Zur semitischen Verbalbildung.
Von U. Torczyner.
In seinem Artikel „Neuere Stammbildungstheorien im semitischen
Sprachgebiete" (ZDMG. 65, 709—728) hat E. König auch zu meinen
Darlegungen über die Geschichte des semitischen Verbums (inner¬
halb meines Artikels ,Zur Bedeutung von Akzent und Vokal im
Semitischen*, ZDMG. 64, 269—311) Stellung genommen. Insofern 5
K. sich gegen dieselben ausspricht, sind seine Äußerungen durch¬
wegs reserviert gehalten und zur Widerlegung könnte ich mich mit
dem bloßen Verweis auf meinen der Besprechung zugrunde liegenden
Aufsatz begnügen, wo alle von K. vorgebrachten Argumente durch
vielfache Gründe bereits zurückgewiesen sind. Aber K.'s Artikel 10
erweckt beim Leser -— zum Teil auch deshalb, weil K. über drei
einander schnurstracks zuwiderlaufende Arbeiten dort ein gemein¬
sames Urteil fällen will — den Eindruck, als zwinge auch meine
Auffassung zur Annahme von „absoluten Differenzen zwischen den
Hauptästen des semitischen Sprachstammes* (65,728) und meine ,von 15
der historischen Erklärung . . . abgehen zu müssen* (S. 716). Meine
Absicht aber war eben gewesen, — m. E. zum ersten Male — eifie
wirklich historische Erklärung der gesamten semitischen Verbal¬
bildung in ihren Zusammenhängen zu versuchen. Und darum muß
ich König's Ausstellungen Wort für Wort entgegentreten. 20
Nachdem König zunächst im allgemeinen erklärt, daß ich in
der Trennung der hebräischen und der arabischen Verbalstämme
zu weit gehe (weil ich, wo Nichtzusammengehöriges verknüpft war,
getrennt, dagegen aber weit mehr Zusammengehöriges, das bisher
getrennt wurde , an richtiger Stelle verknüpft habe) , sagt König 2»
(S. 715): „Wenigstens in den westsemitischen Sprachen brauchen
die Vokalisationen des nächstliegenden Intensivstammes (PiSäel) nicht
als absolut getrennte Größen angesehen zu werden". Schon die
ersten Worte „wenigstens in den westsemitischen Sprachen" schließen
das wichtige Eingeständnis in sich, daß auf dem bisher begangenen 3»
Wege der kritiklosen Gleichsetzung resp. Gleichmachung scheinbar
entsprechender Verbalformen das Assyrisch-Babylonische dem Unter¬
suchenden ein warnendes Halt entgegenruft. Babylonisches quttul
als = arab. qattal{a) zu erklären wäre unnützer Aufwand grammatischer
Erklärungskunst, da das Perm, quttul offenbar von der im Präsens 35
88 Torezyner, Zur semitischen Verbalbildung.
gebrauchten Vokalisation qattal verschieden sein muß. Und K.
tut das, was er von mir behauptet: er nimmt .absolute Differenzen
zwischen den Hauptästen des semitischen Sprachstammes' — dem
Ost- und dem Westsemitischen — an.
6 Das Hebräische und das Aramäische aber, die dieses Präsens
[j'\uqattal in vorliterarischer Zeit verloren haben , müssen es sich gefallen lassen, daß man nicht aus der Sprache schließt und Gleiches
gleichsetzt , sondern ihre Formen nach verschiedenen und wie ich
gezeigt habe organisch fremden arabischen Bildungen zurechtstutzt:
10 ,Aus qattala mit dem juqattilu können das hebräische qittel
und das aramäische qattel auf organische Weise durch den Einfluß
auch sonst wirkender Faktoren des Sprachprozesses entstanden sein'.
Räumen wir einen Augenblick ein, daß solche Sprachfaktoren hätten
wirken können, so dürfen sie nicht angenommen werden, weil wir
13 keine Spur eines früheren, andersartigen Zustands finden, die uns
berechtigen würde, an der Ursprünglichkeit der existierenden Formen
zu zweifeln. Ferner kann man sich von der Wirkung solcher
Faktoren dadurch überzeugen, daß man dieselbe Form unter Be¬
dingungen vergleicht, wo diese Faktoren nicht wirken konnten.
