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zu prüfen und entsprechend zu prüfen, ob „die Zitate der Lehrer und die der Schulen&#34

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(1)

jPolemiken im Staatslehrbuch des Kautalya'

(Untersuchungen zum ,KautHTya' Arthasästra II)

A. Wezler, Hamburg

1. Unter dem Titel „Politische Polemiken im Staatslehrbuch des

Kautalya" hat F.Wilhelm I960' die Ergebnisse von Untersu¬

chungen veröffentlicht, deren erklärtes Ziel es war, „die Zitate

der Einzelverfasser nach formalen und inhaltlichen Kriterien auf

ihre Echtheit" zu prüfen und entsprechend zu prüfen, ob „die

Zitate der Lehrer und die der Schulen" echt sind oder nicht^. Die

Unterscheidung dieser (drei) „Autoritäten", die im Arthasästra

(= AS) erwähnt werden, geht auf Jacobi' zurück, an den Wil¬

helm bewußt anknüpft".

Außer von „Polemiken"' spricht Wilhelm auch von „Diskus¬

sionen" und „Debatten"*, doch ohne mit diesen Ausdrücken etwa

verschiedene Typen von Auseinandersetzungen bzw. der Darstel¬

lung von Auseinandersetzungen voneinander abheben zu wollen'.

Gleichgültig, ob „Polemik" von ihm nun am häufigsten verwendet

' (Münchener Indologische Studien Bd.2), Wiesbaden = Wilhelm 1960.

2 Wilhelm 1960: 4; vgL 145.

' „Über die Echtheit des Kautiliya". In: Sitzungsberichte der Kgl. Preußischen Akademie d. Wissenschaften. 1912, S. 832-849 = Kleine Schriften hrsg. v. B. Köl¬

ver, Wiesbaden 1979, Teil I, S. 522-539 = Jacobi 1912 (wobei jeweils beider

Seitenzahlen angegeben werden, also hinsichtlich des Ausdrucks „Autoritäten", den auch ich gelegentlich gebrauchen werde, Jacobi 1912: 838/528).

' Wilhelm 1960: 4.

5 Wilhelm I960: 3, 4, 17, 23 et passim.

' Wilhelm 1960: z.B. 3, 34 bzw. 75.

' Dieser Eindruck entsteht nur einmal, dort nämlich, wo Wilhelm feststellt (1960: 140): „Zitate, Debatten, Polemiken sind für die indischen Sästras kenn¬

zeichnend ..."; da er unmittelbar danach aber u. a. von „den Diskussionen dieser Werke" und dem „Geist geschliffener Disputationen" spricht, kommt man doch

zu dem Schluß, daß es ihm nur auf den Wechsel des Ausdrucks ankommt (gemäß

einer entsprechenden, freilich höchst problematischen stereotypen Empfehlung der Deutschlehrer unserer Generation).

(2)

wird oder nicht, es ist dieser Ausdruck, der durch den Titel des

Buches sich nicht nur dem Leser besonders einprägt, sondern

auch in die Indologie Eingang gefunden haben dürfte bzw. finden

könnte. Der Ausdruck wird im Deutschen aber durchaus in un¬

terschiedlichen Bedeutungen verwendet. Er kann eine unsachli¬

che Auseinandersetzung meinen, einen „scharfen, verunglimp¬

fenden Angriff'*, evtl. begleitet von starker emotionaler Er¬

regung, oder einen „wissenschaftlichen, meist publizistisch aus¬

getragenen Streit"' - u. U. zwischen nur zwei Gelehrten, meist in

Form eines mehrfachen Schlagabtausches. In seiner schwächsten

Bedeutung wird er austauschbar mit „Kritik" - und insofern ge¬

radezu funktionslos, da auch die Annahme eines stilistischen Un¬

terschiedes nicht berechtigt wäre.

Wilhelm äußert sich nicht zu der Frage, in welchem Sinne er

„Polemik" verstanden wissen möchte; auch seine Verwendung

bedeutungsverwandter Ausdrücke legt die Vermutung nahe, daß

er sich darüber keine Gedanken gemacht hat. Das mag man be¬

dauern - und mit gewissem Recht, gilt seine Untersuchung doch

gerade solchen Abschnitten des AS, in denen, wie Jacobi sagt'°,

„Autoritäten" bzw. „Vorgänger" erwähnt werden, und richtet sich

seine Aufmerksamkeit dabei doch auch aufdie formalen Aspekte,

so daß eine genaue Bestimmung des Charakters und entspre¬

chend eine genaue Benennung dieser Abschnitte wohl erwartet

werden dürfte. Er hat allem Anschein nach aber auch nicht nach

möglichen Parallelen zu diesen , Polemiken' Ausschau gehalten.

Abgesehen von Beobachtungen zu ihrer Rezeption in jüngeren

Werken" und allgemeinen Bemerkungen, wie z.B. „Zitate, De¬

batten, Polemiken sind für die indischen Sästras kennzeichnend

wie für die Lehrbücher anderswo"'^ findet sich nämlich, wenn

* Zitiert aus F. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache,

22. Aun Berlin-New York 1989, S.553.

'Zitiert aus Wahrig, Fremdwörterlexikon, Gütersloh 1991, S. 591. Vgl.

J. Ch. A. Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch ..., 11. Aufl., Hannover 1853, S.684: „Kunst, einen wissenschaftlichen Streit zu füh¬

ren"!

"> Jacobi 1912: 837ff./527ff.

" Wilhelm 1960: 74 Anm. 2.

'2 Wilhelm I960: 140 (s.o. Anm. 7). Die folgenden Sätze lauten: „Nicht nur das

Arthasästra, auch das Kämasütra, die Lehrbücher der Kunstdichtung und die

grammatischen Traktate zeigen polemische Auseinandersetzungen als Spiegelbild ernster wissenschaftlicher Ambitionen. Die Diskussionen dieser Werke erweisen

(3)

ich mich nicht irre, nur eine Stelle, an der eine Verbindung zwi¬

schen den , Polemiken' und älteren Zeugnissen über Diskussionen

von ihm erwogen wird: In der „Stilistischen und inhaltlichen In¬

terpretation" von AS 1.8" heißt es'*: „Kautalyas Zustimmung er¬

innert an die Debatten der alten Upanisaden, für die kennzeich¬

nend ist, daß in ihnen jeder Gedanke als richtig, allenfalls als

ungenügend gilt"; in einer Anmerkung wird auf einen einschlä¬

gigen Aufsatz von Ruben verwiesen".

In der Tat kommt Kautalya in dieser , Diskussion' über die

Frage, welche Personen der König zu Beamten'* machen soll,

nicht nur als letzter zu Wort {AS 1.8.27 f.), sondern vertritt auch

die Meinung, daß „alles" - was die anderen gesagt haben" -

„richtig ist" {sarvam upapannam). Und die Übereinstimmung zwi¬

schen dem AS und den upanischadischen Debatten, auf die sich

Ruben u.a. bezieht, also z.B. ChU 5. llff., erweist sich bei ge¬

nauerem Hinsehen in der Tat als bemerkenswert groß. Dort wird

das Wissen der anderen, d. h. der Brahmanen Präclnasäla Aupa-

manyava usw., von dem Ksatriya Asvapati Kaikeya als jeweils

nur einen Teilaspekt des ätman vaisvänara erfassend relativiert

und dem überlegenen, weil umfassenden (nämlich den ätman

vaisvänara in seinem wahren Umfang und Wesen erkennenden),

eigenen Wissen untergeordnet. Kautalya scheint zwar, formal ge¬

sehen, keine eigene Meinung vorzutragen, sondern nur zu be¬

gründen, warum er alle von den anderen vorgetragenen Thesen

für richtig hält; aus der Begründung selbst aber ergibt sich, daß

er durchaus eine eigene Meinung hat und daß diese auch nicht

einfach die Summe der Ansichten der übrigen zu Worte gekom-

sich als Ausdrucksmittel des hochgelehrten Bhäsya-Stils und atmen noch den

Geist geschliffener Disputationen, wie sie an Fürstenhöfen und in vornehmen

Häusern ... gepflegt worden sind. Diese Diskussionen zeigen uns Wandlung und

Weg der einzelnen Wissenschaften."

" Ich ersetze Wilhelms Stellenangaben gemäß adhikarana und (fortlaufender) prakarana (Zählung) durch die heute üblichen {adhikarana, adhyäya und Satz wie in Kangles Edition).

Wilhelm 1960: 11.

Über die Debatten in den alten Upanisad's. In: ZDMG 83, 1929, S. 238-255.

" Zur Bedeutung von amätya s. Scharfe 1968: 144 ff. (= H. Scharfe, Untersu¬

chungen zur Staatsrechtslehre des Kautalya, Wiesbaden 1968).

" Der Bezug von sarvam ist freilich umstritten; vgl. Wilhelm I960: 9f und

Kangle 1963: 18, Fußnote (= R.P. Kangle, The Kautiliya Arthasästra, Pt II. An

English Translation Bombay 1963).

(4)

menen Personen ist; er meint, daß entscheidend ist, ob ein Be¬

amter, unter welchem Gesichtspunkt auch immer ausgesucht, sei¬

ner Aufgabe gewachsen ist und sich insofern bewährt'*.

Gleichwohl bleibt festzuhalten, daß nicht nur an der Upanisad-

Stelle eine explizite Bezeichnung des Wissens der anderen als

„richtig" fehlt, sondern eine Ähnlichkeit auch nur zu dieser einen

.Polemik' im AS besteht und außerdem von Wilhelm auch nur in

dieser Hinsicht gesehen wird.

Es geht mir aber in erster Linie gar nicht darum, derartige

kritische Beanstandungen vorzutragen, sondern, bei Wilhelm an¬

setzend, die Fragestellung voranzutreiben und u.U. auch einen

Lösungsweg aufzuzeigen. Zwei Fragen drängen sich m.E. näm¬

lich auf, die auch eng miteinander verbunden sind, und zwar 1.,

um was es sich bei diesen , Polemiken' nun wirklich handelt, und

2., ob sie in ihrer spezifischen Eigenart ein so einmaliges Phäno¬

men in der indischen Literatur- bzw. Geistesgeschichte darstellen,

wie man nach der Lektüre von Wilhelms Buch doch annehmen

zu dürfen glaubt.

