A 410 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 9|
2. März 2012MAMMOGRAPHIESCREENING
Mehr kleinere Tumoren entdeckt
Nach dem zweiten Evaluationsbericht weiß die Kooperationsgemeinschaft Mammographie: Das Programm verbessert die Früherkennung von Brustkrebs.
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utzen und Risiken von Mam- mographiescreening-Program- men werden seit Jahren interna - tional kontrovers diskutiert. Für die Kooperationsgemeinschaft Mam - mographie, die 2003 in gemein - samer Trägerschaft von den ge - setz lichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gegründet wurde, steht jedoch fest:Das deutsche Mammographie - screening-Programm zur besseren Früherkennung von Brustkrebs ist auf einem guten Weg.
Thorsten Kolterjahn, Vorsitzen- der des Beirats der Kooperations - gemeinschaft Mammographie, ver- wies anlässlich des Deutschen Krebskongresses auf den zweiten Evaluationsbericht der Kooperati- onsgemeinschaft, der die Jahre 2008 und 2009 beleuchtet. „An- hand von belastbaren Daten wird abermals aufgezeigt, dass die bis- lang für Früherkennungsmaßnah- men einzigartige Qualitätssiche- rung greift“, betonte er. Seit dem Start des Programms im Jahr 2005 hätten die Ärzte deutlich mehr klei- ne Tumoren ohne Lymphknotenbe- fall als früher entdeckt. Dabei habe
es sich bei 80 Prozent der entdeck- ten Krebsformen um invasive Kar- zinome gehandelt. Bei 75 Prozent von ihnen seien die Lymphknoten der Frauen, die erstmalig am Scree- ning teilnahmen, noch nicht befal- len gewesen.
„Wir gehen davon aus, dass wir Leben retten können“, erklärte Dr.
med. Karin Bock, Leiterin des Referenzzentrums Mam- mographie Südwest in Marburg. „30 Prozent aller in der Screening - erstuntersuchung ent- deckten invasiven Kar- zinome sind kleiner als zehn Millimeter. Bei bereits schon einmal gescreenten Frauen sind es sogar 35 Prozent.
Zum Vergleich: Vor dem Screening waren dies nur 14 Prozent.“ Die prognostisch ungünsti- geren größeren Tumo- ren (größer als zwei Zentimeter) hätten hin- gegen im Screening nur noch 23 Prozent (Erstuntersu- chung) sowie 19 Prozent (Folge - untersuchung) aller entdeckten in- vasiven Karzinome ausgemacht, während dies vor dem Screening noch etwa 40 Prozent waren.
Fundierte Aussagen, ob das Mammographiescreening tatsäch- lich die Mortalität an Brustkrebs senke, könnten jedoch erst in etwa zehn Jahren getroffen werden, räumte Bock ein. Denn in Deutsch- land bieten erst seit Ende 2009 flä- chendeckend 94 Screeningeinhei- ten die Mammographiescreening- Untersuchungen an, auf die jede Frau zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre einen gesetzlichen Anspruch hat. Möglich sei es je- doch unter Umständen auch schon früher, anhand von spezifischen In-
dikatoren wie Stadienverteilung oder Inzidenzrate für einige Tumo- ren (T2-Tumoren) bestimmte Ef- fekte festzustellen.
Kolterjahn verwies auf ein wei- teres Auswertungspotenzial des Be- richts: Erstmalig seien in ihm Er- gebnisse für Folgerunden zu finden, also für die wiederholte Untersu- chung von Frauen, die im Zwei - jahresintervall am Screening teil- nehmen. Auch für sie würden die Vorgaben für die Leistungsparame- ter, die in den Europäischen Leit - linien für Qualitätssicherung fest- gelegt sind, erfüllt und bestätigten die erwartete Entwicklung des Pro- gramms hin zu einer höheren Ent- deckungsrate.
Ein Manko ist nach Ansicht der Kooperationsgemeinschaft aller- dings noch die relativ geringe Teil- nahmerate: Bisher nimmt nämlich lediglich etwa die Hälfte der ange- schriebenen Frauen die Einladung zum Screening wahr. Auffällig ist der hohe Zuspruch in Ostdeutsch- land. Hier wird die für das Scree- ning eigentlich geforderte Teilnah- merate von mindestens 70 Prozent erreicht. Kolterjahn hofft jedoch, dass sich künftig noch mehr Frauen vom Sinn der Untersuchung über- zeugen lassen.
Die Gefahren der Überdiagnos- tik und Übertherapie seien keine stichhaltigen Argumente für eine Kritik am Screening, erklärte Dr.
med. Wolfgang Aubke, stellvertre- tender Vorsitzender des Beirats der Ko opera tionsgemeinschaft Mam- mographie. Früherkennungspro - gram me könnten – auch wenn sie qualitätsgesichert seien – nie frei von Übertherapie sein. Dazu be - stehe noch Informationsbedarf in Deutschland. Über den Evaluations- bericht soll nun der Gemein same Bundesausschuss beraten.
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Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Brustkrebs ent-
deckt wird bei der Erstuntersuchung des Screenings bei acht von tausend Frauen.
Foto: dpa