20 Mit ihnen müßte ihre Wirkung fallen, und tatsächlich ist dies bei
dem analogen, von mir ZDMG. 64, 283 und 306, 14 ff. besprochenen
niqtal {aber: nnqOm, nüsai) und dem Irmpf. jiqtöl {eher: jaqüm,
jasöb) der Fall. In den uns hier beschäftigenden Stämmen qitfel
und kiqtil aber nicht! Das habe ich S. 283 gezeigt und ebendort
«6 S. 283—289 den ausführlichen Nachweis dafür erbracht, daß die
hebräischen und die aramäischen Formen aus den arabischen nicht
erklärt werden dürfen. Auch spricht K. selbst vorsichtig nur von
qiUel und hiqtil, nicht aber z. B. vom niqtal: offenbar weil auch
er nicht zeigen könnte, wie aus arab. inqatala (nach hebr. Lautgesetz
30 hiqqätal) hätte n^^qtal werden können*). Wenn aber in niqtal das
hebr. Perfekt aus dem Arabischen nicht entstanden ist, dann ent¬
spricht eben das hebr. Perfekt der vermehrten Stämme überhaupt
nicht ohne weiteres dem arabischen Perfekt! Oder will K. der
Gleichsetzung des hebr. und arab. Perfekts zuliebe auf die Ent-
35 sprechung des hebr. Perfekts in sich verzichten ?
Aber auch in bezug auf qittel und hiqfil erwidert K. auf die
von mir erbrachten Gründe nichts , sondern wiederholt nochmals
einige bereits widerlegte Vermutungen: „Denn erstens kann (von
mir gesperrt) eine Vereinerleiung der Tempusstämme sich voll-
40 zogen und dabei der bei mehr Formen (mindestens auch beim
Imperativ) fungierende Imperfektstamm gesiegt haben . . . Zweitens
konnte (von mir gesperrt) auch das a in der tonlos werdenden
Paenultima von qattil sich zu i erhöhen und erleichtern". Ich
will gar nicht so unbescheiden sein, Hen-n Prof. König daran zu
45 erinnern , daß man für eine Hypothese , sei sie noch so alt und
1) Was er ja auch Lehrgebäude I, S. 8 Anm ausdrücklich zugestanden hat.
allgemein giltig, nicht nur eine Auswahl aufeinander selbst gestützter
Möglichkeiten, sondern auch den Versuch eines Beweises verlangen
dürfte, zumal wenn es sich darum handelt, auf Grund des Arabischen
allein und gegen das Zeugnis .des Hebräischen, Aramäischen und
des gewaltsam zum Schweigen gebrachten Assyrisch-Babylonischen zu
entscheiden. — Aber darf da von Vereinerleiung die Rede sein, wo
die Verschiedenheit im Resultat — Perf. qittal (so nach der herrschen¬
den Auffassung die bessere Form) zu qattil — größer ist als im an¬
geblichen Ausgangspunkt: qaftal : qattil?\ Und daß qittel niemals
qattil gelautet hat , habe ich außer durch andere Momente auch
dadurch bewiesen, daß ich gezeigt habe (286 f.), daß das alte passive Partizip des qitfel, das ebenfalls so lautet, einfach die adjektivisch
gebrauchte Verbalvokalisation des Perfekts qittel ist. Von diesem
Partizip habe ich weiter nachgewiesen , daß es genau gleich dem
entsprechenden babylon. Partizip pass, quttul ist, daß somit die mit
diesen Partizipien identischen Verbalformen, das babylonische Permansiv
quttul (Imptv. quttil) und das hebr. Perfekt qitfel einander genau
entsprechen müssen. Diese Gleichung fordert auch die Vokalisation
des babylonischen Lehnworts im Hebräischen NES = bab. kussü
(290, 9). Die Vokalisation des Partizips qitfel hat auch das Aramäische
unverändert erhalten , obgleich sie im Verbum stets eine andere
Vokalisation verwendet.
Daß das Hebräische und Aramäische überhaupt vielfach dort i
setzen, wo Assyrisch und Arabisch (wohl älteres) u bieten, ist m; W.
noch unbeachtet geblieben (vgl. Brock., Grundr. I, § 52). Man vgl.
nur arab. qataltu, mutaqattilun, den Plural auf üna, die Pronomina C Jo£ CrJ&*
j»Äjt, ,»jC, ass. qafldku, muqtatfilu, Plural auf -ü{m), anaku,
attünu, -kun{u) etc. etc. mit hebr.-aram. qafalti, qiflet; mitqatfel,
metqaffal; Plural auf im, in, den Pronominibus ändki, attem,
■kern etc. und bes. ar. i^^, = hebr. n^N, 'ni'n. Das Arabische
hat diese Ausspracheerleichterung erst in modernen Dialekten durch¬
geführt, bes. im Syrisch-Arabischen, wo stets mitqattil, Plural auf t
z. B. musilmin = .,j,JL>*yo (oder auch misilmin\), für juqtilu stets
^- . -"
jiqtil gesagt wird , und wo die Joii-formen fast sämtlich wie Jots
gehört werden, etc.