2. Die folgenden Überlegungen beziehen sich auf das, was

Wilhelm „die Zitate Bhäradväjas und der anderen Einzelverfas¬

ser" genannt hat"; außer Betracht bleiben also „die Zitate der

Lehrer", und jedenfalls fürs erste auch „die Zitate der Schulen".

Von signifikanten Ausnahmen abgesehen, die Wilhelm aber

gleichfalls bespricht2°, zeichnen sich diese , Polemiken' dadurch

aus, daß die Einzelverfasser in „stereotyper Reihenfolge"^' zu

Wort kommen: zuerst Bhäradväja, dann Visäläksa, Paräsara",

Pisuna, Kaunapadanta, Vätavyädhi, Bähudantiputra und schließ-

" Das kommt zwar der These Bähudantiputras nahe, ist aber damit nicht iden¬

tisch.

" Wilhelm I960: 5-55.

" Vgl. z.B. Wilhelm 1960: 34.

S. Wilhelm 1960: 37 und 47.

" Wilhelm spricht sich (I960: 8) für die Lesart iti päräsarah als die wahrschein¬

lichere aus, der er deshalb durchgehend folge. Ist es nicht aber gerade umgekehrt wahrscheinlicher, daß die Lesart iti päräsaräh, die in einzelnen Fällen offenbar auch allein überliefert ist (z.B. 1.15.23, 1.17.9), die ursprünglichere ist und, eben weil die Nennung einer „Schule" im Rahmen einer Darstellung, die ansonsten Ansichten von „Einzelverfassern" anführt, irritiert, sekundär geändert worden ist?

Das iti päräsaräh in 2.7.12, d.h. im Kontext von „Zitaten von Schulen", hat keine

Beweiskraft. Vgl. auch Kangle 1963: 16 f Fußnote sowie Kangle 1965: 44, Fu߬

note (= R.P. Kangle, Tlte Kautiliya Arthasästra. Pt. III. A Study, Bombay 1965).

(5)

lich Kautalya , selbst'"; die Reihe ist aber auch schon einmal

kürzer, nämlich auf die vier ersten bzw. die ersten sechs - am

Schluß natürlich Kautalya - beschränkt^". „Stereotyp" heißt, um

auch in diesem Punkt keine Unklarheiten zu belassen: diese Rei¬

hung begegnet viermal, davon in einem Fall einschließlich Bähu¬

dantiputra"; die Vierer-Reihe begegnet einmal". In drei anderen

Fällen aber wird die Ansicht Kautalyas nur der zweier anderer

bzw. eines anderen Einzelverfassers gegenübergestellt". Genauer

müßte man also sagen: Immer dann, wenn im AS mehr als zwei"

dieser „Einzelverfasser" genannt werden, ist die Reihenfolge die

gleiche, d. h. die gerade erwähnte.

Besonders auffällig sind , Polemiken' wie die in Kapitel 9.8 und

1.17, insofern „here we find each later-named teacher criticising

the opinion of the one mentioned immediately before him and

offering his own opinion instead"". D.h. genauer, was 1.8 be¬

trifft: „Die Einzelverfasser geben zunächst die Widerlegung der

vorangehenden Meinung (nennen den Fehler). Es folgt ihr eige¬

ner Vorschlag (Bhäradväja beginnt damit, weil er am Anfang

steht), der parallelerweise (sie!) mit Ausnahme Vätavyädhis (also

in sechs von sieben Fällen) durch ein Abstraktnomen im Ablativ

begründet wird. . Somit hat als einziger Bhäradväja, da er den

Reigen eröffnet, nicht die Möglichkeit, die Meinung eines ande¬

ren zu kritisieren, was Wilhelm zu der Feststellung veranlaßt:

„Die Placierung der Zitate ist nicht fair: Bhäradväja steht am

Anfang und hat den Platz des Hauptgegners" im Bhäsyastil - er

wird kritisiert, ohne daß er selbst jemanden kritisieren könnte"'^.

" Auf die mehrfach diskutierte Frage, welcher Schluß hinsichtlich der Verfas¬

serschaft des AS aus dieser namentlichen Nennung des Kautalya/Kautilya gezo¬

gen werden muß bzw. kann, werde ich im Rahmen einer Serie von Aufsätzen

eingehen, die generell das Problem der angeblichen oder tatsächlichen namentli¬

chen Selbstnennung von Autoren in indischen Texten zum Gegenstand haben.

" Z.B. AS 1.15 bzw. 1.17.

" Nämlich AS 1.17, 8.1, 8.3 und 1.8.

" Nämlich 1.15.

" Also AS 5.6., 7.1 und 12.1; in 5.5ff. eine teilweise abweichende , Liste',

nämlich Kanihka Bhäradväja, Dirgha Cäräyana, Ghotamukha, Kinjalka sowie

Pisuna und Pisunaputra.

" In AS 12.1 ff. allerdings zuerst Bhäradväja und dann Visäläksa sowie Kautilya.

" Zitiert aus Kangle 1965: 44.

" Zitiert aus Wilhelm 1960: 10.

" In seiner Anm.2 verweist Wilhelm hier auf Jacobi 1912: (839f./529f.).

" S. Anm. 30.

(6)

Und er fährt fort: „Den günstigsten Platz hat der an siebter Stelle

aufgeführte Bähudantiputra: er kritisiert, ohne selbst kritisiert zu

werden es handelt sich hierbei jedoch um eine spezifische

Besonderheit dieser einen , Polemik', und zwar eine natürliche

Folge der ungewöhnlichen Stellungnahme Kautalyas.

Diese dialektische Struktur stellt aber ersichtlich kein starres

Schema dar. Denn „the procedure in Chapters 8.1 und 8.3 is

different. Kautalya here criticises and rejects the views of each of

the six teachers, who hold different opinions about the relative

seriousness of the calamities of the seven prakrtis (in 8.1) and

about the relative seriousness ofthe various vices (in 8.3). In these

cases, there is no criticism of each earlier teacher by another"".

Gleichwohl erwecken diese , Polemiken' allesamt so sehr den

Eindruck von Künstlichkeit, durchdachtem Arrangement, daß

sich die Frage, was an ihnen Fiktion und was echt ist, in der Tat

aufdrängt, und es ist diese Frage, die Wilhelm, wie gesagt, vor¬

rangig untersucht hat. Dabei unterscheidet er zu Recht zwischen

„sprachlicher Form"/„Stil" und „Inhalt"'*, kommt aber für die

Einzelverfasser insgesamt, freilich ohne Bhäradväja", zu einem

Ergebnis, das nach seinen Bemerkungen im Rahmen seiner „sti¬

listischen und inhaltlichen Interpretation" der jeweiligen , Polemi¬

ken' etwas überrascht, weil es anders als diese vieles in der

Schwebe läßt". Man müsse es für möglich halten, „daß Kautalya

nicht nur den Stil, sondern oft auch den Inhalt fingiert hat - zur

besseren literarischen Gestaltung", das Material reiche „aber zu

einer sicheren Aussage nicht aus", „die Zitate" ließen „sich nicht

zu einer Lehrmeinung vereinigen", „die Einzelverfasser ... sich

weder als Typen noch als historische Persönlichkeiten heraus¬

schälen" und es sei „kaum zu sagen, in welchen Zitaten ein hi¬

storischer Kern zugrunde liegen" könne.

3. Das Bemühen um Klarheit hinsichtlich dieser verschiedenen

Fragen muß selbstverständlich bei den Begriffen, die man ge¬

braucht, beginnen. Wenn die „Zitate" in ihrer „sprachlichen

Form" von Kautalya (= dem , Verfasser des AS') stammen, dann

" Zitiert aus Kangle 1965: 44f., vgl. Wilhelm 1960: 35ff.

" Wilhelm 1960: 4 et passim.

" Wilhelm 1960: 76 ff.; Wilhelm leitet seine zusammenfassenden Ausführun¬

gen über Bhäradväja mit der gewiß richtigen Bemerkung ein, dieser erweise sich

„als der prominenteste Gegner Kautalyas".

" Wilhelm I960: 75.

(7)

sind es eben keine Zitate im Sinne von „wörtlich angeführten

Stellen aus einem Werk" bzw. von wörtlich angeführten Äußerun¬

gen einer anderen Person". Gewiß, man kann auch „dem Sinne

nach zitieren", aber es ist entschieden besser, solche Wiedergaben

von Äußerungen der Kategorie „Referat" oder „Report" zuzuwei¬

sen. Und wörtliche Rede in einem Text - und nichts anderes sind

die einzelnen Elemente der , Polemiken' in literarischer Hin¬

sicht" - fällt nicht automatisch unter den Begriff Zitat.

Um bei den literarischen Gegebenheiten zu bleiben: Im Text

des AS wird nicht, etwa durch eine Rahmenerzählung o.ä., fin¬

giert, daß es sich um echte Diskussionen handelt. Schon deshalb

besteht von vornherein die Vermutung, daß , Polemik' im AS

nicht eine Diskussion im Sinne eines Meinungsaustausches" zwi¬

schen anwesenden und selbst redenden Personen ist, sondern die

von einer anderen Person stammende Darstellung bestimmter An¬

sichten der „Einzelverfasser", um an letzterem Ausdruck zu¬

nächst einmal noch festzuhalten. Man erwartet also gerade „Re¬

ferate" und nicht „Zitate" - und wird in dieser Hinsicht ja auch

ganz und gar nicht enttäuscht"".

Mit Bezug auf ein „Referat" aber ist es angezeigt zu prüfen,

nicht ob es „echt" ist, sondern ob es in dem Sinne zutrifft, daß es

die Meinung der Person, der diese zugeschrieben wird, adäquat

wiedergibt, ob diese Person diese (oder eine naheverwandte) Mei¬

nung wirklich vertritt bzw. vertreten hat, und schließlich, ob es

diese Person wirklich gibt oder gegeben hat. Angesichts der lite¬

rarischen Gestaltung der , Polemiken' empfiehlt es sich darüber

hinaus, den Begriff „Meinung" dahingehend einzuschränken,

daß die Zurückweisung der allfälligen zuvor angeführten Mei¬

nung (durch ein na und nachfolgende Begründung) nicht mit

eingeschlossen ist, sondern nur die Darstellung der Position, die

ein „Einzelverfasser" hinsichtlich des im Zusammenhang des AS

" Vgl. auch meinen Aufsatz „Studien zum Dvädasäranayacakra des Svetämbara

MaUavädin: I. Der sarvasarvätmakatvaväda" . In: Studien zum Jainismus und

Buddhismus. Gedenkschrift fiir Ludwig Alsdorf, hrsg. v. K. Bruhn u. A. Wezler, Wiesbaden 1981, S.381 ff

" Wie durch die Verwendung von ///' jeweils unmittelbar vor dem Eigennamen

und am Ende der darauf folgenden Ausfiihrungen deutlich wird.

