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Die Maltesische Mundart.
Von Dr. C. Sandreczki.
Die kleine Inselgruppe „Malta, Com ino, Gozzo" gehört
ihrer Lage nach zu Europa; allein der Sprache ihrer Bewohner
nach , versteht sich der Eingeborenen und besonders des unvermisch-
teren Landvolkes, können die Länder, welche das mittelländische
Meer im Süden und äussersten Osten umspannen, sie weit eher in
Anspruch nehmen als wir. —
Pböniker — ob als erste Ansiedler ueben Ureinwohnern
(etwa Ludim) oder überhaupt als erste Bevölkerer: das entzieht
sich geschichtlicher Forschung —; Griechen; das pbönikiscbe
Pflanzvolk der Kar thager mit den ihm unterworfenen afrikaniscben
Stämmen; Römer; Vandalen; Ostgotben; Neu- oder Ost¬
römer (byzantinische Griechen); Araber als Eroberer der afri¬
kanischen Nordküsten und zeitweilige Herren Siciliens; Normannen,
deren Besieger; die Erben dieser aus dem deutschen Reiche
bis herab auf den unglücklichen Konradin; Franzosen unter
dem tückischen Kar! von Anjou; Spanier aus Aragonien
und Kastilien als Erben der Waiblinger bis auf Karl V.,
der die Inseln dem Orden der Ritter von St. Johannes von
Jerusalem am 23. März 1530 abtrat; von da an diese Vertreter
fast aller Völker des europäischen Festlandes; dann wieder auf
kurze Zeit Franzosen unter dem ersten Napoleon; endlich
vom Anfange unseres Jahrhunderts an das seemächtige England:
diese alle kämpften um die kleine Inselwelt wie um eine Vorhut
ihrer Macht oder um einen Schlüssel zur Ausdehnung derselben.
Dass die Bewohner unserer Inseln unter allen diesen über
Jahrtausende sich erstreckenden Wechseln einer Art fortwährender
Völkerwanderung ein Mischvolk werden mussten, versteht sicli von
selbst; allein ich glaube, dass alles Fremdartige, was zeitweise da
ein mebr oder minder deutliches Gepräge zurückgelassen haben
mag, mehr an den Bewohnern der paar Städte, als am Landvolkc
haftete, und sogar bei jenen nie Merkmale znm Ansdrucke brachte',
die, selbst in Bezug auf die Sprache, als ein Aufgeben des
Eigen- oder Volksthümlichen (Nationalen) einem über¬
wiegenden fremden Einflüsse gegenüber gedeutet werden könnten.
Sogar der starke Verkehr mit dem naben Italien (Sicilien)
wirkte, was die Sprache betrifft, vielmehr ausfüllend oder ergänzend,
als etwa zersetzend. Bei dem Laudvolke aber treten uns ausser
der Sprache auch in manchen Sitten oder Gebräuchen Erscheinungen
entgegen, die ein fast verwandtschaftliches Verhältniss zu dem
fernen Osten bekunden, während das zu den italischen Nachbareu
oder überhaupt zum europäischen Süden uud Westen Bestehende
mehr als ein geistliches, d. h. auf die Religion gegründetes
gelten kanu. —
Ziehen wir nun die Sprache oder Mundart der Malteser als
das hervorragendst Eigenthümliche in Betrachtung, so werden wir
dieselbe unbedingt eine arabische, freilich sehr verdorbene,
nennen dürfen oder müssen. Absonderlich rein wird sie wobl nie
gewesen sein; das Auffallende aber ist, dass sie sich überhaupt er¬
halten hat; denn mit dem Ende der arabischen Herrschaft (von
879 bis etwa 1090 n. Chr.) auf den Inseln und nach deren An¬
schluss an den Süden Italiens hörte der Verkehr mit den bisherigen
Beherrschern gänzlich anf, trat deren Sprache insofem völlig in den
Hintergrund, als sie nicht länger die Fundgrube oder Quelle bildete,
aus welcber die Bewohner für den Verkehr mit den neuen Herren
das Mangelnde ersetzen oder Neues schöpfen konnten. Von nun
an mussten sie zum Sprachschätze ihrer europäischen Nachbaren,
und zwar der nächsten und schon durch das religiöse Verhältniss
einflussreichsten, ibre Zuflucht nehmeu, besonders die Städter. Das
aber ist der Weg, auf welchem eiue Mundart allmählig zum Aus¬
sterben fortmckt.
