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Archiv "Rezidivierende Infektionen — Warum?" (24.04.1985)

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EDITORIAL

Rezidivierende Infektionen Warum?

Rudolf Gross und

Elizabeth Schell-Frederick

up

er Arzt wird in der Praxis immer wieder mit der Fra- ge konfrontiert, weshalb eine scheinbar ausgeheilte In- fektion trotz ausreichend in- tensiver und langer antibioti- scher Behandlung wiederkehrt

— oder: Weshalb gerade auch bei jüngeren Patienten immer wieder Infekte, besonders des Respirations- und des Uroge- nitaltraktes auftreten. Über mehrere Dezennien reichende eigene klinische und konsilia- rische Erfahrungen mit sol- chen Situationen haben uns zu vier Feststellungen geführt:

Eine Abwehrschwäche („low resistance syndrome") wird meist zu schnell ange- nommen. Die gewöhnlich recht partiellen Untersuchun- gen in dieser Richtung erbrin- gen dann nichts Konkretes.

Dies gilt besonders, wenn sich die Untersuchungen auf die fast überall feststellbaren Im- munglobuline und eventuell die Komplementfaktoren C3 und C4 beschränken, wenn auf die aufwendigeren Unter- suchungen zur zellulären Im- munität (Lymphozyten und Granulozyten!) verzichtet wird.

49 In solchen Fällen werden — trotz normaler oder erhöhter Serumwerte — Immunglobuli- ne eingesetzt und (aus Ko- stengründen) dann meist auch unterdosiert. Wenn man sich schon zu einer so aufwendi- gen intravenösen Infusions- therapie entschließt, sollten 20 bis 50 g/die wenigstens für drei Tage nicht unterschritten werden. Dabei muß in Rech- nung gestellt werden, daß auch die besten heutigen Prä- parationen (zur Vermeidung einer unerwünschten Aktivie- rung des Komplementsy- stems) in irgendeiner Form enzymatisch oder durch an- dersartige chemische Behand- lung „stabilisiert" sind, also nicht mehr den Antikörpern des normalen Serums von Ge- sunden entsprechen.

() Die Übertragung von Gra- nulozyten ist durch deren auf- wendige Gewinnung und ge- nügend hohe Anreicherung (über 10 10) sowie durch kurze Überlebenszeit (Halbwertzeit im strömenden Blut unter acht Stunden), auch gelegentliche Fieberreaktionen, belastet und sollte großen Krankenhäusern mit modernen Separatoren, vor allem aber mit erfahrenen Hämatologen und lmmunolo- gen vorbehalten bleiben. Sie kommen im wesentlichen nur bei transitorischer Abwehr- schwäche, nach Operationen oder Chemotherapie in Be- tracht.

40 Es gibt eine Anzahl von un- spezifischen, sogenannten Im- munstimulantien, zum Teil pflanzlicher oder syntheti- scher Herkunft. Letztere kann man gewöhnlich ohne Risiko für die Kranken einsetzen. Ih- re Wirksamkeit ist jedoch ge- rade bei definierten Störun- gen des Immunsystems zwei- felhaft.

Was sind die häufigsten Ursa- chen rezidivierender Infekte?

Primäre (angeborene) Defekte der Phagozytenfunktion, wie

etwa bei der septischen Gra- nulomatose, sind gegenüber den wesentlich häufigeren se- kundären (erworbenen) Ursa- chen selten, aber für das Ver- ständnis von großer Bedeu- tung. Beide können aus einer Analyse der normalen Abwehr- mechanismen und des Mikro- organismus, der für die Infek- tion verantwortlich ist, abge- leitet werden.

Nichtimmunologische Abwehrmechanismen

Bei häufig wiederkehrenden Infektionen gleicher Lokalisa- tion sollte der Arzt zunächst an physikalisch-anatomische Ursachen denken. Die norma- len Haut- und Schleimhautbar- rieren können zum Beispiel durch Verbrennungen oder Ekzeme geschädigt sein.

Obstruktionen im Bronchialsy- stem behindern den normalen Sekretabfluß, Strikturen im Urogenitalsystem können zum Harnstau führen. Alle diese mechanischen Hindernisse führen zur Pathogenität auch beim Gesunden symbiontisch vorkommender Keime (soge- nannte opportunistische Infek- tionen).

Die normale bakterielle Flora hat eine zusätzliche wichtige, nichtimmunologische Schutz- funktion. Eine antibiotische Therapie kann diese physiolo- gische Flora verändern und die Besiedlung mit pathoge- nen Keimen ermöglichen, bzw. zu Infektionen mit resi- stenten Erregern führen. De- fekte in der nichtimmunologi- schen Abwehr geben Anlaß zu Infektionen mit pyogenen Kei- men und Enterobakterien oder vereinzelt auch mit Pil- zen (besonders: Candida!).

Humorale Immunität

Zirkulierende Antikörper— vor allem der Klasse IgG — und das Komplementsystem*) sind

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 17 vom 24. April 1985 (57) 1253

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die beiden großen Achsen der humoralen Abwehr. Hypogam- mag/obu/inämien rufen Bakte- riämien oder ganz verschie- den lokalisierte Infektionen hervor. Meist sind pyogene Er- reger wie Streptokokken und Staphylokokken verantwort- lich, neuerdings in zunehmen- dem Umfang auch gramnega- tive Keime wie Klebsiellen, Escherichia coli, Pseudomo- nas aeruginosa. Entereviren können hier ebenfalls schwere Probleme verursachen.