" Dieser Begriff ließe sich ja zur Not so verstehen, daß er das abdecken würde, was z.B. AS 1.8 formal und inhaltlich darstellt.

" Das iti (vgl. Anm. 38) wäre also zu explizieren durch „vertritt (dem Sinne nach) die Ansicht/ist (dem Sinne nach) der Meinung".

(8)

jeweils in Rede stehenden Problems (in 1.8 z.B. amätyotpatti)

vertritt, wohl einschließlich der dafür von ihm gegebenen Begrün¬

dung in ihrem argumentativen Kern.

Um die jeweiligen einzelnen Meinungswiedergaben „zu einer

Lehrmeinung vereinigen" zu können, müßten ihre Anzahl und

Streuung erheblich größer sein, als es im überlieferten Text des

AS nun einmal der Fall ist; auch ist der Gegenstand, eben der

artha in seiner speziellen Bedeutung von „(innerweltlichem) Er¬

folgsziel des Königs"*', vielleicht von solcher Art, d. h. von solcher

thematischer Vielfältigkeit und Selbständigkeit seiner Teile, daß

das Einnehmen einer bestimmten Position hinsichtlich einer Fra¬

ge weder pragmatisch noch logisch eine korrespondierende Posi¬

tion hinsichtlich einer anderen impliziert. Viel wichtiger als die

Prüfung der , Polemiken' daraufhin, ob sich „die Lehrmeinung"

insgesamt des einen oder anderen „Einzelverfassers" wie in einem

Puzzle durch Zusammensetzung wiedergewinnen läßt, erschiene

mir auch der entgegengesetzte Punkt, ob sich nämlich zwei oder

mehr Ansichten, die ein und derselben Person beigelegt werden,

evtl. wechselseitig ausschließen. Nicht, daß dies dann

schon ein eindeutiger Beweis für , Geschichtsklitterung' wäre,

aber ein Verdachtsmoment würde eine derartige Beobachtung,

ließe sie sich machen''^ schon darstellen!

Das Fehlen von unmißverständlichen alten Zeugnissen aus an¬

deren Texten als dem AS selbst ist schon als argumentum e silen¬

tio von höchst zweifelhafter Beweiskraft und müßte denn doch

auch im Lichte des Befundes der Schulen*' beurteilt werden. Zu

bedenken ist außerdem, daß der , Verlust' der gesamten älteren

Literatur eines bestimmten Traditionsstranges in Indien, weiß

ariha hat ja als Vorderglied des Kompositums arthasästra bemerkens¬

werterweise nicht genau die gleiche Bedeutung wie einer der Begriffe des trivar¬

ga, d.h. bezeichnet anders als dharma und Icäma nicht einen (Lehr-)Gegenstand, der grundsätzlich für jeden Menschen erstrebenswert ist. Oder muß die Möglich¬

keit in Betracht gezogen werden, daß das arthasästra , ursprünglich' bzw. in seiner

idealen Zweckbestimmung vollständig die Bereiche behandelt hat, die für Men¬

schen aller varnas wichtig sind, um das Ziel des Erwerbs materieller Güter durch ihre jeweilige , berufliche' Tätigkeit zu erreichen? Die in diesem Fall sekundäre .Umpolung' des arthasästra (in Gestalt seiner einseitigen Ausrichtung auf den König) wäre dann zu verstehen u.a. im Kontext der Königsideologie. Die Diskus¬

sion über die Anzahl der vidyäs in AS 1.2 - ein , Relikt' dieses Prozesses?

" Mir scheint aber, daß dies nicht möglich ist.

" Wilhelm 1960: 138 f.; dort auch Bemerkung zum (argumentum) „ex silentio".

(9)

Gott, kein singuläres Phänomen ist, wenn der .Beweis' oft auch

nur indirekt erbracht werden kann. Man muß also auch beim AS

zumindest mit der Möglichkeit rechnen, daß der uns erhaltene

Text durch seine eigene Entstehung - und seinen damit unmittel¬

bar zusammenhängenden Charakter*" - die gesamte ältere Litera¬

tur zu diesem Thema verdrängt hat, d. h. letztendlich bewirkt hat,

daß diese nicht mehr überliefert worden ist. Es könnte sich

m.a.W. bei Visäläksa und seinen , Kollegen' durchaus, wie Wil¬

helm sagt, ohne es freilich so zu meinen, um „Einzelverfasser"

gehandelt haben, wenn auch nicht notwendig in dem - eigentli¬

chen, aber im indischen Kontext zu engen - Sinn von „Hersteller

eines fest formulierten Textes". Die sonstige Nichterwähnung die¬

ser „Einzelverfasser" - von Bhäradväja abgesehen - ließe sich ja

nicht weniger plausibel außerdem auch mit dem generellen Man¬

gel an Quellen für die fragliche Zeit erklären: Daß es nicht ge¬

lingt, sie „als Typen" oder „als historische Persönlichkeiten her¬

auszuschälen", erlaubt noch nicht den Schluß, sie seien reine

Phantasiegestalten.

Man muß sich schließlich auch die Gegenfrage stellen, ob es

nämlich auch nur wahrscheinlich ist, daß der , Verfasser des AS'

mit den , Polemiken' eine totale Fiktion geschaffen hat, etwa „zur

besseren literarischen Gestaltung". Ließe sich eine Parellele aus

der indischen Literatur bzw. aus den Sästras anführen? Wendet

sich sein Werk nicht in erster Linie, wenn nicht überhaupt nur,

an ein sachverständiges Publikum, das also auch wie er selbst die

ältere einschlägige Tradition, jedenfalls in ihren wesentlichen

Umrissen, gekannt haben dürfte? Hätte er da nicht auf Wider¬

spruch oder Kopfschütteln oder Gelächter gefaßt sein müssen,

wenn er mit erfundenen „Autoritäten" daherkommt? Und daß er

etwa zeitgenössische Persönlichkeiten, hinter Spott- oder Spitzna¬

men"' mehr oder weniger verborgen, satirisch-kritisch aufs Korn

genommen hat, wäre denn doch eine arg weit hergeholte Annah¬

me, nicht so sehr wegen des eher modernen Hterarischen Raffine¬

ments als wegen des Fehlens hinreichender Verdachtsmomente.

Warum aber sollte er nur theoretisch denkbare Positionen erfun-

" Mit diesem beschäftige ich mich in einem Aufsatz, den ich unter dem Titel

„Zum Problem der Verfasserschaft und der Struktur des ,Kautdya' Arthasästra"

bald veröffentlichen zu können hoffe.

■**Herr „Windkrankheit", Herr „Dämonenzahn" usw.! - Überraschend jeden¬

falls sind die Namen schon, d.h. klanglich und bedeutungsmäßig ungewöhnlich!

(10)

denen Personen zugeordnet haben? Erscheint es von daher gese¬

hen nicht als natürlichere Annahme, daß es ihm vielmehr darum

ging, Meinungen oder die Meinungen der/von zumindest in

Fachkreisen bekannten „Autoritäten", ob nun Zeitgenossen oder

Gestalten der Überlieferung, im Kern zutreffend zu referieren,

eine gegebene Meinungsvielfalt zu dokumentieren, festzuhalten

und auf diesem plastischen Hintergrund die Meinung des

Kautalya immer wieder als die - seiner Ansicht nach - überlegene

hervorzuheben?

4. Nun gibt es aber doch eine Beobachtung an den , Polemiken'

zu machen - Wilhelm erwähnt sie, soweit ich sehe, nicht -, die

möglicherweise zu Recht für die These ihres durch und durch

fiktiven Charakters in Anspruch genommen werden könnte. Rich¬

tet man den Blick nämlich von der „stereotypen Reihenfolge" der

Nennung der „EinzelVerfasser" auf die ihnen zugeschriebenen

Ansichten, dann entsteht der Eindruck, daß deren Reihenfolge

durchaus nicht kontigent oder arbiträr ist, sondern plausible Ord¬

nung verrät. Von der literarischen Verzahnung durch das Einge¬

hen auf die Meinung des in der Reihe Vorangehenden - natürlich

nur seitens des an zweiter etc. Stelle genannten „Einzelverfassers"

- hat man hierbei selbstredend abzusehen. So kann man z. B. die

Abfolge der Meinungen hinsichtlich des Schutzes des Königs vor

seinen eigenen Söhnen {räjaputraraksana in 1.17), wo Kautalya

gemäß Wilhelm"* „wahrscheinlich" „gegen echte Ratschläge

(dem Inhalt nach) polemisiert" -, „Einschließung an einem Ort"

(1.17.8: Visäläksa), „Aufenthalt in der Festung eines Grenzhü-

ters"' (1.17.11: Päräsaras) und „Aufenthalt in der Festung eines

Nachbarkönigs/Vasallen" (1.17.14: Pisuna) - als systematische

Fortentwicklung des Gedankens der Notwendigkeit der Entfer¬

nung der Prinzen vom Königshof sehen, wobei die Distanz immer

größer gewählt wird. Oder in 8.3.21 ff folgt die , Diskussion' zwi¬

schen Visäläksa und Kautalya bzw. den Päräsaras und Kautalya

in auffälliger Weise der Reihung der Begriffe väkpärusya, artha-

düsana und dandapärusya, die zusammen den kopaja trivarga,

„die dem Zorn entspringende Dreiergruppe (von Lastern)" bilden

(cf 8.3.12)"«. Und gleiches gilt für die anschließende (8.3.39 ff.)

" S. Wilhelm 1960: 25.

" Zu antapäla vgl. Scharfe 1968:205 ff.

