Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 10|
11. März 2011 A 495 Ein Urteil des Europäischen Ge-richtshofs (EuGH) hat Anfang März die Versicherungsbranche aufge- wirbelt. Die Luxemburger Richter entschieden, dass Versicherungen ab dem 21. Dezember 2012 Prämien und Leistungen geschlechtsneutral berechnen müssen. Unterschiedli- che Tarifkalkulationen aufgrund des statistischen Risikos darf es dann nicht mehr geben. Die Luxembur- ger Richter folgten damit einem Rechtsgutachten ihrer Generalan- wältin Juliane Kokott. Die Nieder- länderin hatte gefordert, in der Versicherungsbranche EU-weit Ein - heitstarife (Unisextarife) für Män- ner und Frauen einzuführen.
Der EuGH griff die Argumentati- on von Kokott auf und verwies auf die EU-Gleichbehandlungsrichtli- nie von 2004, die eine Diskriminie- rung aufgrund des Geschlechts ver- bietet. Dass Frauen und Männer bei VERSICHERUNGEN
EuGH fordert geschlechtsneutrale Tarife
der Berechnung von Versicherungs- prämien bislang ungleich behandelt wurden, geht auf eine Ausnahmere- gelung zurück. Die Versicherungen durften Unterschiede bei den Prei- sen verlangen, sofern sich die ge- schlechtsspezifischen Risiken durch versicherungsmathematische und statistische Daten belegen ließen.
Geschlechtsspezifische Unterschie- de gibt es in zahlreichen EU-Län- dern in der Rentenversicherung, der Risikolebensversicherung sowie in der privaten Kranken- und der Kfz- Versicherung.
Das Urteil stieß auf ein geteiltes Echo. Der Gesamtverband der deut- schen Versicherungswirtschaft warn- te, Unisextarife würden zu einem Anstieg des durchschnittlichen Prä- mienniveaus führen. Der Bundes- verband der Verbraucherzentralen wiederum begrüßte das Votum der
Richter. ps
Der Festbetrag für den Cholesterin- senker Sortis, der den patentge- schützten Wirkstoff Atorvastatin enthält, ist rechtmäßig. Das hat das Bundessozialgericht entschieden.
Das Urteil bedeutet für die gesetz -
lichen Krankenkassen, dass sie die Kosten für das Präparat nur bis zu der von ihnen festgelegten Ober- grenze erstatten müssen. Im Gegen- zug müssen Patienten, wenn sie das Medikament weiterhin einnehmen wollen, die Differenz zwischen Apothekenpreis und Festbetrag aus eigener Tasche zahlen (Az: B 1 KR 7/10 R und B 1 KR 10/10 R).
CHOLESTERINSENKER SORTIS
Festbetrag ist rechtmäßig
Das Gericht entschied, dass die Festbetragsgruppe zu Recht gebil- det wurde. Die fünf betroffenen Statine seien pharmakologisch-the- rapeutisch vergleichbar, und Sortis sei anderen Arzneimitteln der Grup-
pe nicht überlegen. Zudem gewährleiste die Festbetrags- gruppe, dass Therapiemög- lichkeiten nicht eingeschränkt würden und medizinisch not- wendige Verordnungsalterna- tiven zur Verfügung stünden.
Im Jahr 2004 fasste der Ge- meinsame Bundesausschuss die Statine in einer Festbe- tragsgruppe zusammen, für die die Krankenkassen zunächst ei- nen Betrag von 62,55 Euro festsetz- ten. Dieser wurde mehrfach an die Marktsituation angepasst und lag 2008 bei 13,48 Euro. Der Pharma- hersteller Pfizer senkte den Preis für Sortis nicht auf Festbetragsni- veau. Der Marktanteil des Präparats fiel von 50 Prozent 2004 auf etwa ein Prozent 2009. afp/HK
RANDNOTIZ
Birgit Hibbeler
Geschlechtsspezifische Förderung muss sich nicht auf Frauen bezie- hen. Während die einen noch die Frauenquote für Chefetagen fordern, ist der Hartmannbund Niedersach- sen schon einen Schritt weiter. Der Verbandsvorsitzende, Dr. med. Bernd Lücke, forderte im Gespräch mit der
„Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“
(HAZ) eine „Männerquote im Medi- zinstudium“. Der Studentinnenanteil
liege mittlerweile bei 80 Prozent, sagte Lücke der HAZ. Viele junge Ärztinnen wollten dann aber später nur Teilzeit arbeiten. „Man kann Chir - urgie im Krankenhaus aber nicht als Halbtagsjob machen“, sagte er.
Mit dieser Sichtweise dürfte Lü- cke nicht allein dastehen. Viele be- halten solche Ansichten allerdings für sich und denken still daran zu- rück, wie schön es früher war, ohne die ganzen Kolleginnen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, jeder hat das Recht auf seine Meinung. Was aber nicht geht: In der Debatte um den Ärztemangel wirft jeder mit ir- gendwelchen Zahlen um sich – nur um die eigene Position zu untermau- ern. Und zwar in der Hoffnung, dass die Zahlen zitiert und wiederholt werden, bis alle sie glauben. Nach Auskunft von Hochschulstart.de (der Nachfolgeorganisation der ZVS) sind zum Beispiel deutlich weniger Medi- zinstudierende weiblich, als von Lü- cke behauptet. 62,6 Prozent derjeni- gen, die sich zum Wintersemester 2010/11 für Humanmedizin ein- schrieben, waren Frauen.
Männer sind die besseren Ärzte, denn nur sie sind voll einsatzfähig.
Wer eine gute Abiturnote hatte, wird meist kein Arzt, sondern geht in al- ternative Berufsfelder. Besonders die Ärzte mit gutem Abitur wollen nicht aufs Land ziehen. – Wer künftig so etwas behauptet, soll bitte auch ein- mal angeben, woher er das weiß.
Bitte mit
Quellenangabe
Kassenpa- tienten, die Sortis neh- men, müssen
die Differenz zum Festbetrag aus eigener Tasche zahlen.
Foto: vario-images