Die Erhaltung der maltesischen Mnndart lässt sich also nur
daraus erklären, dass sie eben einer ziemlich abgelegeneu und haupt¬
sächlich doch auf sich selbst angewiesenen Inselgruppe angehörte;
denn nur auf wirklicben oder sogenannten Gebirgsinseln , d. h. in
abgeschlossenen Gebirgsgegenden, treten solche Ausnahmen ein.
Ein Kenner der arabischen Sprache wird diese sofort als den
Kern der maltesischen Mundart erkennen, ja sich überzeugen, dass
dieselbe , obwohl sie sich aus Grüuden , die wir in der Geschichte
Malta's findeu, nie zur Schriftsprache aufschwang oder aufschwingen
konnte, dennoch fähig wäre, zur alten Muttersprache ebenso wieder
zurückzukehren, wie die Mundarten Syriens und Palästina's sich
jetzt durcb gmndliche Schulbildung derselben als Kinder zur Seite
stellen, deren die Mutter sich nicht im Geringsten mehr zn schämen
brancht. Die Neuhellenen dürften sich glücklich sebätzen, wenn
sie ibr Rom äi scb der Quelle, der es allerdings entstammt, je
wieder so nahe bringen könnten. Ist es auch jetzt von vielem
Sandreczki, die Maltesische Mundart. 725
Schlamme befreit, so kann es doch, gerade weil es längst Schrift¬
sprache geworden, nicht mehr den ganzen alten Reichthnm, die
ganze alte Kraft und Schönheit in sich herüberleiten, wie auch
Holländer und Fläminger nicht mehr zu einem reinen Deutsch
zurückkehren können.
Bemerkenswerth ist auch, dass die Malteser, deren immer eine
grosse Zahl in Beirut, Alexandrien u. s. w. sich aufhält, ohne be¬
sondere Schwierigkeit die dort herrschenden reineren Mundarten
sich aneignen, wie ich aus eigener Erfahrung weiss.
Zur Begründung meiner Ansicht oder zu deren Erläuterung
wenigstens, füge ich nun in erster Reihe ein Volkslied bei, das ich
in einer Beschreibung Malta's von dem Engländer George Percy
Badger*) gefunden und das zugleicb ein Sittenbild ist, aus dem wir
eutnehmen können, wie man in Malta Ehebündnisse ebenfalls nocb
auf eine Weise einleitet, die an (Jeu Osten erinnert. Sicherlich ist
das auch die unverfälschteste Quelle für die Kenntniss einer
Mundart.
Ich behalte die vou dem Engländer für die schriftliche Auf¬
zeichnung gewählte englische Rechtschreibung bei*), stelle diesem
Texte meine arabische Umschreibung zur Seite, füge die nöthigen
Bemerkungen an und lasse dann noch eine wortgetreue Uebersetzung
folgen.
Vier Personen treten in unserem Volksliede anf: Ein junger
Mann, der sich um die Geliebte bewirbt; die Gottäba') (Ehever¬
mittlerin); die Mutter der Ersehnten, und endlich diese selbst.
1) Tridu ta'fu shbeiba sh' taghmel Min fil ghodu sa fil ghashia?
Taghmel il bocli f räsha;
U tokgbodlok fil gallaria.
J««JtJ yäl 'iAjii Öj*-' <Xj^'
54ä*J! ( j) J\ liX^W (i) y*
t . )
L^lj S Jw^JÜ
C/ i
(Oitj^) »_s^_iJ! S i
1) Description of Malta und 607.0. Malta, 1S38.
2) Für ^ hat er sonderbarer Weise als Zeichen gh gewühlt. Nun die
Franzosen und auch andere haben ja aus dem ^ ein r herausgehört (Razia — H)*^)-
3) äjLL^-; der ra\ihe Kehlhauch des seheint dem Malteser abhandeu gekommen zu seiu.
In shheiba erkennen wir die Diminntivform x-l^li, von - E
Das sh' ist das vulgäre ^ L5' — Die SocZz werden
wir wohl von les boucles herzuleiten haben. Für boucle (Schnalle)
findet sich das vulgärarabische äl^j , pl. ^ . Unter dem gallaria
(galleria) haben wir hier einen Vorplatz, eine Veranda oder einen
Söller zu verstehen. Das sa vor fil könnte aus sino entstanden
sein, und das kk an tokghod für ^ stehen.
2) Tokgbodlok fil gallaria,
Tibda taghmel in namoor.