Wilhelms Feststellung (1960: 43), „daß der Diskussionsverlauf durchbrochen ist", halte ich für abwegig: Warum sollte Kautalya bei der Abwägung zwischen

(11)

Erörterung über die Frage, welches von jeweils zweien der „Vie¬

rergruppe (von aus Verlangen entstandenen Lastern)", also Jagd,

Spiel, Frauen und Trunk (8.3.38), schlimmer ist"'. Daß der , Ver¬

fasser des AS' bei der Darstellung unterschiedlicher Meinungen

die „Einzelverfasser" in stets gleicher Reihenfolge auftreten läßt

- und insofern „stereotyp" verfährt - ist ein durchaus verständli¬

ches Ordnungsprinzip, an dem festzuhalten bei einem Text ohne

erzählerisch-literarische Ambitionen gewiß naheliegt. Daß dieser

festen Aufeinanderfolge der Personen nun aber auch eine sachlich

stimmige Abfolge der jeweiligen Argumente entspricht, ist nicht

nur höchst verwunderlich, sondern in der Tat auch dazu angetan,

ganz erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Verfassers

zu wecken: Setzt man die Historizität der Personen und die Ad¬

äquatheit des Referates ihrer Meinungen voraus, dann kann diese

Koinzidenz doch nur als äußerst unwahrscheinlich gelten. Daß

die Reihenfolge der „Einzelverfasser" eine historische ist, d.h.

Visäläksa jünger'" ist als Bhäradväja, die Päräsaras jünger als

Visäläksa usw., könnte das Nacheinander der Argumente in 1.17

erklären, nicht aber die Beobachtungen in 8.3; denn bestimmend

ist ja doch eindeutig das yathäsamkhya-Pnnz\p^\ insofern Pisu¬

na, Kaunapadanta usw. der Reihe nach jeweils das erste bzw. das

zweite usw. der „Laster" (vyasana) für schlimmer erachten als das

in der Aufzählung nächstfolgende. Das Ganze wirkt ohnehin so,

als sei es im Grunde und (gedanklich) ursprünglich eben eine

systematisch-vergleichende Untersuchung der relativen Gefähr¬

lichkeit des sog. trivarga und des sog. caturvarga, bei der jedoch

unter Bezugnahme auf jeweils nur ein Paar, alle Möglichkeiten -

natürlich der Reihe nach - durchgegangen werden. Die Zuord-

jeweils zwei Dingen nicht mehrmals „das in der Aufzählung Vorangehende für

schlimmer halten" und danach ebenfalls mehrfach das Nächstfolgende oder ein .Verfasser' eine solche nicht völlig stereotype Darstellungsform wählen?

■" mrgayä, dyüla, striyah, päna bilden gemäß 8.3.38 den caturvarga, und im Folgenden halten beim Vergleich des 1. und 2., bzw. 2. und 3., bzw. 3. und 4. der Reihe nach Pisuna, Kaunapadanta und Vätavyädhi das in der Aufzählung jeweils

vorangehende Laster für schlimmer, was Kautalya in allen Fällen bestreitet. -

Raghuvamsa 9.7 zählt diese Laster auf ; die Reihenfolge der beiden letzten ist dort aber vertauscht.

" Mit „jünger" ist nicht notwendig ein zeitlicher Abstand von Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten gemeint, sondern lediglich ein zeitliches Danach.

" Vgl. H. Brinkhaus, Yathäsamkliya und versus rapportati. In: Stil 7, 1981, S.21 -70.

(12)

nung einer jeder dieser Möglichkeiten an einen Einzelverfasser

erscheint aufgesetzt-künstlich, und dieser Eindruck wird dadurch

entschieden verstärkt, daß, wie Wilhelm feststellt", „die Vierer¬

schar" von „den nächstfolgenden Einzelverfassern wie", d.h. in

gleicher Weise wie, „die Dreierschar diskutiert" wird, d.h. daß

die stereotype Reihung der „Einzelverfasser" zwar auch hier bei¬

behalten ist, daß diese aber sich zu unterschiedlichen Fragen

, äußern', Bhäradväja zum Verhältnis zwischen „Zorn" und „Ver¬

langen" (8.3.8 ff), Visäläksa und die Päräsaras zum trivarga

(8.3.24 ff.) und die übrigen, also Pisuna, Kaunapadanta und

Vätavyädhi zum caturvarga (8.3.39 ff)! Das ist des Guten doch

zuviel, so daß man Wilhelm beipflichten wird, wenn er bemerkt":

„So trifft Jacobis'" Argument gegen die Echtheit (ein so programm¬

mäßiger Ablauf könne nur fingiert sein) berechtigterweise auf die

Zitate der übrigen Einzelverfasser zu."".

Daß der „nächstliegende Gedanke", „daß die Reihenfolge" der

„Einzelverfasser" chronologisch gemeint sei, „aufgegeben wer¬

den" muß, hat schon Jacobi festgestellt'* und ist in dieser Hin¬

sicht auch nicht von Keith" kritisiert worden.

Die , Programmäßigkeit' spricht nun aber auch gegen die An¬

nahme, daß hier eine wirkliche zeitgenössische Diskussion, wenn

auch in sprachlich und stilistisch vom , Verfasser des AS' selbst

gestalteter Form, festgehalten worden ist.

Andererseits gilt es aber doch auch zu bedenken, daß die frag¬

liche Korrespondenz zwischen Reihenfolge der „Einzelverfasser"

und Abfolge ihrer Ansichten keineswegs in allen , Polemiken' ge-

" Zitiert aus Wilhelm 1960: 43.

" 1960: 47.

" Wilhelm verweist auf Jacobi 1912: 830/529.

" Weiter heißt es bei Wilhelm: „nicht aber auf das des Bhäradväja. Auf die eingangs in Vlll, 129" (= 8.3) „angeführte Meinung, der Zorn sei schlimmer als das Begehren", antwortet Bhäradväja mit „nein". Er zählt die Vorzüge des Zornes und des Begehrens auf und bejaht beide. Darauf sagt Kautalya „nein" und führt die Fehler des Zornes und des Begehrens an, vergleicht sie und hält den Zorn für schlimmer. - Kautalya argumentiert also so, als hätte Bhäradväja das Begehren für schlimmer gehalten als den Zorn. - Kautalya durchbricht sein Schema, weil offensichtlich eine echte Polemik zugrunde liegt." Dazu nur soviel: Kautalya na

ist voll verständlich auch als gegen Bhäradväjas Bejahung von Zorn und Lust

gerichtet, wobei außerdem zu beachten ist, daß beide krodha und käma durchaus unterschiedlich definieren.

" 1912: 839/529.

" Tlte Authenticity ofthe KautiUya. In: JRAS 1916, 130-137.

(13)

geben ist; im Gegenteil, es sind einige wenige Einzelfälle bzw. die

Beobachtung gilt überhaupt nur für einen Teil der fraglichen , Po¬

lemik'. Und 1.17 betreffend muß sogar zugegeben werden, daß

man, wäre die Zuweisung der Ansichten eine andere, sicherlich

keinen Anstoß an dieser anderen Abfolge nehmen würde: Die

oben'* erwähnte Plausibihtät der tatsächlichen Abfolge ist ent¬

schieden geringer als in 8.3; denn z. B. die These, der Königssohn

solle am besten in der Festung eines Nachbarkönigs unterge¬

bracht werden, setzt ja in keiner Weise zwingend voraus, daß

vorher die Meinung eines anderen „Einzelverfassers" referiert

wurde, der den Aufenthalt in der Festung eines Grenzhüters emp¬

fiehlt! Noch entsteht, hat man die eine zur Kenntnis genommen,

die Erwartung, nun auch die andere bzw. etwas in der Art der

anderen Ansicht zu erfahren!

Damit aber eröffnet sich eine weitere Perspektive, die nämlich,

daß Kautalya (= der , Verfasser des AS') einerseits die voneinan¬

der abweichenden Meinungen „seiner Vorgänger" zu bestimmten

Themen im Kern getreulich referiert, sich andererseits aber, um

Jacobi zu zitieren", ihrer Namen auch „zur Inszenierung einer

fingierten Diskussion bedient, als eines Mittels zur Belebung sei¬

ner Darstellung". Nicht nur Jacobis Vorstellung von der Funktion

der Diskussionen muß jedoch kritisch überdacht werden. Auch

die Sätze, in denen er diesen Gedanken weiterverfolgt, stimmen

eher nachdenklich: „Wunderlich genug nimmt sich dieser verein¬

zelte Kunstgriff in dem sonst so nüchternen und sachlichen Lehr¬

buch aus. Es ist der erste Schritt zu künstlerischer Darstellung,

den ein großer Schriftsteller tat und der ohne Folgen blieb. Eine

solche Freiheit kann sich ein großer Meister nehmen, bei einem

Schulschriftsteller würde es etwas Unerhörtes sein." Hier hat sich

der große Indologe von seiner Begeisterung für den , Verfasser des

AS' ersichtlich fortreißen lassen*", und es bleibt zu prüfen, ob die

Diskussionen in diesem Text wirklich so einmalig sind.

5. Um das Wichtigste vorwegzunehmen: sie sind ganz und gar

nicht einmalig! Es gibt sehr wohl enge Paralellen, nur sind diese

" s. lOf.

" 1912: 840/530; Jacobi bemerkt dazu: „wie also in zwei Fällen", gemeint sind AS 8.1 und 8.3, „sicher und in den übrigen mehr oder minder wahrscheinlich ist".

Siehe dazu auch den in Anm. 57 genannten Aufsatz von Keith.

