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(1)im Lichte von Präjotierung und Dejotierung im Semitischen Von Josef Tropper, Berlin 1

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(1)

im Lichte von Präjotierung und Dejotierung im Semitischen

Von Josef Tropper, Berlin

1. Problemstellung

Das Semitische kennt - synchron betrachtet - vier verschiedene

Kausadvmarker, nämlich s,, h, ' und y. In der Vergangenheit hat

man zumindest und A, manchmal auch ', als separate Morphe¬

me interpretiert', während sich in jüngster Zeit die Überzeugung

durchzusetzen beginnt, daß es sich dabei lediglich um phoneti¬

sche Varianten eines einzigen Protomorphems handelt, das als j|

zu bestimmen isti

Der Kausadvmarker y, der ausschließlich im Phönizischen be¬

legt ist', wurde dagegen nur selten als ursprüngliches Morphem

betrachtet" und meist mit dem in den anderen kanaanäischen

' So J. Retsö, Diathesis in the Semitic Languages. A Comparative Morphological Study (SSLL 14), Leiden [u.a.] 1989, 80-94.

2 So als erster M. M. Bravmann, „The Semitic Causative Prefix §/§A", Le Museon 82 (1969), 517-522. Siehe ferner A. Loprieno, Das Verbalsystem im Ägyp¬

tischen und im Semitischen. Zur Grundlegung einer Aspekttheorie, Wiesbaden 1986, 142-144; R.M. Voigt, „Die Personalpronomina der 3. Personen im Semitischen", WO 18 (1987), 58-59; J. Tropper, Der ugaritische Kausativstamm und die Kausa¬

tivbildungen des Semitischen (ALASP 2), Münster 1990, 8-17.

' Es ist wahrscheinlich, aber nicht nachweisbar, daß das Byblische als einziger

phönizischer Dialekt kein Jifil-, sondern entsprechend dem Hebräischen ein

HiPil-KausaUv besaß (zur Diskussion siehe W.R. Garr, Dialeet Geography of

Syria-Palestine, ]000-586 B.C. K, Philadelphia, 1985, 122). Das Byblische weicht bekanntlich auch in der Schreibung des Pronominalsuffixes der 3. m. Sg. von den anderen phönizischen Dialekten ab.

* M.W. halten nur G. Garbini (zuletzt in: Le lingue semitiche. Studi di storia linguistica, Neapel ^1984, 81-88, bes. 83f.) und F.Bron {Recherches sur les ins¬

criptions pheniciennes de Karatepe, Paris/Geneve 1979, 139) das Kausativpräfix y für ein ursprüngliches Morphem. Garbini ist der Auffassung, daß diesem Kausativ¬

präfix ebenso wie dem in den meisten phön. Dialekten bezeugten Pronominalsuffix der 3. m. Sg. y ein urhamitosemitisches Pronominalmorphem *ya zugrunde liegt.

(2)

Die pliöniziscli-punisclien Kausativbildungen 29

Sprachen belegten A-Marker (Hifil) in Verbindung gebracht. Die

Erklärungen für die Entstehung der phönizischen Kausativform

Jif il aus einer älteren Form HiPil lauten im einzelnen folgender¬

maßen:

1. Die Form yiqül = iiqtil ist eine Analogiebildung zur negierten

Kausativform, die aus einer engen Verbindung von 'f -I- hiqtil

> 'liiqtil entstanden ist^

2. hiqtil > 'iqtil (Lautwandel h > ') > iiqtil (infolge eines

Sandhi-Phänomens, z.B. hü 'iqtil > hü iiqtil)^.

3. Der Laryngal h in hiqtil entwickelt sich phonetisch auf direk¬

tem Wege unter Einwirkung des folgenden Vokals / (d.h.

durch Palatalisierung des h) zu yiqtiP.

4. hiqtil > 0iqtil (Schwund des anlautenden h) > iiqtil. Eine

analoge Entwicklung liegt im Aramäischen vor: haqtel >

0 aqtel > 'aqteP.

