Palmyrenisches Relief mit Inschrift.
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Palmyrenisches Reliof mit Inschrift.
Von Vr. 0. Blau.
Hierzu eine lithographirte Tafel.
Es verlautet, dass in den letzten Jahren, seit der Veröffent¬
lichung des Gr. VogüS'schen Werkes „Syrie Centrale" Paris 1869, viele neuentdeckte Antiquitäten aus P a 1 m y r a , namentlich Tesseren
und Sculpturen, in die Hände von Reisenden gelangt sind und
ihren Weg theils nach Constantinopel, theils nach Petersburg ge¬
nommen haben.
Durch meine Verbindungen mit einem ehemaligen russischen
Consul in der Türkei erhielt ich in diesen Tagen die photographische
.Abbildung eines interessanten Denkmals aus Palmyra, welche ein
russischer Reisender, Hr. Staatsratb Koschewnikoff, an Ort und
Stelle hatte anfertigen lassen, behufs seiner Erklärung zugeschickt.
Nach dieser Photographie ist anliegende Zeichnung gemacht.
Das Relief stellt zwei Personen in ganzer Figur dar, eine
davon, wie es nach deu etwas runderen Formen und dem Schmuck
an Arm- und Halsspangen scheint, weiblich , die andere kleinere,
links vom Beschauer, männlich. Die äusseren Hände sind vorn
auf die Brust gelegt, die innern, in einander geschlungen, halten
eine Traube.
Die Einzelnheiten und Feinheiten der Gewandung treten anf
der Photographie noch deutlicher hervor. Nach unseren Gesetzen
der Perspektive erscheinen beide Figuren etwas zu kurz und plump,
aber für das Studium der palmyrenischen Kunst im ersten Jahr¬
hundert unserer Zeitrechnung und als Bestätigung der bereits ander¬
weit bekannten palmyrenischen Sitte des Portraitirens ausgezeichneter
Personen in Statuen oder Relieftafeln liefert unser Stück ein
höchst beachtenswerthes Material.
Deutlicher als auf der Photographie ist dagegen die Inschrift
in meiner Zeichnung. Vermittelst starker Vergrösserung und Repro¬
duktion unter verschiedener Beleuchtung habe ich die einzelnen
Buchstaben viel schärfer zu fixiren vermocht, als die Vorlage sie
durchschnittlich bot.
74 Blau, Palmyrenisches Relief mit Inschrift.
Die Inschrift ist zweitheilig. Fünf Zeilen stehen zwischen den
Köpfen der Figuren in vertieftem Felde , schlecht erhalten und nur
mit Hülfe der zweiten Inschrift zu entziffern. Diese steht in
drittehalb Langzeilen zu Füssen der Figuren auf dem Rand des
Steines, und ist so vollkommen gut erhalten, dass kaum über ein
Zeichen Zweifel bestehen bleiben.
Die obere Inschrift lantet:
[ii N'a]bs Njrbya NIBibSI 13
13101
„Bilder der Baalat-Gä und des Illaischä Kinder
des Buna Sohnes des Jaschubi."
Die Unterschrift:
lollin ibt« Nittbs ly^iill ri5ii) pas nm
13 13IB1 13 N313 133 N3nbS31 N\»ib3> 1I
<? b3n pin 13 i-iaba
„Im Monat Kanun des Jahres 406 (Sei. d.i. 04 Chr.).
Diese zwei Bilder sind diejenigen des Illaischä und
der Baalatgä Kinder des Buna Sohnes des Jaschubi
Sohnes des Belsazar Sohnes des Hairau. Hav61!"
In ähnlicher Weise ist die Inschrift einer Grabnische in
Wadilkebour (Vogüe No. 70) abgefasst, die ebenfalls das Datum
und die Namen der dargestellten Personen angibt. Vorangestellt,
wie in unserer Inschrift, ist die Monats- und Jahres-Angabe in
Vog. No. 33 a und b, und 36 b, ebenfalls Doppelinschriften, die
sich auf eine und dieselbe Darstellung beziehen, und zu den
älteren — sie sind aus den Jahren 351 und 394 Sei. = 40 u. 83
n. Chr. — gehören. Der Monat Kanün ist als palmyrenisch
schon aus Vogüe 63, 64 und 70 bekannt, wo die griech. Beischrift
ihn dem Jüog = November gleichsetzt.