(14)

offenbar bisher übersehen, jedenfalls nicht angemessen gewürdigt

worden, und zwar in der Carakasarnhitä (= CarS.)*'-

5.1 Das 25., yajjahpumsiya genannte Kapitel des Sütrasthäna

behandelt, zumindest eingangs, die Frage nach der „ursprüngli¬

chen Entstehung"/„dem ersten Auftreten" {prägutpatti) des als

„Menschen"/„Person" {purusa) bezeichneten Aggregats {räsi)

von „Seele/Selbst, Sinnesorgan/Sinnesvermögen, Denken {ma¬

nas) und Elementen"" und seiner „Krankheiten" {ämaya). Aus

einer Gruppe von maharsis nimmt als erster Päriksi Maudga¬

lya zu dieser Frage Stellung „nach sorgfältiger Überlegung"

{pariksya)^^: „Aus dem ätman entstanden ist der Mensch, und

[seine] Krankheiten sind auch aus dem ätman entstanden, denn

dieser ist die Ursache: Er sammelt das karman an und erfährt

seine Wirkungen. Denn ohne den Bestandteil/das konstitutive

Element des Bewußtseins [der Person] ist das Auftreten von

Glück und Leid nicht [möglich]"*" - Es widerspricht ihm Saralo-

man. „Saraloman aber sagte: ,Nein, [das ist nicht richtig], denn

der ätman kann sich niemals selbst durch sich selbst mit Krank¬

heiten, [also] Leiden, in Verbindung bringen, da er Leid völlig

abhold ist. Das manas aber, das sattva heißt, umgeben von rajas

" Ich zitiere nach der Ausgabe der NSPress, 3. Aufl., Bombay 1941 und verzich¬

te darauf, die Varianten aus der Ausgabe der CarS mit dem Kommentar des

Gangädhara (ed. K.N. Sengupta and K.B. Sengupta, Pt. I, Calcutta 1905) zu

verzeichnen - und zu diskutieren.

" Mit artha ist hier m.E. nicht das Erkenntnisobjekt (in seinem Objektcharakter) gemeint, sondern wegen der festen Zuordnung jeweils eines bestimmten Objekttyps

zu einem Sinn(esorgan) eben die Elemente {mahäbhüta), und zwar im Hinblick

darauf, daß der menschliche Körper u.a. aus ihnen besteht. - Man beachte auch,

daß purusa hier dem Begriff „Person" sehr nahekommt. Zum Personbegriff s.

auch: Tlw Category of the Person. Anthropology, philosophy, history. Ed. by

M. Carrithers et al., Cambridge-London (etc.) 1985 sowie: Concepts of Person in Religion and Tliought, ed. by Hans G. Kippenberg et al., Berlin-New York 1990.

" S. dazu auch meinen Aufsatz Sanskrit pariksaka or How Ancient Indian Phi¬

losophers Perceived Themselves, der in der , Revista degli Studi Orientali' erschei¬

nen soll.

päriksis tat pariksyägre

maudgalya väkyam abravit /

ätmajah puruso rogäs

cätmajäh käranam hi sah // 8 //

sa cinoty upabhuhkte ca

karma karmaphaläni ca /

na hy rte cetanädhätoh

pravrttih sukhaduhkhayoh // 9 //.

(15)

und tamas ist die Ursache der Entstehung des [menschlichen]

Körpers und der Veränderungen (in Gestalt von Krankheiten)'."*'

- Väryovida ist anderer Ansicht: „Väryovida aber sagte: .Nein,

[das ist nicht richtig], denn das manas allein ist nicht die Ursa¬

che. Ohne Körper gibt es nicht die körperlichen Krankheiten und

[kann auch] das manas nicht bestehen. Die Lebewesen und die

verschiedenartigen Krankheiten entstehen vielmehr durch den ra¬

sa ; denn das Wasser ist durch rasa charakterisiert und es gilt als

Ursache der Entstehung [der Lebewesen und ihrer Krankhei¬

ten]'."** - Auch diese These bleibt nicht unwidersprochen. „Hi-

ranyäksa aber sagte: ,Nein, [das ist nicht richtig], denn der ätman

gilt nicht als aus rasa entstanden, noch das manas, das/insofern

es [ebenfalls] grundsätzlich der Wahrnehmung entzogen ist; [und]

es gibt [ja] ebenso Krankheiten, die z. B. durch Töne usw. hervor¬

gerufen sind. Aus den sechs konstitutiven Elementen vielmehr

entsteht der Mensch, und [seine] Krankheiten entstehen ebenfalls

aus diesen sechs. Dieses Aggregat, [das der Mensch darstellt],

wird nämlich als aus den sechs konstitutiven Elementen [ätman

und Äther, Wind, Feuer, Wasser und Erde]*' entstanden von den

frühen/ursprünglichen Vertretern des Säinkhya gelehrt'."** - Die-

" saralomä tu nety äha

na hy ätmätmänam ätmanä /

yojayed vyädhibhir duhkhair duhkhadvesi kadäcana // 10 //

rajastamobhyäm tu manah paritam satti>asamjnakam / sarirasya samutpattau

vikäränämam ca käranam // 11 //.

" väryovidas tu nety äha

na hy ekarn käranarn manah /

narte sariräc chärira-

rogä na manasah sthitih // 12 //

rasajäni tu bhütäni

vyädhayas ca prthagviähäh / äpo hi rasavatyas täh smrtä nirvrttihetavah // 13 //

Zu verschiedenen Möglichkeiten, die zweite Hälfte von Vers 13 zu interpretieren, s. Cakrapänidattas Kommentar.

" Cakrapänidatta verweist hier zu Recht auf Särirasth. I. (16).

" hiranyäksas tu nety äha na hy ätmä rasajah smrtäh / nätindryam manah santi rogäh sabdädijäs tathä // 14 //

(16)

ser Ansicht kann sich Kausika nicht anschließen. „Zu Kusika*',

als er solches lehrte, sagte Kausika: ,Das ist nicht [richtig]; denn

weshalb/wie sollte [der Mensch] ohne Vater und Mutter aus

[diesen] sechs konstitutiven Elementen entstehen? Ein Mensch

wird aus einem Menschen geboren, ein Rind aus einem Rind, ein

Pferd aus einem Pferd. Und Krankheiten wie meha usw.™ sind

als erblich gelehrt; diese beiden (d.h. Vater und Mutter) sind

Ursache in Bezug darauf (d.h. die Entstehung des Menschen und

seiner Krankheiten)'."" - Auch gegen diese These wendet sich

einer der maharsis. „Bhadrakäpya aber sagte: ,Nein, [das ist

nicht richtig], denn nicht wird von einem Blinden ein Blinder

geboren; und [bei] dieser [These] ist auch die ursprüngliche Ent¬

stehung/das erste Auftreten von Vater und Mutter logisch nicht

stimmig. [Ich] meine, daß das Lebewesen vielmehr durch das

karman entsteht und daß [auch] seine Krankheiten aus dem kar¬

man entstehen; denn ohne das karman [gibt es] die Entstehung

von Krankheiten oder des Menschen nicht'."'^ - Auch dagegen

saddhätujäs tu puruso rogäh saddhätujäs tathä / räsih saddhätujo hy esa

sämkhyair ädyaih prakirtitah // 15 //.

" Cakrapänidatta erläutert: kusikä iti hiranyäksasya näma /. Dies stimmt mit CarS Sütrasthäna 26.3 (s.u. §5.3), überein, nicht aber mit Sütrasthäna 1.11 f. -

wie auch GirIndranäth Mukhopädhyäya, History of Indian Medicine, Vol. III,

repr. Delhi 1974, p.457 bemerkt.

" R.E.Emmerick, Tlie Siddliasära of Ravigupta. Vol. 2: The Tibetan Version wilh

Facing English Translation, Wiesbaden 1982, p.37 gibt diesen Ausdruck durch

„urinary disease" wieder.

" lathä bruvänam kusikam äha lan neti kausikah /

kasmän mäläpitrbhyäm hi

vinä saddhätujo bhavet // 16 //

purusali purusäd gaur gor asväd asvali praj äy ate / pitryä mehädayas coklä

rägäs täv atra käranam // 17 //

" bhadrakäpyas tu nety äha na hy andho 'ndhät prajäyate / mätäpitror api ca le

prägulpallir na yujyate // 18//

karmajas lu malo jantuh karmajäs tasya cämayäli / na hy rte karmano janma rogänärn purusasya ca // 19 //.

(17)

erhebt sich Widerspruch. „Bhäradväja aber sagte: ,Nein, [das ist

nicht richtig], denn das karman/eine Tat setzt einen Täter voraus,

und eine nicht [von einem Täter ausgeführte] Tat, deren Ergebnis

der Mensch wäre, gibt es erfahrungsgemäß nicht. Das Eigenwe¬

sen/die Natur ist vielmehr die Ursache der Entstehung der

Krankheiten und des Menschen; [das] ist ja wie [die Eigenschaft]

Festigkeit, Flüssigkeit, Beweglichkeit und Hitze [der vier Elemen¬

te], deren letztes das Feuer ist", (d. h. der Elemente Erde, Wasser,

Wind und Feuer)'."'" - Auch diese Ansicht findet nicht allgemei¬

ne Zustimmung. „Kähkäyana aber sagte: ,Nein, [das ist nicht

richtig], denn, [wenn svabhäva die Ursache wäre], gäbe es kein

Resultat [menschlicher] Unternehmungen. Die Erlangung " oder

eben Nicht-Erlangung von Dingen [nach denen man strebt und

die zu erreichen man zielgerichtet handelt], ergäbe sich aus dem

Eigenwesen/der Natur. Schöpfer dieser. Geistiges und Ungeisti¬

ges umfassenden, Welt von Glück und Leid, ist vielmehr der Sohn

von Gott Brahmä, Prajäpati, dessen Wollen [als Wurzel seines

Schaffens] unbegrenzt ist'."" - Damit kann sich der Vertreter des

kälaväda nicht befreunden. „,Das ist nicht [richtig]', [sagte] der

Bettelmönch Ätreya, ,denn Prajäpati könnte, da er seiner Nach¬

kommenschaft stets" Gutes wünscht, seine [eigenen] Nachkom¬

men nicht mit Leiden plagen wie ein schlechter [Vater]. Durch

die Zeit entstanden vielmehr ist der Mensch, und durch die Zeit

entstanden sind seine Krankheiten. Die ganze Welt steht unter

" Cakrapänidatta verweist liier zu Recht auf Särirasth. 1. (29).

'* bhäradväjas tu nety äha kartä pürvarn hi karmanah / drstarn na cäkrtarn karma

yasya syät purusah phalam // 20 //

bliävaheluh svabhävas tu vyädhinärn purusasya ca / kharadravacalosnatvarn / tejo'ntänärn yathaiva hi // 21 //.

" Cakrapänidatta meint, in Vers 22 cd solle yadi ergänzt werden.