Das Ziel dieses Artikels besteht darin zu zeigen, daß die letzte

der genannten Theorien methodisch die stringenteste ist und die

Entstehung des phönizischen Jifils am überzeugendsten zu erklä¬

ren vermag. Die betreffende Theorie setzt zwei phonetische Ver¬

änderungen an, nämlich a) einen Schwund von anlautendem h

und b) eine Entwicklung von / zu // im Anlaut. Beide Schritte

sollen im folgenden verdeudicht und begründet werden.

2. Psilose (Schwund von anlautendem h) im Semitischen'

Der Laryngal h neigt im Semitischen dazu, in intervokalischer

Stellung ersatzlos auszufallen. Dieses Phänomen ist häufig be¬

zeugt und ist allgemein anerkannt. Es mag in diesem Zusammen-

' J. Friedrich - W. Röllig, Phönizisch-Punische Grammatik (AnOr 46), Rom

^1970, 68. Für diese Erklärung hat offenbar das Altäthiopische Pate gestanden (z.B. 'afqara „er liebte" :: 'i-yafqara „er liebte nicht").

' Z.S. Harris, A Grammar of the Phoenician Language, New Haven 1936, 42 f.

' S. Segert, A Grammar of Phoenician and Punic, München 1976, 70. 142.

« E.L. Greenstein, „Another Attestadon of Inidal h > 'in West Semidc", JANES 5 (1973), 163; ähnlich Tropper, Der ugaritische Kausativstamm, 10, Anm.

30.

' Siehe zu diesem Phänomen vor allem Greenstein, JANES 5 (1973), 157-164

und J. Tropper, „Ugaritisch wm (KTU 3.9: 6) und der Schwund von anlautendem h im Semidschen", UF21 (1989), i^lX-'^l'i.

(3)

hang genügen, auf die „schwachen" Imperfekt- und Partizipial¬

bildungen des H-Kausativstammes zu verweisen: yuhaqtil >

yu0aqtil > yuqtil bzw. yaqtil; muhaqtil > mu0aqtil > muqtil

bzw. maqtil. Die zugrundeliegende Lautentwicklung ist demnach

h > 0. Es ist methodisch stringent, dieselbe Entwicklung h > 0

auch für jene Beispiele anzusetzen, wo h im Anlaut schwindet,

wie etwa im Perfekt des aram. Kausativstammes haqtel >

*0aqteV° Da ein vokalischer Anlaut im Semitischen nicht gedul¬

det wird, entwickelt sich eine solche Form *0aqtel weiter zu

'aqtel. Ein direkter Lautwandel h > 'ist im Semitischen somit

nicht nachzuweisen. Der Schwund eines anlautenden h ist eine

weitverbreitete phonetische Erscheinung, die sich auch in ande¬

ren Sprachen der Erde, gerade auch im indogermanischen

Sprachzweig, nachweisen läßt. Der bereits von der antiken grie¬

chischen Nationalgrammatik für diese Erscheinung geprägte Be¬

griff Psilose" sollte deshalb auch in der semitischen Sprachwis¬

senschaft verwendet werden.

Aus den angestellten Überlegungen folgt, daß auch beim Per¬

fekt des phön. Kausativstammes grundsätzlich von einer Entwick¬

lung hiqtil > *0iqtil (d.h. h > 0) und nicht etwa von einer

Entwicklung hiqtil > *'iqtil (d.h. h > ') auszugehen ist.

3. Präjotierung (/ > // im Anlaut) und Präwawierung (ii > uu

im Anlaut) im Semitischen

Eine aus hiqtil durch Psilose entstandene Form *0iqtil kann

mit rein vokalischem Anlaut nicht bestehen, sondern muß sich

entsprechend den semitischen Anlautgesetzen entweder zu 'iqtil

oder zu iiqtil weiterentwickeln. Beide Formen sind tatsächlich

belegt, die letztere im Phönizischen und Frühpunischen (Schrei¬

bung yqtf), die erstere im Spätpunischen (z. B. 'yqds „er weihte";

ingeb „er stellte auP''^). Während die Form 'iqtil unproblematisch

Der Schwund eines anlautenden h läßt sich ferner bei der Kondidonalparti- kel hm (< *s\m) „falls" (akk. summa; ugar hm und im, phön. 'm, hebr. 'm und hn, aram. hn und 'n, arab. 'in und 'immä, altäth. '3m[ma]) und bei der Interjek¬

tion hn „siehe" (ugar. hn, hebr. hinneh, arab. 'inna, altäth. na-) beobachten.

