ANALYSIS
Im Abschnitt 3.4 haben wir die Menge R der reellen Zahlen dargestellt und die Rechen- regeln, die f¨ur die Addition und Multiplikation gelten (s. Satz 3.2), besprochen. Wir haben auch gesagt, dass die Menge der reellen Zahlen geordnet ist, und haben die Rechenregeln f¨ur Ungleichungen (s. Satz 3.4) aufgelistet.
9. Intervalle und Umgebungen 9.1. Betrag und Signum.
Definition 9.1. F¨ur jede Zahl x ∈ R heißt die nichtnegative Zahl
| x | :=
x falls x > 0, 0 falls x = 0,
− x falls x < 0 der Absolutbetrag von x.
Beispiel 9.2.
| 0 | = 0, | 4 | = 4, − 1
2 = 1
2 , | x − 1 | =
x − 1, wenn x ≥ 1
− (x − 1), wenn x < 1.
Eigenschaften 9.3. F¨ur alle x, y ∈ R gilt:
a)
| x | ≥ 0 und
| x | = 0 ⇐⇒ x = 0 b)
| − x | = | x | c)
| x · y | = | x | · | y | d)
x y
= | x |
| y | , falls y 6 = 0 e) Dreiecksungleichung:
| x + y | ≤ | x | + | y | f) Minus – Dreiecksungleichung:
| x | − | y |
≤ | x + y |
Bemerkung 9.4. Der Betrag | x | einer reellen Zahl x ∈ R hat auf der Zahlengeraden die geometrische Bedeutung des Abstandes oder der Distanz zum Nullpunkt.
Allgemeiner ist
| x − y | f¨ur alle x, y ∈ R der Abstand der Zahlen x und y.
Definition 9.5. F¨ur reelle Zahlen x ∈ R heißt sgn x :=
1, falls x > 0, 0, falls x = 0,
− 1, falls x < 0 das Signum von x.
Man beachte: | x | = sgn x · x.
9.2. Intervalle. Spezielle Mengen reeller Zahlen sind Intervalle:
Definition 9.6. F¨ur a, b ∈ R mit a < b definiert man:
offenes Intervall: (a, b) := { x ∈ R : a < x < b }
a b
xabgeschlossenes Intervall: [a, b] := { x ∈ R : a ≤ x ≤ b }
a b
x(nach links) halboffenes Intervall: (a, b] := { x ∈ R : a < x ≤ b }
a b
x(nach rechts) halboffenes Intervall: [a, b) := { x ∈ R : a ≤ x < b }
xa b
Bemerkung 9.7.
• Offene Intervalle haben weder ein kleinstes noch ein gr¨osstes Element.
• Die Zahl b − a ist die L¨ange der Intervalle [a, b], [a, b), (a, b], (a, b).
• Jedes Intervall mit endlicher L¨ange heißt beschr¨ankt.
Zur Bezeichnung unbeschr¨ankter Intervallen benutzt man ±∞ : [a, ∞ ) := { x ∈ R : x ≥ a } , (a, ∞ ) := { x ∈ R : x > a } , ( −∞ , b] := { x ∈ R : x ≤ b } , ( −∞ , b) := { x ∈ R : x < b } , wobei a, b ∈ R. Ferner
( −∞ , ∞ ) := R.
Bemerkung 9.8. Wir werden als Teilmengen D von R nur Intervalle oder die endliche disjunkte Vereinigung
D = ≺ a
1, b
1≻ ∪ ≺ a
2, b
2≻ ∪ . . . ∪ ≺ a
ℓ, b
ℓ≻ , ℓ ∈ N, von Intervallen betrachten.
Dabei steht das erste Symbol ≺ f¨ur ” ( ” oder ” [ ”, und das zweite Symbol ≻ f¨ur ” ) ” oder
” ] ”, z. B.: D = [a
1, b
1) ∪ (a
2, b
2] ∪ (a
3, b
3).
Es ist dabei
−∞ ≤ a
1< b
1≤ a
2< b
2≤ · · · ≤ a
ℓ< b
ℓ≤ ∞ . Definition 9.9. Sei D wie in Bemerkung 9.8.
Das Innere D
◦von D ist
D
◦= (a
1, b
1) ∪ (a
2, b
2) ∪ . . . ∪ (a
ℓ, b
ℓ) und der Abschluß D von D ist
D = [a
1, b
1] ∪ [a
2, b
2] ∪ . . . ∪ [a
ℓ, b
ℓ] . Die Menge D heißt offen, falls D
◦= D ist.
Die Menge D heißt abgeschlossen, falls D = D ist.
Die Punkte in D − D
◦nennt man Randpunkte.
Definition 9.10. Sei ε > 0 und a ∈ R . Dann definiert man die ε–Umgebung von a als U
ε(a) := { x ∈ R : | x − a | < ε } = (a − ε, a + ε).
x
a − ε a a + ε
Jede Menge U , f¨ur die es ein ε > 0 gibt, so dass U
ε(a) ⊂ U , wird Umgebung von a genannt.
10. Folgen und Reihen 10.1. Der Folgebegriff und Beispiele.
Definition 10.1. Eine Abbildung der nat¨urlichen Zahlen in die reellen Zahlen N −→ R
n 7−→ a
nheißt eine reelle Zahlenfolge, oder einfach Folge.
Schreibweise:
(a
n) , (a
n)
n∈N, (a
n)
n≥1, (a
1, a
2, a
3, . . .) .
• a
n, n ∈ N, nennt man n-tes Folgenglied der Folge (a
n).
• Das erste Folgenglied einer Folge heißt Anfangsglied.
Gelegentlich beginnt man mit dem Folgenindex nicht bei 1, sondern bei 0: (a
n)
n≥0, oder bei einer anderen nat¨urlichen Zahl k: (a
n)
n≥k. Der Folgenindex n kann auch anders bezeichnet werden, z. B. mit m, k, l, . . ..