Danach war für hebr. qittel im Babylonischen quf^l zu erwarten,-
und ebenso muß die entsprechende arabische Form lauten, die aber
nach dem Babylonischen, Aramäischen und dem hebräischen Partizip
qiffel passive Bedeutung haben muß. Darum habe ich zum hebr.
Pi"el das arabische Passiv quttila gestellt (S. 306; s. dort auch über qutila). Das Arabische selbst bezeugt also die Ursprünglich¬
keit der hebräischen Vokalisation qiffel.
Aber K. sagt: .Man braucht also nicht sich zu der Annahme
90 Torezyner, Zur semitischen Verbalbildung.
zu flüchten, daß dem hebräischen qittel von vornherein ein ganz
anderer vokalischer Typus, der nach Torezyner in beiden Silben
ein i besessen hätte zugrunde liege'. Ich schäme mich dieser
Flucht durchaus nicht ; denn es ist unsere Pflicht, wissenschaftlichen
5 Tatsachen gegenüber nachzugeben. Und wenn K. sagt: ,Wenn
man diese Annahme aber nicht braucht, dann darf man sie nach
meiner Überzeugung auch nicht machen', so möchte ich dem den
Satz gegenüberstellen, daß man auch eine Annahme, die man braucht,
nicht machen darf, wenn sie den Tatsachen widerspricht. Nach K.
10 sieht es aus, als ob ich eine unnötige Annahme mache, aber in
Wirklichkeit konstatiere ich nur, daß der hebr. Intensivstamm im
Perfekt eben qiäel lautet, wie wir ihn in den Texten stets vokalisiert
finden. Und Hen- Prof. K. und die herrschende Grammatik nehmen
ohne Grund und gegen das Tatsachenmaterial an , daß qiUel nicht
15 qiäel, sondern qattal sei. Ist Herr Prof. König wirklich so rigoros,
daß er stets die Notwendigkeit einer Annahme fordert, so habe ich
gezeigt, daß man seine Annahme nicht braucht, und bitte ihn, sie
nicht zu machen.
Weiter sagt K. (716): ,Denn das erste Urteil ist in der historischen
20 Spracherklärung immer dies, daß die Formen ebendesselben Sprach¬
stammes organisch untereinander zusammenhängen'. Gewiß, auch
das ist ein Urteil — vielleicht das erste, aber doch nicht das letzte ;
denn dieses muß sich immer erst aus genauer Prüfung der Tat¬
sachen ergeben , — und dann jedenfalls auch kein Urteil gegen
25 mich, sondern gegen König ! Denn K. konnte nur einige (vgl. das
Zugeständnis ih bezug auf mehrere durch mich erklärte Tatsachen
Lehrgbde. I, S. 8 Anm.) lautlich und organisch (s. S. 7) grund¬
verschiedene Formen des westsemitischen Verbnms allein verknüpfen,
während ich weit mehr, lautlich und organisch entsprechende Bil-
30 düngen (eine Widerlegung meiner Zusammenstellungen hat K. gar
nicht versucht) verbinden konnte — und dies ohne jede Annahme
nichtnachweisbarer Wirkung von Sprachfaktoren.
Das hebr. kiqtil wird von K. durch den Hinweis auf die
Deutung von qiUel erklärt (S. 716). Auch ich verweise dazu auf
35 die obige Widerlegung. Meine Auffassung von kiqtil als einfach
= kiqßl wird ohne Begründung als „nicht im Vorteil' bezeichnet.
Gelehrt ist sie freilich nicht. Aber i in beiden Silben bedarf gar
keiner Erklärung, weil diese Vokalisation durch bab. Suqf^l, aram.
Siqtel oder siqtül (z. B. DMSC = DlMi'ir) und arab. uqtila gesichert
40 ist. Und um die Form kiqßl aus der Welt zu schaffen , müßte
man alle Bibeln umschreiben.