Infektionen bei Patienten mit kongenitalem Mangel an Kom- ponenten des Komplementsy- stems zeigen große Varianten in Ort und Art der jeweiligen Infektion, abhängig vom zu- grunde liegenden Defekt.

Ein isolierter Mangel an sekre- torischem und Serum-/gA ist relativ häufig {1 :700). Jedoch haben mindestens zwei Drittel dieser Patienten keines der genannten Probleme, vermut- lich wegen der ausreichenden Mengen von lgG und lgM. Die- jenigen unserer Patienten, die aufgrund des genannten Man- gels wiederholt erkrankten, zeigten überwiegend Infektio- nen des Respirationstraktes mit pyogenen Keimen.

Zelluläre Immunität

Es leuchtet ein, daß zur Ver- hinderung von Infektionen zwei Bedingungen erfüllt sein müssen: Eine ausreichende Zahl und eine intakte Funktion der beteiligten Zellen. Die wichtigste Abwehrfunktion ge- gen die üblichen bakteriellen Infektionen ist die Phagozyto- se, die im Beitrag von Zanko- vich, Scheii-Frederick und Diehl - nicht zuletzt wegen ih- res Modellcharakters- in die- sem Heft im Detail behandelt

wird. Wie schon betont, kann

·) siehe auch Bitter-Suermann: Das Kom- plementsystem: Physiologische Funk- tion und klinische Bedeutung, Dtsch.

Ärzteblatt 80, Heft 51/52 (1983) 35

eine Vielzahl von Erkrankun- gen zur (sekundären oder er- worbenen) Störung der Mono- zyten- und Granulozytenfunk- tion führen, während primäre Störungen der Phagozytose selten sind.

Die zentrale Frage bei sekun- dären Phagozytosedefekten lautet: Wie bedeutsam sind sie klinisch, und ergeben sich aus der Kenntnis dieser Stö- rungen therapeutische Konse- quenzen? Das sind schwierige Fragen, da die Beziehung zwi- schen Phagozytosefunktion und Infektion bei solchen Pa- tienten variabel und eine kau- sale Verknüpfung schwer nachweisbar sind.

Sogenannte "intrazelluläre Keime" werden normalerwei- se leicht phagozytiert, sogar ohne Beteiligung von Antikör- pern oder Komplement, kön- nen aber der Abtötung in der Zelle widerstehen. Beispiele dafür sind Viren, Pilze, Proto- zoen und andere Erreger, wie zum Beispiel Mykobakterien.

Der Organismus bedient sich hier des engen Zusammen- spiels der T-Lymphozyten und Makrophagen im System der zellvermittelten Immunität.

Wechselwirkungen zwischen den Abwehr- systemen

Es darf nicht vergessen wer- den, daß die genannten Syste- me in vivo eng zusammenar- beiten und voneinander ab- hängig sind. Hier seien nur zwei Beispiele genannt:

._ Antikörper und Komple- ment haben schon, für sich al- lein betrachtet, wichtige Funk- tionen, beteiligen sich aber ebenso mittels Opsonierung (Vorbereitung) an der Inte- grität der Phagozytose.

.- Wenn T-Lymphozyten in Zahl oder Funktion-zum Bei- spiel im Verhältnis der "Hel-

1254 (58) Heft 17 vom 24. April 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

fer-" zu den "Suppressor-"Zel- len -verändert sind, ist die Kapazität der Bildung von An- tikörpern in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. Infektionen aller Art können so auch auf- grund einer gestörten zellulä- ren Immunität auftreten.

Iatrogene Störung

der Abwehrmechanismen Es ist allgemein bekannt, daß Antibiotika die normale Flora stören. Indessen können be- stimmte Antibiotika auch die zellulären Schutzmechanis- men unmittelbar beeinflussen.

So wurde berichtet, daß Tetra- zykline die Chemotaxis unter- binden und die Aufnahme von Hefen und Bakterien hemmen. Rifampicin, Gentamiein und Arnikaein hemmen ebenfalls die Ieukozytära Migration. Für Kortikosteroide wurde gezeigt, daß sie die Leukozytenwande- rung in vitro und in vivo hem- men sowie Lymphozyten zer- stören und/oder deren Prolife- rationsfähigkeit vermindern. Radio- und Chemotherapie haben massiven Einfluß auf dje Hämatopoese und können zusätzlich die Neutrophilen- funktion ebenso wie die Anti- körperproduktion schädigen. Mit diesen Überlegungen und entsprechend gezielten Unter- suchungen sollte es auch möglich sein, die Gründe vie- ler, wenn auch leider bis heu- te nicht aller rezidivierender Infektionen zu klären.

Professor Dr. med. Rudolf Grass

Haedenkampstraße 5 5000 Köln 41

Dr. med. Elizabeth Scheii-Frederick I. Medizinische Universitätsklinik

Joseph-Stelzmann-Straße 9 5000 Köln 41

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