Eine Folge (a
n)
n∈N= (a
1, a
2, a
3, . . .) muss man von der Menge { a
n: n ∈ N } = { a
1, a
2, a
3, . . . } unterscheiden. Das sieht man am besten bei der konstanten Folge, defi- niert durch a
n:= a ∈ R f¨ur alle n ∈ N. Die Folge (a
n)
n∈N= (a, a, a, . . .) ist unendlich lang, w¨ahrend die Menge { a
n: n ∈ N } = { a } nur das eine Element a enth¨alt.
Bei einer Folge ist weiterhin die Reihenfolge ihrer Folgenglieder wesentlich, bei einer Menge
kommt es auf die Reihenfolge, in der man die Elemente angibt, nicht an.
Es gibt verschiedene Arten, eine Folge zu definieren. Die wichtigsten erl¨autern wir an Beispielen.
Beispiele 10.2.
• Die Glieder einer Folge sind explizit uber eine Funktionsgleichung (Bildungsgesetz) ¨ berechenbar, z. B.:
1) Die konstante Folge: a
n= a f¨ur alle n ∈ N, also (a
n)
n∈N= (a, a, a, . . .).
2) Die harmonische Folge: a
n=
n1f¨ur alle n ∈ N, also (a
n)
n∈N=
1, 1
2 , 1 3 , 1
4 , . . .
.
3) Die geometrische Folge: a
n= q
nf¨ur alle n ∈ N
0, also (a
n)
n∈N0= 1, q, q
2, q
3, q
4, . . .
. 4) Die alternierende Folge: a
n= ( − 1)
nf¨ur alle n ∈ N, also
(a
n)
n∈N= ( − 1, 1, − 1, 1, . . .) .
5) Die alternierende harmonische Folge: a
n=
(−n1)nf¨ur alle n ∈ N, also (a
n)
n∈N=
− 1, 1 2 , − 1
3 , 1 4 , . . .
. 6) Die Folge a
n= 1 +
1nnf¨ur alle n ∈ N, also
2, 9 4 , 64
27 , 625 256 , . . .
.
• Eine Folge kann auch rekursiv bestimmt sein, d. h. man muss alle Folgenglieder bis a
n−1kennen, um a
nmittels einer Rekursionsformel zu berechnen, z. B.:
7) Die Fibonacci–Folge (0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, . . .) ist durch a
0= 0, a
1= 1, a
n= a
n−1+ a
n−2f¨ur n ≥ 2 gegeben.
8) Die Folge 2,
32,
1712,
577408, . . .
ist durch a
0= 2, a
n= 1
2
a
n−1+ 2 a
n−1f¨ur n ≥ 1 gegeben.
• Manchmal kann eine Folge nicht durch Formeln erfasst werden, z. B. wenn sich die
Glieder durch Messungen oder Beobachtungen ergeben. In diesem Fall muss man die
einzelnen Folgenglieder aufz¨ahlen. Aus offensichtlichen Gr¨unden werden wir solche
Folgen nicht betrachten.
Definition 10.3. Eine Folge (a
n)
n∈Nheißt
a) monoton wachsend (bzw. streng monoton wachsend), falls a
n≤ a
n+1, (bzw. a
n< a
n+1) f¨ur alle n ∈ N;
b) monoton fallend (bzw. streng monoton fallend), falls a
n≥ a
n+1, (bzw. a
n> a
n+1) f¨ur alle n ∈ N;
c) monoton (bzw. streng monoton), wenn sie entweder monoton wachsend oder monoton fallend (bzw. entweder streng monoton wachsend oder streng monoton fallend) ist;
d) nach oben beschr¨ankt, falls es ein S ∈ R gibt mit a
n≤ S
f¨ur alle n ∈ N, die Zahl S nennt man dann eine obere Schranke;
e) nach unten beschr¨ankt, falls es ein s ∈ R gibt mit a
n≥ s
f¨ur alle n ∈ N, die Zahl s nennt man dann eine untere Schranke;
f) beschr¨ankt, falls sie nach oben und nach unten beschr¨ankt ist.
Beispiele 10.4. In der Vorlesung
10.2. Konvergenz von reellen Zahlenfolgen. Jetzt kommen wir zum ersten, ganz zen- tralen Begriff der Analysis, n¨amlich der Konvergenz. Er ist genauso wichtig wie sp¨ater die Begriffe Ableitung und Integral.
Definition 10.5. (Konvergenz von Folgen)
Eine Folge (a
n)
n∈Nheißt konvergent gegen den Grenzwert a ∈ R, wenn es zu jedem ε > 0 eine Zahl n
ε∈ N gibt mit
| a
n− a | < ε f¨ur alle n > n
ε. Kurz:
∀ ε > 0 ∃ n
ε∈ N ∀ n > n
ε: | a
n− a | < ε.
In diesem Fall schreibt man a = lim
n→∞
a
noder a
n n→∞−→ a oder a
n→ a f¨ur n → ∞ . Diese Definition von Grenzwert bedeutet:
• die Folge (a
n) approximiert die Zahl a , d. h. f¨ur fast alle Folgenglieder a
nist der Abstand | a
n− a | kleiner als jede vorgegebene Zahl ε;
• in jeder ε-Umgebung von a (s. Def. 9.10) liegen fast alle Folgenglieder a
n;
• das Konvergenzverhalten einer Folge (a
n) wird nicht beeinflusst, wenn man endlich viele Folgenglieder am Anfang der Folge ab¨andert, hinzuf¨ugt oder wegl¨asst.
Insbesondere, ist lim
n→∞
a
n= a, so ist auch lim
n→∞
a
n+k= a f¨ur k ∈ N.
Unter dem Ausdruck ” fast alle” versteht man: alle bis auf endlich viele (n¨amlich diejenigen a
nmit n ≤ n
ε).
Bezeichnung: Eine Folge mit Grenzwert 0 wird auch als Nullfolge bezeichnet.
Beispiele 10.6.
a) Betrachten wir die harmonische Folge (a
n)
n∈Nmit a
n=
n1f¨ur alle n ∈ N, also (a
n)
n∈N=
1, 1
2 , 1 3 , 1
4 , 1 5 , . . .