Zum Beweise für seine Gleichung i = a führt König zwei
einander widersprechende Hypothesen an , deren Unsicherheit er
selbst Lehrgbde. I, S. 8 Anm. erklärt hat. Er sagt nämlich: „Mag
43 man bei der Erklärung dieses i in der Ultima von kiqtil eine hin¬
reichende Parallele in der Verwandtschaft des geschlossenen i (woher
dieses? Der Verf.) mit t sehen, oder die Analogie der HiphSilformen wie heqim (selbst unerklärlich ! Der Verf.) konkurrieren lassen müssen, das ist für die uns hier beschäftigende Frage gleichgiltig*. Sonderbar
genug, wenn man weiß, daß in dem besprochenen Aufsatze beide
Möglichkeiten als unstatthaft zurückgewiesen wurden (S. 285)! 5
König führt gegen mich seine Erfahrung an , ,daß man dem
Sprachprozeß die Gründe für alle Vokalisationen nicht abfragen
kann*. Damit will K. doch nicht alles Weiterforschen verbieten?
Manches werden wir immerhin noch finden können. Und da mich
zufällig ohne jedes Verdienst meinerseits , mein Gedankengang auf lo
neue Kriterien in diesen Fragen geführt hat, habe ich manches
historisch zu erklären vermocht, was bisher unerklärt war: nach
König wäre ich daher darin sogar zu weit gegangen. Trotzdem
legt mir König auf derselben Seite die Meinung in den Mund, ,von
der historischen Erklärung differenzierender Formen des Semitischen is
abgehen zu müssen". Ich habe jedoch nur anders erklärt, und
es ist doch wohl kein Vorzug einer Hypothese, wenn sie gerade
differenzierende Größen einander gleichsetzen muß!
Aber bei meiner Beweisführung »wirken Entscheidongsgründe
mit, die nur eine fragliche Sicherheit besitzen". Zur Mitwirkung 20
müssen meines Erachtens womöglich alle, daher auch unsichere
Momente mit in Rechnung gezogen werden. Und daß ich nicht
auch andere sichere Gründe erbracht habe, behauptet ja auch K.
nicht. Nun besitzen aber die von K. zitierten Entscheidungsgründe
durchaus nicht fragliche Sicherheit, für das, wofür ich sie heran- «5
ziehe! Ich sage wirklich: ,Wie kommt es, daß dasselbe qaftl vor
dem Pronomen stets intransitiv oder passiv, nach demselben stets
aktiv, und gerade umgekehrt: qcUal vor dem Pronomen stets aktiv,
nach demselben stets passivischen Wertes ist"? (279, 40). Ich
stelle diese Frage, aber ich schließe durchaus nichts Positives daraus, so
und wenn König letzteres behauptet, ist er mir und sich die Ant¬
wort schuldig, wo er dergleichen in meiner Abhandlung gefunden.
Ich stelle dieses Problem, und glaube, daß das Aufwerfen einer
solchen Frage auch dann von Wert gewesen wäre, wenn ich nicht
auch die Lösung dazu gegeben hätte. Das ist mir aber gelungen, ss
und wenn K. die Erklärung nicht gefunden hat, so bitte ich ihn
S. 296 nachzusehen, wo gezeigt wird, wie dasselbe qaiil nur nach
dem Pronomen aktiv, und vor ihm stets passiv ist; dasselbe qiUul
vor dem Pronomen stets passiv, nach ihm ausschließlich aktiv ist;
wie es ausgeschlossen ist , daß in der Vokalisation irgendwie der io
Unterschied von Aktiv und Passiv ausgedrückt wäre und wie er
nur in dem einzigen Formunterschied liegen kann und muß, der
zwischen aktiven und passiven Formen im Assyrischen besteht, der
Differenz von Vor- oder Nachsetzung der Pronomina. Dieses Problem
ist absolut eindeutig bestimmt , es gibt keine andere Möglichkeit, 45
und man wird mir glauben, daß ich selbst von vornherein an eine
so einfache Wurzel aller Schwierigkeiten der semitischen "Verbal-
92 Torezyner, Zur semitischen Verbalbildung.
bildung auch nicht im entferntesten gedacht habe *)". Und daß qattl
(Perfekt - Permansiv) durchaus identisch ist mit dem geschärften
qaiil in uqatfil, habe ich S. 295, 15 ff. durch folgende einfache Er¬
wägung bewiesen: „Dem Intensiv- und Kausativstamm liegen im
6 West- und Ostsemitischen drei Vokalisationen zugrunde, qafal,
qat*J, und 2^.^^^- Nun sind aber diese Grundformen nichts anderes
als eben die Formen jenes Stammes, aus welchem durch Schärfung
von Konsonanten etc. die anderen gebildet wurden, d. h. sie stellen uns die älteste erreichbare Form des Grundstammes, des Qal, dar!"
