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Ueber Vorvedisches im Veda.
Von P. V. Bradke.
Im letzten Heft von Bezzenbergers Beiträgen zur Kunde der
Indogermanischen Sprachen, Bd. 17 S. 244 ff., bespricht W. Neisser
rigvedische Pormen, die er für missverstandene und umgedeutete
Ueberbleibsel aus der vorvedischeu Sprache ansieht. Da W. Neisser
die Fortsetzung dieser Studien in Aussicht stellt, so möchte ich
einige Bedenken nicht zurückhalten, die mir bei der Lectüre seines
Aufsatzes gekommen sind.
Das Musterbeispiel Neissers sind die Worte öinan, omanvant
omydvant, avant an sechs Stellen des Rigveda, die von der durch
die Asvinen bewirkten Errettung Atris aus Feuersnoth handeln,
und inhaltlich eng zusammengehören. In den Versen 7, 69, 4.
68, 5. 1, 118, 7 heisst oman deutlich „Hülfe, Gunst, Gnade"; dort
finden vrir die Wendungen „durch der A9vinen Gnade gesund der
Gluth entgehen", „ihrer Gnade theilhaft werden", „die A9vinen er¬
weisen Gnade". An den drei anderen Stellen könne oman aber
durchaus nicht dieselbe Bedeutung haben ; es sind die Verse :
10, 39, 9 ynvdm rbi'sam utd taptam dtr ayt,
omanvantam cakrathuh saptdvadhraye.
1, 112, 7 taptam gharmam omyä'vantam dtrayii [hi-thahl.
8, 73 (62), 7.8 dvantam dtray% grham hrriutdm
vdrSthi agnim dtdpah
dtray% [vgl. V. 3 weiter unten].
Als Epitheton des Spaltes bez. Hauses lasse sich omanvant resp.
avant nicht mit „günstig, gnädig" wiedergeben, da diese Be¬
deutung Menschen oder anthropomorph gedachte Wesen als Träger
voraussetze. Man pflege hier omanvant mit „annehmlich" zu über¬
setzen; av bedeutet aber nicht „annehmlich sein", sondern „bei¬
stehen, helfen". Vor Allem widersprächen dem aber die drei ersten Stellen, an denen tknan nur „Hülfe, Gunst", nicht „Annehmlichkeit"
bedeuten könne; und die sechs Belege müssten doch durchaus
gleichmässig erklärt werden. So ginge ein Riss durch die sechs
V. Bradke, Ueber Vorvedische» im Veda. 683
.^«lan-Belege, wofern 6man auf av „beistehen, helfen" bezogen wird.
6man ist im Veda sonst nicht sehr hUufig, in den AQvinhymnen
ausserhalb der Atrüegende nur noch 1, 34, 6 verwendet. Der
Grund seiner sechsmaligen Verwendung in der Atrilegende sei
ofFenbar im speciellen Inhalt dieser Legende zu suchen. „Hieraus
aber folgt wiederum, dass dies oman mit av „beistehen" nichts zu
thun hat, denn die Bedeutung dieser Wurzel ist eine so allgemeine,
dass sie eine specielle Beziehung zu dem Inhalte einer einzelnen
Erzählung überhaupt nicht gewinnen kann, oman als Derivat von
av „beistehen" müsste jedwede Hülfeleistung der A^vin bezeichnen können, dürfte nicht auf die Erzählung von Atri beschränkt sein."
Die Pointe der Erzählung liege in der plötzlichen Verwandlung
der Gluth in Kälte:
1, 116, 8 htmi'näynim gkramsdm avärayHhdm.
1, 119, 6 him^'na gharmäm päritaptam dtrayt (sc. avära-
yifhäm oder ähnl.).
8, 73 (62), 3 lipa strmtam dtray&
hhriena gharmäm aqoind.
„durch Kälte habt ihr des Peuers Gluth dem Atri abgewehrt." An
allen drei Stellen fänden wir die beiden mit einander contrastirenden
Begriffe Gluth und Kälte {himena ghrarnsam bez. himina gharmam)
bedeutungsvoll an der Spitze des Päda. Der Begriff Gluth kehre
auch an den öroan-Stellen (ausser 7, 68, 5) wieder, während der,
von ihm ohne Vernichtung der Pointe nicht zu trennende Begriff
der Kälte dort scheinbar fehle; statt hima steht da regelmässig
oman. „Es liegt auf der Hand, dass oman ursprünglich mit hima
gleichbedeutend gewesen ist und auch in der oman-, wie in der
Äima-Version , die Contrastbegriffe „Gluth" und „Kälte" zu sprach¬
lichem Ausdruck gelangen sollten, oman „Kälte" stellt sich zu av.
aota „kalt" {]/ av „wehen"), dem Gegensatze von garema."
