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Archiv "Betreuung Behinderter und Kranker durch Zivildienstleistende" (16.02.1978)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 7 vom 16. Februar 1978

Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

Betreuung Behinderter und Kranker

durch Zivildienstleistende

Klaus Henning

und Volko Walther

In der Absicht, durch per- sönliche Dienstleistungen den pflege- und hilfsbe- dürftigen Behinderten oder Kranken Hilfestellungen im gesamten Bereich ihres Alltags zu geben, sollen nunmehr Zivildienstleisten- de verstärkt entsprechend eingesetzt werden. Zivil- dienstverpflichtete können auch einige Aufgaben der Sozialämter verrichten.

Voraussetzungen dürften allerdings das notwendige soziale Engagement und die Freiwilligkeit sein. Der Beitrag informiert über die Problematik und weist auf das Merkblatt des Bundes- amtes für Zivildienst, Köln, hin, das über Einsatzmög- lichkeiten Zivildienstlei- stender informiert. DÄ

Die Rehabilitation von körperlich Schwerstbehinderten hat in den letzten Jahrzehnten in der Bundes- republik Deutschland bemerkens- werte Fortschritte gemacht. Sie kann in der Welt als Vorbild dienen.

Dies gilt insbesondere für den Kreis der Querschnittgelähmten. So gibt es eine Reihe von Spezialkliniken, daneben aber auch Sonderinstitu- tionen zur Eingliederung von Behin- derten, die sich im wesentlichen in vier Gruppen aufteilen:

Gruppe 1: Rehabilitationskranken- haus (mit Endphase Be- rufstherapie / mit Fach- bereich „berufliche Anpassung").

Gruppe 2: Berufsbildungseinrich- tung für Behinderte (mit

Berufsförderungswerk für Erwachsene / Be- rufsbildungswerk für Jugendliche).

Gruppe 3: Vorbildungseinrichtun- gen für Behinderte (mit Grund- und Hauptschu- le für Behinderte / wei- terführende Schulen und Gesamtschulen für Behinderte / Sonder- schulen für besondere Behindertengruppen).

Gruppe 4: Sonstige Rehabilitati- onseinrichtungen, die vorwiegend der sozialen Eingliederung dienen (Werkstatt für Behinder- te / Einrichtung zur Ein- gliederungsvorberei- tung von Verhaltensge- störten / Behinderten- heim).

Mit der fortentwickelten Technik sind Hilfen für die Schwerbehinder- ten wesentlich verbessert worden.

So kann beispielsweise ein bis zum Hals Gelähmter seinen Rollstuhl und mannigfaltige Apparaturen mit Hilfe der Elektronik in Gang setzen und regelmäßig „theoretische" Arbeiten verrichten (z. B. als Jurist). Ein Ohn- händer, oder auch Tetraplegiker, wird in die Lage versetzt, sein Kraft- fahrzeug absolut sicher und zuver- lässig durch den dicksten Groß- stadtverkehr zu steuern. Auch die Arbeitsplätze werden für Behinderte großzügig adaptiert; die Medizin sorgt für fast normale Lebenserwar- tungen, selbst bei hohen Quer- schnittsgelähmten, deren baldiger Tod früher unvermeidbar war.

Dennoch fehlt in der so mustergülti- gen Kette der Rehabilitationsein- richtungen ein wichtigstes letztes Glied — nämlich die Möglichkeit zur Spät- und Dauerunterbringung von pflege- und von hilfsbedürftigen Schwerstbehinderten. Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland bis heute kaum Chancen, diese Behin- derten — die medizinisch und beruf- lich vorbildlich rehabilitiert wurden

— auf die Dauer sozial so zu integrie- ren und gleichzeitig so unterzubrin- gen, daß sie einer ständigen Betreu- ung sicher sind. Dies ist notwendig, damit sie gesundheitlich nicht er- neut Schaden nehmen, regelmäßig einer Arbeit und sinnvollen Freizeit- gestaltung nachkommen können und sich nicht als Ausgestoßene un- serer Gesellschaft fühlen müssen.

Bisher war die tragische Entwick- lung oft unvermeidbar, daß hilflose

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen Zivildienst

Menschen in unqualifizierte Heime oder Institutionen „abgeschoben"

wurden und dort langsam, aber si- cher seelisch und körperlich verkümmerten.

Hoffnung

durch neue Möglichkeiten

Als wirkungsvolle Hilfe hat sich in den letzten Jahren ein Modell erwie- sen, das im wesentlichen durch In- itiativen und Anstrengungen von Schwerstbehinderten in Abstim- mung mit dem Bundesamt für Zivil- dienst aufgebaut werden konnte:

„Zivildienstleistende geben pflege- und hilfsbedürftigen Behinderten oder Kranken Hilfestellung im Ge- samtbereich ihres Alltags". Das heißt, alleinstehende, hilfsbedürftige Behinderte können über eine „Be- schäftigungsstelle", die allerdings erst als solche anerkannt werden muß (§ 4 ZDG), Zivildienstleistende zu ihrer persönlichen Betreuung an- fordern. Als Beschäftigungsstellen kommen insbesondere in Betracht:

Sozialämter der Kommunalverwal- tungen, Rehabilitationseinrichtun- gen, Erholungseinrichtungen, Ge- schäftsstellen von Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, Hauptfür- sorgestellen und sonstige Träger überörtlicher Sozialhilfen, Sozial- stationen.

