei 23 Prozent und unter 80 mg bei 21 Prozent zu be- fürchten sind.
Falls es zu einem Wieder- kehrkopfschmerz kommt, sprechen über drei Viertel der Patienten auf eine zweite Gabe in vorheriger Dosie- rung an. Zwei Stunden nach Einnahme von 40 oder 80 mg Eletriptan sind drei Viertel der Patienten wieder lei- stungsfähig. Die Sicherheits- daten von mehr als 11 000 mit Eletriptan behandelten Patienten in klinischen Studien belegen bei der 40- mg-Dosis ein fast place- bogleiches Nebenwirkungs- profil.Dr. med. Karin Kreutzberg
Migränetherapie
Vergleichsstudien mit Eletriptan
Fachpresseworkshop „Migränetherapie – schnell, stark, nachhaltig mit Eletrip- tan“ der Firma Pfizer in München
Asthma ist die häufigste Er- krankung bei Kindern. Bereits im Alter von sechs Jahren sind acht Prozent von ihnen betrof- fen. Neben Erbfaktoren spielt für die Entwicklung einer all- ergischen Sensibilisierung und den Verlauf einer Atemwegs- erkrankung bei Kindern offen- sichtlich Exposition gegenüber Umweltallergenen eine wich- tige Rolle.
Erwiesen ist, dass Asthma bei Kindern aus urbanen Zentren häufiger vorkommt als bei Kindern aus ländli- chen Bereichen. Übertriebe- ne Hygiene, die den Kontakt von Säuglingen und Kleinkin- dern mit Infektionserregern stark eingeschränkt habe, för- dere die Bereitschaft des Im-
munsystems zu atopischen Reaktionen, erläuterte Prof.
Dieter Kiosz (Amrum).
Inzwischen ist gesichert, dass die Schadstoffbelastun- gen in Innenräumen gegen- über dem „outdoor climate“
heute häufiger als Asthma- auslöser infrage kommen.
Hier spielen Staub, Haus- staubmilben, Tierepithelien, chemische Reize durch Farben, Beizen und Fußbo- denbeläge, aber auch Pseu- doallergene, wie bestimmte Arzneimittel, eine Rolle.
Nach Angabe von Dr. Ernst Rietschel (Köln) zeigen die TBC-Impfung und die Gabe von Probiotika einen pro- tektiven Effekt. Als Trigger- faktor für Asthma bei Kin-
dern hat sich das Passivrau- chen erwiesen.
Asthma bronchiale bei Kindern verläuft überwie- gend episodenweise. Im Sommer häufen sich die Beschwerden durch den Pol- lenflug, im Winter durch Atemwegsinfektionen. Diese Besonderheit berücksichtig- te die Gesellschaft für Pädia- trische Pneumologie bei der Entwicklung eines neuen Therapieschemas. Es wurde auch in die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugend- medizin übernommen.
Fixkombination steigert die Compliance
Prof. Carl Peter Bauer (Gaißach/Bad Tölz) erläu- terte dieses Schema: Spora- disches Asthma, das höch- stens alle zwei Monate auf- tritt, wird nur bei Bedarf mit kurz wirkenden Beta-2-Mi- metika behandelt. Episodi- sches Asthma (mindestens
alle zwei Monate), das dem Schweregrad 2 zugerechnet wird, bedarf einer anti- entzündlichen Dauertherapie mit Cromonen (DNCG oder Nedocromil) oder mit Leu- kotrienantagonisten für vier bis acht Wochen, zusätzlich zur Gabe von Beta-Adrener- gika. In vielen Fällen sind auch inhalative Steroide in- diziert. Als complianceför- dernd hat sich das Präparat Aarane® N erwiesen, eine fixe Kombination aus dem kurz wirkenden Beta-2- Mimetikum Reproterol und Cromoglicinsäure-Dinatrium (DNCG). Das Medikament sollte dann eingesetzt werden, wenn die Wirkung von DNCG allein nicht ausreicht.
Nur wenn sich das Asthma gravierend verschlimmert, muss auf cortisonhaltige Prä- parate zurückgegriffen wer-
den. Siegfried Hoc
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Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003 AA3331
Asthmakranke Kinder
Optimierte Therapie durch Stufenplan
Fachpressegespräch „Kindliches Asthma:
Was ist anders – was ist neu?“ der Aventis Pharma Deutschland in Kampen/Sylt