. Beh.: lim
n→∞
a
n= 0.
Beweis: Sei ε > 0 beliebig gew¨ahlt. Dann folgt f¨ur alle n > n
ε:=
1ε
+ 1
1 n − 0
= 1
n < 1 n
ε< 1
1 ε
= ε wobei
1ε
die gr¨oßte nat¨urliche Zahl ≤
1εist (d. h.
1ε
+ 1 >
1ε).
b) Es sei (a
n)
n∈Neine Folge mit a
n:=
n+1nf¨ur alle n ∈ N, also (a
n)
n∈N=
1 2 , 2
3 , 3 4 , 4
5 , . . .
. Beh.: lim
n→∞
a
n= 1.
Beweis: Sei ε > 0 beliebig gew¨ahlt.
Dann folgt f¨ur alle n > n
ε:=
1ε
| a
n− 1 | =
n n + 1 − 1
= 1
n + 1 < 1
n
ε+ 1 < 1
1 ε
= ε.
Satz 10.7. Der Grenzwert einer konvergenten Folge ist eindeutig bestimmt.
Definition 10.8.
a) Eine Folge (a
n), die nicht konvergiert, heißt divergent.
b) Man sagt, dass eine Folge (a
n) (bestimmt) divergent gegen ∞ ist und schreibt
n
lim
→∞a
n= ∞
genau dann, wenn es zu jeder Zahl M ∈ R eine Zahl n
M∈ N gibt mit a
n> M f¨ur alle n > n
M.
c) Man sagt, dass eine Folge (a
n) (bestimmt) divergent gegen −∞ ist und schreibt
n
lim
→∞a
n= −∞
genau dann, wenn es zu jeder Zahl m ∈ R eine Zahl n
m∈ N gibt mit a
n< m f¨ur alle n > n
m.
Beispiele 10.9.
a) Es sei (a
n)
n∈Ndie alternierende Folge mit a
n:= ( − 1)
nf¨ur alle n ∈ N , d. h.
(a
n)
n∈N= ( − 1, 1, − 1, 1, − 1, . . .) . Beh.: Die Folge (a
n)
n∈Nist divergent.
Beweis: Nehmen wir an, dass (a
n)
n∈Ngegen a ∈ R konvergiert. Sei ε =
12, dann gibt es ein n
12
∈ N, so dass | a
n− a | <
12f¨ur alle n > n
12
. Daraus folgt, dass
| a
n+1− a
n| ≤ | a
n+1− a | + | a
n− a | < 1 2 + 1
2 = 1.
Das ist ein Widerspruch, weil | a
n+1− a
n| = | ( − 1)
n+1− ( − 1)
n| = 2.
b) Es sei (a
n)
n∈Neine Folge mit a
n= 2
nf¨ur alle n ∈ N, d. h.
(a
n)
n∈N= (2, 4, 8, 16, 32, 64, . . .) . Beh.: lim
n→∞
a
n= ∞ .
Beweis: Sei M ∈ R beliebig gew¨ahlt.
Dann folgt f¨ur alle n > n
M:= [log
2M ] + 1
a
n= 2
n> 2
nM> 2
log2M= M.
Wir wollen jetzt Methoden zum Nachweis der Konvergenz f¨ur eine Folge darstellen, f¨ur die die explizite Kenntnis des Grenzwerts nicht n¨otig ist.
10.2.1. Cauchy–Konvergenzkriterium. Die n¨achste Definition wird f¨ur die Formulierung des ersten Kriteriums ben¨otigt.
Definition 10.10. Eine Folge (a
n)
n∈Nheißt Cauchy-Folge, wenn gilt:
Zu jedem ε > 0 gibt es ein n
ε∈ N mit
| a
n− a
m| < ε f¨ur alle n, m ≥ n
ε. Kurz:
∀ ε > 0 ∃ n
ε∈ N ∀ n, m > n
ε: | a
n− a
m| < ε.
Die Formulierung in dieser Definition ist w¨ortlich dieselbe, wie in der Definition der Konvergenz, nur ist der Abstand | a
n− a | des Folgengliedes a
nvom Grenzwert a durch den Abstand | a
n− a
m| zweier Folgenglieder voneinander ersetzt.
Satz 10.11. Jede konvergente Folge (a
n) ist eine Cauchy-Folge, und jede Cauchy-Folge (a
n) reeller Zahlen besitzt einen Grenzwert a ∈ R.
Beispiel 10.12. In der Vorlesung
10.2.2. Konvergenz beschr¨ankter und monotoner Folgen.
Satz 10.13. Jede konvergente Folge (a
n) ist beschr¨ankt.
Die umgekehrte Aussage ist nicht wahr. Ein Gegenbeispiel liefert die alternierende Folge (a
n) mit a
n= ( − 1)
n. Sie ist beschr¨ankt, etwa durch | a
n| < 2, aber konvergiert nicht.
F¨ur beschr¨ankte Folgen gibt es eine Konvergenzaussage in stark abgeschw¨achter Form, die aber nicht in den Umfang dieser Vorlesung geh¨ort.
Satz 10.14.
a) Jede monoton wachsende und nach oben beschr¨ankte Folge ist konvergent.
b) Jede monoton fallende und nach unten beschr¨ankte Folge ist konvergent.
Bemerkung 10.15. Mit Satz 10.14 kann man beweisen, dass die Folge (a
n)
n∈Nmit a
n:=
1 + 1
n
nf¨ur alle n ∈ N, konvergent ist; den Grenzwert bezeichnet man mit e (Eulersche Zahl):
e := lim
n→∞
1 + 1
n
n.
10.3. Berechnung von Grenzwerten. Im vorhergehenden Abschnitt haben wir uns mit den Begriffen, Definitionen und theoretischen Konvergenzuntersuchungen besch¨aftigt, hier kommt es uns jetzt mehr auf das Rechnen an.