" Der Begriff Psilose ((piXwoi^) bezeichnet der griechischen Grammadkbe- schreibung zufolge den Verlust der Aspiration im Anlaut, die charakteristisch für

die osdonischen und lesbischen Dialekte war. Vgl. E. Schwyzer, Griechische

Grammatik], München 51977, 220f

Siehe zu den Belegen Friedrich-Röllig, Phönizisch-Punische Grammatik,

(4)

Die phönizisch-punischen ICausativbildungen 31

ist und formal mit aram. 'aqtel oder arab. 'aqtala vergleichbar

ist, ist die Entwicklung von *0iqtil zu iiqtil bisher im wesentli¬

chen undurchsichtig geblieben.

Die Entwicklung von / > ii im Anlaut (und analogisch

u > uu) wird jedoch phonetisch nachvollziehbar angesichts des

Tatbestandes, daß es im Semitischen - wie in vielen anderen

Sprachen der Welt - keine primäre Opposition zwischen den ge¬

schlossenen Vokalen / bzw. u und den entsprechenden Halbvo¬

kalen i bzw. u gibt". Folglich können die Vokale / und u je nach

Silbenposition auch als ii/uu oder ii/uu^^ erscheinen'^ Solche

Prozesse werden traditionell mit „Verhärtung eines (geschlosse¬

nen) Vokals in seinen Halbvokal" oder mit „Aufspaltung bzw.

Auflösung eines (geschlossenen) Vokals in seine vokalische und

konsonantische Komponente" umschrieben. Ich möchte sie hier

einfach als „Jotierung" bzw. „Wawierung" bezeichnen. Treten

solche Prozesse im Wortanlaut ein, spreche ich näherhin von

„Präjotierung" bzw. „Präwawierung". Ich greife dabei zurück auf

den in der indogermanischen Sprachwissenschaft geprägten Be¬

griff „Präjotierung", mit dem eine - besonders im Ostslawischen

und modernen Armenischen zu beobachtende - Voranstellung ei¬

nes palatalen Halbvokals i vor Wörter bezeichnet wird, die mit e

oder / anlauten'*.

Präjotierung und Präwawierung sind innerhalb des Semitischen

vor allem im Altäthiopischen verbreitet. Folgende Beispiele sollen

dies verdeutlichen:

- Die Personalpronomina der 3. Person Sg. lauten im Altäth.

wa'atu und ya'ati. Für die maskuline Form läßt sich folgende

Entwicklung rekonstruieren: hü'atu > 0ü'atu (Psilose) >

uu'atu (Präwawierung) > ud'atu (Vokalreduktion); für die fe-

68. 74. Aus diachroner Sicht ist die spätpunische Form 'iqiil allerdings aus einer älteren Form Uqtil entstanden (siehe dazu unten [Abschnitt 4]).

" Siehe dazu etwa R.M. Voigt, Die infirmen Verballypen des Arabischen und das Biradikahsmus-Problem, Stuttgart 1987, 13-14.

" Neben /; und ii kann auch ia und 3i, neben uu und uu auch ua und au - jeweils mit reduzierten Vokalen - entstehen.

" Die genannten Prozesse sind zwar an sich unabhängig von der Quandtät des zugrundeliegenden Vokals, lassen sich im Semitischen aber vornehmlich bei zu¬

grundeliegenden Langvokalen beobachten.

Analogisch zum Phänomen der Präjoderung läßt sich im Armenischen - nicht aber im Slawischen - auch eine „Präwawierung" beobachten, d. h. eine Voranstel¬

lung eines Halbvokals u vor Wörter, die mit o oder u anlauten.