Meta tara l'ommha geyya,
Tibda tkoffu il m^toor.
g, Ä.iA *. i) IcX. 1.;, J
L> L-^l jiA
y5\it v_a_jLj
In namoor: das in ist nicht etwa das ital. Vorwort in son¬
dern der Artikel J| ; wir müssen dieses „Liebe machen" 'durch
liebäugeln (kokettiren), gji und V., ausdrücken. Woher das Wort
maktoor, kann ich mir nicht erklären; ich setze dafür das vulgäre
»-»'-s^ "
Ii •
3) II ginvni yibda tiela u niezel, Halli yara hem shi shieha.
Yibda tiela min fuk s' isfel,
Ghash mairi dsb yibka bir rieha.
ijJ^, y jJLkj ttX-o OlUI
ul^ (jL^)
yA Lh
■^V^ ^ (oO ^
ÖiWm = giovine. Tiela und »ueac/ glaube ich als nomina
Verb, betrachten zu müssen. Mairi dsh: das sh ist, wie im
1) Die Form VU:?. .biLa^) kommt »och näher dem geyy«.
5 1
Sandreczki, die Maltesische Mundart. 1^1
Vulgärarabischen, das der Negation beigefügte (jä = , Ghash,
wofür ich auch in einem Schullesebuche älysh gefunden, scheint aus
^ ^ und lA oder — (ü' ^J^^^t^nden zu
sein, wie man ja auch U für weil sagt. Yibka bir rieha
(vulg. »_:s\j!jJLj) : Diese Redensart „mit dem Gerüche bleiben"
bedeutet „sich nur mit dem Gerüche begnügen", d. h. eine Sache nur halb ausführen.
4) Intaka ma nanna shieha;
Kalha: mara tridsh takdini?
Flusi ma nibzash ghalihom, Basta taghraf is servini.
{^) ^y^t
0 y - fic/
ur^" (d') ^
' . ^ ■*
l^xlr »uX 1-^ ^ ^^^AM^
(oO «^^^ (oO Lf^
Intaka ma : Das ^ mit ^^ääJI ist in einer Mundart erklärlich
und verzeihlich. Nanna (Ital. nonna) shieha: ist eigentlich eine
alte Grossmutter, wofür ich eben eine „alte Frau" setze. Zu tridsh
müssen wir uns ma hinzudenken (willst du nicht? Vgl. 3. Zeile 4).
, c.£
Takdini: Mein j^J^! (helfen) ist wobl zu künstlich; vielleicht
steht es für |.je> . Flusi u. s. w. bedeutet „an meinem Gelde liegt
mir nichts" „^b tj^ 0*-^^^" «»'issten wir in gewählter
Sprache sagen. Basta: Im Vulgärarabischen entspricht diesem
. 7s servini: könnte man eine klassische Corruption nennen —
j^U iil^ll.
5) Sinyura, donni nafek;
Kunt chkeikuna tokghod hdeyya;
Kem erfaitek, kem habbeitek,
Kem gbazziztek geu ideyya!
w - m
t4^j_c! vü«^ (u)
u.*_Ä_>- (q_j)lXjü»j
j & a >
y .1. i -> frS a^.-.jLi».ij
(^lA-J Ci. — iiS-jj^-c
üinyura = Signora. Nafek: das n, welclies in der Mal¬
tesischen Mnndart zur Bildung der 1. Pers. der Einzahl gebräuch¬
lich erscheint, wird aus üt herzuleiten sein. — Ohkeihuna: (sehr
klein) ist mir bis jetzt nocb ein Räthsel. Es erinnert an das
englische chicken, das ja auch für eiu kleines Kind gebraucht wird
Hdeyya : das h ist mir ebenfalls unerklärlich, was seine Ableitunc
betrifft. Oea = gvii statt sotto.
6) Sinyura, donni nafek;
Yidirli ghandek shbeibiet,
Ghash kunt ghad eyya min bära,
Yidirli raitha bdei il bieb.
«5^_^! (L)
oLmu..;)^ u^^iAäc ^ j I hj
8,iJ. yA L. juc (&]§)
jcS- k_jLJ! iXic
Nach dem ghash musste j:^ oder L> OJ^ eingeschoben werden.
Ebenso bedarf das bära des Actikels.
7) Sinyura, ghaidli sh' ghandek;
Kem narak malinconata!
Ara sh' kain fuk binti?
Illi gia binti namorata.
ii6oJa j-ä ^ ^Jl^uJ^\ \s:^ (L)
i_Ljp> ^
J^. d^^y'^y^ (cri)^;*i"
(vulg. .^y) ^ ^ ^
Ohatdli: Ich erkläre es durch oL* (IV.) (wiederholen).