Satz 10.16. Rechenregeln f¨ ur Grenzwerte:
Es seien (a
n)
n∈Nund (b
n)
n∈Nkonvergente Folgen mit lim
n→∞
a
n= a ∈ R und lim
n→∞
b
n= b ∈ R.
Dann gilt:
a) Die Summen- bzw. Differenzenfolge (a
n± b
n)
n∈Nkonvergiert mit
n
lim
→∞(a
n± b
n) = a ± b.
b) Die Produktfolge (a
n· b
n)
n∈Nkonvergiert mit
n
lim
→∞(a
n· b
n) = a · b, insbesondere
n
lim
→∞(a · b
n) = a · lim
n→∞
b
n. c) Die Quotientenfolge
an
bn
n≥n0
konvergiert mit
n
lim
→∞a
nb
n= a b , falls b = lim
n→∞
b
n6 = 0 ist.
Bemerkung 10.17. Die obigen Aussagen gelten manchmal auch, wenn man ∞ und −∞
als Grenzwerte von (a
n)
n∈Nund (b
n)
n∈Nzul¨asst.
F¨ur a ∈ R gelten dabei folgende Regeln:
∞ + a = a + ∞ = ∞ ,
∞ + ∞ = ∞ ,
−∞ + ( −∞ ) = −∞ ,
∞ · a = a · ∞ = ∞ f¨ur a > 0,
∞ · a = a · ∞ = −∞ f¨ur a < 0,
∞ · ∞ = ( −∞ ) · ( −∞ ) = ∞ ,
∞ · ( −∞ ) = ( −∞ ) · ∞ = −∞ , a
∞ = a
−∞ = 0.
Die Ausdr¨ucke
[0 · ∞ ], [ ∞ − ∞ ], h ∞
∞ i
,
0 0
sind nicht bestimmt!
Beispiel 10.18.
a)
n
lim
→∞n
3+ 2n
2+ 3n + 4
n
3= lim
n→∞
1 + 2
n + 3 n
2+ 4
n
3=
= lim
n→∞
1 + lim
n→∞
2
n + lim
n→∞
3
n
2+ lim
n→∞
4 n
3=
= 1 + 2 · lim
n→∞
1
n + 3 · lim
n→∞
1
n
2+ 4 · lim
n→∞
1 n
3=
= 1 + 2 · 0 + 3 · lim
n→∞
1 n · lim
n→∞
1
n + 4 · lim
n→∞
1 n · lim
n→∞
1 n · lim
n→∞
1 n =
= 1 + 0 + 3 · 0 · 0 + 4 · 0 · 0 · 0 = 1 b)
n
lim
→∞n
3− 2n
2+ 4
4n
2+ 3n − 5 = lim
n→∞
n − 2 +
n424 +
n3−
n52=
n
lim
→∞n − 2 +
n42n
lim
→∞4 +
n3−
n52=
=
n
lim
→∞n − 2 + 0
4 + 0 − 0 = + ∞ 10.3.1. Ungleichungen und konvergente Folgen.
Satz 10.19. Die Folgen (a
n) und (b
n) seien konvergent. Gilt a
n≤ b
nf¨ur alle n > n
0, n
0∈ N, dann gilt auch
n
lim
→∞a
n≤ lim
n→∞
b
n.
Die entsprechende Aussage f¨ur das strikte ” <”–Zeichen gilt nicht! Ein Gegenbeispiel liefern die konstante Folge (a
n) mit a
n= 0 und die harmonische Folge (b
n) mit b
n=
n1. Dann ist a
n< b
nf¨ur alle n ∈ N, aber
n
lim
→∞a
n= 0 = lim
n→∞
b
nund nicht lim
n→∞
a
n< lim
n→∞
b
n.
Zur Berechnung von Grenzwerten ist das folgende Einschließungskriterium mitunter n¨utz- lich.
Satz 10.20. Einschließungskriterium oder Sandwichsatz:
Seien (a
n)
n∈N, (b
n)
n∈Nund (c
n)
n∈Nreelle Zahlenfolgen mit b
n≤ a
n≤ c
nf¨ur alle n ∈ N.
Ist lim
n→∞
b
n= a = lim
n→∞
c
n, so konvergiert (a
n)
n∈Nebenfalls gegen a.
Beispiel 10.21.
a) Sei (a
n)
n≥2die Folge mit a
n=
n2n−1f¨ur n ≥ 2.
Beh.: lim
n→∞
a
n= 0.
Beweis: Wir betrachten die Folge (b
n)
n≥2mit b
n=
n+11, dann
n
lim
→∞b
n= lim
n→∞
1
n + 1 = 0.
Weiter gilt f¨ur alle n ≥ 2:
b
n= 1
n + 1 = 1
n + 1 · n − 1
n − 1 = n − 1
n
2− 1 < n
n
2− 1 = a
n. F¨ur die Folge ( c
n)
n≥2mit c
n=
n−11f¨ur n ≥ 2, und
n
lim
→∞c
n= lim
n→∞
1
n − 1 = 0 gilt:
c
n= 1
n − 1 = 1
n − 1 · n + 1
n + 1 = n + 1
n
2− 1 > n
n
2− 1 = a
n. Somit gilt mit dem Sandwichsatz
n
lim
→∞n
n
2− 1 = 0.
b) Sei (a
n)
n∈Ndie Folge mit a
n=
(−n1)nf¨ur n ∈ N.
Beh.: lim
n→∞
a
n= 0.
Beweis: F¨ur alle n ∈ N gilt
− 1
n ≤ ( − 1)
nn ≤ 1
n . Weil lim
n→∞
1
n
= 0 = lim
n→∞
−1
n
, dann auch
n
lim
→∞( − 1)
nn = 0.
10.3.2. Konvergenz von rekursiv definierten Folgen.
Beispiel 10.22. Sei a eine positive reelle Zahl und sei (a
n)
n∈Nrekursiv definiert durch a
0= 2 und a
n+1= 1
2
a
n+ 2 a
n. Beh.: lim
n→∞
a
n= √ 2.