(5)

minine Form gilt: hPati > 0rati (Psilose) > iPati (Präjotie¬

rung) > p'sti (Vokalreduktion)".

- Fremdwörter, die ursprünglich vokalisch (d. h. nicht aspiriert)

mit / oder o anlauten, erscheinen im Altäth. entweder als Wör¬

ter primae ' oder als Wörter primae y/w^^: Der Ibis-Vogel (aus

griech. ißig) wird altäth. entweder als 'ibn oder als yabn reali¬

siert. Das griechische Wort oßoA-o? „Münze" lautet im Altäth.

entweder 'a/oboli oder wabo/ali. Dabei gilt, daß / phonema¬

tisch gleich ya und o gleich wa ist. Eine solche phonemadsche

Idendtät ist im Falle von altäth. 'aktayärän „Fisch" neben

yäktiyärän (aus griech. ixOudgiov) allerdings nicht gegeben.

Präjotierung und Präwawierung sind aber auch außerhalb des

Äthiopischen beobachtbar. Im Hebräischen weisen etwa folgende

zwei Personennamen mit großer Wahrscheinlichkeit eine sekun¬

däre Präjotierung auf :

- Der Name 'is-boscet, der im Alten Testament tendenziös für

'cesba'al „Mann des Ba'al" steht, ist in 2 Sam 23,8 und

1 Chr 11,11 als *yisba'al anzusetzen, was durch die verschiede¬

nen Versionen gestützt wird".

- Dieselbe Lautentwicklung Cw > its) dürfte im hebr. Namen

yissäkär „Issachar" vorliegen. Der Name setzt sich wahrschein¬

lich aus den Bestandteilen '// „Mann" und säkär „Lohn" zu¬

sammen und bedeutet „Lohnarbeiter"2°.

Die Phänomene Jotierung (/ > ii bzw. ii) und Wawierung (w

> uu bzw. uu) sind im Semitischen im übrigen nicht nur im

Wortanlaut, sondern auch im Wortinnern nachweisbar, vornehm¬

lich an Positionen, die ursprünglich durch die Laryngale h oder

' besetzt waren:

" Ähnlich C. Brockelmann, Grundriß der vergleichenden Grammatik der semi¬

tischen Sprachen, I, Berlin 1908, § 104 (Brockelmann nimmt jedoch an, daß das anlautende h durch Dissimilation vor 'schwindet).

" Siehe dazu A. Dillmann, Grammatik der äthiopischen Sprache, Leipzig ^1899 (= Graz 1959), § 34.

" Siehe L.Köhler-W.Baumgartner, Hebräisches und aramäisches Lexikon

zum Alten Testament, neu bearbeitet von B. Hartmann, E.Y. Kutscher, J.J.

Stamm u.a., Leiden '1967 ff., 42 f

" Siehe G. Bergsträsser, Hebräische Grammatik Mit Benutzung der von

E. Kautzsch bearbeiteten 28. Auflage von Wilhelm Gesenius' hebräischer Gram¬

madk, 1. Teil, Leipzig 1918, § 17t.

(6)

Die pliöniziscli-punisclien Kausativbildungen 33

- Das wohl bekannteste Beispiel dafür findet sich wiederum im

Bereich der Personalpronomina der 3. Person Singular: Die im

Ugar., Arab, und Altsüdarab. belegten Formen huwa und hiya

gehen auf hü'a und hPa zurück^'. Folgende Entwicklung läßt

sich rekonstruieren: hü'a > hü0a (Schwund von intervokali¬

schem ') > huua (Wawierung, d.h. t7 > uu); hi'a > hi0a >

hiia (Jotierung, d. h. f > ii).

