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Archiv "Schmidt vor dem „Lügenausschuss“: Zweifel bleiben" (18.04.2003)

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undesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat in der vergan- genen Woche vor dem Untersu- chungsausschuss des Bundestages zu vermeintlichen Wahllügen betont, sie habe das Defizit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vor dem 22. September 2002 nicht beschönigt und auch Anzeichen für höhere Ausgaben und niedrigere Einnahmen als erwartet nicht wider besseres Wissen verschwie- gen. „Das Finanzergebnis 2002 der GKV war vor der Bundestagswahl von nie- mandem vorhersehbar“, erklärte die Mi- nisterin. Der Obmann der CDU/CSU- Bundestagsfraktion im Ausschuss, Peter Altmaier, urteilte gleichwohl nach der Befragung Schmidts, sie habe Warnun- gen externer Experten und Hinweise der Fachleute ihres Ministeriums aus wahltaktischen Gründen ignoriert.

Bewusstseinserweiterung nach der Wahl

Im Verlauf der Befragung Schmidts ging es immer wieder um die Datenlage in den Monaten August, September, Okto- ber 2002 und um Rückschlüsse daraus.

Auch nach den Erläuterungen Schmidts bleibt es ein wenig rätselhaft, wieso die Ministerin noch vor der Bundestags- wahl von einem ausgeglichenen GKV- Ergebnis für das Jahr ausging, dann aber Anfang Oktober mit Hinweis auf die de- fizitäre Entwicklung ein Kostendämp- fungsgesetz ankündigte. Schmidt ließ sich allerdings an diesem Punkt nicht beirren: „Das Ministerium weiß nie mehr, als die Kassen an Daten liefern“, erläuterte sie. Schließlich erhebe man keine eigenen Zahlen. In der Regel er- halte man die Daten für ein zurücklie- gendes Quartal rund zwei Monate spä- ter von den Krankenkassen. Ihre verän- derte Einschätzung nach der Bundes- tagswahl begründete sie mit den übli- chen Datenlieferungen: Ende Septem-

ber sei eben das dritte Quartal abgelau- fen gewesen; im Oktober hätten erste Trendmeldungen vorgelegen, Ende No- vember dann die endgültigen Daten.

Der Ausschuss-Vorsitzende, Klaus Uwe Benneter (SPD), erinnerte Schmidt

gleichwohl daran, dass der so genannte Schätzerkreis bereits Anfang Septem- ber in Hochrechnungen den Finanz- bedarf der Kassen üppiger als zuvor eingeschätzt hatte. In diesem Gremium verschaffen sich Vertreter des Bundes- versicherungsamtes und der Spitzen- verbände der GKV regelmäßig einen Überblick über die zu erwartende Ein- nahmen- und Ausgabenentwicklung. In einer Sondersitzung des Gesundheits- ausschusses des Bundestages am 11.

September habe Schmidt die neue Schätzung jedoch nicht erwähnt – sie sei aber auch nicht danach gefragt worden, P O L I T I K

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A1034 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1618. April 2003

H

eute ist mein Arbeitstag wieder prallvoll mit Problemen, die ich kraft mei- nes immensen Wissens sowie grenzenloser Erfahrung einer fachkundigen und vollkommenen Lösung zuführe: Zuerst kränkelt meine Arzthelferin.

Bevor ich sie nach Hause schicke, soll sie erst mal Blut abnehmen. Herr Meier tritt ein, er will in seiner Schwerbehinderung beraten werden. Mit Bedauern muss ich ihm klar machen, dass die Anhaltspunkte der ärztlichen Gutachtertätigkeit bei Narben nach Warzenfortsatzaufmeißelung keinen Grad der Behinderung vorse- hen. Das Telefon klingelt – der Onkel möchte etwas über Geldanlagen wissen. Ich rate ihm aufgrund der Werthaltigkeit zu offenen Immobilienfonds. Der Nächste, bitte. Bei Herrn Müller kann ich den § 38 SGB V in Verbindung mit §§ 44, 54 SGB IX optimistisch kommentieren (für alle, die bisher gemeint hatten, ohne diese Para- graphen auszukommen: Bewilligung einer Haushaltshilfe). Mein Steuerberater lässt sich durchstellen, er problematisiert meine Privatliquidationen. Ich beruhige ihn mit dem Hinweis, dass kein Verstoß gegen den § 18 Absatz 3 BMV-Ä vorliegt.