Malinconata = malinconica. Ara: bedentet so viel als „weisst
du nicht?" Aber woher es komme, weiss ich nicht, ich wollte es
denn kühnlich für eine sehr kühne Zusammeuziehung aus v^o! L4
- - o , iE
■*3^lc (vi>_»J) ansehen. lUi: für Ljil. Fuk: ö>s.
8) Iskot, Sinyura, iskot,
Ilsna ta nies tghid wisk shorti;
Dika bintek tifla taiba.
Min yibodha ikollu shorti.
Sandreczki, die Mnltexische Mundart. 729
L>
, o S^^^XawI i;i\^ ^^^^jc^Awt
. - ' J - t-E
».^v^ eL *— i! iXjjij (jwLül Ä..L»*J!
& «_!; b K_J._a_ip t<^_Ä_Ä_! »v3^
^Olj _ )
eI—a— il! iJ>-iL-H L^Js—i-Lj
I'a : Da mir keine Sprachlehre der Maltesischen Mundart zur
Hand ist, so kann ich nur auf einige mit lateinischer Schrift gedruckte
Schullesebücher (von denen weiter unten) gestützt sagen, dass dieses
ta den Genitiv bezeichnet. Ich gebe demselben italienischen Ur¬
sprung. Wisk : steht für „viel", das auch durch bosta ausgedrückt
wird. Sollte es von Uu«, (Ladung) herzuleiten sein? Shorti:
bedeutet „Dinge" und wäre also eine starke Verkehrung des t
oE
oder Dika: kommt nicht nur im Vulgärarabischen vor,
sondern wir finden ja auch im Reinen die Form ii5Lö für . —
IkoUu: Ungeaebtet des Doppel-Z stehe ich nicht an für dieses
5 -
Wort JJ'Li in der Bedeutung „gewinnen" zu setzen. Das zweite l
scheint durch das Versmass bedingt.
9) Inzel, binti, inzel ! Hanna nanna trid tarak;
Tinsab mara antica, Iii b'kliemha tikkonsolak.
Jr^^ ^ Jr^l
, ^ y
iXj^i' {»'-jy^^c. LiS>
S^O -
^«-A ' ^■«'r-' ^
(l^ji'} 'u^jUKj Ji^\
Nanna, v. 4, Z. 1. Tinsab: vielleicht von in der
Bedeutung „stehen". Auch iu der Bedeutung „es giebt" (yinsabu,
es sind) ist es mir vorgekommen. Uebrigens gebraucht auch der
Malteser^ u. s. w. für „er ist" u. s. w. Antica: Der Malteser
bält gewiss das ital. antico für das arabische oi^, wesswegen
ich auch Kä^JCc gebrauchte. B'kliemha: Diesem Plural entspricht
<j ,
am meisten der Plural Tikkonsolak: Fremdworte musste der
Malteser anfnehmen; aber diose mussten sich doch eine arabische
BJ XXX. 48
S 1 *
Ein- oder Umkleidung gefallen lassen. Vielleicht ist consolare hier in der Bedeutung „erfreuen" {^) zu nehmen.
10) Risposta yiena gibt lek, Ohra fees yiena irrid;
Bagbatni il m ahbub takalbek, Li bi 'Ipiena yinsab marid.
ä - , , ' "
t_A_S. ^^^-^
^ ■ ,
'r^^
o o
u5L»Jt_s ".-Jyt^
<J^y oß' l^"^'
Risposta: also eigentlich ^\y=>-, was im Munde der Ver¬
mittlerin auch richtig ist, da sie voraussetzt, dass die Schöne durch
Augenspiel gleichsam doch schon eine Frage an den Bewerber
gestellt hat. Es erinnert das an die Bibelspracbe. Ohra: ^'^A ^
also mit Bezug auf risposta die richtige weibliche Form, nnr mit
milderem Kehllaute. Gibt: ganz wie auch im Vulgärarabischen, aus
v_j eutstanden. Ebenso dem Vulgären entsprechend ist Mc
(sprich lik, uud weiter unten Kalbik) indem das Kesreh des dschezmir-
teu vor dieses zurückgezogen wird. Fees nnd yiena: sind mir beide
unerklärlich. Yiena scheint „schnell" zn bedeuten*). Piena = pena.