- Die arabischen Hamzasetzungsregeln zeugen von demselben

Phänomen: In der nichtklassischen Sprache, auf der die arabi¬

sche Orthographie beruht, wurde der Stimmabsatz ' im Wortin¬

nern nicht mehr gesprochen und dementsprechend nicht ge¬

schrieben. Zwischen Vokalen verschiedener Qualität entwickel¬

ten sich an Positionen, an denen ursprünglich ein Stimmabsatz

gestanden hatte, durch Jotierung bzw. Wawierung i und w, z. B.

qäiim „stehend" für *qä'imun und hatiiah „Sünde" für *hati'a-

tun einerseits und suuäl „Frage" für *su'älun andererseits^^.

- Im Phönizischen zeugt die in vielen Dialekten verbreitete

Schreibung des Pronominalsuffixes der 3. m. Sg. mit {y}, die in

der Regel nach Substantiven im Genitiv Singular und im Plural,

d.h. jeweils nach /-Vokal, sowie auch nach Verben mit

(lang)vokalischem Auslaut auftritt^', von Jotierung. Das Gra¬

phem (y) läßt sich am einfachsten phonetisch, d.h. durch eine

Entwicklung -ihu > -i0u (Schwund von intervokalischem h)

> -iiu^^ (Jotierung) erklären^^

" Damit gegen S. Moscati (ed.), An Introduction to the Comparative Grammar of the Semitic Languages , Wiesbaden 1964, § 13.9, wo die Formen huwa und hiya als ursemidsch, die Formen hü'a und hi'a dagegen als sekundär erklärt werden.

Die Begründung lautet dort: „it is easier to explain the loss of intervocalic w and y than their secondary insertion".

" Vgl. W. Fischer, Grammatik des Klassischen Arabisch (Porta Linguarum Orientalium, N.S. 11), Wiesbaden 1972, § 14.

" Siehe F.M. Cross -D.N. Freedman, „Pronominal Suffixes of the Third Per¬

son Singular in Phoenician", JNES 10 (1951), 228-230.

^* Das Beispiel -ihu > -i0u > -iiu (und nicht etwa -i0u > -iuu) weist auf eine

klare Rangordnung bei den Prozessen Jotierung und Wawierung hin, die man in

folgender Regel zusammenfassen kann: Jotierung (in der Umgebung eines /-Vo¬

kals) geht stets vor Wawierung (in der Umgebung eines u-Vokals). Diese Regel entspricht der Hamzaträgerregel der klassisch-arabischen Orthographie, wonach vor und nach einem /'-Vokal stets (y) als Hamzaträger fungiert, und zwar auch

dann, wenn ein u-Vokal vorausgeht bzw. folgt (siehe Fischer, Grammatik des

Klassischen Arabisch, § 15).

^' Andere Erklärungen sind m. E. weniger wahrscheinlich: a) -ihu > iiu durch Palatalisierung von h nach /'-Vokal (so Cross - Freedman, JNES 10, 1951, 229);

(7)

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß Joderung und Wa¬

wierung im Semidschen belegt sind. Die phönizische Kausadv¬

form yiqtil = iiqtil läßt sich zwanglos an die oben angeführten

Beispiele für Präjotierung anschließen und von einer Form *0iqtil

ableiten, die ihrerseits wiederum auf hiqtil zurückgeht, yiqtil hat

somit die gleiche Entstehungsgeschichte wie das altäth. Personal¬

pronomen ya'ati „sie" (< OVati < hi'ati). Beide Formen sind

durch Psilose (Schwund von anlautendem h) und anschließender

Präjotierung (/ > // im Anlaut) entstanden.

4. Dejotierung (Ji > i) und Dewawierung (uu > u)

im Semitischen

Die semitischen Sprachen kennen neben der Präjotierung und

der Präwawierung auch das diametral entgegengesetzte phoned¬

sche Phänomen, nämlich die Vereinfachung eines halbvokali¬

schen Wortanlautes zu vokalischem Anlaut (der in der Regel dann

mit {■'} geschrieben wird). Die betreffenden Prozesse, // > / bzw.

uu > u, sollen hier als „Dejoderung" bzw. „Dewawierung" be¬

zeichnet werden. Sie sind im Semidschen eindeudg häufiger be¬

legt als die entgegengesetzten Prozesse und sind insbesondere für

nachklassische Sprachstufen bezeichnend.