10 Warum also sind einzelne Verbalformen aktiv oder passiv?
Niemals hat die Vokalisation darauf Einfluß gehabt, sondern immer
muß bei gemeinsemitischen Formen die Bedeutung historiscli
erklärt werden! Und kann es Zufall sein, daß ich da (S. 297—310)
im einzelnen zeigen konnte 1. daß es keine „intransitive" oder
15 passive Verbalform gibt , . die nicht ursprünglich auch die passive
Stellung von Verbum + Pronomen aufwies, 2. daß es keine Verbal¬
form gibt, die nicht entweder ursprünglich passive Form und passive
Bedeutung hatte wie hebr. qittel (vgl. das Partizip), oder aber mit
ursprünglicher aktiver Bedeutung auch die aktive präfigieren^e
20 Form des Imperfekts besessen hätte?
Ich will hier nicht im einzelnen wiederholen, wie sich nach
meiner Auffassung das semitische Verbum entwickelt bat. Man
kann das in meinem Aufsatze mitsamt der Begründung finden.
Dann wird man auch darüber urteilen können, wieviel an Königs
25 weiterer Behauptung richtig ist, daß ich das Urteil, das arabische Perfekt qattala sei einst eine Präfixform gewesen, mit Erwägungen
begründe wie z. B. , daß man es bisher „nicht erklären konnte,
warum vom Unterschied „transitiver" und „intransitiver" Verba
in den vermehrten Stämmen nichts zu merken ist". Gewiß halte
30 ich auch diese FrageO aufrecht, ' und daß sich■ mir S. 297, ' 12fi'. ihre
wunderbar einfache Erklärung von selbst ergab,- ist wieder ein
starker Beweis für die Richtigkeit meiner Verbaltheorie ; und wenn
K. (S. 717) sagt, er wenigstens habe immer gedacht, dieser Unter¬
schied müsse in den vermehrten Stämmen nicht unbedingt ausge-
35 prägt gewesen sein, so zeigt das nur, daß selbst ein Forscher wie
K. über diese Frage sich keine Gedanken gemacht hatte , deren
Wichtigkeit und Schwierigkeit ich S. 288 ja nachgewiesen habe,
indem ich auch zeigte, daß die Frage „transitiver" oder „intransitiver"
Vokalisation die ganze Verballehre beheri-scbte, da man danach ver-
40 schiedene Verbalstämme statuierte , und an ihr den angeblichen
„charakteristischen Vokal" entdeckte, der dann auch zum Kriterium
für die Nominalbildung ward.
Die Behauptung aber, das arabische Perfekt sei ursprünglich
1) K. S. 723 Anm. 3 bestreitet, daß -hu in qafldku das Pronomen ,icb«
sein Icann. Wie erklärt er dann ana-ku, an-ta etc.?
Präfixform gewesen, ergibt sich mir, wie dies S. 291 ff. eingehend begründet ist, aus folgendem:
. 1. Die Vokalisation qatala, qattala ist die einer babylonischen Präfixform (S. 291).
2. Das arabische Perfekt trägt noch Spuren der ehemaligen
Präfigierung (S. 292.)
3. Das postulierte arab. Imperfekt der Vokalisation qatal ist
in zwei Formen noch erhalten (S. 293 f.).
Zu Ende dieser Verteidigung , will ich noch bemerken , daß,
nachdem die Verbalbildung des Assyrischen längst erkannt war,
man — wie ich das im ersten Satze meines Aufsatzes (S. 269)
andeutete — auch auf einem kürzeren Wege längst hätte zu den¬
selben Schlüssen kommen können, wie ich, wenn man sich einfach
vom Assyrischen aus etwa gesagt hätte: das Assyrische hat im
Grundstamm und in den vermehrten Stämmen 3 Zeiten und 3 Vokali¬
sationen qafal, qaf^l und qufp. Das Aramäische hat in den ver¬
mehrten Stämmen nur eine Vokalisation ausgebildet qafil. Das
Arabische qafal und qafil. Das Hebräische bietet qafil und qiü'l,
welch letzteres sicherlich = qutul ist. Denn der Grundstamm bietet
in allen Sprachen alle 3 Vokaltypen qafal, qafil und quful (Im¬
perfekt = ass. Präteritum) , für welch letzteres auch qitil stehen
J
darf (Verba der Form Jjiäj). Selbst wenn daher gezeigt werden
könnte, daß qifßl ursp. qaffal gewesen sein kann, würde das Baby¬
lonische dagegen entscheiden*).