11) Risposta inti gibt Ii ;
Ohra fees ma natiksb :
Dana il ginvni ommi t'afn, ,
B'zeugi niehdu ma tridu ish. j
J c:4~" <r^ IWW) ]
O> ? ' ■— ]
(^Ji^) «JwJajü L/o L-jl_j^^ ^sA
o -i i
*_9j_*_J ^yoi oLiJ!
{j,) ^Os/ L« ;j^T(o!) (^ij)
Hiezu ist nichts weiter zu bemerken und so lasse ich die
Uebersetzung folgen:
1) Willst du wissen, was ein Mädchen thut
Vom Morgen bis zum Abende?
Sie macht die Locken anf ihrera Kopfe
Und setzt sich nieder anf dem Söller.
l l Ich habe während der Correctur gefunden, dass yiena = Lil (ich) ist
5 1 *
Sanilreczhi, di« Maltfisijiche Mundart.
2) Sie setzt sich nieder auf dem Söller, Fängt an zu liebäugeln.
Wann sie ihre Mutter kommen sieht,
Fängt sie an das Tuch zu säumen.
3) Der Jüngling fängt an auf und ab zu geben,
Dass er sebe, ob die Alte da.
Er föngt an von oben bis nach unten zu gehen.
Da er nicht bleiben will mit dem Gerüche (nur).
4) Er begegnete einer alten Frau (Grossmutter);
Sagte ihr: „Frau, willst du mir helfen?
An meinem Gelde liegt mir wenig.
So du nur verstehst mir zu dienen."
f)) (Die Vermittlerin zur Mutter:) „Dame, ich meiue, ich kenne dich;
Du wohntest (als) ganz jung mir nahe.
Wie viel hob icb dich, wie viel liebt' ich dich.
Wie viel liebkoste ich dich in meinen Armen (Händen)!"
Ü) „Dame, ich meine, ich kenne dich,
Mir scheint, du habest Mädchen (Töchter);
Da ich vorüber ging durch (von der) die Strasse (das Viertel),
Scheint mir sah ich sie (eine) an der Thüre."
7) „Dame, sag mir, was hast du?
Wie sebr sehe ich dich trübsinnig!"
(Die Mutter:) „Weisst du, was sie über meine Tochter sagten?
— Dass meine Tochter verliebt ist!"
Ol
8) (Die Vermittlerin :) „Still, Dame, still !
Die Zungen der Leute sagen viele Dinge;
Deine Tocbter ist ein gutes Kind,
Wer sie nimmt, gewinnt viel."
9) (Mutter:) „Komm herab, meine Tochter, komm herab!
Hier ist eine Alte, will dich sehen.
Sie ist ein sehr altes Weib
Und will mit ihren Worten dich trösten."
10) (Die Vermittlerin:) „Eine Botschaft brachte ich dir.
Eine andere wünsche ich eilig zurück.
Mich schickte der Geliebte deines Herzens,
Der vom Schmerze krank ist."
U) (Die Tochter:) „Eine Kunde brachtest du mir;
Eine andere eilig gebe ich nicht,
Dieseu Jüngling kennt meine Mutter,
Zu meinem Gatten dass ich ihn nehme, will sie nicht."
48*
Ich füge nun noch ein anderes gar liebliches Lied bei, bei
dem ich mich aber kürzer fassen werde.
1) Ja hanina', seyr* insiefer";
Ja basra* ma niehdoksh' mighi*'.
Lilek Alla yatik es sabar',
U izommok» fl'imhabba» tighi »<".*)
Geliebte, ich bin daran zu reisen:
0 Schmerz, dass ich dich nicht mit mir nebme!
Möge Gott dir die Geduld geben
Und dich bewahren in meiner Liebe (in der Liebe zu mir).
. -i
1. Von ^5» herzuleiten. 2. • 3. j^L*«! . 4. !j,A>o>- Lj, o
b. iXs>\ . 6. ^j*^- 7. 8- Vielleicht von ^.j .
9. äÄs^". 10. ^^L£«. Vulg. Uebrigen.s schon in Taus, und -o^
E. Nacht. — Das lilek vielleicht = «5»^^*^.
Sandreczki, die Maltesische Mundart.
733
2) Izommok ü'imhabba tighi,
Biesb' deyyem* tiftakar' fiyya*.
Iftakar li yien* babbeitek, Mindu* kont chkeiken tarbiyya'.
Er bewahre dich in meiner Liebe,
Dass du iramer an mich denkest.
Denke, dass ich dich immer liebte,
Seit ich ein kleines Kindchen war.