Dejotierung und Dewawierung sind wiederum im äthiopischen

Bereich sehr anschaulich zu beobachten. Bereits in frühnachklas-

sischer Zeit wurden die altäthiopischen Anlautsilben y9 als [i],

W3 als [u] und wa als [o] gesprochen. Diese Aussprache ist auch

in den modernen äthiopischen Dialekten allgemein verbreitet^*.

Dejotierung und Dewawierung sind außerhalb des Äthiopi¬

schen besonders im Syrischen verbreitet, wo p und ua im An-

und Inlaut regelhaft zu i bzw. ü werden: z. B. CJirah (Schreibun¬

gen {'yrh} und {yrh}) < yarah „Monat" und hayütä < haywatä

„Tier"".'

Im Hebräischen scheint das Phänomen der Dejoderung (und

b) dem Graphem (y) liege ein urhamitosemidsches Pronominalmorphem *ya zu¬

grunde (so Garbini, Le lingue semitiche, 83 f.).

^' Siehe Dillmann, Grammatik der äthiopischen Spraehe, § 19. Vgl. ferner

J. Hartmann, Amharische Grammatik (Äthiopisdsche Forschungen 3), Wiesba¬

den 1980, §§ 3.1.4-3.1.5 und 4.4.10.

" Siehe C. Brockelmann, Syrische Grammatik, Leipzig '^1976, §73, Anm.4.

(8)

Die pliöniziscli-punisclien Kausativbildungen 35

der Dewawierung) ab den ersten Jahrhunderten n.Chr. verstärkt

eingetreten zu sein, da etwa hebr. Wörter mit ^a-Anlaut in der

Septuaginta und bei Josephus noch vorwiegend mit le-, später bei

Origines und Hieronymus dagegen mit i- bzw. /- umschrieben

werden^*. Hinweise auf Dejotierung in früherer Zeit bieten

Schreibvarianten im hebräischen Text des Alten Testaments, wie

etwa die einmalige Schreibung des Personennamens Jesse/Isai als

'isay (1 Chr 2,13) neben yisay (1 Sam 16,1.22 u.a.).

Etwa zur gleichen Zeit wie im nachklassischen Hebräischen

setzt auch im späteren Punischen der Prozeß der Dejotierung

(und Dewawierung) verstärkt ein, wie etwa die lateinischen Um¬

schreibungen id für *yad „Hand" (Poenulus: 938) und ibarcu für

*y3barkü „sie segnen" (Poenulus: 931) beweisen^'.

Im Zuge dieser Entwicklung dürfte auch die ältere phönizisch-

punische Kausativform iiqtd zu C)iqtd vereinfacht worden sein,

wofür man in der Regel die Schreibung {"yqtlj verwendete. Die

spätpunische Kausativform C)iqtil ist also nicht direkt aus der

protokanaan. Form hiqtU entstanden, sondern geht unmittelbar

auf phön. iiqtU zurück.

Exkurs 1: Die semitische Existenzpartikel *'lsay

Die im Semitischen nachweisbaren lautlichen Prozesse der Prä¬

jotierung und Dejotierung lassen die verschiedenen Varianten der

semitischen Existenzpartikel - akk. (als Verbalwurzel) isu „ha¬

ben", negiert lassu „nicht habend/seiend"; ugar. tt; hebr. yes

und aaram. (negiert) lysh; aram. 'itay, negiert layt; arab.

(negiert) laysa ; Mehri (negiert) leh - in einem neuen Licht er¬

scheinen. Es ist davon auszugehen, daß alle genannten Formen

trotz der Anlautvarianten (Wechsel von ' und y) und trotz des

Wechsels der Phoneme s^ und / auf eine einzige ursemitische

Grundform zurückgehen'".

Der Wechsel von Si und / ist im Semitischen durchaus nichts

Außergewöhnliches. So weisen etwa folgende ugar. Wörter / für

Siehe Bergsträsser, Hebräische Grammatik, I, § 17s und Brockelmann, Grundriß I, § 69 ga.