Die Zivildienstleistenden (je nach Bedarf ein, zwei oder mehr) befin- den sich in einem ständigen ganztä- gigen oder stundenweisen Arbeits- verhältnis; die Beschäftigungsstelle koordiniert in Übereinstimmung mit dem Behinderten den Einsatz und übernimmt die verwaltungsmäßige Betreuung der Zivildienstleistenden.

Diese sollten vor ihrem Einsatz in Spezialinstitutionen oder Lehrgän- gen auf ihre Aufgabe vorbereitet werden. Die Kosten werden vom Bund in angemessenem Umfang übernommen. Während der Bund ebenfalls für die in einem öffentlich- rechtlichen Dienstverhältnis aufzu- bringenden Kosten aufkommt (Sold, Renten- und Zusatzversicherung, Unterhalt der Familie, Reisebeihil- fen, Familienheimfahrten, Heilfür- sorge, jährliche Sonderzuwendun-

gen und Entlassungsgeld usw.), ha- ben die anerkannten Dienststellen Kosten für Verpflegung, Unterkunft und Arbeitskleidung zu tragen. Der jeweilige Dienstleistungsempfänger wird bei diesen Kosten anteilmäßig hinzugezogen, so daß dieser eventu- ell für eine Rund-um-die-Uhr-Be- treuung etwa 800 DM bis 1000 DM aufzubringen hat (soweit er dazu in der Lage ist).

Das Bundesamt für den Zivildienst in Köln hat mit Rundschreiben Num- mer 2/1976 (16. Februar 1976) unter dem Thema „Individuelle Betreuung Behinderter und Kranker durch Zi- vildienstleistende" Richtlinien her- ausgegeben, aus denen Einzelhei- ten zu entnehmen sind.

In der Praxis bewährt

Hier eine kurze Schilderung eines Mitinitiators dieses Modells, des 37 Jahre alten Naturwissenschaftlers Dr. Volko Walther, der durch einen Unfall vor fünfeinhalb Jahren hoch querschnittsgelähmt wurde (Tetra- plegie) und nun mit Hilfe Zivildienst- leistender ganztägig in seinem Beruf in einem großen Industriebetrieb tä- tig sein kann: „Von besonderem In- teresse wird der Einsatz von Zivil- dienstleistenden dann, wenn durch diesen Dienst dem Behinderten die berufliche und private Sphäre erhal- ten und der Weg in ein Alten- oder Pflegeheim erspart bleibt.

Die Kosten für die Rund-um-die- Uhr-Betreuung durch zwei Zivil- dienstleistende belaufen sich auf mindestens 800 bis 1000 DM monat- lich und werden bei sozialen Härte- tällen nach dem Bundessozialhilfe- gesetz vom Sozialamt teilweise oder völlig übernommen.

Der Zivildienstleistende ist — schon aus Kostengründen — wohl die ein- zige Person, die für diesen Ein- satz prädestiniert erscheint. Der Schwerstbehinderte kann sich einen Privatpfleger in der Regel nicht lei- sten. Wenn eine Trägerorganisation am Ort gefunden ist, kann von dort mit Erfolg der Einsatz von Zivil-

dienstleistenden zur Betreuung von Einzelpersonen erfolgen. Sie über- nehmen neben der Haushaltsfüh- rung die pflegerische Betreuung des Behinderten, aber auch den Trans- port von und zur Arbeitsstätte, sie kaufen ein und erledigen alle Not- wendigkeiten des täglichen Lebens.

Die Unterbringung, zumindest eines Zivildienstleistenden, sollte in der Wohnung des Behinderten erfolgen, da dieser ja auch am späten Abend, nachts und am frühen Morgen Hilfe benötigt."

Jedenfalls muß eine kontinuierliche Betreuung garantiert sein, das heißt Urlaubsvertretungen, Feiertagsauf- enthalte und Aufenthalte während einer interkurrenten Erkrankung des zu Betreuenden müssen von vorne- herein einkalkuliert werden.

Ehe der Zivildienstleistende den Dienst beginnt, sollte er für zwei bis drei Wochen in einer entsprechen- den Spezialinstitution (z. B. Sonder- station für Querschnittgelähmte, Al- terskrankenhaus, Klinik, usw.) „an- gelernt" werden. Ist dies nicht mög- lich, so kann der Behinderte — so- weit er dazu in der Lage ist — auch selbst Anweisungen und Informatio- nen geben. Dabei können ihm örtli- che Fachkräfte (z. B. der Hausarzt oder die Gemeindeschwester) be- hilflich sein.

Anschrift der Verfasser:

Dr. med. Klaus Henning Facharzt für Orthopädie ehem. Leitender Arzt am Berufsförderungswerk Wildbad Postfach 140

7547 Wildbad jetzt:

Harburger Straße 1 3034 Schneverdingen Dr. rer. nat. Volko Walther Hegelstraße 152

7080 Aalen

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