Die drei letzten Worte der ersten Zeile der Unterschrift
pinn "ibN Ninbjt kehren in derselben Verbindung Vog. 1, Z. 1
wieder, nur hier mit defektiver Schreibung des Pronominalsuffixes
Ifl —, dort pn —.
NOiba' ein Compositum wie NUjnbs und Nia73in ist n. pr. masc.
Im zweiten Theil aller dieser Namen ist nicht Wzl. nib: zu suchen,
wie Vogüe zu No. 34 u. 70 wollte, da uamentlich nach !ibN eine
Assimilation des Nun nicht denkbar ist, sondern Wzl. Niia arab.
*
voluit, vgl. xUlLii^^.,!. Den ersten Theil solcher Compo¬
sita bilden Götternamen, nbN, oin •); bier -by chald. iVy, oder
arab. ^Lc „der Höchste".
1) Doch lasse ich dahingestellt, ob Qin wirklich, wie Levy wollte, Gottesname ist, oder einfach AppeUativum = lay, wie Nöldeke will (Z. D. M. G. XXIV, 89).
Blau , palmyrenisches Relief mü Inschriß. Ib
Nanbsa kann nur weiblicher Eigenname sein, zusammen¬
gesetzt aus nbya „domina" und dem anderweit bereits in Eigen¬
namen nabatäischen Gebietes gefundenen Gottesnamen NJ; s. Leoy
in Z. D. M. G. XXIII, 320 und 653. Gildemeister's ebenda S. 152
ausgesprochene Bedenken gegen die Existenz einer solchen Gottheit
hebt wohl das cyprische Favag = "ASwvig, unter welchem Namen
er auch in Byblus verehrt wurde. S. Movers Phönizier in Ersch
und Gruber's Encycl. p. 389. Aehnlich gebildet ist NJnm n. pr.
fem. auf einer Gemme {Levy Siegel u. Gemmen T. III, 3.), und
vielleicht Palmyr. Vog. 51, Z. 1.
NSia = hebr. njia n. pr. m. 1 Chron. 2, 25. — mai spreche
ich lairi, wie 4 Mos. 26, 24. So hiess ein Geschlecht vom Stamme
Issaschar ; und da die meisten palmyrenischen Namen in i — gen-
tilicia sind und jüdische Familien in grosser Zahl Palmyra be¬
wohnten, so ist ein direkter Zusammenhang mit diesem jüdischeti
Geschlecht möglich, wenn auch nicht nothwendig. Auch die Sage,
dass die Königin Zenobia jüdischen Ursprungs gewesen sei (Athanas.
epist. bei Overdick Z. D. M. G. XVIII, 745), gewinnt nach dem, was
ich in Z. D. M. G. XXVII, 351 ff. über die Identität des gileaditischen
Geschlechtes lyninus mit den Sameida' des Hauran und ihrer Nach¬
kommenschaft in Palmyra ausgeführt habe, an Wahrscheinlichkeit.
"iSiaba lese ich den Namen zu Anfang der dritten Zeile, in
Erinnerung an nsNiaba des Buches Daniel. Ganz sicher bin ich
indess meiner Sache nicht: was hinter dem a folgt, ist in der
Photographie so verschwommen und vielleicht schon durch einen
Schaden am Stein so verwischt, dass das Tsade meiner Lesung
ebensogut ein anderer Buchstabe sein kann. In der Kopfinschrift
endigt die Ahnenreihe mit lauji, so dass eine weitere Controle
nicht möglich ist.
Der letzte Name i^in ist unzweifelhaft deutlich und aus
palmyrenischen Denkmälern mit der griechischen Beischrift Ai()ctv7]g
hinlänglich bekannt. Die vage Etymologie von nin „nobilis" ge¬
nügt mir nicht. In der Form kommt er bereits bei den
o - ältesten Arabern vor, im Stamme Hamdan (Qamus\ s. v. ,.,t-c>i. j
^.^\iX4.S> ^ v_sj-j JJj). Unsere Belegstelle ist für das Alter und die Verbreitung des Namens interessant, da sich leicht berechnen lässt,
dass die fünfte Generation aufwärts von dem Datum unseres Steines
um die Mitte des letzten Jahrhunderts vor Christo fällt.
ban. Das gleiche Schlusswort fand Levy ^) auf der Inschrift
des Lonvre Z. 3, und Vogüe am Schluss mehrerer Grabschriften
No. 61, b, c; zweifelnd auch mitten im Text einmal No. 62,
Z. 1. Letzterer nimmt es schlechthin als* Adjektivum in der Be-
1; S. Z. D. M. G. XV, 621 ff. (und XII, 217) und die bessere Lesung bei Vogüi not. ad No. 18, wonach statt pbn sicher ObS zu lesen.