" Siehe Segert, Grammar of Phoenician and Punic, 72.

" Damit gegen J.Blau, „Marginalia Semitica 11", ICS 2 (1972), 58-62. Blau postuliert zwei unterschiedliche ursemidsche Formen der Existenzpartikel, lau¬

tend auf *'itay und *yis.

(9)

semitisch 5, auf: ugar. d-w-t „zertreten" (KTU T18 I 19) ^ sem.

d-w-s^; ugar. m-t-k „fassen, ergreifen" (KTU 1.15 I 1.2) ^ west¬

sem. m-Si-k; ugar. t-r-m „(Fleisch) zertrennen, schneiden" (1.2 I

21 u.a.) ^ sem. 5,(?)-/--/«"; ugar. gtr „stark" (KTU 1.43: 11 u.a.)

Ä sem. gas,r; ugar. htbn „Rechnung" (KTU 4.158: 2; 4.337: 1) ^

westsem. hus^bän. Bei partikelartigen Wörtern ohne unmittelbar

durchsichtige Wurzelstruktur, zu denen auch die zur Diskussion

stehende semitische Existenzpartikel zählt, kann ein solcher

Wechsel noch leichter eintreten. Aufgrund der verschiedenen Be¬

legvarianten dieses Wortes dürfte dabei das Phonem j, (aufgrund

von akk. isu [die altakk. Schreibung lautet {1-SU}] und arab. lay¬

sa) ursprünglich, das Phonem / sekundär sein. Ein sicheres Urteil

ist jedoch nicht möglich.

Der Wechsel von ' und y im Anlaut läßt sich problemlos mit

Hilfe des Phänomens der Präjotierung (oder der Dejotierung) er¬

klären: Es ist angesichts der Beleglage wahrscheinlich, daß die

Formen mit '-Anlaut (ugar. it, hebr. 'is und aram. 'itay) ursprüng¬

lich, die Formen mit j-Anlaut (hebr. yes) aber durch sekundäre

Präjotierung entstanden sind'l Der umgekehrte Weg, d.h. eine

Entwicklung von / > ' im Anlaut infolge von Dejotierung, ist

jedoch freilich nicht auszuschließen.

Unseren Überlegungen zufolge dürfte somit die (einzige)

Grundform der diskutierten semitischen Existenzpartikel *'isay

(Wurzel '-S\ -y) gelautet haben.

Exkurs 2: Wurzelvarianten primae ' und primae w/y im Semiti¬

schen

Mit Hilfe der Prozesse der Präjotierung und Präwawierung

(bzw. Dejotierung und Dewawierung) lassen sich auch die relativ

zahlreichen semitischen Wurzeln und Formen erklären, deren er¬

ster Radikal in bestimmten Sprachen als in anderen Sprachen

als w oder j erscheint: vgl. etwa '-s-l :: w-s-l (nur arab.) „verei¬

nigen, verbinden"; '-r-/::arab. w-r-s(1) „begehren"; '-h-d :: w/y-

h-d „eins, einer"; kan. *'usr :: arab. yusrä „Glück"; hebr. '-l-m

" Die einzelnen Sprachen weisen - wohl bedingt durch die Radikale r und m - unterschiedliche sibilantische Phoneme als ersten Radikal auf: akk. s/s-r-m, syr.

s-r-m, arab. s/s-r-m.

" So mit R.Meyer, Hebräische Grammatik, II, Berlin '1969, 174 (§ 86.9b).

(10)

Die pliöniziscli-punisclien Kausativbildungen 37

„Garben binden" :: arab. wal(a)m „Sattelgurt"; 'ahi :: syr. yahlä

„Leute" u.a.

In den meisten Fällen dürften die Formen primae ' ursprüng¬

lich, die Formen primae w/y dagegen sekundär sein. Es liegt da¬

bei ein Ersatz von (schwach artikuliertem) ' im Anlaut durch die

Halbvokale w bzw. / vor. Die Entwicklung kann freilich auch

genau umgekehrt verlaufen: Aus einer Wurzel primae w/y kann

unter Schwund des halbvokalischen Anlautes (= Dejotierung

bzw. Dewawierung) sekundär eine Wurzel primae ' entstehen.