Auf Grund der hier dargelegten Erwägungen, kann ich K.
auch in seinen a. a. 0. vorgebrachten positiven Aufstellungen durchaus
nicht zustimmen. K. wie die von ihm Besprochenen, Ahrens und
Bauer, bauen alle auf morschem Grunde. Trotzdem sollen meine
Ausführungen durchaus nicht gegen den Gelehrten gerichtet sein,
der sie hervorgerufen und dem ich für die ernste Behandlung der
aufgeworfenen Fragen zu Dank verpflichtet bin, sondern gegen die
Sache, die er vertritt.
1) Daß K. die Arbeit, die er beurteilt, nicht allwegs sehr eingehend durchgelesen hat, zeigt die Behauptung S. 723 Anm. 3, auch ich .teile die jetzt herrschende Ansicht, wonacli mit dem Perfekt der sonstigen semitischen Sprachen keine Verbalformen des Assyrischen organisch zusammenhängen sollen, indem auch nach mir (nach wem sonst? Der Verf.) ,das arabische Perfekt einst ein Imperfekt war* (S. 292. 17 f.)'! Ich schließe aber nur 3 Zeilen vor der zitierten Stelle u. a. eben daraus, daß das arab. Perfekt mit einem assyrischen Imperfekt identisch ist (was übrigens schon Barth 1887 gesehen hatte), die von König gegen ihren Sinn zitierte Behauptung, daß auch das arabische Perfekt einst die
Form des Imperfekts hatte! Ebendort spricht K. noch immer davon, die
Vokalisation charakterisiere das intransitive Verbum, Ist dann etwa der größte Teil der aktiven Verbalformen, ist jedes semitische aktive Imperfekt, sind alle aktiven Partizipien und ist das ganze aktive aramäische Verbum der vermehrten Stämme intransitiv?
94
Zur Flexion der semitischen Zahlwörter.
Von J. Barth.
Über diese Frage handelt in dieser Zeitschrift (Bd. 55, S. 550
—559) H. Reckendorf im Anschluß an meine Abhandlung „Sprach¬
wissenschaftliche Untersuchungen [= SU.], Teil II, S. 1—17. Er
macht gegen die von mir gewonnenen Resultate hinsichtlich ..der
8 Flexion der Zahlen von 3—10 und gegen meine Verwerfung seiner,
wie aller anderen, früheren Aufstellungen über sie Argumente geltend,
die ich in allen Hauptsachen ablehnen muß. Dies zu begründen,
sei mir im Folgenden gestattet Diejenigen Ergebnisse, zu denen
wir von ganz verschiedenen Grundlagen aus gemeinsam gekommen
10 sind, hat R. selbst schon S. 550 zusammengefaßt. Es handelt sich
also im Folgenden um die von mir bekämpften früheren Erklärungen
der Endungen at, t, iä der männlichen Zahlvs'örter von 3—10 als
weiblicher Substantivendungen.
Reckendorf hat sie, wie alle Früheren, ungeprüft als Feminin -
16 endungen aufgefaßt und die alte crux, daß feminine Zahlwörter
neben den gezählten Maskulinen stünden , aus einem mehrstufigen
Prozeß erklären wollen, nach welchem die ^Endung der maskulinen
- , - , - 1 -
Einer aus derjenigen der zweiten Zehnerdekade iudj usw. und
diese wieder erst aus falscher Analogie nach dem femininen viAjb
- .. o .
20 s^mc entstanden sein sollte.
Für diese komplizierte Ableitung bieten die Erscheinungen der
Sprache nicht den mindesten Anhalt. Sie war nur möglich, wenn
man als selbstverständlich annahm, daß die Endung auch hier ein
Feminin, ihr maskuliner Gebrauch also auf einem Umwege zustande
26 gekommen sei. Diese Voraussetzung hat auch Reckendorf ohne
Weiteres zugrunde gelegt; er hat nicht beachtet, daß die parallel¬
gehende Endung tü der äthiopischen Einer- und Zehnerzahlen keine
Feminin-, sondern eine ausgesprochene Maskulinendung ist*), die vrlr
1) In „Die syntaktischen Verhtitnisse . . 270, Anm. 1 hält er auch die äthiopischen Endnngen tü der zweiten Dekade für feminine, deren Verbindung mit maskulinen Substantiven eine Inkongruenz darstelle.