Beweis: Aus der Rekursionsformel folgt, dass a
n> 0 f¨ur alle n ∈ N . Also ist die Folge (a
n)
n∈Nnach unten beschr¨ankt, z. B. durch 0.
Wir wollen zeigen, dass die Folge (a
n)
n∈Nauch monoton fallend ist. Daf¨ur ben¨otigen wir als
Hilfsmittel eine bessere untere Schranke.
Wir haben die folgenden gleichwertigen Ungleichungen:
a
n+1≥ √
2
Rekursionsf ormel⇐⇒ 1
2
a
n+ 2 a
n≥ √ 2
⇐⇒ a
n+ 2
a
n≥ 2 √ 2
an>0
⇐⇒ a
2n+ 2 ≥ 2 √ 2 · a
n⇐⇒ a
2n− 2 √
2 · a
n+ 2 ≥ 0
⇐⇒
a
n− √ 2
2≥ 0.
Also a
n+1≥ √
2, da die letzte Ungleichung immer gilt.
Nun betrachten wir den Quotienten a
n+1a
n= 1 2
1 + 2
a
2n. Aus a
n≥ √
2 f¨ur n ≥ 1 folgt
a12n
≤
12, also a
n+1a
n≤ 1 2
1 + 2
2
= 1
2 · 2 = 1.
Die Folgenglieder sind positiv, also folgt aus der Ungleichung
an+1an
≤ 1, dass a
n+1≤ a
nf¨ur n ≥ 1.
Nach Satz 10.14 ist die Folge (a
n)
n≥1konvergent, d. h. es existiert eine Zahl g, so dass
n
lim
→∞a
n= g.
Mit der Rekursionsformel und Rechenregeln f¨ur Grenzwerte 10.16 gilt also g = lim
n→∞
a
n+1= lim
n→∞
1 2
a
n+ 2 a
n= 1 2
g + 2
g
. Wir werden jetzt die erhaltene Gleichung bez¨uglich g l¨osen:
g = 1 2
g + 2
g
⇐⇒ 2g = g + 2
g ⇐⇒ g = 2
g ⇐⇒
⇐⇒ g
2= 2 ⇐⇒ g = √ 2, da g positiv sein muss.
Wir haben also gezeigt, dass die durch obige Rekursionsformel gegebene Folge (a
n)
n≥1konvergent gegen √
2 ist.
10.4. Begriff der Reihe, Beispiele und Eigenschaften.
Definition 10.23. Es sei (a
n)
n∈Neine Folge reeller Zahlen.
a) Die Folge (S
n)
n∈Nmit S
n:=
X
n i=1a
i= a
1+ a
2+ a
3+ · · · + a
nheißt die aus (a
n)
n∈Ngebildete unendliche Reihe.
Schreibweise:
X
∞ n=1a
n, X
n≥1
a
n, X
n∈N
a
n, X
a
nDie wohldefinierte endliche Summe reeller Zahlen S
n, n ∈ N, nennt man die n-te Partialsumme (Teilsumme).
b) Die Reihe P
∞n=1
a
nheißt konvergent gegen S ∈ R, wenn die Folge der Partialsummen (S
n)
n∈Nkonvergiert mit lim
n→∞
S
n= S.
Schreibweise:
S = X
∞ n=1a
n.
Analoge Definitionen gelten auch f¨ur Reihen P
∞n=k
a
nmit festen k ∈ Z (siehe auch die Bemerkung nach der Definition 10.1).
Keinesfalls ist P
∞n=1
a
nals eine ” Summe von unendlich vielen Summanden” aufzufassen, weil das nur zu Verwirrung f¨uhrt (s. das n¨achste Beispiel).
Beispiele 10.24.
a) Es sei a
i= q
imit i ∈ N
0und q ∈ R. Dann heißt die Folge (S
n)
n∈N0mit S
n=
X
n i=0q
i= 1 + q + q
2+ · · · + q
ndie geometrische Reihe.
Die Partialsummen der geometrischen Reihe sind S
n=
X
n i=0q
i=
1 − q
n+11 − q f¨ur q 6 = 1;
n + 1 f¨ur q = 1.
Daraus folgt, dass die geometrische Reihe f¨ur | q | < 1 konvergiert und X
∞n=0
q
n= 1 1 − q . F¨ur | q | ≥ 1 ist die geometrische Reihe P
∞n=0
q
ndivergent.
b) Die harmonische Reihe P
∞n=1 1
n
konvergiert nicht (divergiert).
Die Folge der Partialsummen (S
n)
n∈Nmit S
n=
X
n i=11
i = 1 + 1 2 + 1
3 + · · · + 1 n
ist offensichtlich monoton wachsend. Wir zeigen, dass diese Folge nicht nach oben
beschr¨ankt ist, dann ist sie nicht konvergent.
Dazu betrachten wir die folgenden Partialsummen:
S
1= 1, S
2= 1 + 1
2 , S
4= 1 + 1
2 + 1
3 + 1 4
| {z }
>12
> 1 + 1 2 + 1
2 ,
S
8= 1 + 1 2 +
1 3 + 1
4
| {z }
>12
+ 1
5 + 1 6 + 1
7 + 1 8
| {z }
>12
>
> 1 + 1 2 + 1
2 + 1 2 ,
. . . . Allgemein erh¨alt man:
S
2k≥ 1 + k
2 , k = 1, 2, 3, . . .
Daraus folgt, dass (S
n)
n∈Nunbeschr¨ankt w¨achst und die harmonische Reihe P
∞n=1 1 n
nicht konvergiert.
c) Die Reihe X
∞ n=11
n
2konvergiert.
Die Folge der Partialsummen (S
n)
n∈Nmit S
n=
X
n i=11
i
2= 1 + 1 2
2+ 1
3
2+ · · · + 1 n
2ist monoton wachsend.