Wurzelvarianten dieser Art unter Annahme zweiradikaliger Basen

erklären zu wollen, ist unnötig und irreführend".

5. Zusammenfassung

In dem vorliegenden Artikel wurde für die phönizische Kausa¬

tivform yiqtil = iiqtil folgende Entstehungsgeschichte angenom¬

men : Aus einer protokanaanäischen Form hiqtil entstand im Phö¬

nizischen unter Abfall des anlautenden h eine Form 0iqtil, die

sich durch Präjotierung (/ > // im Anlaut) zu iiqtil weiterentwik-

kelte. Diese Form iiqtil wurde im Spätpunischen durch Dejotie¬

rung (iiqtil > i im Anlaut), d.h. durch Abfall des halbvokali¬

schen Anlautes, zu C)iqtU vereinfacht.

Präjotierung bzw. Präwawierung auf der einen Seite und Dejo¬

tierung bzw. Dewawierung auf der anderen Seite sind diametral

entgegengesetzte phonetische Prozesse, die sich allgemein im Se¬

mitischen beobachten lassen. Mit Hilfe dieser Prozesse lassen sich

unter anderem die verschiedenen Belegvarianten der semitischen

Existenzpartikel *'isay (-» Exkurs 1) und die häufigen semiti¬

schen Wurzelvarianten primae ' und primae w/y (^ Exkurs 2)

erklären.

" Siehe zum Problem R. M. Voigt, Die infirmen Verbaltypen des Arabischen, 67-97.

(11)

Von Roland Bergmeier, Weingarten

Noch immer, und dies nach mehr als vierzig Jahren intensiver

Forschung, wissen wir in Einzelfragen über die einstigen Besitzer

der Schriftrollen vom Toten Meer so wenig, daß jedes neu zu¬

gänglich gemachte Fragment vor schwierige Entscheidungen im

Grundsätzlichen stellt. Fundamentalfragen sind immer wieder:

• Gehört eine Handschrift originär zur authentischen Literatur

der Qumrangemeinde,

• wurde sie in Qumran nicht konzipiert, sondern lediglich rezi¬

piert und allenfalls redigiert,

• wurde sie in Qumran kopiert, weil sie, geistesverwandt, ge¬

schätzte Lektüre darstellte,

• oder nur überliefert und bewahrt als Bestandteil möglicher¬

weise alter priesterlicher Tempelbibliotheksbestände'?

Weil wir so wenig wissen, müssen neue Texte oft mehr hergeben,

als sie sagen könnend 4 Q 521 ist ein Beispiel, berührt jedenfalls

eine ganze Reihe nicht geklärter Qumranprobleme. Bevor diese

diskutiert werden, teile ich im Anschluß an E. Puechs umfangrei¬

che, aber zum Teil irreführende Analyse' zunächst den Text mit,

soweit er sich zusammenhängend darbietet und ich ihn lesen zu

können glaube", alsdann eine eigene, durch Anmerkungen kom¬

mentierte Übersetzung.

' Dies könnte immerhin ein zu beachtendes Moment sein in der Hypothese

von K. H. Rengstorf: Hirbet Qumrän und die Bibliothek vom Toten Meer. Stuttgart 1960.

^ Abschreckendes Beispiel : R. Eisenman/M. Wise: Jesus und die Urehristen. Die Qumran-Rollen entschlüsseU. München 1992. Alle aufsehenerregenden Informatio¬

nen stehen in den Einleitungen zu den Texten, nicht in den mitgeteilten Texten selbst.

' Une apocalypse messianique (4 Q 521). In: Revue de Qumrän (RdQ) 15

(1992), S.475-522.

* Zu danken habe ich Herrn Dr. G. W. Nebe, Heidelberg, für mancherlei Hilfe und Rat.

Referenzen

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