" känkäyanas tu nety äha

na hy ärambhaphalam bhavet /

bhavet svabhäväd bhävänäm asiddhih siddhir eva vä // 22 //

srastä tv amitasahkalpo

brahmäpatyam prajäpatih /

cetanäcetanasyäsya

Jagatah sukhaduhkhayoh // 23 //.

" Man könnte satatatn natürlich auch mit dem verbum finitum verbinden.

(18)

dem Befehl der Zeit, die Zeit ist in bezug auf alles die Ur¬

sache'.""* - Zum Schluß aber greift der ehrwürdige Punarvasu

ein, denn es heißt (Verse 26-29):

tatharsinäm vivadatäm uväcedam punarvasuh /

maivam vocata tattvam hi duspräpam paksasamsrayät //

vädän saprativädän hi vadanto niscitän iva /

paksäntam naiva gacchanti tilapidakavad gatau / /"

muktvaivam vädasahghattam adhyätmam anucintyatäm /

nävidhüte tamahskandhe j'neye jnänam pravartate //

yesäm eva hi bhävänärn sarnpat samjanayen naram /

tesärn eva vipad vyädhin vividhän samudirayet //.

5.2 Die Übereinstimmungen mit den , Polemiken' des AS

springen sofort ins Auge: Eine Reihe von namentlich genannten

Personen - diese Namen aber sind ganz anderer Art - tragen

jeweils ihre Ansicht zu dem Problem vor. Der zweite und die

folgenden tun dies in der Weise, daß sie die Meinung des Vor¬

redners jeweils mit Gründen zurückweisen - wobei die Struktur

ungeachtet gewisser metrisch bedingter Variationen immer die

gleiche ist {na ... na hi ... etc.) - und anschließend ihre eigene

These, abgehoben durch das stark adversative tu, unter Anfüh¬

rung von Gründen darlegen. Päriksi allerdings hat als erster nicht

die Möglichkeit, einen anderen zu kritisieren, Punarvasu Ätreya

aber, dessen Name aufs engste mit der Carakasarnhitä verbunden

ist*°, läßt keine der Thesen der insgesamt neun maharsis gelten,

sondern stellt ihnen - in Vers 29 - seine eigene entgegen, der

zufolge die Mangelhaftigkeit/schlechte Verfassung eben derjeni¬

gen Faktoren, deren Vorzüglichkeit/gute Verfassung den Men¬

schen hervorbringen, auch seine verschiedenen Krankheiten ver-

tan neti bhiksur ätreyo na hy apatyam prajäpatiii / prajähitaisi satatam

duhkhair yunjyäd asädhuvat // 24 // //

kälajas tv eva purusah kälajäs tasya cämayäh / jagat kälavasarn sarvarn

kälah sarvatra käranam // 26 //.

" Cakrapänidatta erläutert: tilapidakas tailärtharn yantropari sthito manusyah,

tilapidako yathä gatau gamane sati gamyadesäpräptyä cäntam näsädayati punas

tatraiva bhramanät tathä ... /.

Vgl. etwa J. Filliiozat: The Classical Doetrine of Indian Medicine. Delhi 1961, p.2 ff.

(19)

ursacht; und im Fortgang geht es dann nur mehr um die Frage,

welches diese Faktoren sind, und das heißt - da (die) andere(n)

Ursachen für die Entstehung von Krankheiten bzw. des Men¬

schen bemerkenswerterweise nicht (mehr) behandelt werden*' -:

um die Frage nach dem hitähära und ahitähära. Auch hier behält

diejenige Person, aufdie das , Lehrwerk' der Tradition nach in¬

haltlich zurückgeht, das letzte Wort, obsiegt also und ist selbst

jeder Kritik enthoben!

Ideengeschichtlich äußerst interessant sind freilich die Begleit¬

umstände: Punarvasu übt ja nicht nur Kritik an dem, was Ca¬

krapänidatta, mir scheint, treffend paksaräga nennt, d.h. dem

leidenschaftlichen Sich-Einsetzen für die eigene gedankliche Po¬

sition, als der Erkenntnis der Wahrheit gerade hinderlich, son¬

dern er verneint auch überhaupt die Möglichkeit, auf dem Wege

von Argument und Gegenargument, durch das Aufeinanderpral¬

len unterschiedlicher Meinungen zum tatva vorzustoßen! Die Me¬

thode, die seiner Ansicht nach allein zum Ziel führt, tritt zwar -

trotz Vers 28 - nicht klar umrissen hervor, zeichnet sich auf jeden

Fall aber durch eine im indischen philosophisch-wissenschaftli¬

chen Kontext doch sehr auffällige, wenn auch nicht völlig isolier¬

te anti-dialektische Grundüberzeugung aus*^.

Es ist jedoch ein anderer Aspekt, der diesen Abschnitt der Ca¬

rakasamhitä nicht nur von den , Polemiken' des AS unterschei¬

det, sondern zugleich auch für das im vorliegenden Aufsatz be¬

handelte Problem besonders aufschlußreich ist, nämlich der

bisher noch nicht besprochene Anfang, d.h. die Verse 3-7:

purä pratyaksadharmäriarn *' bhagavantatn punarvasum /

" Die ist natürlich ein Moment der Inkohärenz, das darauf hindeuten könnte, daß hier eine Nahtstelle im Text vorliegt.

" Zu dem weiteren geistesgeschichtlichen Kontext, der mir freilich noch ge¬

nauerer Untersuchung zu bedürfen scheint, bzw. zu Parallelen s. Esther A. Solo¬

mon: Indian Dialeets. Methods of Philosophical Discussion, 2 Vols, Ahmedabad 1976/1978, p. 23 f. - Ob eine Beziehung auch zu Bhartrharis und Sahkaras Vorbe¬

halten gegen tarka und yukti (s. dazu W. Halbfass: India and Europe. An Essay in Understanding, New York 1988, 279[f ]) besteht, sei zunächst dahingestellt.

" pratyaksadharman hat sicher nicht die im pw (5. Teil, „Nachträge und Ver¬

besserungen", S. 260) verzeichnete Bedeutung „die Verdienste (der Menschen) vor

Augen habend"; hier ist Böhtlingk ganz offensichtlich Nilakantha zu

Mahäbhärata 3.260.2 (auf diese Stelle allein wird im pw verwiesen) auf den Leim gegangen, der pratyaksadharmä erklärt als nrnärn dharmasya vettä und bhagavän als isvarah, während doch im Text selbst klärlich Vyäsa gemeint ist, wie auch der

(20)

sametänäm maharsinäm präduräsid^* iyam kathä // 3 //

ätmendriyamano 'rthänäm yo 'yam purusasamjnakah /

räsir asyämayänäm ca prägutpattiviniscaye // 4 //

tadantaram *' käsipatir vämako väkyam arthavit /

vyäjahärarsisamitim upasrtyäbhivädya ca // 5 //

kin nu bhoh puruso yajjas ** tajjäs tasyämayäh smrtäh /

na vety ukte narendrena proväcarsin punarvasuh // 6 //

sarva evämitajnänavijnänacchinnasamsayäh /

bhavantas chettum arhanti käsiräjasya samsayam // 1 //.

Es bleibe dahingestellt, ob der König nun überhaupt das The¬

ma der samiti bestimmt oder ob er nur die Funktion eines Kata¬

lysators hat*'; wichtig ist vor allem, daß der Inhalt - wenigstens

Vokativ bhagavan in 3.260.1 zeigt. Der Ausdruck pratyaksadharnia{n), der übri¬

gens auch Vimänasthäna 3.24 in dem komplexen Kompositum pratyaksadevade-

varsidharmayajnavidhividhänäli, d. h. unter den Attributen der Menschen am An¬

fang des krtayuga, begegnet - ist sicherlich von säksätkrladharma(n) nicht zu trennen, wenn nicht überhaupt damit bedeutungsgleich, jedenfalls an gewissen

seiner Belegstellen (z.B. Nirukta 1.20 im Unterschied zu Nyäyabhäsya zu NS

1.1.7); eine Wiedergabe wie „einer/der, der den Inhalt des Veda (und des auf ihm

beruhenden Dharmapästra) bzw. die metaphysischen Gegebenheiten direkt er¬

kannt/wahrgenommen hat" dürfte eher das Richtige treffen, obwohl eine genauere Untersuchung erforderlich wäre. Anders als an der Nirukta-Stelle, wo säksätkrta- dharman der näheren Charaktersierung der Seher {rsi) dient, hat man hier freilich

den Eindruck, daß Punarvasu dadurch von den maharsis abgehoben werden soll,

die ihrerseits über diese(s) außergewöhnliche Erkenntnis(vermögen) nicht verfü¬

gen; s. aber auch u. §5.3. - Cakrapänidattas Erklärung: pratyaksadharmatvarti tapahprabhävät wird von Gahgädhara erweitert, indem er noch das Kompositum auflöst pratyaksadharmänam iti tapaljprabliävät säksätkrto dharmo yasya tam).

" So wie statt der spezifischen Sämkhya-Ausdrücke {abhi-)vi-aüj, prädur-bhü etc. auch die , gewöhnlichen' Verben jan, ut-pad etc. gebraucht werden können - worauf der Verfasser der Yuktidipikä ausdrücklich hinweist - können umgekehrt erstere durch letztere ersetzt werden, ohne daß eine andere Bedeutung intendiert ist (s. Yuktidipikä, ed. Pandeya, p.54 1. 2ff und vgl. z.B. Prabhäcandras Nyäya- kumudacandra p. 342 1. 2 ff, wo prädurbhavati, hier allerdings in Opposition zu abhivyajyate stehend, ersichtlich „steht/kommt zur Entstehung" bedeutet oder Nyäsa zu Käsikä zu Pan. 1.4.30:... tathä hi janiprädurbhäve'ilipathyate (cf. Dhp.

4.41) / prädurbhävo Janma eva /). Gemeint ist also nicht mehr, als daß „es zu

einer kathä" unter diesen maharsis „kam".

" Heißt das „in diesem Moment" oder „dabei"? Gahgädhara expliziert ...

prägutpattiviniscaye kathäyärn upasthitäyärn madhye ...

" Dadurch ist, wie auch Cakrapänidatta zu 25.1 u. 2 dargelegt, impliziert, daß auch nach der Entstehung des Menschen selbst gefragt wird.