Außerdem ist f¨ur alle n ∈ N S
n= 1 + 1
2 · 2 + 1
3 · 3 + · · · + 1 n · n
< 1 + 1
1 · 2 + 1
2 · 3 + · · · + 1
(n − 1) · n =
= 1 + 1
1 − 1 2
+
1 2 − 1
3
+ · · · + 1
n − 1 − 1 n
=
= 1 + 1 − 1 n < 2.
Somit ist die Folge der Partialsummen (S
n)
n∈Nbeschr¨ankt und nach dem Satz 10.14 auch konvergent. Nach Definition ist die Reihe P
∞n=1 1
n2
konvergent.
Man kann sogar zeigen, dass P
∞n=1 1
n2
=
π62. d) Die Reihe
X
∞ n=0( − 1)
ndivergiert.
Die Folge der Partialsummen (S
n)
n∈Nmit S
n= 1 − 1 + 1 − 1 + · · · + ( − 1)
n| {z }
n+1
Glieder
=
1 f¨ur gerades n 0 f¨ur ungerades n ist divergent (vgl. Bsp. 10.9 a).
Reihen sind spezielle Folgen, n¨amlich Folgen von Partialsummen. Umgekehrt sind Folgen spezielle Reihen, weil man jede Folge (a
n)
n∈Nals Teleskopsumme
a
n= a
1− X
ni=2
(a
i−1− a
i)
darstellen kann. Es ist also nur eine Frage der Schreibweise, ob man unendliche Reihen oder unendliche Folgen benutzt.
Da die Konvergenz von Reihen durch die Konvergenz der Partialsummen definiert ist, ergibt sich aus den Rechenregeln f¨ur konvergente Folgen (s. Satz 10.16) ohne weiteres der folgende Satz:
Satz 10.25. Sind P
∞n=1
a
nund P
∞n=1
b
nkonvergente Reihen, und sind α, β ∈ R beliebig, so konvergiert auch die Reihe P
∞n=1
(α · a
n+ β · b
n) und es ist X
∞n=1
(α · a
n+ β · b
n) = α · X
∞ n=1a
n+ β · X
∞ n=1b
n.
Von grosser theoretischer, aber geringer praktischer Bedeutung ist die Umformulierung der Konvergenz von Cauchy–Folgen in der Sprache der Reihen:
Die Partialsummen S
nder Reihe P
i∈N
a
ibilden eine Cauchy-Folge (s. Def. 10.10), wenn zu jedem ε > 0 ein n
ε∈ N existiert mit | S
m− S
n| < ε f¨ur alle m, n > n
ε. Falls m > n, ist
S
m− S
n= X
mi=1
a
i− X
ni=1
a
i= X
m i=n+1a
i. Aus Satz 10.11 folgt daher unmittelbar
Satz 10.26. Cauchy-Konvergenzkriterium f¨ ur Reihen:
Die Reihe P
∞n=1
a
nkonvergiert genau dann, wenn es zu jedem ε > 0 ein n
ε∈ N existiert mit
X
m i=n+1a
i< ε f¨ur alle m > n > n
ε.
Kurz:
∀ ε > 0 ∃ n
ε∈ N ∀ m > n > n
ε:
X
m i=n+1a
i< ε.
Folgerung 10.27. Notwendige Konvergenzbedingung:
Bei einer konvergenten Reihe P
∞n=1
a
nbildet die Gliederfolge (a
n)
n∈Neine Nullfolge, d. h.
n
lim
→∞a
n= 0.
Die Bedingung lim
n→∞
a
n= 0 ist keinesfalls hinreichend f¨ur die Konvergenz der Reihe P
∞n=1
a
n, siehe das Beispiel 10.24 b).
Weiß man von einer Reihe P
∞n=1
a
nnur, dass lim
n→∞
a
n= 0, so kann man ¨uber ihr Konvergenz- verhalten noch nichts Bestimmtes sagen. Hat man jedoch festgestellt, dass (a
n)
n∈Nkeine Nullfolge ist, so muss die Reihe notwendig divergieren, siehe das Beispiel 10.24 d).
Satz 10.28. Eine Reihe P
n∈N
a
nmit a
n≥ 0 f¨ur alle n ∈ N konvergiert genau dann, wenn die Folge der Partialsummen beschr¨ankt ist.
Beispiel 10.29. In der Vorlesung und siehe das Beispiel 10.24 b), c).
Bemerkung 10.30. F¨ur jedes feste k ∈ N haben P
∞n=1
a
nund P
∞n=k
a
ndasselbe Konvergenz- verhalten (aber nicht denselben Summenwert). Das heißt, durch Weglassen endlich vieler Reihenglieder wird das Konvergenzverhalten einer Reihe nicht ver¨andert.
10.5. Konvergenzkriterien f¨ ur Zahlenreihen. Wir fangen mit einem Konvergenzkrite- rium an, welches von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) bewiesen wurde.
Satz 10.31. Leibniz–Kriterium:
Die alternierende Reihe X
( − 1)
na
nmit a
n≥ 0 ist konvergent, falls (a
n) eine monoton fallende Nullfolge ist.
F¨ur viele Untersuchungen ist es sinnvoll, zu einer Reihe P
a
ndie Reihe der Absolutbe- tr¨age der Reihenglieder P
| a
n| zu betrachten:
Definition 10.32. Ist die Reihe P
| a
n| konvergent, so nennt man die Reihe P
a
nabsolut konvergent.
Bemerkung. Aus der Konvergenz einer Reihe P
a
nfolgt im Allgemeinen nicht ihre absolute Konvergenz.
Eine konvergente, aber nicht absolut konvergente Reihe nennt man bedingt konvergent.
Beispiel 10.33. Die Reihe P
n∈N (−1)n
n
ist nach Satz 10.31 konvergent, aber X
n∈N
( − 1)
nn
= X
n∈N
1 n ist divergent (s. Beispiel 10.24 b)).
Allerdings gilt die Umkehrung, d. h.:
Satz 10.34. Jede absolut konvergente Reihe ist auch konvergent.
Definition 10.35. Seien P
a
nund P
b
nzwei Reihen reeller Zahlen.