Nun legt mir meine malade Arzthelferin mit sorgenvoller Miene ihre Eiweiß- Elektrophorese vor: Oh! Ein M-Gradient in der beta-Fraktion.Aber keine Sorge, ich bin vollkommen Herr der Lage: Großväterlich-wohlmeinend erläutere ich ihr, dass man solche Paraproteinämien bei . . . bei . . . bei . . . – also wie hießen die noch mal . . . – ach ja, bei diesen Plasmazytomen finden würde, aber das sei alles nicht schlimm, weil alles, was auf -zytom endet, nicht wirklich bösartig sei. Ob ich denn sicher sei, meint sie. Zutiefst gekränkt halte ich ihr einen Vortrag über Lohn- fortzahlungen im Krankheitsfall, wann sie bei welchen Komplikationen damit rechnen könnte, den Grad der Schwerbehinderung zu erreichen, und dass auch bei längerer Krankheitsdauer die vermögenswirksamen Leistungen selbstver- ständlich weiterhin gezahlt werden. Mit dieser erschöpfenden Darstellung entlas- se ich sie in den Krankenstand.

Es beschleichen mich nun doch nagende Zweifel, also ru- fe ich den Labormediziner an. „Ach so, diese Gradienten in der beta-Fraktion! Wir haben unser Elektrophorese-Ver- fahren verfeinert, daher sehen Sie die Transferrine als peak.

Solange die Relativprozente im Normbereich sind, hat das nichts zu sagen.“

Oh Gott, wie entsetzlich peinlich. Jetzt heißt es: das Ge- sicht wahren. Fassunglos stammele ich: „In . . . in welcher Verwaltungsvorschrift steht das denn?“ „Nein, ein kleines Lehrbuch der Inneren reicht völlig.“Dr. med. Thomas Böhmeke

Profi

Schmidt vor dem „Lügenausschuss“

Zweifel bleiben

Schlechtes GKV-Ergebnis fiel nicht vom Himmel.

Foto:

ddp

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betonte der Parteigenosse eilfertig.

Schmidt griff die Vorlage auf: „Ich gehe nie in den Ausschuss und sage, was der Schätzerkreis gesagt hat.“ Im Ausschuss säßen schließlich Experten.

Eine weitere Anmerkung Benneters betraf ein Treffen mit Journalisten der Bundespressekonferenz am 2. Septem- ber. Zur Vorbereitung der Ministerin darauf hatte ein hochrangiger Mitar- beiter einen Vermerk geschrieben, in dem es um die Finanzlage der GKV ging.

Darin hieß es unter anderem: „Ent- scheidenden Einfluss dürfte die Ent- wicklung im Arzneimittelbereich ha- ben.“ Die Kassenärztliche Bundesverei- nigung (KBV) hatte seinerzeit mit den Spitzenverbänden der GKV vereinbart, die Arzneimittelausgaben gegenüber dem Vorjahr um 4,6 Prozent zu senken.

Nach den aktuellen Zahlen, so hatte der Mitarbeiter vermerkt, müsse man jedoch von einer Steigerung um vier Prozent ge- genüber 2001 ausgehen. Schmidt nutzte diese und andere Fragen, um zu betonen, dass sie bei ihren Einschätzungen zur Fi- nanzlage stets auf die Risiken hingewie- sen hätte, die noch bestünden. Etwas an- deres war ihr in der vergangenen Woche trotz oder gerade wegen einer Vielzahl von Interviews und Presseberichten über ihre Aussagen, mit denen sie kon- frontiert wurde, nicht nachzuweisen.

Glaubhaft vermittelte Schmidt zu- dem, dass man mit gutem Grund rela- tiv lange von einem ausgeglichenen GKV-Ergebnis ausgehen durfte: Tarif- abschlüsse waren gut ausgefallen, die Krankenversicherungsbeiträge der Rent- ner hatten sich zum 1. Juli erhöht, die Kostenentwicklung im Krankenhaus schien günstig, um nur einige zu nennen.

Frühe Warnungen wie die des Vorsitzen- den der AOK Baden-Württemberg, Ro- nald Sing, im August, einigen Kassen stehe sozusagen das Wasser bis zum Hals, erreichten Schmidt angeblich nicht oder wurden als Einzelmeinung einge- stuft. Dies entsprach wohl der Einschät- zung in den GKV-Spitzenverbänden.

Ob man es dort mit der Wahrheitssuche und -verkündung besonders eilig hatte, darf allerdings auch bezweifelt werden.