" Der Vergleich zwischen Vers 4 und 6 zeigt, daß die maharsis davon ausgehen,

daß beide, der Mensch und seine Krankheiten, die gleiche prägutpatti haben.

(21)

des ersten Teils des adhyäya 25 - als kathä bezeichnet wird; denn

daß der Text so zu verstehen ist - und nicht etwa dahingehend,

daß die beim ehrwürdigen Punarvasu versammelten maharsis ei¬

ne kathä führen, durch den König Vämaka aber gewissermaßen

unterbrochen und abgelenkt werden -, darf wohl a priori als die

wahrscheinlichere Annahme gelten. Allem Anschein nach hat

kathä hier die Bedeutung „Diskussion, Debatte"**, ohne daß sich

entscheiden ließe, ob dieser Ausdruck hier - wie etwa im Nyäya

- als Oberbegriff für unterschiedliche Arten von Debatten ver¬

wendet ist oder in eher nicht-technischer, allgemeiner(er) Bedeu¬

tung. (Intentionales) Ziel der kathä ist jedenfalls ein niscaya, eine

„klare, definitive Entscheidung".

Damit hebt sich der Car5-Abschnitt von den , Polemiken' im AS

nicht nur durch eine Rahmengeschichte ab, durch die die , Histo¬

rizität' dieser Debatte fingiert wird, sondern auch durch die expli¬

zite Selbst-Charakterisierung als kathä. Entgegen der Erwartung,

die dieser Begriff - ebenso wie seine deutschen Äquivalente -

weckt, ist das, was den für uns hier wesenthchen Inhalt des Ab¬

schnitts ausmacht, aber gar keine echte Diskussion, bei der die

Möglichkeit zur Replik besteht, sondern ein , Meinungsaustausch'

in einem ganz elementaren Sinne, dem nämlich, daß eine Reihe

von Personen nacheinander ihre Meinung zu einer strittigen Frage

darlegen und dabei den allfälligen Vorredner kritisieren können.

Für uns nimmt sich eine solche kathä aber wie das Er¬

gebnisprotokoll einer Diskussion aus; daß allenfalls die Ansicht

eines anderen Teilnehmers mit Gründen zurückgewiesen werden

kann, erzeugt bei uns heutigen Lesern andererseits zusätzlich den

Eindruck eines künstlich-starren Schemas. Aber genau in dieser

Hinsicht besteht eine so weitgehende Übereinstimmung mit den

, Polemiken' im AS, daß an der literarhistorischen und systema¬

tisch-gattungsmäßigen Zusammengehörigkeit beider kein Zweifel

aufkommen kann und die Anwendung des Terminus kathä auch

während der König genau dies zum Gegenstand einer Alternativfrage macht. Dar¬

an anknüpfend fordert Punarvasu die maharsis auf, des Königs Zweifel zu besei¬

tigen -, und das geschieht dann dadurch, daß sie alle nur eine gemeinsame Ur¬

sache lehren, wenn auch jeweils eine andere. „Warum dieser , Umweg'?", fragt man sich. Ein traditionelles, , archaisches' Element, an die Rolle König Janakas

in den Upanisaden erinnernd bzw. historisch daher stammend? Eine Entspre¬

chung in den anderen kathäs des CarS fehlt allerdings.

" Zur Bedeutungsentwicklung von kathä äußert sich Solomon, o.e. (vgl.

Anm. 82), p. 12f. auf eher spekulativ-naive Weise.

(22)

auf letztere vollauf berechtigt scheint. Wilhelms „Polemik" wird

also auch durch die indische Tradition selbst der Boden entzogen!

5.3 Geht man dem Stichwort kathä in der CarS nach*', dann

stößt man u.a.'" auf weiteres einschlägiges Parallelmaterial. Am

Anfang von Kapitel 26 des Sütrasthäna wird eine andere Gruppe

von maharsis genannt, alle „reif an Wissen und an Jahren und

selbstbeherrscht" (srutavayovrddhä jitätmänö). Ätreya (Punar¬

vasu) wird an erster Stelle genannt; seine herausragende Stellung

wird aber auch in diesem Abschnitt neben anderen durch seine

Charakterisierung als bhagavant deutlich. In Vers 7 heißt es dann

von all diesen Sehern, die im Caitraratha Wald/,Lusthain' zu¬

sammengekommen waren, um die Natur zu genießen {vi-

jihirsavahy^:

tesäm tatropavistänäm iyam arthavati kathä /

babhüvärthavidärn samyagrasähäraviniscaye //

Und die kathä selbst hat folgende Gestalt: „,Der rasa ist nur

einer', sagte Bhadrakäpya, ,[er ist] einer der 5 Sinnesgegenstän¬

de, [und zwar] der, den die Kenner als denjenigen bezeichnen,

der zum [Wahrnehmungs-]Bereich der Zunge gehört; er ist aber

nicht von Wasser verschieden'. - ,Es gibt zwei rasas', [sagte] der

Brahmane(,ein) Säkunteya", , [einer] ist entfernend'", [der ande-

8' Was mir dank der Hilfe von Rahul Peter Das bzw. des von ihm unter der

Leitung meines Kollegen Emmerick erstellten Zeilen- und Wortindex der Haupt¬

texte der klassischen äyurvedischen Literatur möglich war.

kathä wird in der CarS erwartungsgemäß auch in der (geläufigeren) Bedeu¬

tung „Erzählung" verwendet (z.B. Cikitsästhäna 9.20, 4.109, 24.157).

" Monier-Williams {A Sanskrit-English Dietionary) verzeichnet zwar das Kom¬

positum srutavrddha aus dem „Raghuv.", aber leider ohne genauere Stellenanga¬

be; Herrn Mylius verdanke ich den Nachweis: 18.46. Zu vergleichen wäre außer¬

dem Raghuv. 1.23 {vrddhatvam jarasä vinä, von Dilipa) und die Kommentare

dazu, wo die semantisch sehr ähnlichen Ausdrücke vidyävrddha (Cäritravardhana und Vallabhadeva) bzw. jnänavrddha (Mallinätha; vgl. auch Räm. [Baroda] 2.40.8)

belegt sind, sowie Kum. S.5. 16 (na dharmavrddhesu vayah samiksyatej. Vay-

ovrddha ist belegt Raghuv. 4.27. S. auch Manu 2.150 ff. und 156.

Zu vihära s. auch meinen Aufsatz On Two Medical Verses in the Yuktidipikä . In: Journal of the European Ayurvedic Society 1, 1990, pp. 127-148.

Soll durch das Beiwort brähmanah dem Mißverständnis vorgebeugt werden,

daß es sich um einen Angehörigen des „warrior-tribe" (Monier-Williams) Säkun- taki oder den Nachkommen eines Vogelfängers handelt?

Cakrapänidatta erklärt: chedaniya ity apatarpanakärakah, upasamaniya iti

brmhanah / ; zu apatarpana bzw. chedana / chedin s. auch G. J. Meulenbeld: The Mädhavanidäna and its Chief Commentary ..., Leiden 1974, p. 440 bzw. 465. Nicht

(23)

re] beruhigend." - ,Es gibt drei rasas', [sagte] Pürnäksa Maud¬

galya ,den entfernenden, den beruhigenden und den, der beides

bewirkt''' - ,Es gibt vier rasas', [sagte] Hiranyäksa Kausika, (1)

süß und heilsam, (2) süß und schädlich, (3) nicht-süß und heilsam

und (4) nicht-süß und schädlich'. - Und so geht es weiter, d.h.

Kumärasiras Bhäradväja lehrt fünf rasas, Väryovida, der räjarsi,

sechs, Nimi, der König von Videha, sieben, Badisa Dhämärgava

acht, und Kähkäyana, der Arzt aus Bählika, meint gar, es gäbe

ihrer unzählig viele'*. Darauf meldet sich der „ehrwürdige"

Ätreya Punarvasu zu Wort, und was er vorträgt, ist ersichtlich der

siddhänta, was sich u.a. daran ablesen läßt, daß er im Zuge der

Erklärung der richtigen Lehre, daß es nämlich genau sechs rasas

gibt, die Ansichten der anderen teilweise aufgreift, teilweise aber

ausdrücklich zurückweist".

Auch hier demnach eine sehr ähnliche Struktur, denn die Nen¬

nung der jeweils nächst höheren Kardinalzahl ist - ebenso wie

z.B. in AS 1.15.47 ff. die Zahlenfolge zwölf, sechzehn, zwanzig

oder in AS 1.2 die Anerkennung von vier, drei, zwei bzw. nur

einer vidyä - gewiß so zu deuten, daß damit der Ansicht des

jeweihgen Vorredners klar widersprochen wird; allerdings fehlen

die Begründungen sowohl für die Zurückweisung der unmittelbar

vorher vorgetragenen , gegnerischen' Ansicht als auch der je eige¬

nen , Lehre'. Desungeachtet handelt es sich auch bei dieser Dis¬

kussion um eine kathä : Allem Anschein nach deckt dieser Begriff

klar ist mir, warum hier Gerundiva gebraucht sind; ist an den Effekt gedacht, den man medizinisch herbeiführen will, und dieser auf das Mittel übertragen? Oder sind es nicht vielmehr Sekundärnomina?

" Cakrapänidatta bietet zwei Erklärungen für sädhärana, nämlich ägneyasaum-

yasämänyäd ubhayor api lahghanabrmhanayoh kartä oder parasparavirodhäd

akartä /.

" eka eva rasa ily uväca bhaärakäpyah, yarn pahcänäm indiyärthänäm anyata- marn jihvävaisayikarn bhävam äcaksate kusaläh, sa punar udakäd ananya iti / dvau

rasäv iti säkunteyo brähmanah, chedaniya upasamaniyas cet / trayo rasä iti

pürnäksa maudgalyah, chedaniyopasamaniyasädharanä iti / catväro rasä iti hi-

ranyäksah kausikah, svädur hitas ca svädur ahitas cäsvädur hitas cäsvädur ahitas ceti / pahca rasä iti kumärasirä bharadväjah, bhaumaudakägneyaväyavyäntariksäh

/ sad rasä iti väryovida räjarsih, gurulaghusitosnasnigdharüksäh / sapta rasä iti nimir vaidehah, madhurämlalavanakatutiktakasäyaksäräh / astau rasä iti badiso dhämärgavah, madhurämlalavanakatutiktakasäyaksärävyaktäh / aparisarnkhyeyä rasä iti kähkäyano bählikabhisak, äsrayagunakarmasarnsvädavisesänäm aparisarnk- hyeyatvät // 8 //.