• Die Reihe P
b
nheißt eine Majorante der Reihe P
a
n, wenn
| a
n| ≤ b
nf¨ur fast alle n.
• Die Reihe P
a
nheißt eine Minorante der Reihe P
b
n, wenn 0 ≤ a
n≤ b
nf¨ur fast alle n.
Satz 10.36. Vergleichskriterien f¨ ur die Konvergenz unendlicher Reihen:
• Majorantenkriterium:
Besitzt P
a
neine konvergente Majorante, so ist P
a
nabsolut konvergent.
• Minorantenkriterium:
Besitzt P
b
neine divergente Minorante, so ist P
b
ndivergent.
Besonders leicht anzuwenden ist das Satz 10.37. Grenzwertkriterium:
Sind P
a
nund P
b
nzwei Reihen mit positiven Gliedern und 0 < lim
n→∞
a
nb
n< + ∞ , so haben die beiden Reihen dasselbe Konvergenzverhalten.
Beispiele 10.38.
a) Die Reihe P
∞n=1 3n2−2
n4+5n
ist konvergent.
Beweis: Die Reihe P
∞n=1 1
n2
ist konvergent (s. Beispiel 10.24 c)) und
n
lim
→∞3n2−2 n4+5n
1 n2
= lim
n→∞
(3n
2− 2) · n
2n
4+ 5n = lim
n→∞
3n
4− 2n
2n
4+ 5n = lim
n→∞
3 +
n221 +
n53= 3.
Nach dem Grenzwertkriterium ist die Reihe P
∞n=1 3n2−2
n4+5n
konvergent.
b) Die Reihe P
∞n=1 2n+5
3n2−2n
ist divergent.
Beweis: Die Reihe P
∞n=1 1
n
ist divergent (s. Beispiel 10.24 b)) und
n
lim
→∞2n+5 3n2−2n
1 n
= lim
n→∞
(2n + 5) · n
3n
2− 2n = lim
n→∞
2n
2+ 5n
3n
2− 2n = lim
n→∞
2 +
n53 −
n2= 2
3 . Nach dem Grenzwertkriterium ist die Reihe P
∞n=1 2n+5
3n2−2n
divergent.
Wir haben im Beispiel 10.24 gesehen, dass die geometrische Reihe P
∞n=0
q
ngenau dann
konvergiert, wenn | q | < 1 gilt. Man kann diese Reihe nun in Satz 10.36 als Vergleichsreihe
benutzen, um weitere Kriterien f¨ur die absolute Konvergenz von Reihen herzuleiten. Das
erste Kriterium tr¨agt den Namen der beiden franz¨osischen Mathematiker A. Cauchy und
J. Hadamard (1865–1963).
Satz 10.39. Wurzelkriterium von Cauchy–Hadamard:
Es sei P
a
neine Reihe mit
n
lim
→∞p
n| a
n| = q.
Ist
• q < 1, dann ist die Reihe P
a
nabsolut konvergent;
• q > 1, dann ist die Reihe P
a
ndivergent.
Im Falle q = 1 ist eine zus¨atzliche Untersuchung erforderlich: die Reihe kann konvergent, sie kann aber auch divergent sein.
Beispiel 10.40. Die Reihe P
∞n=1 2n+5 3n−1
2nist konvergent, da
n
lim
→∞n
s
2n + 5 3n − 1
2n= lim
n→∞
"
2n + 5 3n − 1
2n#
n1= lim
n→∞
2n + 5 3n − 1
2n·n1=
= lim
n→∞
2n + 5 3n − 1
2= 4 9 < 1.
Das n¨achste Kriterium stammt von dem franz¨osichen Mathematiker Jean Baptiste Le Rond D’Alembert (1717–1783).
Satz 10.41. Quotientenkriterium von D’Alembert Es sei P
a
neine Reihe mit
n
lim
→∞a
n+1a
n= q.
Ist
• q < 1, dann ist die Reihe P
a
nabsolut konvergent;
• q > 1, dann ist die Reihe P
a
ndivergent.
Im Falle q = 1 ist eine zus¨atzliche Untersuchung erforderlich: die Reihe kann konvergent, sie kann aber auch divergent sein (berechne lim
n→∞
an+1
an
f¨ur die Reihen aus dem Beispiel 10.24 b) und c)).
Beispiel 10.42.
a) Die Reihe P
∞n=1 n3
2n
ist konvergent, da
n
lim
→∞a
n+1a
n= lim
n→∞
(n+1)3 2n+1
n3 2n
= lim
n→∞
(n + 1)
3· 2
n2
n+1· n
3= lim
n→∞
1 2 ·
1 + 1
n
3= 1 2 < 1.
b) Die Reihe P
∞n=1 n!
3n
ist divergent, da
n
lim
→∞a
n+1a
n= lim
n→∞
(n+1)!
3n+1 n!
3n
= lim
n→∞
n + 1
3 = ∞ > 1.
Bemerkung.
• Im Falle lim
n→∞
p
n| a
n| = 1 = lim
n→∞
an+1
an
versagen sowohl Wurzel- als auch Quotienten- kriterium. Man kann jedoch zeigen: Versagt das Quotientenkriterium nicht, so auch nicht das Wurzelkriterium. Die Umkehrung ist im allgemeinen falsch, denn das Wur- zelkriterium ist st¨arker.
• F¨ur Reihen der Form P
n∈N 1
nα
versagen sowohl Wurzel- als auch Quotientenkriterium.
Aber ihr Konvergenzverhalten ist bekannt:
Die Reihe X
n∈N
1 n
αist
divergent f¨ur α ≤ 1;
konvergent f¨ur α > 1.
Daher sollte man stets versuchen, diese Reihe als Vergleichsreihe heranzuziehen, wenn beide Kriterien bei einer Reihe P
a
nauf den unentscheidbaren Fall f¨uhren.
11. Funktionen einer reellen Ver¨ anderlichen 11.1. Der Funktionsbegriff und Beispiele.
Definition 11.1. Sei D eine Teilemenge von R. Eine Abbildung f : D → R wird eine reelle Funktion genannt (s. Def. 4.1).