Denn ein eingestandener unerwarteter Finanzbedarf hätte höhere Beitragssät- ze nach sich gezogen – und entsprechen- de Fluchtbewegungen von GKV-Versi-

cherten. Sabine Rieser

P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1618. April 2003 AA1035

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ie Qualität der ärztlichen Versor- gung wollen die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns und die AOK Bayern künftig noch stärker in den Mittelpunkt rücken. Die Kranken- kasse ist auch bereit, Qualität über die ärztliche Vergütung zu belohnen.

Wenn er zu entscheiden hätte, erklär- te der Vorsitzende der KV Bayerns, Dr.

med. Axel Munte, in der Podiumsdis- kussion während der diesjährigen Hers- brucker Gespräche der AOK Bayern, dann setze er auf die Qualität als ober- stes Ziel der ärztlichen Berufstätigkeit.

Qualitätssicherung sollte die wichtigste Aufgabe der KVen werden. In diesem Sinne sollten die Körperschaften auch eine qualitätsgesteuerte Vergütung ärztlicher Leistungen anstreben.

Zum „Basis-Facharzt“

nur gegen Eintritt?

Munte wünscht sich auch, dass die Ärz- teschaft die vorhandenen Ressourcen im ambulanten Sektor richtig einsetzt.

Dazu zählt er eine Differenzierung zwi- schen hausärztlicher, basis-fachärztli- cher und hoch spezialisierter Versor- gung. Den Begriff „Basis-Facharzt“ hat Munte in Hersbruck erstmals in die Diskussion gebracht. Er versteht darun- ter einen Facharzt, der weder operativ noch interventionell tätig ist und ein Leistungsspektrum erbringt, wie es weitgehend auch ein qualifizierter Hausarzt leistet. Er forderte als Steue- rungsinstrument ein „Zugangsgeld“ in Höhe von 20 oder 30 Euro für die direk- te Inanspruchnahme eines Basis-Fach- arztes. Der Zugang zum Hausarzt sollte dagegen frei bleiben; der Zugang zum hoch spezialisierten Facharzt gehe oh- nehin dann nur mit einer Überweisung.

Für den Vorstandsvorsitzenden der AOK Bayern, Dr. Helmut Platzer, ist das Zugangsgeld jedoch keine akzep- table Lösung. Er bezweifelt, ob dadurch

eine steuernde Wirkung tatsächlich er- zielt werden könne. So hätten auch die Zuzahlungen der Patienten bisher kei- ne Steuerungseffekte gezeigt.

Dagegen war er mit dem KV-Vorsit- zenden einig in dem Bestreben, der Prävention einen sehr viel höheren Stellenwert als bisher einzuräumen. In diesem Punkt, aber auch generell de- monstrierten die Vertreter von SPD und CDU/CSU eine funktionierende

„Große Koalition“ der Reformpoliti- ker: Sowohl Fritz Schösser (SPD) als auch Wolfgang Zöller (CSU), beide Mitglied im Bundestagsausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung, be- tonten den parteiübergreifenden Kon- sens bei der Prävention. Sie sollte eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein und daher nicht nur von der Gesetzli- chen Krankenversicherung finanziert werden. Eine Aufteilung des GKV-Lei- stungskatalogs in Grund- und Wahllei- stungen lehnt inzwischen auch die Uni- on ab. Es sei besser, erklärte Zöller, die versicherungsfremden Leistungen aus- zugliedern, die Prävention stärker zu fördern und für den Fall, dass dies im- mer noch nicht reiche, auch über einen Selbstbehalt der Versicherten nachzu- denken.

Die AOK ist sehr daran interessiert, für ihre Versicherten auch Alternativ- angebote unter den Leistungserbrin- gern neben der „normalen“ Regelver- sorgung zur freiwilligen Wahl zu stel- len. Erst Ende Februar hat die KV Bayerns mit der AOK einen Vertrag über ein DMP Diabetes mellitus Typ 2 abgeschlossen. Die AOK sei darauf vorbereitet, auch für weitere Indika- tionen DMP-Verträge abzuschließen.

Unter der Voraussetzung, dass bis zum Jahr 2007 der morbiditätsorien- tierte Risikostrukturausgleich umge- setzt wird, geht die AOK davon aus, dass sich dies auch in entsprechend an- gepassten Vergütungsstrukturen nie- derschlagen wird. Klaus Schmidt

Krankenkassen/Vertragsärzte

Qualität geht über alles

Hersbrucker Gespräche lassen Brückenschläge erkennen.

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