Soweit Neisser, dessen weitere Besprechung des Problems ich
hier bei Seite lasse. Die A9vinen sind im Bigveda sozusagen die
berufsmässigen Helfer und Erretter. Immer wieder gedenkt die
alte Lyrik ihrer Wunderthaten; denn wie sie Bhujyu und Atri,
Cyaväna, Rebha und anderen geholfen haben, so helfen sie gewiss
auch fürderhin ihrem Verehrer. An diese Thaten pflegt der Dichter
mit wenigen Worten zu erinnem, — einst waren sie ja allbekannt
und hochberühmt. Durch der A(jvinen Gnade hat die Gluth dem
Atri nichts anhaben dürfen, — muss der Dichter da wirklich, wenn
anders er die Pointe nicht vernichten will, immer wieder die An¬
gabe hinzu fügen, dass das Wunder durch Kälte bewirkt ward?
Ich würde es eher für überflüssig halten, wenn ich den Dichter
kritisiren wollte. Der Ton liegt nicht auf der Kälte, sondern auf
der hülfreichen Gnade der Asvinen. Wenn diese Gnade grade an
diesen sechs — richtiger fünf — Stellen aus der Atrilegende oman
und nicht avas oder Hti heisst, so könnte das auf deren engere
684 V. Bradke, Ueber Vorvedisches im Vedp,.
Zusammengehörigkeit hinweisen, und eine nähere Beziehung dei
Stellen zu einander ist ja wahrscheinlich. Betrachten wir endlich
die drei Stellen, an denen oman nach Neisser nicht „Gunst, Gnade'
bedeuten kann: weshalb sollte der Dichter den Gedanken „die
A9vinen hätten ihren Atri gnädig vor der Gluth bewahrt" nicht
auch mit den Worten ausdrücken dürfen, „sie haben den glühenden
Schlund (resp. den glühenden gharma oder das Haus) Atri gnädig
sein, ihm Gunst und Schutz gewähren lassen, sie haben bewirkt
dass die sonst verderbliche Gluth Atri gnädig war und ihn nicht
versehrt hat?" —
Dass sich im Rigveda manches, was dem in den überlieferten
Hymnen herrschenden Vorstellungskreise schon fremd geworden
war, gleichsam als litterarische Versteinerung aus früheren Zeiten
der alten Lyrik erhalten hat, glaube ich heute ebenso wie vor
Jahren ; so mag sichs auch mit der Atrilegende und andern
Wunderthaten der A9vinen verhalten haben. Das vedische Wörter¬
buch wird auf die neue Bereicherung aber besser verzichten.
Giessen, den 30. September 189L
685
Die Ginnen der Dichter.
Von Ign. Goldziher.
I.
In den Muhammed. Studien I p. 44 ist darauf hingewieseu
worden, dass auch die alten Araber die Begabung des Dichters,
besonders insofem dieselbe im Dienste des Stammescultus steht,
mit übernatürlichen Einflüssen in Verbindung zu setzen pflegten.
Damit hängt die Vorstellung zusammen , dass dem Dichter , ein
daifioviov innewohne, was die Araber mit dem Namen Gmn
bezeichneten.') ünter demselben Gesichtspunkte nannten sie den
*i ~ >
Muhammed einen ^^yX^^ ^cLi; (37 : 35, vgl. ^.^jjLsu ^Jjut 44 :13),
dessen Reden von einem Sejtün ") eingegeben sind (81: 25).
Der Dämon ist es, der dem Menschen, zuweilen in mecha¬
nischer Weise die Kraft der dichterischen Rede verleiht. Dem
'Abid b. al-abras, der nie vorher ein dichterisches Wort hervor¬
gebracht hatte , wird im Traume ein Knäuel Haare in den Muud
gelegt mit den Worten: ,Steh auf!". Da staud er denn auf und
ward von dieser Stunde an befähigt, gegen den Beleidiger seiner
Ehre Spottverse zu dichten (Agäni XIX, 84 unten).^)
1) Siehe Wellhausen, Reste arab. Heidenth. 140, 8.
2) Dies Wort scheint schon bei den heidnischen Arabern eingebürgert gewesen zu sein; es ist als Eigenname gebräuchlich: ^.i ^.^l.h.,>.A ist der Name des Mannes aus dem Stamme öusam (TA ß^.^), dessen Pferd Humejra
Cj^ 3 t-
die Ursache des Jaum Busjän war und zum Sprichwort 8_*.».5> ^\J^\
Anlass gegeben hat (Mejd. I, 335); die Genealogen Uberliefern den Namen l^ejtän unter den Ahnen des 'Alkama b. 'Uläta (Agäni XV, 53, 6); der feähi- litische Dichter Tufejl al-Öanawi steht in Beziehung zu einem j^^Lil-^-vl
x*.^L> (TA J3.A.U). [Vgl. jetzt auch die Nachweisungen von
G. van Vloten im „Feestbundel aan de Goeje" 37 ff]
3) In den Muchtärät des Hibatallah (Kairo 1306) 84 wird derselbe Be¬
richt im Namen des Abü 'Ubojda mitgotheilt: ^^Su iijjüj J«^'i ('■^S