Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 30|
30. Juli 2010 A 1429RANDNOTIZ
Birgit Hibbeler
Kliniken, Praxen und Krankenkassen müssen sich auf hohen Besuch ein- stellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will den Problemen im Gesundheitswesen intensiver auf den Grund gehen. Ähnlich wie bei ihrer „Bildungsreise“ vor zwei Jah- ren – mit anschließender Bildungs- offensive – wolle sie sich die „ver- schiedenen Facetten des Gesund- heitswesens anschauen“, kündigte Merkel in einem Interview mit der Münchner Illustrierten „Bunte“ an.
Von dieser Erkundung erhofft sich
die Kanzlerin einen besseren Ein- blick in Nöte von Ärzten, Pflegeper- sonal und Patienten.
Nach dem monatelangen Hick- hack um die sogenannte Gesund- heitsreform wird das Thema nun al- so endlich zur Chefsache. Merkel will es wissen – und zwar alles. Das Gesundheitswesen sei eine „ganz schwierige Materie“, verriet sie der
„Bunten“. Sie wolle deshalb unter anderem erfahren, wie das System funktioniere und nach welchen Maßstäben die Kassenbeiträge ver- teilt würden. Da kann man nur sa- gen: Eine wirklich gute Idee – nach fast fünf Jahren Kanzlerschaft. Viel- leicht hätte es aber auch ein Anruf im zuständigen Ministerium getan.
Im Interview lobte die Regie- rungschefin die Arbeit der Beschäf- tigten im Gesundheitswesen. Es sei anstrengend, immer 100 Prozent Leistung zu bringen. „Ich bin nicht die Einzige, die jeden Tag das Beste geben muss“, meinte Merkel. Beson- ders würdigte sie die Chirurgen, „die jeden Tag viele Stunden operieren“.
„Da möchte man auch keine Stunde erwischen, die gerade nicht so gut ist“, sagte die Kanzlerin. Darüber, dass das Formtief von Schwarz-Gelb nicht nur Stunden, sondern nun schon Monate alt ist, sprach Merkel mit der „Bunten“ nicht.
Merkel will’s wissen
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 14. Juli in Berlin die Einführung ei- nes demografischen Faktors bei der Berechnung der Bedarfsplanung beschlossen. Das heißt, die Zahl der Arztsitze in einem Planungsbe- reich soll sich künftig nicht mehr nur an der Zahl der Einwohner, son- dern auch an deren Altersstruktur orientieren.
Dadurch können in derzeit ge- sperrten Bezirken mit einem hohen Anteil älterer Einwohner zusätzli- che Arztsitze geschaffen werden.
Die Regelung greift aber erst dann, wenn in einem Planungsbezirk eine hohe Fallzahl pro Praxis erreicht wird. Damit soll verhindert werden, dass in gut versorgten Gebieten auf- grund der Altersstruktur unnötig neue Arztsitze entstehen. Darüber hinaus soll bei der Besetzung neuer Sitze Ärzten der Vorzug gegeben werden, die über eine geriatrische Zusatzausbildung verfügen.
BEDARFSPLANUNG
G-BA beschließt Demografiefaktor
„Wir sind uns darüber im Klaren, dass mit diesem Teilbeschluss nicht die Probleme der ärztlichen Unter- versorgung im ländlichen Bereich gelöst werden“, betonte der unpar- teiische G-BA-Vorsitzende Dr. Rai- ner Hess. Der Beschluss zur Ein- führung eines Demografiefaktors weise jedoch in die richtige Rich- tung. Die rein quantitative Ermitt- lung des Verhältnisses von Einwoh- ner- zu Arztzahl werde durch einen qualitativen Aspekt des Versorgungs- bedarfs ergänzt.
Die Vertreter der Krankenkassen hatten den Antrag nicht unterstützt.
Zwar war man sich grundsätzlich darüber einig, dass ein Demografie- faktor notwendig sei, nicht aber über dessen Ausgestaltung. Die Kas- sen befürchten, dass durch den Fak- tor auch Sitze in stadtnahen Regio- nen frei werden, die attraktiver sind als die ländlichen Planungsbezirke.
So werde das Versorgungsproblem dort noch verschärft. mei
Der Medizinische Fakultätentag (MFT) fordert, medizinische Staats- examensprüfungen als Teil der Lehr- aufgabe anzuerkennen. Prüfungen
seien grundsätzlich der Lehre zuzu- rechnen und entsprechend von den Ländern als Lehrtätigkeit zu bewer- ten, heißt es in einem Positionspa- pier von MFT, der Arbeitsgemein- schaft der Wissenschaftlichen Me- dizinischen Fachgesellschaften und zahlreichen Verbänden vorklinischer MEDIZINISCHE FAKULTÄTEN
Prüfungen als Lehraufgabe anerkennen
Fächer. „Prüfungsleistungen dürfen nicht länger zulasten der Lehre ge- hen“, so der MFT. Er appellierte an die Bundesregierung, die durch die Approbationsordnung 2003 erhöhten Prüfungsauflagen nochmals kritisch zu analy- sieren.
Die Verbände bemängeln, dass trotz eines höheren Prüfaufwandes die Zahl der prüfungsberechtigten Hoch- schullehrer nicht erhöht wer- de. „Einzelne Hochschulleh- rer müssen bereits heute fünfzig Prozent mehr Prü- fungsleistungen erbringen“, betonte MFT-Präsident Prof. Dr.
med. Dieter Bitter-Suermann.
Gerade beim Zweiten Staats- examen sei die Zahl der Pflichtfä- cher ein gravierendes Problem. Die zeitlichen und personellen Vorga- ben führten zu einer enormen Be- lastung, sagte der MFT-Präsident. hil Weniger Zeit
für die Studie- renden: Hoch- schullehrer sind immer stärker für Examen ein-
gespannt.
Foto: Photothek