^ ■' ' OS
1. . 2. U-Jb . 3. jXäs! . 4. i5 . 5. Vgl. erstes Lied,
l > u ,
10) Anm. zu yiena. 6. i\-u6 . 7. xaJ _j in der Bedeutung
„Pflegling, Kind".
3) Mindu kont chkeiken tarbiyya, Kalbi kolha* ingibdet* leik';
Bl'ebda* daul* ma nista* nimshi', Gha'ir bid daul ta sbieb^ ghaineik.
Seit ich ein kleines Kindchen war:
Wurde mein Herz ganz zu dir gezogen;
In einem anderen Lichte kaun ich nicht wandeln.
Als im Lichte deiner schönen Augen.
1. 'ii^ . 2. V_JiX>Ul. 3. ö5vJ!. 4. Mir unerklärlich.
o ' »
5. 'iyio , 6. g n »!. 7. j^^*^ . 8. Könnte von ^'-t*^
(schön sein) liergeleitet werdeu (X.SuLus) .
4) Bid daul ta sbieh ghaineik:
Yien meshsheit' il passi* tighi;
Hanina seyr insiefer.
Ja hasra raa niebdoksh mighi.
Im Lichte deiner schönen Augeu:
Liess ich immer meine Schritte wandeln;
Geliebte, ich bin daran zu reisen, —
O Scbmerz, dass ich dich nicht mit mir nehme.
1. ^j'^. 2. 'ijh^.
5) Meta niftakar li yiena seyyer', Dad dulur* sh'yigini' kbii^;
•^K'alla irid, o Hanina!
Ghäd^ tgaudini' u ingaudik*.
Wenn ich denke an meine baldige Reise,
Kommt ein grosser Schmerz über mich:
So Gott will, 0 Geliebte,
Hast du Freude an mir und ich an dir!
1. jjl*» (dass ich abreise). 2. dolore. 3. ^^JJo?. .
4. -KjS. 5. K'. Ableitung mir ungewiss; lledeutung aus dem 'j" '
Nachsatze entnommen. 6. lXju? 7. 8. godere, in 7 causativ, 1 -oS
in 8 intransitiv, also fiir y^J^'f^ und ^! .
Mir scheint, dass selbst dieses Wenige einem, der die Malte¬
sische Mundart auf Regeln zurückführen wollte, den Beweis liefert,
dass er dieselben nicbt bilden könnte, ohne znr Grammatik des
Reinarabischen seine Zuflucht zu nehmen. Die vorliegenden Formen
des Zeitwortes, zum Beispiele, scbliessen sich in auffallender
Weise denen der alten Sprache noch an. So wird es denn
auch nicht befremden, wenn ich sage, dass in den dreissiger
Jahren einige Privatpersonen, Mitglieder einer englischen Missions¬
gesellschaft, darunter auch der deutsche Prediger Schlienz, sich
bemühten, in die Volksschule statt der den Kindern völlig fremden
italienischen Sprache allmählig die reine arabische als Unterrichts¬
sprache einzuführen, da sowohl deren Erlernen den Kindern leichter
fallen, als auch das Lernen dnrch dieselbe erspriesslicher sein
würde. Allein sie fanden von Seite der Regierung keine Unter¬
stützung und jetzt, so viel ich weiss, steht die Sache wieder ganz
still, da die Mission dort aufgehört hat.
Jene Männer begannen mit Schulbüchern in der Volkssprache,
und mir liegen einige dieser Schulbücher vor. Für den Druck
wählte man die lateinische Schrift, wobei sich natürlich allerlei
Schwierigkeiten ergaben. Warnm man nicbt sogleich die arabiscben
Bnchstaben einführte, kann ich mir nicht erklären. Statt dessen
glaubten die Einen, eine aus arabiscben und lateinischen Buch¬
staben gemischte Scbrift einführen zu müsseu, deren Sonderbarkeit an's Lächerliche streift, wie wir sogleicb sehen werden ; die Anderen
aber führten einige Nothbuchstaben oder Zeichen ein, die sie durch
kleine Umbildungen oder Umstellungen der Lateinischen herstellten,
was jedenfalls dem Drucke ein einheitliches und gefälligeres Aus¬
sehen gab.
Als Beispiel der gemischten Schrift mag Folgendes dienen;
„gazizi eben, ken Alla li gamel koloui. Hua gimel e
(ji-ernui li jedawwal fen ubar, u el öamar u el kwekeb li
jedawlu f el leil. Hua ^amel el ard u el ba^ar u koU ma j^am-
mar fihom. El bhima li tet^arrek ^ala wig el ard, el ^asfür li
Sandreczki, die Maltesische Mundart. 735
jtir fei ajru u el ^uta li tgum fei ba^ar huma koUba (jio^l jadeih.