76 Blau , palmj/reniaehes Relief mit Inaihrift.
dentung trepasse, mort. Levy vergleicht aber mit grösserem
Recht den Gehrauch desselben Wortes im Aramäischen als Inter¬
jection des Schmerzes; unser Text gestattet weuigstens nicht,
es als Adjektiv in die sonst erforderliche Verbindung mit 15a
zu setzen. Es wird sich wohl bei vermehrtem Material heraus¬
stellen, dass es bloss, wie latein. Have, der Ausdruck wehmüthigen
Schmerzes als Nachruf an den Dahingeschiedenen war.
Hier gilt er dem Geschwisterpaar Baalatgä und Illaischä
(Alischä). In der oberen Inschrift ist die Schwester vor dem Bruder
genannt, in der unteren ist die Reihenfolge umgekehrt. Aus welchem
Grunde, ist nicht ersichtlich. Nach Analogien anderer palmyrenischer
Inschriften können wir sehliessen, dass die überlebenden Eltern
oder Verwandten die Urheber des Denkmals gewesen sind.
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Beiträge zur Erklärung; des Avesta.
Von U. Uftbsclimanii.
n.
(Vgl. Bd. X.XVI, S. 453- 4G0.)
Ehe ich darauf eingehe, einige Stellen des Avesta zu besprechen,
scheint es mir nöthig meine Art das Avesta zu erklären, gegen die
Ausstellungen welche Herr Professor Spiegel im letzten Heft des
vorigen Bandes dieser Zeitschrift an derselben, wiewohl in ent¬
gegenkommender Weise, gemacht hat, zu vertheidigen. Spiegel
unterscheidet zwischen zwei Richtungen, der historisch-philologischen, der er allein angehören will, und der sprachvergleichend-philologischen, der unter Anderen auch ich angehören soll. Ich will nicht untersuchen,
ob diese Unterscheidung treffend ist, ob man die Richtungen, die
sich innerhalb der Zendphilologie gegenüberstehen, nicht besser anders
cbarakterisiren sollte: nur den Gegensatz, der zwischen Spiegel und
mir besteht, resp. bestehen soll, will ich hier ins Auge fassen.
Die beiden Grundsätze , die nach Spiegel so massgebend sind,
dass a) die Sprachwissenschaft eine historische Wissenschaft ist,
b) der Avestaphilolog „wie jeder Historiker, seinen Quellen folgen
muss, so lange es angeht und so lange er keine Gründe hat, ab¬
zuweichen", diese billige ich vollkommen, und in den Hauptpunkten
besteht sonach kein Gegensatz zwischen uns. Und ich habe es ja
aüch deutlich genug ausgesprochen, dass ich die Sprachwissenschaft nicht über-, die Tradition nicht unterschätzt wissen will. Die trotz¬
dem bestehenden Differenzen sollen ihren Grund besonders in der
verschiedenen Auffassung von dem Verhältniss der Uebersetzung
zum Texte haben. Aber die in dieser Frage von mir entwickelte
Ansicht war es ja eben, die mich uöthigte, au eine direkte Ueber¬
lieferung zu glaubeu und in Folge dessen der Tradition einen im
Ganzen hohen Werth beizumessen. Und meine „Avestastudien"
sollten in ihrem ersten Theile dieselbe gegen Jtolh vertheidigen.
Ob eine Andeutung da ist, dass nach Alexander die zoroastrische
Religion verfiel uud keineswegs in gewohnter Weise fortbestand?
Gewiss, in eben der Tradition, die Spiegel sonst so hoch hält:
Arda-Viraf, ed. llaug, p. 4—5 (§ 13: vu dastuöur i dinu-ukus