" Nämlich die Känkäyanas.

(24)

doch eine Reihe in sich verschiedener Formen des .Meinungsaus¬

tausches' ab.

5.4 Diese Vermutung wird schlagend bestätigt durch das dritte

Beispiel, auf das ich die Aufmerksamkeit lenken möchte, den 12.

adhyäya des Sütrasthäna. Die Diskussion dort dreht sich um die

Frage der Vorzüge und Nachteile'* des (Körperelements) Wind

(vätakaläkalä), weist aber eine völlig andere Struktur auf. Kusa

Sänkrtyäyana eröffnet sie mit der Feststellung, es gäbe sechs Ei¬

genschaften des Windes, und zwar sei er" trocken, leicht, kalt,

stark'°°, rauh oder klar"". Dann heißt es: tac chrutvä väkyam

kumärasirä bhäradväja uväca - evam etad yathä bhagavän äha, eta

eva vätagunä bhavanti, sa tv evamgunair evatndravyair evarn-

prabhävais ca karmabhir abhyasyamänair väyuh prakopam äpa-

dyate, samänagunäbhyäso hi dhätünärn vrddhikäranam iti // 5 //.

Der nächste maharsi, Kähkäyana, der Arzt aus Bählika, bestä¬

tigt in gleicher Weise ausdrücklich die Richtigkeit dessen, was

Kumärasiras Bhäradväja ausgeführt hat, um es dann seinerseits

zu ergänzen bzw. den Gedanken fortzuführen (vätaprasamanäni) ;

und gleiches gilt für Badisa Dhämärgava und Väryovida, den

Ksatriya-Seher"'^. Dann aber fragt Marici (12.9): yady apy evam

etat kim arthasya asya vacane vijnäne vä sämarthyam asti bhisag-

vidyäyäm, bhisagvidyäm adhikrtyeyam kathä pravrtteti „... [denn]

diese kathä ist veranstaltet worden über das Thema des Wissens

'» Ich folge hier der ersten der zwei von Cakrapänidatta gebotenen Erklärungen (kalä gunah, yad uktam ,sodasakalakam' [Sütrasth. 10.(3)] iti; akalä gunaviruddho dosah; tena vätakaläkaliyo vätagunadosiya ity arthah /yadi vä kalä süksma bhägah, tasyäpi kalä kaläkala, tasyäpi süksma bhäga ity arthah /), da sie mir durch den Kontext, d.h. 12.3 ebenso wie 10.3, bestätigt zu werden scheint, von Garigädhara allerdings nicht berücksichtigt wird. Meulenbeld, o.e. (s. Anm. 94), p.453f er¬

wähnt diese Bedeutung freilich nicht.

" Cakrapänidatta stellt klar, es seien eigentlich die Abstrakta (rüksarva usw.) gemeint.

Gemäß Cakrapänidattas erster (von zwei alternativen Erklärungen) ist

därunatva (s. Anm. 99) = calatva, wozu er erklärend anfügt calan>ät evam

dirghajivitiyoktam (d.h. Sütrasth. 1.59) calatvam uktam bhavati.Die Parallele legt diesen Schluß in der Tat nahe, obwohl er semantisch nicht ganz unproblematisch ist („heftig" gegenüber „beweglich").

Der Text lautet: atroväca kusah sähkrtyäyanah - rüksalaghusitadärunakhara- visadäh sad ime vätagunä bhavanti // 4 //.

Vgl. CarS , Sütrasthäna 12.6-8, die ich wegen ihres großen Umfangs hier

nicht zitieren möchte, obwohl namentlich 8 u.a. wegen der Identifizierung von Gott Väyu mit zahlreichen anderen Göttern die Aufmerksamkeit des Religionshi¬

storikers verdiente.

(25)

des Arztes!" Väryovida antwortet (12.10), Marici vertritt eine an¬

dere Ansicht (12.11), Käpya wieder eine andere (12.12), bis

schließlich der „ehrwürdige" Punarvasu Ätreya, das Problem ab¬

schließend klärend, bemerkt: „Ihr alle habt richtig gesprochen,

abgesehen davon, daß die definitive Entscheidung [noch]

fehlt,"'"' und dann selbst den siddhänta verkündet - von dem es

dann aber noch ausdrücklich heißt, daß ihm alle Seher freudig

zustimmen'"*. Auch dieses Gespräch ist also laut der Aussage im

Text selbst eine kathä, und was darunter zu verstehen ist, wird

durch den Anfang von 12.3 vätakaläkaläjnänam adhikrtya paras-

paramatäni jijnäsamänäh samupavisya maharsayah papracchur

anyo'nyam ... auf plausible Weise expliziert: Eine , Diskussion',

bei der man aber nur die Meinung der anderen Teilnehmer zu

einer bestimmten Frage - oder einem Fragenkomplex'"' - kennen¬

lernen möchte, wobei einem Teilnehmer die Rolle des siddhäntin

zufällt bzw. vorbehalten ist. Diskutiert nämlich werden die

Einzelmeinungen ihrerseits nicht - sieht man von der indirekten

Kritik des Punarvasu Ätreya ab'"*.

6. Die drei kathäs '"' in der CarS unterscheiden sich nicht nur

voneinander in manchen Besonderheiten, sondern weisen auch

einzelne Merkmale auf, die, kommt man vom AS her, neu sind:

Die - bereits erwähnte - Erzählung über Anlaß und Umstände

der Diskussionen, die suggeriert, daß sie tatsächlich stattgefun¬

den haben. Auch sind die Teilnehmer nur teilweise die gleichen,

und von einer stereotypen Aufzählung kann mit Blick auf die

CarS nicht die Rede sein.

Trotzdem drängen sich auch bei diesem Text ähnliche bzw.

grundsätzlich die gleichen Fragen auf, die sich Wilhelm mit Be¬

zug auf das AS vorgelegt hat: Sind die Teilnehmer historisch

'°' tac chrutvä käpyavaco bhagavän punarvasur ätreya uväca - sarva eva bhavan- tah samyag ähur anyatraikäntikavacanät / ... // 13 /. Gahgädhara erläutert:

präninäm subhäsubhayoh käranasyaikäntavacanäd avyabhicärivacanäd anyatra /.

tad rsayah sarva evänumenire vacanam ätreyasya bhagavato 'bhinanandus ceti // 14 //- vgl. auch 1.34f.

Wie er in 12.3 aufgelistet ist (in einer Form, die z.B. aus dem Säntiparvan vertraut ist).

Indem er Maricis Vorwurf, daß Väryovida ,das Thema verfehlt habe', nicht bestätigt.

Der Ausdruck begegnet, in der in Rede stehenden Bedeutung, auch Sü¬

trasthäna 1.15b; aber ich strebe hier keine Vollständigkeit an und gehe deshalb auf diesen Abschnitt nicht ein.

(26)

faßbar? Passen, sofern sie mehr als einmal zu Wort kommen, ihre

TTiesen zusammen? Sind die Ansichten, die sie vertreten bzw. die

ihnen zugeschrieben werden, historisch glaubwürdig, d.h. tat¬

sächlich von Medizinern/Gelehrten im alten Indien vertreten

worden? Und so fort.

Auch bei diesen mit dem Äyurveda verbundenen maharsis verlie¬

ren sich offenbar - d. h. wenn ich nichts Wichtiges übersehen habe -

die Spuren im Nebel von Spekulationen, deren Grad von Wahr¬

scheinlichkeit nicht zu bestimmen ist'"*, bzw. im völligen Dunkel

fehlender sonstiger Erwähnungen u. a. auch nur des Namens'"'.

Führt also die .Entdeckung' dieser Parallelen in der CarS zu

nichts anderem als einer bloßen Vermehrung bzw. Verlagerung der

Probleme? Die Frage ist natürlich rhetorisch, denn ich bin der

Meinung, daß die CarS umgekehrt entscheidend beiträgt zu ihrer

Lösung bzw. zu einem neuen Verständnis dieser Probleme, die sie

im Endeffekt wohl zu lösen imstande ist. Ich gehe dabei u. a. von

der Überlegung aus, daß beide Texte, AS wie CarS, als solche gar

nicht datierbar sind in dem Sinne, daß sie beide Material aus sehr

verschiedenen Zeiten und möglicherweise ganz unterschiedlichen

oder gar stark heterogenen Charakters enthalten - so daß die Fra¬

ge nach dem Entstehungszeitpunkt allenfalls sinnvoll wäre in be¬

zug auf einzelne Material-Teile (sollten sie sich herausschälen las¬

sen) oder in bezug auf eine Redaktion/die Endredaktion (sollte sie

sich als solche erkennen und in ihrem Wie beschreiben lassen).

Vom Problem der Chronologie abgesehen, ist es darüber hinaus

so, daß auch der Vergleich der , Polemiken' im AS mit den kathäs

in der CarS keinerlei Anlaß zu der Vermutung bietet, daß hier Be¬

einflussung des einen Textes auf den anderen vorliege (in welcher

Richtung auch immer). Der Vergleich macht vielmehr im höchsten

Maße wahrscheinlich, daß uns unabhängige Zeugnisse einer -

im wesentlichen freilich gemeinsamen - Tradition vorliegen"".

Wenn diese Voraussetzungen richtig sind, dann darf - und muß -

zuvörderst festgestellt werden, daß die literarhistorische

Ich denke hier z.B. an das, was J. Filliozat, o.e. (s. Anm. 80), p.38f. zu K-ähkäyana, dem bählikabhisaj, schreibt.

S. etwa das Buch von Girindranäth Mukhopädhyäya (vgl. Anm. 69).

"° Etwas gänzlich anderes ist die von W. Ruben: Kuhurgeschichie Indiens, Ber¬

lin 1978, S.136 et passim behauptete Gemeinsamkeit zwischen Staatslehre und

Medizin in ihrem Sichlösen von der brahmanischen Theologie und ihrer Entwick¬

lung von ihr unabhängiger lehren.

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