Ken Alla ukol (anche, ancora) li gamel el bnedem. Hua gatah
ednei li jesmag^, gainei li jara, mna^er li jeij^om, ^alö Ii jetegem u jetkellem, jadei Ii je^oss u ja^em u saiJ>ai u reglei li jamo^i.
Hua ^atah el gaöal li jegallemhu et tajjeb min el ^azin u ru^-
Ii ma testag^tA' tmnt. Das wird hinreichen.
Die andere Schrift lässt für ^, n, für ^, für ^i,
q ftir ö, k für 1^ u. s, w. eintreten.
Auch hier wird uns die Umschreibnng in's Arabische die ver¬
hältnissmässig auffallend geringe Abweichnng des Maltadialekts
zeigen.
^jS'f^^S ^ ^jJt »jJt {jjjMi\ L)
yj> jl^l lj>f^
jJt (^L^j) iU^i (ui^) ^ iKs ^r^'i O'j^' iW=
jJt i5 j-Jaj (_5 jJ! j_,Ä*a*J! c>3;^! »^3 J>c
^jJt Läj! »Iii ^JLJ' (j^) iM-i; L^ ^äJ! ^yu
oi J O
^^^iSU» ijr_;*J crVVfC O^'^' " ' 1^' cr^' (vJiL>)
Schlund, vulg. aucb) L5Ji5> ^«-i-J (eigentlich Nasenloch, vulg. jJ^jjt)
w O w
(dienen für arbeiten) ^.uX^ ^ \J*^^ c^"^ ^jL*,! (Gaumen
w J -Ci O*
^ v^JaJ! »-Jl«J *) JJuJ! »Uact yS' CT'^-'^ji ^:r■A-*^^
(für unsterblich) ') j^kx^-j ^ (^ÄJt Lii-^j^ (für Böse)
Eine Uebersetzung ist unnöthig.
1) Das Maltesische jedawwel aus j!^ zu erklüren, möchte etwas kühn t. -
sein. Da im Vulgären auch die Form IjLjö (III) vorkommt, so könnte es
aus diesem im Anschlüsse an den Artikel i3 entstanden sein.
2) Um ihn das Gute vom Bösen unterscheiden zn lebren.
3) Der Malteser macht auch _j. zu einem femininum.
Dass die Herren, welche das Arabische als Unterrichtssprache
eingeführt zu sehen wünschten, zu diesem Wunsche wohl berechtigt
waren, und ihre Bemühungen die Unterstützung der Regierung ver¬
dient hätten, wird kaum Jeraand bezweifeln, der den vorliegenden
Beispielen auch nur einige Aufmerksamkeit schenkt. Allerdings
weisen diese Beispiele die Schwierigkeiten nicht auf, welchen man
bei dieser Sprachreinigung da begegnen würde, wo man der ver¬
armten Mundart zum Ausdrucke für Gegenstände, welche über das
Alltägliche hinausgehen, verhelfen müsste; denn das könnte eben
nur durch völliges Ausmerzen, sei es der Fremdwörter, sei es von
Wortbildungen, deren Ursprung unerklärlich, geschehen. Allein
immerhin müsste man es als natürlicher gelten lassen, wenn man
die Lücken dann mit reinarabischem Ansdrucke ausfüllte, als wenn
man in der Mundart ohne dringendste Nothi) ganz fremde
italienische oder andere Wörter beibehielte. Als die vielfach und
oft mit Recht getadelte deutsche Regentschaft in Griechenland so¬
fort an das Werk der Sprachreinigung mit ebenso grossem Eifer
als Erfolg ging, stiess sie natürlich auch auf Schwierigkeiten, uud
das Volk brauchte einige Zeit, die hellenischen Ausdrücke verstehen
zu lernen ; aber die Schulen halfen rasch nach und türkische oder
türkisch-arabische, italienische und andere Fremdwörter verschwanden
bald nicbt nur aus Schrift und Druck, sondern bei allen, die auf
Bildung Anspruch machten (und Sprach- oder Sprachenkenntniss
gilt dem Griecben wie dem Russen als ganz besonderer Beweis der
Bildung) auch aus dem mündlichen Verkehre. Ich erlebte das vom
Beginne an bis zu jener Vollendung, über deren Grenze hinaus
die Sache zu hellenisirender Künstelei und Ziererei wurde. Dass
die Sprachreinigung nothwendig war, wenn man nicht gleich die
französische oder italienische oder gar die bajuwarische Sprache
einführen wollte, versteht sich von selbst und ich erlanbe mir zum
Belege auf eine kleine Abhandlung aufmerksam zu machen, welche
ich der königlichen Akademie der Wissenschaften zu München über¬
reichte (Beitrag zum Studium der neugriechischen Sprache in ihreu
Mundarten. Jahresbericht 1872, S. 721—750).