Wir schreiben
f :
D −→ R
x 7−→ y = f(x).
Die Menge D = D
fheißt Definitionsbereich von f.
Die Menge
W
f:= f(D) = { y = f (x) ∈ R : x ∈ D } ⊆ R heißt Wertebereich von f.
Die Menge
Γ
f:=
(x, y) ∈ R
2: x ∈ D ∧ y = f (x) heißt der Graph von f.
Bemerkungen 11.2.
• Die Angabe des Definitionsbereichs ist Bestandteil der Definition einer Funktion, nicht nur die ” Abbildungsvorschrift”.
Wenn der Definitionsbereich einer Funktion nicht ausdr¨ucklich angegeben ist, so w¨ahlt man ¨ublicherweise den gr¨oßtm¨oglichen Definitionsbereich; oder man beschr¨ankt sich in Anwendungen auf
” sinnvolle” Definitionsbereiche, z. B. Zeit t ≥ 0.
• Um eine bessere Vorstellung ¨uber eine Funktion f : D → R zu erhalten, macht man am besten eine Skizze des Graphen Γ
f. Dazu berechnet man f¨ur einige x ∈ D den Funktionswert f(x) und zeichnet die Zahlenpaare (x, f (x)) in ein zweidimensionales Koordinatensystem ein. Anschließend verbindet man die Punkte. Besser gelingt ei- ne solche Skizze, wenn man zun¨achst eine Kurvendiskussion durchf¨uhrt, wie sp¨ater erl¨autert wird.
Definition 11.3. Eine Funktion f : R → R von der Form f (x) = a
0+ a
1· x + a
2· x
2+ . . . + a
n· x
n=
X
n i=0a
ix
imit a
i∈ R
nennt man ein Polynom. Das Polynom hat den Grad n, wenn a
n6 = 0 ist.
Beispiele 11.4.
a) Konstante Funktionen sind Polynome vom Grad 0.
Es sei a ∈ R. Man definiere f :
R −→ R x 7−→ a.
Definitionsbereich: D
f= R;
Wertebereich: W
f= { a } ;
Γ
f: eine zur x-Achse parallele Gerade:
1 2 3
−1
−2
−3
1 2
x y
y = a
a
b) Lineare Funktionen sind Polynome vom Grad 1.
Es seien a ∈ R \ { 0 } und b ∈ R. Man setze f :
R −→ R
x 7−→ a · x + b.
Definitionsbereich: D
f= R;
Wertebereich: W
f= R;
Γ
f: eine Gerade:
1 2 3
−1
−2
1 2
−1
x y
y = −
12· x +
32y = x
F¨ur a = 1 und b = 0 spricht man von der Identit¨at id
Rauf R.
c) Quadratische Funktionen sind Polynome vom Grad 2.
Es seien a ∈ R \ { 0 } und b, c ∈ R. Man setze f :
R −→ R
x 7−→ a · x
2+ b · x + c.
Γ
f: eine Parabel:
1 2
−1
−2
1 2 3 4
x y
y = x
21 2 3
−1 1 2
−1
−2
x
y y = − (x − 1)
2+ 2
Man kann eine quadratische Funktion auf eindeutige Weise in Scheitelpunktform schreiben, d. h. es existieren eindeutig bestimmte Zahlen x
sund y
smit
a · x
2+ b · x + c = a · (x − x
s)
2+ y
s. Aus der Gleichung liest man ab
x
s= − b
2a und y
s= − b
2− 4ac 4a . Der Punkt (x
s, y
s) ∈ Γ
fheißt Scheitelpunkt der Parabel.
Definitionsbereich: D
f= R;
Wertebereich: W
f=
n
y ∈ R : y ≥ −
b2−4a4aco
falls a > 0, n
y ∈ R : y ≤ −
b2−4a4aco
falls a < 0.
Definition 11.5. Es seien f und g zwei Polynome. Eine Funktion r :
D
r−→ R x 7−→ f(x)
g(x) . nennt man eine rationale Funktion.
Der Definitionsbereich ist D
r= { x ∈ R : g(x) 6 = 0 } . Beispiel 11.6. Sei
r :
R \ { 0 } −→ R x 7−→ 1 x . Definitionsbereich: D
f= R \ { 0 }
Wertebereich: W
f= R \ { 0 }
Γ
f: eine Hyperbel
1 2 3 4
−1
−2
−3
−4
1 2 3 4
−1
−2
−3
−4
x y
y =
1xDefinition 11.7. Sei n ≥ 2. Die Funktion f :
( [0, ∞ ) −→ [0, ∞ ) x 7−→ x
1n= √
nx nennt man Wurzelfunktion. Dabei bezeichnet √
nx die Zahl q mit q
n= x.
Beispiel 11.8. Sei n = 2 und
f :
( [0, ∞ ) −→ [0, ∞ ) x 7−→ x
12= √ x Definitionsbereich: D
f= [0, ∞ )
Wertebereich: W
f= [0, ∞ )
Γ
f:
1 2 3 4
−1 1 2
x
y y = √ x
Wir geben jetzt weitere Beispiele von reellen Funktionen an:
Beispiele 11.9. Alle unten dargestellte Funktionen sind f¨ur alle reelle Zahlen definiert.
a) Der Absolutbetrag f :
R −→ R x 7−→ | x | ,
wobei die Zahl | x | in Def. 9.1 definiert ist.
Wertebereich: W
f= [0, ∞ ).
−2 −1 1 21 2
x y
b) Die Vorzeichenfunktion f :
R −→ R x 7−→ sgn(x),
wobei die Zahl sgn(x) in Def. 9.5 definiert ist.
Wertebereich: W
f= {− 1, 0, 1 }
1 2
−1
−2
1
−1
x y
c) Die Heavysidesche Sprungfunktion
f :
R −→ R x 7−→
0 falls x < 0 1 falls x ≥ 0.
Wertebereich: W
f= { 0, 1 }
1 2
−1
−2
1