Schliesslich muss ich noch bemerken, dass die Mundart der
Bewohner Gozo's (Gaulos oder Ghaudesch, wie die Araber sie
nannten und die Eingeborenen sie nocb nennen) viel reiner, d. h.
arabischer, als die der Malteser lautet, was sich leicht aus dem
beschränkteren Verkehre mit den Fremden erklärt. Die Stadt
Rabbato, welche an einer von einer Festung oder Citadelle gekrönten
Höhe fast im Mittelpunkte der Insel liegt uud deren Hauptstadt
a
ist, zeigt schon iu ihrem Namen, der von ^joj, = Vorstadt herzu¬
leiten ist, arabischen Ursprung.
1) Wir thun «s in unserer reiclien Sprache leider mir /,u oft ohne die geriugste Noth.
Sandreczki, die Maltesische Mvmlart. i-rO FT toi
Eine eigenthümliche Erscheinung ist, dass in dem Dorfe Casal
(Casale, Vorwerk, Weiler) Gharbo — im Westen der Insel, wie
schon der Narae zeigt — ein Kaudcrwälsch gesprochen wird, das
die Bewohner der übrigen Dörfer nicht verstehen, und das sie
braic nennen, was iu der Maltamundart „hebräisch" bedeutet.
Als Beispiel führe ich zwei Sätzchen an: „Neif gbodtok linkiV
Rama dennek linki?" Maltesisch: „Fein tokghod inti? Inti ghandek mara?" Wo wohnst (sitzest) du? Ist bei dir (hast du) eine Frau?"
Wie dieses Kaudcrwälsch entstanden, hat noch Niemand entdecken
können. Mein Gewährsmann , Mr. Badger, ersieht dariu im Allge¬
meinen nur eine Umstellung der Sylben und manchraal auch der
Buchstaben in den Sylben. Schade dass er, ein geborener Malteser,
nichts über die Sprache geschrieben, was rair bei obigen Erörterungen als Leitfaden hätte dienen können.
Phonikische Analekten.
Von Dr. 0. BUa.
5.^)
Neopunica 130. Elegje der Theona.
Vgl. Derenbonrg in Comptes-rendus de rAeadimie des Inscriptt. et BB LL. IV. S^r. T. Ill, 1875 Juillet-Sept. 259—266. — Eutin g in Z. D. M G .XXX, 284—287.
So wenig als Euting habe auch ich mich bei der von Deren¬
bonrg vorgeschlagenen Erklärung des Textes dieser Inschrift zu
beruhigen vermocht, finde es vielmehr absolut undenkbar, dass
solcher „geistreicher" Unsinn, wie eine 50jährige Verbannung auf
die kanarischen Inseln, verschärft dnrch gleichzeitige Wasserschen,
jemals auf einem Votivsteine für eine punische Matrone vorkommen
könne.
Und da vermnthlich diese sensationelle Entdeckung nicht ver¬
fehlen wird, gelegentlich als schönster Beweis für die Existenz pu¬
nischer Pnrgationscolonien auf den kanarischen Inseln ausgebeutet
zu werden, so möchte ich bei Zeiten eine andre und einfacbere
Lesung vorschlagen.
Ich lese:
nsntia nagran nt<;£3 rrnü^D v^S' isijj i.
■[»vs: bss int« n:iynb Nssb brn^iy p inüssna» 2.
•jbpia n»a byaa naui nb-^M bya^Ty sbuj üjsn üTinb 3.
nans; nmü ba affirr^Ni Dcan n:iB namb nhn 4.
mttjyn Na n-'b NiaiNi N:pt nnNa «miDSi 5.
nia D5HTI3 ra naswsr; Nb? [-n:n nN njabiana 6.
und übersetze:
(1) Gratias maximas Domino nostro Amano! —
Jn promptu positus est lapis ex voto (2) Abdesch-
1) S. Zeitscbr. d. D. M. G. XIX, 522 ff.